463e Besondere Fragestellungen im neurologischen Konsiliardienst
Die Palette der inhaltlichen Anforderungen an den neurologischen Konsiliardienst betreffen zum Großteil Fragestellungen, die sich auf neurologische Erkrankungen beziehen, die im Lehrbuch ausführlich abgehandelt sind, wie Schlaganfälle, epileptische Anfälle, Verwirrtheitszustände, Kopfschmerzen und Komazustände. Gesondert dargestellt sind im Konsiliarkapitel zerebrale Erkrankungskomplexe wie Hyperperfusionssyndrome und Endothelstörungen (z. B. Syndrom der posterioren reversiblen Leukoenzephalopathie), Komplikationen der koronaren Bypass-Operationen und der Transplantation solider Organe. Ein weiterer Schwerpunkt sind die neurologischen Komplikationen der Elektrolytstörungen, die vorwiegend das zentrale Nervensystem – aber auch das neuromuskuläre System – betreffen können. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Einzelnervschädigungen – meist durch Kompression bedingt – runden das Kapitel ab.
An erster Stelle einer fundierten Diagnosestellung stehen eine klinische Untersuchung und syndromale Einordnung der Symptomatik. Zur Bestätigung einer der dargestellten zerebralen Erkrankungen oder Komplikationen wird meist eine Bildgebung mittels MRT benötigt, die typische Läsionsmuster – beispielsweise eine posteriore Enzephalopathie zeigen kann. Der Bestätigung oder dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen bei zerebralen Symptomen dienen Liquor- und Laboruntersuchungen, Elektroenzephalografie, evozierte Potenziale und Ultraschall.
Bei peripheren Nervenschäden steht ebenfalls eine klinische Zuordnung der motorischen und sensiblen – eventuell auch autonomen – Störungen im Vordergrund. Eine wichtige Ergänzung stellen die Elektroneuro- und -myografie und teilweise auch der Nervenultraschall dar.
Für den deutschsprachigen Raum wurden einige Adaptationen und Aktualisierungen von Inhalt und Literatur vorgenommen.
Für die deutsche Ausgabe Frank Erbguth
Neurologische Konsultationen betreffen bei stationären Patienten meist Fragen zu bekannten neurologischen Begleiterkrankungen, zu neu aufgetretenen neurologischen Komplikationen, zur Prognosestellung nach unterschiedlichen Schädigungen des Gehirns. Die meisten Konsiliaranforderungen beziehen sich auf Schlaganfälle (Kap. 446), epileptische Anfälle (Kap. 445), Verwirrtheitszustände (Kap. 34), Kopfschmerzen (Kap. 21) sowie das Management von komatösen Patienten und neurologischen Aspekten der Intensivmedizin (Kap. 328 und Kap. 330). Den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden andere häufige Fragestellungen im Konsiliardienst, die nicht an anderer Stelle dieses Buches besprochen werden.
Konsultationen wegen zentralnervöser Störungen
Enzephalopathien bei zerebraler Hyperperfusion und Endotheliopathie
Einer Gruppe neurologischer Erkrankungen ist pathogenetisch eine zerebrale Hyperperfusion, die durch eine Funktionsstörung des Endothels entsteht, und eine Störung der Blut-Hirn-Schranke gemeinsam. Zu diesen auf den ersten Blick unterschiedlichen Syndromen gehören die hypertensive Enzephalopathie, die Eklampsie, das Post-Endarteriektomie-Syndrom der Arteria carotis sowie toxische Effekte von Calcineurininhibitoren (z. B. Ciclosporin) und anderen Medikamenten oder Drogen. Moderne bildgebende Verfahren und experimentelle Modelle sprechen dafür, dass die Hyperperfusion vor allem über ein vasogenes Ödem zu den neurologischen Funktionsstörungen führt. Daher besteht bei rechtzeitiger Erkennung und Behandlung der Hyperperfusion eine potenzielle Rückbildungsfähigkeit der klinischen Symptome, solange es zu keinen strukturellen Schädigungen wie Blutung oder Infarzierung gekommen ist.
