432e Lysosomale Speicherkrankheiten
Insgesamt sind über 50 verschiedene lysosomale Speicherkrankheiten bekannt, welche man anhand der Struktur der gespeicherten Substanz eingruppieren kann. In diesem Kapitel werden einige der häufigsten Erkrankungen dargestellt: Morbus Fabry, Morbus Gaucher, Morbus Niemann-Pick, die Mukopolysaccharidosen und Morbus Pompe.
Lysosomen sind heterogene zelluläre Organellen, die spezifische saure Hydrolasen enthalten. Diese Hydrolasen bewirken den selektiven Abbau von Proteinen, Nukleinsäuren, Kohlenhydraten und Lipiden. Mutationen in den Genen, die die lysosomalen Enzyme kodieren, bedingen eine verminderte Biosynthese und damit eine reduzierte Aktivität lysosomaler Enzyme, die somit zu einer lysosomalen Speicherkrankheit führen.
Lysosomale Speicherkrankheiten sind Multiorganerkrankungen mit progressivem Verlauf und einem breiten klinischen Spektrum mit Manifestation in jedem Lebensalter. Differenzialdiagnostisch sollten lysosomale Speicherkrankungen bei Patienten mit folgenden Symptomen in Betracht gezogen werden: unklare Hepatomegalie, Splenomegalie, Kardiomyopathie, Knochendysplasie, neuro-muskuläre Degeneration und faziale Dysmorphien. Die klinischen Befunde sind nicht krankheitsspezifisch, und die endgültige Diagnose erfolgt heute durch Enzymassays oder molekulargenetische Tests.
Neben der symptomatischen Therapie steht heute bei einigen Erkrankungen eine Enzymersatztherapie bzw. eine Stammzelltransplantation zur Verfügung.
Für die deutsche Ausgabe Julia B. Hennermann
Lysosomen sind heterogene zelluläre Organellen, die spezifische saure Hydrolasen enthalten. Diese Hydrolasen erlauben den selektiven Abbau von Proteinen, Nukleinsäuren, Kohlenhydraten und Lipiden. Insgesamt sind über 50 verschiedene lysosomale Speicherkrankheiten bekannt, welche anhand der Struktur der gespeicherten Substanz eingruppiert werden (Tab. 432e-1). In diesem Kapitel werden einige der häufigsten Speicherkrankheiten beschrieben: die Fabry-Krankheit, die Gaucher-Krankheit, die Niemann-Pick-Krankheit, die Cholesterinester-Speicherkrankheit, Mukopolysaccharidosen und die Pompe-Krankheit. Lysosomale Speicherkrankheiten sollten bei Patienten mit folgenden Symptomen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden: unklare Hepatomegalie, Splenomegalie, Kardiomyopathie, Knochendysplasie, neuromuskuläre Degeneration und faziale Dysmorphie. Die klinischen Symptome sind nicht krankheitsspezifisch; die endgültige Diagnose erfolgt heute durch Enzymassays oder molekulargenetische Tests. Lysosomale Speicherkrankheiten sind Multiorganerkrankungen mit progressivem Verlauf und einem breiten klinischen Manifestationsspektrum mit schweren und leichten Varianten.
Pathogenese lysosomaler Speicherkrankheiten
Lysosomen entstehen aus der Fusion von Vesikeln des Trans-Golgi-Apparates mit reifen Endosomen. Im Rahmen dieses Prozesses kommt es zu einer zunehmenden Azidifizierung der Vesikel, die u. a. die Aktivierung lysosomaler Hydrolasen ermöglicht. Die Biogenese der Lysosomen beinhaltet die kontinuierliche Synthese von lysosomalen Hydrolasen, Membranstrukturproteinen und neuen Membranen. Die verminderte Enzymaktivität kann Folge einer verminderten Enzymproteinsynthese, Synthese instabiler oder katalytisch nicht aktiver Enzymproteine sowie Folge einer verminderten Glykosylierung (Phosphorylierung) sein, die zu einem verminderten intrazellulären Transport des Enzymproteins in die Lysosomen führt. Charakteristisch für die lysosomalen Speicherkrankheiten ist die Anreicherung von Makromolekülen in verschiedenen Geweben und/oder Zellen. Die Fusion der Lysosomen mit Autosomen ist infolge der Substratakkumulation bei vielen lysosomalen Speicherkrankheiten gestört, was mit zu der Pathogenese dieser Erkrankungen beiträgt. Die Speicherung von Metaboliten/Substraten kann entweder Folge eines verminderten Abbaus intrazellulär oder zellulär gebildeter Metabolite oder Folge einer vermehrten Aufnahme extrazellulär gebildeter Metabolite sein. Beispiele hierfür sind die Fabry-Krankheit und die Cholesterinesterspeicherkrankheit mit exogener Substratzufuhr über den LDL-Rezeptor oder der Morbus Gaucher Typ 1 mit Substratzufuhr mittels Phagozytose.
