443e Technik der Lumbalpunktion
Die Lumbalpunktion ist ein wichtiges und häufig durchgeführtes diagnostisches Verfahren in der Neurologie. Um diese Technik, bei der Liquor durch Punktion des Subarachnoidalraumes auf Höhe der Lendenwirbelsäule gewonnen wird, sicher durchführen zu können, sind vorher folgende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen: (1) Ausschluss eines erhöhten intrakraniellen Drucks (Vermeidung einer zerebralen Einklemmung), (2) Kontrolle der Blutgerinnung (Minimierung des Risikos einer spinal epiduralen Einblutung). Diese Technik ist in der Hand des erfahrenen Behandlers sicher, jedoch können als Komplikationen Verletzungen des Rückenmarks, der Spinalnervenwurzeln mit transienten oder bleibenden neurologischen Defiziten, postpunktionelle Kopfschmerzen und Infektionen vorkommen. Üblicherweise wird diese Untersuchung in Seitenlage mit gekrümmter Lendenwirbelsäule vorgenommen.
Die Lumbalpunktion wird obligat unter sterilen Bedingungen durchgeführt (chirurgische Händedesinfektion vor der Punktion, ausführliche Hautdesinfektion, steriles Abdecken, sterile Handschuhe, steriles Punktionsset). Nach Identifikation des Interspinalraumes L3/L4 bzw. L4/L5 wird eine Lokalanästhesie der Haut und der subkutanen Schichten durchgeführt. Die Punktionsnadel wird vorgeschoben, bis nach Perforation der Dura mater Liquor aus der Nadel austritt. Ein postpunktioneller Kopfschmerz (typischerweise innerhalb von 48 h) liegt vor, wenn sich dieser beim Stehen deutlich verschlechtert und eine okzipitofrontale Ausbreitung besteht. Die Therapie besteht in Bettruhe, symptomatischer Therapie mit Koffein, nicht steroidalen Antirheumatika sowie Opioiden. Zeigt die Schmerzsymptomatik unter dieser Therapie keine Besserung, bringt meistenteils die Anlage eines epiduralen „Blutpatches“ eine sofortige und dauerhafte Linderung.
Für die deutsche Ausgabe Christian von Heymann
In der Hand des Geübten stellt die Lumbalpunktion in der Regel ein sicheres Verfahren dar. Schwerwiegende Komplikationen sind extrem selten; zu ihnen zählen eine zerebrale Einklemmung, Verletzungen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln, Blutungen (spinales Hämatom) und Infektionen. Leichtere Komplikationen umfassen Rückenschmerzen, postpunktionelle Kopfschmerzen sowie radikuläre Schmerzen bzw. Taubheitsgefühl.
Bildgebende und Labordiagnostik vor Lumbalpunktion
Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein, fokalen neurologischen Defiziten, Papillenödem, neu aufgetretenen Krampfanfällen oder Störungen der Immunabwehr haben nach Lumbalpunktion ein erhöhtes Risiko für eine zerebelläre oder tentorielle Herniation. Bei diesen Patienten sollte zuvor eine neuroradiologische Bildgebung (in der Regel eine kranielle Computertomografie, CCT) durchgeführt werden, um eine fokale Raumforderung oder eine diffuse Schwellung auszuschließen. Bei Patienten mit Symptomen, die auf eine Rückenmarkkompression hinweisen, wie Rückenschmerzen, Schwäche in den Beinen, Harnverhalt oder Inkontinenz, sollte die Wirbelsäule geröntgt werden. Bei Patienten mit Verdacht auf Meningitis, bei denen eine neuroradiologische Untersuchung vor einer diagnostischen Lumbalpunktion angezeigt ist, sollte frühestmöglich eine antibiotische Behandlung begonnen werden.
Die Lumbalpunktion darf nicht im Bereich infizierter Haut durchgeführt werden, um das Verschleppen von Keimen in den Subarachnoidalraum zu vermeiden.