Die zerebrale Autoregulation hält bei Erwachsenen den zerebralen Blutfluss bei einem arteriellen Mitteldruck (Mean Arterial Pressure, MAP) zwischen 50 und 150 mmHg in einem stabilen Bereich (Kap. 330). Bei Patienten mit chronischem Hypertonus ist die zerebrale Autoregulationskurve nach rechts verschoben, sodass die Autoregulation in einem deutlich höheren Druckbereich wirkt (z. B. 70–175 mmHg). Bei solchen hypertensiven Patienten bleibt der zerebrale Blutfluss bei höherem MAP stabil, jedoch kann ein rascher Abfall des Druckes in den unteren Bereich der Autoregulationskurve leichter zu einer Ischämie führen, selbst wenn diese Werte in der Regel als normotensiv eingestuft werden. Das Phänomen der Autoregulation wird mittels myogener und neurogener Mechanismen durch Kontraktion und Dilatation kleiner Arteriolen an den Gefäßen vermittelt. Wenn der systemische Blutdruck die Grenzen dieses Mechanismus überschreitet, kann die Autoregulation den Blutfluss nicht mehr adaptieren und es kommt zur zerebralen Hyperperfusion mit Schädigung des Endothels und dem Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren in das Interstitium mit der Folge eines Ödems. Die Prädilektion sämtlicher Hyperperfusionssyndrome im hinteren Stromgebiet ist am ehesten Folge einer in der posterioren Zirkulation niedrigeren Schwelle für die Überschreitung der Kapazität der Autoregulation oder einer bei diesen Gefäßen besonders häufigen Angiopathie.
Neben der Verursachung durch einen erhöhten Blutdruck können manche Hyperperfusionszustände, etwa bei Behandlung mit Calcineurininhibitoren, auch ohne offensichtlichen Druckanstieg auftreten. In diesen Fällen ist das vasogene Ödem wahrscheinlich Folge einer primären Dysfunktion des Kapillarendothels selbst, die eine Öffnung der Blut-Hirn-Schranke bewirkt. Es erscheint hilfreich, die primär durch erhöhten Perfusionsdruck ausgelösten Hyperperfusionssyndrome denjenigen gegenüberzustellen, die hauptsächlich auf einer endothelialen Dysfunktion toxischer oder autoimmun vermittelter Ätiologie beruhen (Tab. 463e-1). In der Praxis treten diese beiden pathophysiologischen Mechanismen jedoch auch kombiniert auf. Es bestehen auch Überschneidungen mit dem reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom.
Das klinische Bild ätiologischer unterschiedlicher Hyperperfusionssyndrome ähnelt sich, wobei vorwiegend Kopfschmerzen, Anfälle oder fokale Defizite – vor allem Sehstörungen bei posteriorer Lokalisation – auftreten. Die Kopfschmerzen zeigen keine spezifischen Charakteristika, sind von leichter bis schwerer Ausprägung und können von Bewusstseinsstörungen begleitet werden, die von Verwirrtheitszuständen bis zum Koma reichen. Ausprägung und Semiologie der Anfälle sind abhängig von der Schwere und der Lokalisation des Ödems. Da es auch zu non-konvulsiven Anfällen kommen kann, sollte die Indikation zur Durchführung eines Elektroenzephalogramms (EEG) großzügig gestellt werden. Das typische fokale Defizit bei Hyperperfusionszuständen ist eine kortikale Visusminderung, entsprechend der häufigen Beteiligung der Okzipitallappen. Abhängig vom betroffenen Areal kann jedoch jede Art von fokalem Defizit auftreten. Typisch für diese Lokalisation sind Patienten, die nach Karotis-Endarterektomie neurologische Störungen in der ipsilateralen, plötzlich reperfundierten Hemisphäre aufweisen. Im Falle der Verursachung durch einen erhöhten zerebralen Blutfluss durch einen systemischen Hypertonus ist manchmal nicht nur der absolute Blutdruck, sondern die Geschwindigkeit des Blutdruckanstiegs der entscheidende Risikofaktor.