Die Mehrzahl der lysosomalen Erkrankungen entsteht durch Mutationen an einem Genlokus, der entweder für eine bestimmte lysosomale Hydrolase oder für deren Regulierung kodiert. Bis auf die Hunter-Krankheit (MPS II) und die Fabry-Krankheit, die X-chromosomal vererbt werden, werden alle lysosomalen Speicherkrankheiten autosomal rezessiv vererbt. Heterozygote Erbträger sind trotz erniedrigter Enzymaktivität asymptomatisch.
Das Konzept der Schwellenhypothese besagt, dass es erst bei Unterschreiten einer enzymatischen Restaktivität (< 10 %) zum Auftreten klinischer Symptome kommen kann. Bereits geringe Veränderungen der enzymatischen Restaktivität haben somit einen großen Einfluss auf den klinischen Verlauf der Erkrankung und bedingen eine breite klinische Variabilität mit Manifestation vom Neugeborenen- bis zum Erwachsenenalter. Dieses Modell erklärt auch, dass Veränderungen in der Substratakkumulation durch u.a. Zellzerfall, Recycling oder Katabolismus den klinischen Verlauf der Erkrankung beeinflussen können. Unterschiedliche Restenzymaktivitäten in verschiedenen Geweben verursachen eine variable Organbeteiligung bei den jeweiligen Erkrankungen. Die Organbeteiligung kann zusätzlich durch unterschiedliche Substratakkumulation, z. B. infolge von Zellzerfall und/oder Katabolismus, beeinflusst werden.
Ausgewählte Erkrankungen
Fabry-Krankheit
Diese Erkrankung wird X-chromosomal vererbt und ist Folge von Mutationen im α-Galaktosidase-A-Gen. Die geschätzte Prävalenz von hemizygoten Männern mit Fabry-Krankheit wird in der Literatur mit 1 auf 40.000 angegeben. Neugeborenenscreeninguntersuchungen in bestimmten Regionen ergaben eine Inzidenz von Mutationen im α-Galaktosidase-A-Gen bis 1 zu 3.200. Auch Frauen sind von der Erkrankung betroffen. Klinisch imponieren bei dieser Erkrankung Akroparästhesie, Hypohidrosis, Angiokeratome, Cornea verticillata, Kardiomyopathie und Proteinurie. Die Erkrankung zeichnet sich durch eine Affektion der kleinen Gefäße in Niere, Herz und Gehirn aus.