Patienten unter antikoagulatorischer Therapie oder mit Gerinnungsdefekten wie einer Thrombozytopenie haben ein erhöhtes Risiko für ein postpunktionelles spinales Subdural- oder Epiduralhämatom; beides kann zu dauerhaften Nervenschädigungen und/oder Lähmungen (bis zur Querschnittlähmung) führen. Bei Verdacht auf eine Blutgerinnungsstörung sollten vor der Lumbalpunktion Thrombozytenzahl, INR und aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) bestimmt werden. Üblicherweise wird in Deutschland auch noch die Thromboplastinzeit nach Quick verwendet. Es gibt keinen verlässlichen Thrombozytenwert, über dem eine Lumbalpunktion als sicher einzustufen ist; ein Wert unter 20.000/μl ist eine Kontraindikation für eine Lumbalpunktion. Bei Patienten mit einer Thrombozytenzahl über 50.000/μl und einer INR von weniger als 1,5 treten selten Blutungskomplikationen auf. Einige Einrichtungen empfehlen die Anhebung der Thrombozytenzahl auf > 40.000/μl vor einer Lumbalpunktion.
Leitlinien bei Patienten unter Antikoagulation oder antithrombozytärer Therapie
Bei Patienten, die Antikoagulanzien oder antithrombozytäre Medikamente einnehmen, besteht bei einer Lumbalpunktion ein erhöhtes Blutungsrisiko. Noch höher ist das Risiko bei der Gabe mehrerer Antikoagulanzien oder starker Antikoagulation. Meistens treten die Blutungen im Epiduralraum auf. Zu den Symptomen einer Blutung nach Lumbalpunktion gehören sensorische und motorische Ausfälle und/oder Funktionsstörungen von Darm und Blase, lumbale Rückenschmerzen sind weniger häufig. Bei schweren Ausfällen wie einer Paraperese ist eine sofortige operative Intervention so frühzeitig wie möglich, aber am besten innerhalb von 8 Stunden nach Beginn der Schwäche indiziert, um eine dauerhafte Behinderung zu verhindern. Operationen nach 24 Stunden sind mit einem schlechten Ergebnis assoziiert.
Es gibt nur begrenzt Daten, die bei der Entscheidung über eine Lumbalpunktion bei Patienten unter Antikoagulation herangezogen werden können. Oft liefert der Hersteller Informationen über das Management der antikoagulatorischen bzw. antithrombozytären Therapie im Rahmen operativer Eingriffe. Die American Society of Regional Anesthesia and Pain (ASRA)hat evidenzbasierte Leitlinien zum Management von Regionalanästhesieverfahren wie spinalen und epiduralen Blockaden bei Patienten unter Antikoagulation erarbeitet. Diese Leitlinien helfen bei der Entscheidungsfindung über eine Lumbalpunktion bei laufender Antikoagulation. Das Management dieser Patienten ist oft schwierig und das Risiko einer Blutung durch die Lumbalpunktion gegen das Risiko einer Reversierung der therapeutischen Antikoagulation vor der Intervention abzuwägen. Nachfolgend sind die Leitlinien für einige der häufig eingesetzten Antikoagulanzien zusammengefasst.
Unfraktioniertes Heparin, therapeutische Dosierung
Das ASRA 2010 Practice Advisory empfiehlt das Absetzen von unfraktioniertem Heparin (UFH) 2–4 h vor dem Entfernen von Spinal- oder Epiduralkathetern, um das Hämatomrisiko gering zu halten. Ein ähnliches Vorgehen scheint auch bei der Lumbalpunktion sinnvoll zu sein: Das UFH wird 2–4 h vor der Lumbalpunktion abgesetzt und ebenfalls vorher eine normale partielle Thromboplastinzeit (PTT) dokumentiert. Zudem wird wegen des Risikos einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) bei Patienten, die mindestens 4 Tage lang Heparin erhalten haben, eine normale Thrombozytenzahl dokumentiert. Die Halbwertszeit von Heparin beträgt 60–90 min.