Die Diagnose – zumindest als Verdacht – sollte bei allen genannten Erkrankungen primär klinisch gestellt werden. Da die Symptome allerdings unspezifisch sind, gilt es eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen, wie etwa andere Ursachen von Verwirrtheit, fokalen Defiziten, Kopfschmerzen und epileptischen Anfällen, zu berücksichtigen. Durch die MRT-Bildgebung sind Hyperperfusionssyndrome spezifischer und sensitiver zu diagnostizieren, obwohl auch einzelne Fälle mit normalem Bildbefund berichtet worden sind. Patienten weisen klassischerweise ein in der T2-(Flair-)Wichtung hyperintenses Ödem, vor allem in den posterioren Anteilen der Okzipitallappen, auf, das sich nicht an einzelne Gefäßterritorien hält (Abb. 463e-1). Diffusionsgewichtete Bilder sind typischerweise normal, was die vasogene, nicht zytotoxische Natur des Ödems unterstreicht. Die Bildgebung mittels Computertomografie ist weniger sensitiv, kann aber ein Muster aus fleckförmigen Hypodensitäten im betroffenen Gebiet zeigen. Früher wurde diese klassische radiologische Erscheinungsform als reversible posteriore Leukenzephalopathie (RPLE) bezeichnet. Die Verwendung dieses Begriffs ist jedoch problematisch, da keines seiner konstituierenden Begriffsbestandteile zwingend gegeben sein oder erfüllt sein muss: So sind die Läsionen klinisch und in der Bildgebung keineswegs immer reversibel, das betroffene Territorium ist bei etwa 50 % nicht das „posteriore“, und während das Wort „Leukoenzephalopathie“ einen ausschließlichen Befall der weißen Substanz nahe legt, kann auch die graue Substanz betroffen sein. Der inzwischen häufiger verwendete Begriff posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES) unterliegt überwiegend denselben Einschränkungen. Die Gefäßdarstellung zeigt oft eine Verengung der Zerebralgefäße und insbesondere des hinteren Kreislaufs. Ob diese nicht inflammatorische Angiopathie die Ursache des Ödems ist oder infolge des Ödems auftritt, ist unbekannt. Andere Zusatzuntersuchungen wie die des Liquors ergeben oft unspezifische Resultate. Es ist darauf hinzuweisen, dass viele als Verursacher oder Trigger in Betracht kommende Substanzen, wie etwa Ciclosporin, das Syndrom bereits bei niedriger Dosis oder auch noch nach jahrelanger Behandlung auslösen können. Daher schließen normale Serumspiegel diese Medikamente nicht als verursachende Agenzien aus.
Abbildung 463e-1Axiale Fluid-attenuated-Inversion-Recovery(FLAIR)-MRT des Gehirns eines Patienten, der nach Lebertransplantation mit Ciclosporin behandelt wurde und jetzt mit Anfällen, Kopfschmerzen und kortikaler Blindheit auffällig wurde. Signalerhöhungen finden sich bilateral in den Okzipitallappen, hauptsächlich in der weißen Substanz. Der Befund passt gut zu einem Hyperperfusionszustand infolge Exposition gegenüber einem Calcineurininhibitor.