Angiokeratome und Akroparästhesien können bereits im Kindesalter auftreten. Angiokeratome sind punktförmige, dunkelrote bis blau-schwarze, flache oder leicht erhabene, meist symmetrische, nicht wegdrückbare Effloreszenzen mit einer Größe von bis zu einigen Millimetern. Sie nehmen im Alter hinsichtlich Größe und Zahl zu. Angiokeratome sind besonders zwischen Nabel und Knie lokalisiert („Badehosenregion“), können jedoch am ganzen Körper lokalisiert sein, auch an Schleimhäuten. Sie sind nicht krankheitsspezifisch, da sie auch bei anderen lysosomalen Speicherkrankheiten auftreten. Die Cornea verticillata ist eine wirbelartige Hornhauttrübung, die mithilfe der Spaltlampeuntersuchung diagnostiziert werden kann. Sie ist pathognomonisch für die Fabry-Krankheit. Ausgeprägte Episoden mit brennenden Schmerzen an Händen, Füßen und proximalen Extremitäten (Akroparästhesien) können durch Temperaturschwankungen, körperliche Anstrengung, Ermüdung oder Fieber hervorgerufen werden. Typischerweise können die Patienten rezidivierende abdominelle Beschwerden und massive Diarrhöen entwickeln. Proteinurie, Isosthenurie und eine progressive Niereninsuffizienz treten bei Männern meist zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt auf; etwa 5 % der Männer mit idiopathischer Niereninsuffizienz weisen Mutationen im α-Galaktosidase-A-Gen auf. Arterielle Hypertonie, linksventrikuläre Hypertrophie, Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris und Herzinsuffizienz werden meist zwischen dem dritten und vierten Lebensjahrzehnt manifest. 1–3 % der Patienten mit Kardiomyopathie und 3–5 % der Männer mit idiopathischem Schlaganfall im Alter von 35–50 Jahren weisen Mutationen im α-Galaktosidase-A-Gen auf. Weitere Symptome der Fabry-Krankheit sind Lymphödeme. Männer mit Fabry-Krankheit versterben meist aufgrund eines Nierenversagens oder an kardiovaskulären bzw. zerebrovaskulären Ereignissen. Männer mit Restenzymaktivität erkranken eventuell später und weisen teilweise nur eine isolierte kardiale Beteiligung mit hypertropher Kardiomyopathie auf. Bei bis zu 70 % der heterozygoten Frauen können klinische Symptome vorliegen. Diese manifestieren sich im Durchschnitt 10 Jahre später als bei den Männern, mit jedoch ähnlicher Häufigkeit der klinischen Symptome. Bei Frauen ist die kardiale Beteiligung die häufigste lebensbedrohliche Manifestation, gefolgt von Schlaganfall und Niereninsuffizienz. Bei Frauen kann eine sichere Diagnosestellung im Allgemeinen nur mithilfe einer molekulargenetischen Analyse erfolgen.
Therapeutisch kommen Gabapentin, Carbamazepin und Phenytoin zur Behandlung der Akroparästhesien zur Anwendung. Hämodialyse oder eine Nierentransplantation kann das Überleben bei Patienten mit Nierenversagen sichern. Die Enzymersatztherapie reduziert das Speichermaterial v. a. in Endothelzellen verschiedener Organe. Früher Beginn der Enzymersatztherapie scheint das Auftreten und Fortschreiten lebensbedrohlicher Komplikationen zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Ein bereits bestehendes chronisches Nierenversagen kann durch die Enzymersatztherapie nicht mehr positiv beeinflusst werden.
Gaucher-Krankheit
Diese autosomal rezessive Erkrankung ist Folge einer verminderten Aktivität der sauren β-Glukosidase. Es sind mittlerweile mehr als 400 Mutationen in dem hierfür kodierenden Gen (GBA) beschrieben. Die Einteilung der Erkrankung erfolgt anhand verschiedener neurologischer Veränderungen. Die Inzidenz der Erkrankung wird weltweit auf 1 : 50.000 bis 1 : 100.000 geschätzt, bei Ashkenasim auf 1 : 1.000.
Die Gaucher-Krankheit Typ 1 ist eine sehr variable, nicht neurologische Erkrankung, die vom Kindes- bis in das Erwachsenenalter als langsam oder schnell progrediente viszerale Erkrankung manifest werden kann. In kaukasischen Populationen werden 55–60 % der Patienten vor dem 20. Lebensjahr diagnostiziert. Symptome können jedoch bereits vor dem 10. Lebensjahr auftreten. Bei allen symptomatischen Patienten zeigt sich eine Hepatosplenomegalie unterschiedlichen Ausmaßes. Assoziierte Anämie und/oder Thrombozytopenie sind ebenso wie die Hepatosplenomegalie bei jungen Patienten ausgeprägter und korrelieren nicht mit dem Ausmaß der Hepatosplenomegalie. Schwerwiegende Leberfunktionsstörungen treten selten auf. Milzinfarkte können zu einem akuten Abdomen führen. Chronische Knochenerkrankungen treten v. a. bei älteren Patienten auf. Eine pulmonale Hypertonie durch Akkumulation alveolärer Speicherzellen ist selten, kann aber in jedem Alter zu lebensbedrohlichen Krisen führen. Hetero- oder homozygote Mutationen im GBA1-Gen sind ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Parkinson-Erkrankung.