Unfraktioniertes Heparin, prophylaktische Dosierung
Bei Patienten, die niedrig dosiert subkutan unfraktioniertes Heparin (UFH) erhalten, wurden nach spinalen und epiduralen Anästhesieverfahren nur vereinzelt Spinalhämatome beschrieben. Die ASRA-Leitlinien stellen fest, dass bei der prophylaktischen Therapie mit UFH 2 × 5.000 U/d subkutan keine Kontraindikation gegen diese Anästhesieverfahren besteht. Auch nach einer Lumbalpunktion bei einem Patienten, der UFH 2 × 5.000 U/d subkutan erhält, ist ein spinales Hämatom unwahrscheinlich. Vorsichtsmaßnahmen zur Risikominimierung sind: der Nachweis einer normalen aPTT vor der Intervention, der Nachweis einer normalen Thrombozytenzahl bei Patienten, die mindestens 4 Tage lang Heparin erhalten haben, und die Durchführung der Lumbalpunktion 1–2 Stunden vor der nächsten Heparindosis, da zu diesem Zeitpunkt die Heparinwirkung am geringsten ist.
Niedermolekulares Heparin, therapeutische Dosierung (z. B. Enoxaparin 1,0 mg/kg s.c. alle 12 h)
Patienten, die niedermolekulares Heparin (NMH) erhalten, haben nach einer Lumbalpunktion ein erhöhtes Risiko für ein spinales oder epidurales Hämatom. Niedermolekulare Heparine in therapeutischer Dosierung sollten mindestens 24 Stunden pausiert werden.
Niedermolekulares Heparin, prophylaktische Dosierung (z. B. Enoxaparin 0,5 mg/kg s.c. alle 12 h)
Bei Patienten, die niedermolekulares Heparin in prophylaktischer Dosis erhalten, ist die Gerinnung verändert. Die ASRA-Leitlinien empfehlen eine Pause von mindestens 10–12 Stunden zur letzten Gabe vor dem Legen eines spinalen oder epiduralen Katheters, um das Risiko für ein spinales oder epidurales Hämatom zu minimieren. Ein ähnliches Vorgehen ist bei einer Lumbalpunktion sinnvoll.
Acetylsalicylsäure und nicht steroidale Antiphlogistika (NSAIDs)
Die ASRA-Leitlinien stellen fest, dass die Einnahme dieser Substanzen bei einer Spinal- oder Epiduralanästhesie nicht mit einem signifikant höheren Risiko für eine spinale Blutung assoziiert ist. Auch nach einer Lumbalpunktion ist bei Patienten, die diese Medikamente einnehmen, eine Blutung unwahrscheinlich. Damit keine Hemmung der Thrombozytenaggregation durch Acetylsalicylsäure mehr nachweisbar ist, müsste Acetylsalicylsäure etwa 7–10 Tage (dies sind die deutschen Empfehlungen) vor der Intervention abgesetzt werden und andere NSAIDs 48 Stunden vorher.
Ticlopidin/Clopidogrel
Das Risiko für ein spinales Hämatom bei Einnahme dieser Medikamente ist unbekannt. Aus den Herstellerangaben und chirurgischen Reviews zur Dauer der Thrombozytenaggregationshemmung hat das ASRA für die Leitlinien die Empfehlung erarbeitet, dass das Absetzen von Ticlopidin 14 Tage vor einer Spinal- oder Epiduralanästhesie und von Clopidogrel 7 Tage vor dem Eingriff ausreicht. Für neuere Thrombozytenaggregationshemmer wie Prasugrel oder Ticagrelor wird eine Pausierung vor rückenmarksnahen Verfahren von mindestens 7 bzw. 5 Tagen empfohlen. Ein ähnliches Vorgehen ist bei einer Lumbalpunktion sinnvoll.