Bei Patienten mit Hyperperfusionssyndromen sollte ein umgehender Behandlungsbeginn erfolgen, sobald die Diagnose in Erwägung gezogen wird. Da die Hypertonie meist eine Schlüsselrolle spielt, ist eine vorsichtige Senkung des Blutdruckes mit parenteralen Substanzen wie Urapidil oder Metoprolol ratsam. Sie sollte unter kontinuierlichem EKG- und Blutdruckmonitoring erfolgen, wobei eine direkte intraarterielle Messung vorteilhaft ist. Es ist sinnvoll, den mittleren arteriellen Blutdruck zunächst nur um etwa 20 % zu senken, da ein zu starker Druckabfall zu einer sekundären Ischämie führen kann, wenn die untere Grenze des individuellen Autoregulationsbereiches unterschritten wird. Sobald eine Ursache des Syndroms identifiziert werden kann, sollte umgehend eine spezifische Therapie – meistens durch Absetzen oder Ausschalten der „Noxe“ erfolgen, wie beispielsweise das Absetzen von Calcineurininhibitoren, die Behandlung immunvermittelter Erkrankungen, wie der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP), oder eine umgehende Entbindung bei der Eklampsie. Epileptische Anfälle müssen erkannt und behandelt werden, wozu ein kontinuierliches EEG-Monitoring erforderlich werden kann. Antikonvulsiva sind bei Krampfaktivität grundsätzlich wirksam; im Sonderfall einer Eklampsie besteht gute Evidenz für die Anwendung von Magnesiumsulfat zur Anfallskontrolle.
Zerebrale Komplikationen der kardialen Bypassoperation
Schädigungen des zentralen Nervensystems (ZNS) nach Eingriffen am offenen Herzen oder nach koronarer Bypasschirurgie (CABG) sind häufig. Dazu gehören akute Enzephalopathien, Schlaganfälle sowie ein chronisches Syndrom mit kognitiver Beeinträchtigung. Eine Hypoperfusion und Embolien sind häufig an der Pathogenese dieser Syndrome beteiligt, obwohl multiple Mechanismen eine Rolle spielen können, da bei den oft schwer kranken Patienten ein Risiko verschiedenster metabolischer, hämodynamischer und pharmakologischer Komplikationen besteht.
Die Häufigkeit hypoxischer Schädigungen durch intraoperative Minderperfusion konnte durch moderne chirurgische und anästhesiologische Verfahren erheblich vermindert werden. Trotz dieser Fortschritte kommt es bei einigen Patienten immer noch zu neurologischen Komplikationen durch zerebrale Minderperfusion, oder sie erleiden fokale Ischämien durch hochgradige Stenosen der intra- oder extrazerebralen hirnversorgenden Arterien, wenn es zu einem Abfall des regionalen Perfusionsdrucks kommt. Für postoperative Infarkte in den Grenzzonen zwischen den Gefäßterritorien wird typischerweise eine systemische Hypotension verantwortlich gemacht, obwohl derartige Infarkte auch durch Embolien verursacht werden können (Abb. 463e-2).
Abbildung 463e-2Koronare Fluid-attenuated-Inversion-Recovery(FLAIR)-MRT des Gehirns bei einem Patienten mit einem Verwirrtheitssyndrom nach einer hypotensiven Episode während einer koronaren Bypassoperation (CABG). Signalanhebungen fanden sich bilateral in den Grenzzonen zwischen den Territorien der A. cerebri media und A. cerebri anterior. Diffusionsgewichtete MRT-Sequenzen zeigten an gleicher Stelle eine für einen akuten Infarkt typische Diffusionsrestriktion.
Embolien sind vermutlich der wichtigste Mechanismus der zerebralen Schädigung bei der kardialen Bypasschirurgie, wie durch diffusionsgewichtete MRT und intraoperatives transkranielles Doppler-Monitoring belegt werden konnte. Einige histologisch nachweisbare Embolien bei diesen Patienten sind zu klein, um in den üblichen Bildsequenzen nachgewiesen zu werden. Daher schließt eine negative postoperative Magnetresonanztomografie die Diagnose embolisch bedingter Komplikationen nicht gänzlich aus. Thromben im Herzen sowie Atherome im Aortenbogen können während kardialer Operationen dislozieren, wodurch Partikelschauer in die zerebrale Zirkulation gelangen. Cross-clamping der Aorta, Manipulationen am Herzen, extrakorporale Zirkulation („Bypass“), Arrhythmien, wie Vorhofflimmern und Ansaugen von Luft, stellen allesamt potenzielle Emboliequellen dar. Histologische Studien zeigen, dass selbst unter dem Einsatz moderner Operationstechniken und -technologien zahlreiche winziger Emboli freigesetzt werden können.