Alle Patienten mit Morbus Gaucher weisen eine ungleichmäßige Infiltration des Knochenmarks durch lipidspeichernde Makrophagen (Gaucher-Zellen) auf, die zu Veränderungen im Bereich der Spongiosa und der Kortikalis führen. Zudem ist die Knochenneubildung gestört. Folgen dieser Knochenveränderungen sind Osteopenie, Ischämien, avaskuläre Infarkte/Nekrosen (z. B. Femurkopf), Wirbelkörperkompressionen und Frakturen. Viele Patienten weisen chronische Knochenschmerzen auf, andere Patienten präsentieren sich mit sogenannten „Knochenkrisen“ infolge akuter Knocheninfarkte. Die Knochenkrisen gehen mit schwersten Schmerzen, zum Teil mit lokalem Erythem, Fieber und Leukozytose einher. Nuklearmedizinisch lassen sich die avaskulären Nekrosen durch die verminderte Aufnahme entsprechender Tracer nachweisen. Da die Ansammlung der Gaucher-Zellen in den Extremitäten von proximal nach distal fortschreitet, entwickeln sich die Knochenerkrankungen in gleicher Reihenfolge. Die Pathomechanismen der Osteopenie und des gestörten Remodellings sind bislang nicht geklärt.
Die Gaucher-KrankheitTyp 2 ist eine seltene, progredient verlaufende Erkrankung, bei der die schwere ZNS-Beteiligung mit früher okulomotorischer Störung klinisch im Vordergrund steht. Die Gaucher-Krankheit Typ 2 führt innerhalb der ersten beiden Lebensjahre zum Tod.
Die Gaucher-KrankheitTyp 3 weist eine sehr variable neurologische und viszerale Mitbeteiligung auf. Im frühen Kindesalter kann sich eine ausgeprägte viszerale Erkrankung mit langsam progredienter ZNS-Beteiligung entwickeln, in der Adoleszenz eine frühe Demenz und im Erwachsenenalter progressive myoklonische Anfälle. Der viszerale Befall beim Typ 3 ähnelt dem bei Typ 1, jedoch sind beim Typ 3 die viszeralen Veränderungen stärker ausgeprägt. Eine horizontale Blickparese ist typisch für den Morbus Gaucher Typ 3 und kann das erste Zeichen der ZNS-Manifestation sein. Die geistige Behinderung kann fortschreiten oder konstant bleiben. Progressive Kalzifikationen der Herzklappen können zudem bei Patienten mit bestimmten Mutationen (Homozygotie für D409, siehe unten) auftreten.
Die Diagnostik erfolgt mittels Enzymaktivitätsmessung (Leukozyten, Trockenblut) oder molekulargenetischer Analyse (GBA1-Gen). Für bestimmte Mutationen wurde eine Genotyp- und Phänotyp-Korrelation nachgewiesen: N370S ist eindeutig mit Morbus Gaucher Typ 1 assoziiert und kann sowohl mit einem frühen als auch einem späten Erkrankungsbeginn assoziiert sein. Individuen mit einer Homozygotie für N370S können auch asymptomatisch bleiben. Homozygotien für L444P oder D409H sind in der Regel mit einem Morbus Gaucher Typ 3 assoziiert. Patienten mit L444P/L444P haben fast immer eine lebensbedrohlich schwer verlaufende Erkrankung, die meist, aber nicht immer, zu einer neurologischen Beteiligung innerhalb der ersten beiden Lebensjahrzehnte führt.