Abciximab, Eptifibatid und andere Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorinhibitoren
Das Risiko für ein spinales Hämatom bei Einnahme dieser Medikamente ist unbekannt. Nach dem Absetzen von Abciximab bleibt die Thrombozytenaggregation noch für 24–48 Stunden, nach Eptifibatid 4–8 Stunden gehemmt. Die ASRA-Leitlinien empfehlen eine Spinal- oder Epiduralanästhesie erst nach Normalisierung der Plättchenfunktion. Ein ähnliches Vorgehen ist bei einer Lumbalpunktion sinnvoll.
Direkte Thrombininhibitoren (z. B. Argatroban, Bivalirudin)
Für Patienten, die mit direkten intravenösen Thrombininhibitoren wie Argatroban und Bivalirudin behandelt werden, ist in den deutschen Empfehlungen ein rückenmarksnahes Verfahren nicht bzw. nur unter Einhaltung substanzspezifischer Pausierungszeiten empfohlen. Ebensolches gilt für den oralen direkten Thrombininhibitor Dabigatran. Die ASRA-Leitlinien sprechen sich bei Patienten, die direkte Thrombininhibitoren einnehmen, gegen eine Spinal- oder Epiduralanästhesie aus.
Oraler Faktor-Xa-Inhibitor (z. B. Rivaroxaban)
Die Herstellerangaben zu Rivaroxaban enthalten eine Black-box-Warnung vor spinalen und epiduralen Hämatomen, die nach Spinal- und Epiduralanästhesien sowie Lumbalpunktionen unter der Einnahme von Rivaroxaban aufgetreten sind. Daher sollte bei Patienten, die Rivaroxaban einnehmen, keine Lumbalpunktion durchgeführt werden. Die deutschen Leitlinien empfehlen auch hier eine substanzspezifische Pausierung für die sog. Nicht-Vitamin-K-Antagonisten (NOAKs), die je nach Nierenfunktion eine Pausierung von mind. 24 Stunden bis ca. 96 Stunden benötigen.
Analgesie vor Lumbalpunktion
Angst und Schmerzen können vor Beginn der Punktion behandelt werden. Eine Anxiolyse kann durch die Gabe von Lorazepam erfolgen (1–2 mg p.o. 30 min oder i.v. 5 min vor dem Eingriff). Eine Lokalanästhesie („örtliche Betäubung“) ist durch die Applikation von Lidocain-Creme (4 %iges Lidocain 30 min vor dem Eingriff) möglich. Eine Mischung von Lidocain/Prilocain benötigt 60–120 min Einwirkzeit. Die Creme sollte dick aufgetragen werden, sodass sie die Haut bedeckt. Ein Verband hält die Creme an der gewünschten Stelle. Die topische Analgesie mit einer Lokalanästhetika-haltigen Creme ist in Deutschland nicht gebräuchlich. Hier werden üblicherweise Lokalanästhetika intra- und subkutan infiltriert.
Lagerung bei Lumbalpunktion
Eine korrekte Lagerung des Patienten auf einer festen Unterlage ist wichtig. Wird der Eingriff im Bett des Patienten durchgeführt, sollte er am Rand und nicht in der Mitte gelagert werden. Der Patient soll sich auf die Seite legen und dabei einen runden Rücken machen, das Gesicht vom Untersucher abgewandt. Der Hals ist leicht anteflektiert und die Oberschenkel an den Bauch gezogen. Schulter und Becken sollten vertikal ohne Neigung ausgerichtet sein (Abb. 443e-1). Das Rückenmark endet bei 94% der Menschen in Höhe von LWK1; bei den restlichen 6 % reicht der Conus medullaris bis zum Intervertebralraum LWK2/LWK3. Die Lumbalpunktion sollte deshalb in Höhe von LWK3/LWK4 oder darunter erfolgen. Eine gute anatomische Orientierungshilfe stellt die Verbindungslinie zwischen den beiden oberen, hinteren Beckenkämmen dar, die ziemlich genau der Höhe des Interspinalraums LWK3/LWK4 entspricht. Der Zwischenraum wird durch Palpation der Dornfortsätze identifiziert.