Therapie der Wahl bei Patienten mit einer klinisch relevanten Manifestation ist heute die Enzymersatztherapie. Diese hat sich als hoch wirksam und sicher bezüglich der Behandlung der Hepatosplenomegalie, der hämatologischen Veränderungen sowie der Knocheninfiltration gezeigt. Das Fortschreiten der Knochenerkrankung wird durch die Enzymersatztherapie verlangsamt, jedoch nicht verhindert. Die zentralnervöse Symptomatik bei der Gaucher-Krankheit Typ 3 spricht nicht auf die Enzymersatztherapie an.
Ältere Patienten mit schwerer Knochenbeteiligung können zudem von einer zusätzlichen Therapie mit Bisphosphonaten profitieren. Sollte eine Enzymersatztherapie nicht möglich sein, kann eine medikamentöse „Substratreduktionstherapie“ durchgeführt werden, durch die die Synthese des Speichermaterials verhindert wird.
Niemann-Pick-Krankheit
Die Niemann-Pick-Krankheit ist bedingt durch eine autosomal rezessiv vererbte Defizienz der sauren Sphingomyelinase. Die Niemann-Pick-Krankheit Typ A unterscheidet sich von Typ B durch das frühe Manifestationsalter und den schnell progressiven ZNS-Befall. M. Niemann-Pick Typ A manifestiert sich innerhalb der ersten 6 Lebensmonate mit ZNS-Beteiligung, Spastik, kirschrotem Makulafleck (50 %), Gedeihstörung und ausgeprägter Hepatosplenomegalie. Die Niemann-Pick-Krankheit Typ B manifestiert sich später mit fortschreitender Hepatosplenomegalie und pulmonaler Beteiligung, aber im Allgemeinen ohne neurologische Symptomatik. Langzeitprobleme sind eine Panzytopenie, eine Leberzirrhose und/oder eine progressive restriktive Lungenerkrankung, die im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter zum Tode führen kann. Die Diagnose erfolgt durch Enzymaktivitätsmessung (Leukozyten) und molekulargenetische Analyse. Die Wirksamkeit von Leber- und Knochenmarktransplantationen ist nicht bewiesen. Klinische Studien zur Enzymersatztherapie für Kinder und Erwachsene mit Niemann-Pick-Krankheit Typ B befinden sich in Phase 2 und 3.
Die Niemann-Pick-Krankheit Typ C ist bedingt durch Mutationen in Genen der NPC1- oder NPC2-kodierenden Proteine, die für den Cholesteroltransport aus den Lysosomen verantwortlich sind. Die Erkrankung manifestiert sich mit progressivem Verlauf und breitem klinischem Spektrum von neonatal letal verlaufendem Leberversagen bis zu adulter Form mit neurologischer Manifestation. Hepatosplenomegalie kann im Kindesalter als erstes Symptom auftreten, neurologische Symptome mit vertikaler Blickparese, Kataplexie und zunehmender Ataxie manifestieren sich im Kindes- bis Adoleszentenalter. Erwachsene Patienten werden oft durch eine Demenz und/oder psychiatrische Symptome manifest. Die einzige in der Europäischen Union zugelassene Therapie für die Behandlung der neurologischen Symptome bei Erwachsenen und Kindern ist eine Substratreduktionstherapie (Hemmung der Glukosylceramidsynthase). Die Behandlung mit Cyclodextrin oder mit Heat-Schock-Proteinen sind neue, vielversprechende Ansätze, die derzeit in klinischen Studien der Phase 2/3 geprüft werden.
Cholesterinester-Speicherkrankheit
Der Mangel der lysosomalen sauren Lipase kann zur Wolman-Krankheit (schwerer Verlauf) oder zur Cholesterinester-Speicherkrankheit führen. Die Wolman-Krankheit manifestiert sich im Säuglingsalter mit Hepatosplenomegalie, Diarrhö, Erbrechen, Nebennierenkalzifikationen, Anämie, Hypercholesterinämie und Tod im 1. Lebensjahr.