Eine Alternative zur liegenden, seitlichen Lagerung ist die sitzende Position. Der Patient sitzt am Bettrand, seine Beine werden durch eine Fußbank oder einen Stuhl unterstützt. Der Patient wird gebeten, einen „Katzenbuckel“ zu machen und dabei den Kopf in Richtung des Brustbeins zu senken und die Nase möglichst nahe zum Nabel zu bewegen. Dies ist die beste Position, um die Dornfortsätze ein wenig „aufzuklappen“. Bei adipösen Patienten ist die sitzende Position häufig hilfreich. Ein Nachteil der sitzenden Position ist die Ungenauigkeit der Messung des Öffnungsdrucks. In Situationen, in denen die richtige Lokalisation des Punktionsortes schwierig ist, kann eine Nadelführung unter Röntgendurchleuchtung oder CT-gestützt erfolgreich sein.
Technik der Lumbalpunktion
Ist der gewünschte Punktionsort identifiziert, werden nach einer chirurgischen Händedesinfektion sterile Handschuhe übergezogen. Wenn der Arzt Material in den Spinal- oder Epiduralraum einführt (z. B. einen Katheter) oder Medikamente injizieren will, trägt er eine Kopfhaube und eine Gesichtsmaske, damit eine Kontamination der Punktionsstelle durch Keime in der Ausatemluft verhindert wird. Nach Desinfektion der Haut mit einer Desinfektionslösung wird die Punktionsstelle mit einem sterilen Tuch abgedeckt und mit einem sterilen Tupfer trocken gewischt. Eine korrekte Desinfektion vermindert das Risiko des Eindringens von Keimen in den Subarachnoidalraum. Um das Risiko lokaler Infektionen oder einer Keimverschleppung möglichst gering zu halten, sollte auf eine möglichst lange Einwirkzeit der Hautdesinfektion geachtet werden. Eine Punktion ist meist ohne Lokalanästhesie möglich. Wenn nötig, können 3–5 ml eines Lokalanästhetikums – typischerweise 1%iges Lidocain – in das subkutane Gewebe injiziert werden. Wenn es sich nicht um einen Notfall handelt, kann auch topisch eine anästhesierende Creme angewandt werden (siehe oben). Erlaubt es die zur Verfügung stehende Zeit, so kann der Injektionsschmerz durch mehrmalige, langsame Injektionen reduziert werden, wobei die nachfolgende Injektion jeweils tiefer als die vorangegangene erfolgt. Pro Injektion werden 0,5–1,0 ml Lidocain infiltriert, die Nadel wird zwischen den Injektionen nicht zurückgezogen. Eine Pause von etwa 15 Sekunden zwischen den Injektionen hilft zusätzlich, den Schmerz zu minimieren. So kann jeder Minibolus des Lokalanästhetikums in ein zuvor betäubtes Areal gespritzt werden.
Wenn möglich, sollte die Lumbalpunktion 1–2 min nach der subkutanen örtlichen Betäubung durchgeführt werden, um eine ausreichende Wirksamkeit der örtlichen Betäubung sicherzustellen.