Die Cholesterinester-Speicherkrankheit ist heterogen und manifestiert sich vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter mit Hyperlipidämie, Hepatomegalie und Steatosis hepatis und kann bis zu Leberfibrose, Leberzirrhose und Leberversagen fortschreiten. Die Patienten entwickeln eine frühe atherosklerotische Gefäßerkrankung, die bereits im Kindesalter lebensbedrohlich sein kann. Die Cholesterinester-Speicherkrankheit muss bei Patienten mit Hypercholesterinämie und Lebersymptomen differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Seit 2015 ist eine Enzymersatztherapie für beide Krankheitsbilder verfügbar, mit sehr vielversprechenden Ergebnissen in den klinischen Studien.
Mukopolysaccharidosen
Die Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die durch einen Mangel an α-L-Iduronidase verursacht wird und in drei verschieden Verlaufsformen unterteilt wird: (1) Hurler-Krankheit (MPS I H) als schwere Verlaufsform mit Neurodegeneration. (2) Scheie-Krankheit (MPS I H/S) mit späterem Erkrankungsalter, neurologischer Beteiligung und mit leichterem Organbefall sowie (3) Hurler-Scheie-Krankheit (MPS I H/S) mit intermediärem Verlauf.
MPS I tritt meist im Säuglings- oder frühen Kindesalter mit rezidivierenden Infekten der oberen Atemwege, Hernien, Korneatrübung und Hepatosplenomegalie auf. Mit Fortschreiten der Erkrankung entwickeln sich faziale Dysmorphien, Gelenkkontrakturen und Kleinwuchs. Bei den schweren Verlaufsformen kommt es bereits während der Kindheit, bei den leichteren Formen erst im späteren Alter zu einer kardialen Beteiligung mit Klappeninsuffizienz und Kardiomyopathie. Bei MPS IH entwickelt sich ohne Therapie (Stammzelltransplantation, siehe unten) eine progressive frühkindliche Demenz.
Zwei verschiedene Therapien der MPS I sind möglich: Die hämatopoetische Stammzelltransplantation ist die Standardtherapie für Patienten mit einem Erkrankungsbeginn vor dem 3. Lebensjahr. Die Stammzelltherapie führt zu einer positiven Beeinflussung der kognitiven Entwicklung sowie der Organomegalie. Der Hornhautbefall sowie die progrediente Skelettmanifestation werden durch die Stammzelltransplantation nicht positiv beeinflusst. Die Enzymersatztherapie ist Standardtherapie für die Patienten mit einer leichteren MPS-I-Form. Sie beeinflusst die Organomegalie positiv. Allerdings gelangt das Enzym nicht über die Blut-Hirn-Schranke in das ZNS und hat somit keinen Einfluss auf die neurologischen Symptome. Bezüglich der nicht neurologischen Symptome erscheinen Stammzelltherapie und Enzymersatztherapie gleichermaßen effektiv.
Das Hunter-Syndrom (MPS II) ist eine X-chromosomal vererbte Defizienz der Iduronat-Sulfatase. In der Regel sind nur Jungen von der Erkrankung betroffen. Die Manifestationen sind ähnlich wie bei MPS I, jedoch weisen diese Patienten keine Hornhauttrübung auf. Ähnlich wie MPS I verläuft MPS II klinisch variabel mit oder ohne zerebrale Beteiligung. Die Effizienz der Stammzelltherapie auf die ZNS-assoziierten Veränderungen bei MPS II ist nicht bewiesen. Die FDA und die European Agency for the Evaluation of Medicinal Products (EMEA) haben die Enzymersatztherapie zur Behandlung der Organmanifestationen der MPS II im Jahr 2007 zugelassen. Auch bei dieser Erkrankung hat die Enzymersatztherapie keinen Einfluss auf den kognitiven Verlauf.
MPS VI (Morbus Maroteaux-Lamy) ist bedingt durch eine autosomal rezessiv vererbte Defizienz der Arylsulfatase B. Klinisch manifestiert sich die MPS VI ähnlich wie MPS I mit Hepatosplenomegalie, Knochenbefall, Korneatrübung und kardialer Mitbeteiligung, aber weitestgehend normaler Intelligenz. Die Enzymersatztherapie ist im Jahr 2005 von der FDA und 2006 von der EMEA für die Behandlung von MPS VI zugelassen worden.