Die Lumbalpunktionsnadel (in der Neurologie 20–22 G, in der Anästhesie in der Regel 25–27 G) wird in der Mittellinie zwischen den Dornfortsätzen langsam vorgeschoben. Der Schliff der Nadel sollte parallel zur Ausrichtung der Durafasern ausgerichtet sein, d. h. der flache Teil des Schliffes sollte (bei seitlicher Lagerung) nach oben zeigen. Dies führt zu einer geringeren Verletzung der Durafasern. Bei Punktion in sitzender Position sollte der Schliff zur Seite zeigen. In der Regel wird der Subarachnoidalraum beim Erwachsenen nach 4–5 cm erreicht. In der Regel verspürt man einen plötzlichen Widerstandsverlust. Bei der Passage der Dura mater kann auch ein „Click“-Phänomen verspürt werden. Erscheint kein Liquor trotz korrekter Nadelposition, sollte die Nadel um 90–180 Grad gedreht werden. Zeigt sich auch dann kein Liquor, wird der Mandrin eingeführt und die Nadel vorsichtig vorgeschoben. Einige Untersucher prüfen beim Vorschieben regelmäßig durch Entfernen des Mandrins, ob Liquor zurückfließt. Stößt die Nadel beim Vorschieben auf Knochen oder verspürt der Patient starke, ausstrahlende Schmerzen in Gesäß oder Bein oder kommt kein Liquor, wird die Nadel etwas zurückgezogen und erneut in geändertem Winkel vorgeschoben. Hat man dann nach wie vor Knochenkontakt, wird die Nadel entfernt und der Patient neu positioniert. Der zweite Versuch ist gelegentlich dann erfolgreicher, wenn der Patient vor der erneuten Lagerung seine Wirbelsäule aufrichtet. Die Nadel kann anschließend auf derselben oder einer benachbarten Ebene eingeführt werden.
Wird der Subarachnoidalraum erreicht, wird ein Manometer oder ein Steigrohr an die Nadel angeschlossen und der Öffnungsdruck gemessen. Der Untersucher sollte auf normale Oszillationen des Liquordrucks, abhängig von Puls und Atmung, achten. Der obere Grenzwert in Rückenlage beträgt beim Erwachsenen 180 mmHg (beim Steigrohr: 6–20 cmH2O), kann aber bei adipösen Patienten bei 200–250 mmHg liegen.
Der Liquor sollte frei in ein Sammelröhrchen tropfen und nicht mit einer Spritze abgezogen werden. Abhängig von der klinischen Situation werden folgende Untersuchungen durchgeführt: (1) Zellzahl mit Differenzierung, (2) Eiweiß- und Glukosekonzentrationen, (3) Kulturen (Bakterien, Pilze, Mykobakterien, Viren), (4) Ausstriche (z. B. Gram-Färbung), (5) Antigentests (z. B. Latex-Agglutinationstest), (6) Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Amplifikation der DNS oder RNS von Mikroorganismen (z.B. Herpes-simplex-Viren, Enteroviren), (7) erregerspezifische Antikörper gegen Mikroorganismen, (8) Immunelektrophorese zur Bestimmung des γ-Globulinspiegels und der oligoklonalen Banden und (9) Zytologie. Obwohl 15 ml für die genannten Untersuchungen ausreichen, sind die Ergebnisse von mykobakteriellen und Pilzkulturen bei größeren Volumina besser. So werden beim Erwachsenen häufig 20–30 ml entnommen.
Eine blutige Liquorprobe aufgrund der Verletzung eines meningealen Gefäßes kann irrtümlicherweise mit einer Subarachnoidalblutung (SAB) verwechselt werden. In einer solchen Situation sollte ein Teil der Probe gleich nach der Entnahme zentrifugiert werden; ein klarer Überstand weist dann auf eine blutige Punktion hin, während ein xanthochromer Überstand eine SAB vermuten lässt. Normalerweise nimmt der Blutgehalt bei blutiger Punktion – im Gegensatz zur SAB – von Röhrchen zu Röhrchen ab. Xanthochromer Liquor findet sich allerdings auch bei leberkranken Patienten und deutlich erhöhtem Eiweißgehalt im Liquor (150–200 mg/dl).
Vor Entfernen der Punktionsnadel wird der Mandrin wieder eingeführt, um ein Einklemmen von Nervenfasern in der Dura beim Herausziehen der Nadel zu vermeiden; dieses Einklemmen kann außerdem zu einem Liquorleck mit postpunktionellen Kopfschmerzen führen. Manche Ärzte stellen dieses Vorgehen jedoch aufgrund eines eventuell höheren Risikos einer Nadelstichverletzung infrage. Eine Verletzung ist jedoch wegen der Flexibilität des dünnen Mandrins unwahrscheinlich, weil sich dieser bei Berührung eher verbiegt als penetriert. Nach einer Lumbalpunktion verbleibt der Patient gewöhnlich für 1 Stunde in einer bequemen, liegenden Position, bevor er aufsteht. Neuere Ergebnisse bezweifeln den Sinn dieser Ruhephase im Liegen, da sie das Auftreten von Kopfschmerzen scheinbar nicht beeinflusst (siehe unten).
Kopfschmerz nach Lumbalpunktion
Die Hauptkomplikation einer Lumbalpunktion ist der Kopfschmerz, der bei 10–20 % der Patienten auftritt. Er tritt in jüngerem Lebensalter und bei Frauen häufiger auf. Kopfschmerzen beginnen gewöhnlich innerhalb von 48 Stunden, können aber auch erst nach bis zu 12 Tagen auftreten. Der typische postpunktionelle Kopfschmerz ist ausgesprochen lageabhängig. Er aggraviert, wenn der Patient sitzt oder steht, und lässt nach dem Hinlegen oder bei abdominaler Kompression rasch nach. Die Schmerzen halten an, solange der Patient steht. Postpunktionelle Schmerzen haben gewöhnlich einen dumpfen, manchmal auch pochenden Charakter und sind okzipitofrontal lokalisiert. Übelkeit und Nackensteife sind häufig zusätzlich vorhanden. Gelegentlich klagen die Patienten über ein verschwommenes Gesichtsfeld, Fotophobie, Tinnitus und Schwindel. Bei drei Viertel der Patienten verschwinden die Symptome innerhalb von 1 Woche, gelegentlich halten sie aber auch über Wochen oder Monate an.
Der postpunktionelle Kopfschmerz wird durch einen Abfall des Liquordrucks aufgrund eines andauernden Liquorlecks nach Punktion des Subarachnoidalraums erklärt. Der Liquorverlust vermindert dessen dämpfende „Pufferwirkung“ auf das Gehirn, sodass beim Stehen, besonders an den schmerzempfindlichen duralen Sinus, heftige Schmerzen ausgelöst werden können. Obwohl diese intrakranielle Hypotension gewöhnlich als Erklärung für starke postpunktionale Kopfschmerzen angeführt wird, tritt eine solche Symptomatik auch bei normalem Liquordruck auf.
Der postpunktionelle Kopfschmerz löst sich gewöhnlich ohne spezifische Behandlung auf; zur unterstützenden Therapie dienen orale Analgetika (Paracetamol, nicht steroidale Antiphlogistika, Opioide; Kap. 18) und Antiemetika. Die Patienten erfahren Linderung durch Liegen in einer für sie angenehmen Position (insbesondere Rückenlage oder Kopftieflage). Einige Patienten erfahren Besserung durch koffeinhaltige Getränke. Bei persistierendem Schmerz kann die intravenöse oder orale Behandlung mit Koffein (500 mg in 500 ml 0,9 % NaCl über 2 h) hilfreich sein. Der Hintergrund dieser Therapie ist die Annahme, dass Koffein die epiduralen Blutgefäße verengt und ein Abbauprodukt des Koffeins (Theophyllin) die Liquorproduktion steigert. Sehr selten tritt ein Vorhofflimmern als unerwünschte Nebenwirkung auf. Alternativ bringt ein epiduraler Blutpatch auf Höhe der initialen Lumbalpunktion mit 20–30 ml Eigenblut den gewünschten Erfolg. Diese Maßnahme sollte von einem erfahrenen Schmerztherapeuten oder Anästhesisten durchgeführt werden. Der Blutpatch wirkt sofort, sodass der Verschluss des Duralochs durch das Blutgerinnsel als alleinige Erklärung unwahrscheinlich ist. Wahrscheinlich kommt es durch den Patch zu einer sterilen Entzündungsreaktion der Dura, die zum Verschluss des Lecks führt. Manche Ärzte führen einen epiduralen Blutpatch erst dann durch, wenn mit Koffein keine ausreichende Wirkung erzielt wurde. Andere sehen den Blutpatch als Therapie der ersten Wahl bei persistierenden postpunktionellen Kopfschmerzen.