Die Diagnosestellung aller MPS-Typen erfolgt enzymatisch und/oder molekulargenetisch. Als Suchtest dient die Analyse der Glykosaminoglykane im Urin und deren elektrophoretische Trennung.
Pompe-Krankheit
Die autosomal rezessiv vererbte Defizienz der sauren Maltase (saure α-Glukosidase), die sogenannte Pompe-Erkrankung, ist die einzige Glykogen- und lysosomale Glykogen-Speicherkrankheit. Die schwere infantile Form imponiert mit muskulärer Hypotonie, Kardiomyopathie/Kardiomegalie und Hepatosplenomegalie. Ohne Therapie kommt es zu einem raschen Voranschreiten der Erkrankung mit letalem Ausgang innerhalb des ersten Lebensjahres. Wie bei den anderen lysosomalen Speicherkrankheiten gibt es Früh- und Spätformen. Die Spätformen erreichen eine Häufigkeit von 1 auf 40.000 und können sich vom Kindes- bis zum späten Erwachsenenalter manifestieren. Typisch für die Spätformen ist eine langsam fortschreitende Myopathie, die einer Gliedergürtel-Muskeldystrophie ähneln kann. Eine respiratorische Insuffizienz kann als Erstsymptom oder im Verlauf auftreten. Im Endstadium der Erkrankung sind die Patienten oft beatmungspflichtig, außerdem klagen sie über Schluckstörungen. Eine Kardiomyopathie ist bei den Spätformen des Morbus Pompe ungewöhnlich. Bei allen Formen liegt eine Erhöhung der Serum-CK-Konzentration vor.
Im Jahr 2006 wurde die Enzymersatztherapie von der FDA und der EMEA zur Behandlung der Pompe-Krankheit zugelassen. Bei den infantilen Formen der Pompe-Krankheit resultiert die Enzymersatztherapie in einer meist signifikanten Verbesserung der kardialen Funktion und einem verlängertem Überleben. Einige Säuglinge zeigen unter der Enzymersatztherapie eine deutliche Verbesserung der motorischen und respiratorischen Funktionen, andere hingegen nur wenig oder fast keine Verbesserungen. Bei den Spätformen der Pompe-Krankheit kann die Enzymersatztherapie den Progress der Erkrankung aufhalten. Bei bereits weit fortgeschrittenem Krankheitsverlauf kann durch die Enzymersatztherapie keine Verbesserung erreicht werden. Neue Enzymersatztherapien mit veränderter Struktur des Enzyms werden derzeit in klinischen Studien getestet.
Mukopolysaccharidosen (MPS) | |||||||||
Faziale Dysmorphie, kardiovaskuläre Beteiligung, Gelenkkontrakturen, Kleinwuchs | |||||||||
Faziale Dysmorphie, kardiovaskuläre Beteiligung, Kleinwuchs, Gelenkkontrakturen, knötchenförmigeHautveränderungen („Peau d’orange“) | |||||||||
Typische Skelettdysplasie, Kleinwuchs, Zahnschmelzdefekte, Hörminderung, Aortenklappenerkrankung | |||||||||
GM2-Gangliosidosen | |||||||||
Glykosphingolipidosen | |||||||||
Glykoproteinosen | |||||||||
Mukolipidosen (ML) | |||||||||
Vergröberte Gesichtszüge, Fehlen einer Mukopolysaccharidurie, Gingivahypoplasie | |||||||||
Leukodystrophien | |||||||||
Erkrankungen der Neutralfette | |||||||||
Glykogenspeicherstörungen | |||||||||
Kardiomyopathie, neuromuskulär, gelegentlich geistige Retardierung | |||||||||
a Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Kapitel in Scriver et al: The Metabolic and Molecular Bases of Inherited Disease, 9th ed. New York, McGraw-Hill, www.ommbid.com, mit umfassenden Übersichten. Abkürzungen: AR = autosomal rezessiv; CT = Chaperontherapie; EET = Enzymersatztherapie; HSCT = hämatopoetische Stammzelltransplantation. |
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