Maßnahmen, die die Häufigkeit des postpunktionellen Kopfschmerzes reduzieren, sind in Tabelle 443e-1 aufgelistet. Bei Verwendung dünnerer Nadeln ist das Risiko geringer: Eine Studie hat gezeigt, dass das Kopfschmerzrisiko bei Verwendung von Standardnadeln (Quincke) mit einer Nadeldicke von 24–27 G bei 5–12 % lag, während es bei Nadeln mit 20–22 G bei 20–40 % lag. Die dünnen Nadeln haben einen geringeren Liquorfluss und man benötigt bei ihnen eine zusätzliche Nadel als Einführungshilfe. Die Verwendung einer „atraumatischen“ Nadel (Sprotte, „Pencil-point“) reduziert die Häufigkeit mäßiger bis starker Kopfschmerzen im Vergleich zu „traumatischen“ Nadeln (Abb. 443e-2). Da die Anwendung einer atraumatischen Nadel schwieriger ist, sollte die Punktionstechnik, besonders bei adipösen Patienten, optimiert werden. Es besteht ein sehr geringes Risiko für einen Nadelbruch bei Verwendung einer atraumatischen Sprotte-Nadel.
Eine weitere Strategie zur Reduzierung des Kopfschmerzes ist das Einführen des Mandrins vor dem Entfernen der Nadel.
Patienten werden oft angewiesen, nach einer Lumbalpunktion für 1 Stunde oder länger liegen zu bleiben. Untersuchungen, die eine unmittelbare Mobilisation nach Lumbalpunktion mit vierstündiger Bettruhe verglichen haben, zeigen keine Auswirkungen auf die Häufigkeit von Kopfschmerzen; dies lässt den Schluss zu, dass die übliche Praxis der Bettruhe nach Lumbalpunktion ohne Wirkung ist.
Abbildung 443e-2Vergleich von „traumatischer“ (Quincke) und „atraumatischer“ (Sprotte) Lumbalpunktionsnadel. Die Öffnung der „atraumatischen“ Nadel befindet sich an der seitlichen Spitze der Nadel; dieses Design vermindert das Zerschneiden von Durafasern beim Vorschieben und verhindert damit ein Liquorleck und Kopfschmerzen. (Nach Thomas SR et al: BMJ 321:986, 2000.)
Normalwerte des Liquors - Lumbalpunktion
(Siehe Tab. 443e-2) Bei nicht infektiösem Liquor beträgt die normale Zahl weißer Blutzellen weniger als 5 mononukleäre Zellen (Lymphozyten und Monozyten) pro Mikroliter. Polymorphkernige Leukozyten werden in normalem Liquor nicht gefunden. Gelegentlich können sie jedoch in zentrifugiertem Liquor oder bei konzentrierter Liquoraufarbeitung, wie sie bei zytologischer Untersuchung zur Anwendung kommen, nachgewiesen werden. Erythrozyten sind normalerweise nicht im Liquor vorhanden. Stammen die Erythrozyten von einer traumatischen Punktion, so nimmt ihre Zahl in den folgenden Proben ab. Eine Glukosekonzentration von weniger als 2,2 mmol/l (< 40 mg/dl) ist pathologisch und kann auf einen infektiösen Prozess an den Hirnhäuten hindeuten.
Weiterführende Literatur
Paech MJ, Doherty DA, Christmas T, Wong CA: The volume of blood for epidural blood patch in obstetrics. Anesthesia & Analgesia 113(1):126–33, 2011
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