Diese Mikroembolieschauer verursachen unterschiedliche klinische Syndrome. Gelegentlich führt ein einzelner großer Embolus zu einem umschriebenen Territorialinfarkt, der durch ein eindeutiges fokales Defizit auffällig wird. Häufiger werden multiple kleinere Emboli freigesetzt. Bei einer hohen Anzahl dieser kleinen Emboli kann postoperativ eine akute Enzephalopathie auftreten, die sich als hyperaktives, hypoaktives oder gemischtes Delir manifestiert. Das hypoaktive Delir wird oft fälschlich als Depression oder ein durch Sedativa induziertes Delir fehldiagnostiziert. Bei geringerem Mikroembolie-Ausstrom muss nicht zwingend ein akutes Syndrom festgestellt werden, der Patient kann aber chronische kognitive Beeinträchtigungen erleiden. Herzchirurgische Eingriffe stellen, ähnlich wie ein Entzugsdelir –, einen „zerebralen Belastungstest“ dar. Einige Patienten mit einer niedrigen zerebralen Reserve – bei vorbestehender zerebrovaskulärer Erkrankung oder im Frühstadium eines neurodegenerativen Prozesses – entwickeln ein chronisches kognitives Defizit, während andere mit größeren Reserven trotz einer ähnlich hohen Belastung durch Mikroembolien asymptomatisch bleiben. In diesem Sinne können herzchirurgische Operationen frühe Manifestationen von Krankheiten wie die Demenz vom Alzheimer-Typ demaskieren.
Da moderne Techniken hypoperfusionsbedingte Komplikationen während solcher Operationen erfolgreich vermindern können, steht derzeit die Reduktion der unvermeidlichen Mikroembolieschauer im Fokus. Off-pump durchgeführte koronare Bypassoperationen haben den Vorteil einer geringeren Verweildauer im Krankenhaus und seltenerer perioperativer Komplikationen. Off-pump-CABG führen im Vergleich zu On-pump-CABG nicht zu einem besseren Erhalt kognitiver Funktionen. Durch das Platzieren von Filtern im Aortenbogen könnte eventuell Embolien abgefangen werden; hierfür fehlt allerdings eine überzeugende Evidenz. Die Entwicklung endovaskulärer Operationstechniken könnte eine sinnvolle Alternative zu den konventionellen Bypassverfahren darstellen. Dies gilt insbesondere bei Patienten mit einem hohen postoperativen Risiko einer kognitiven Dysfunktion, etwa bei hohem Alter, früheren Schlaganfällen, einer neurodegenerativen Grunderkrankung oder einer ausgeprägten Atherosklerose der Karotiden oder des Aortenbogens.
Zerebrale Komplikationen nach Transplantation solider Organe
Nach einer Organtransplantation sind Patienten durch neurologische Schäden in der postoperativen Phase und in den anschließenden Monaten bis Jahren gefährdet. Der neurologische Konsiliar sollte diese Patienten als eine besondere Population betrachten, die sowohl von spezifischen neurologischen als auch von den entsprechenden internistischen und chirurgischen Komplikationen bei kritisch Kranken bedroht sind.
Viele immunsuppressive Medikamente, die gerade bei Patienten nach Transplantation solider Organe in hoher Dosierung verabreicht werden, können zu neurologischen Komplikationen führen. Bei Patienten mit Kopfschmerzen, Anfällen oder fokalen neurologischen Defiziten sollte, sofern sie Calcineurininhibitoren einnehmen, die Diagnose eines Hyperperfusionssyndroms in Erwägung gezogen werden, wie es oben dargestellt wurde. Eine solche neurotoxische Komplikation tritt meist unter Ciclosporin und Tacrolimus auf und kann auch bei normalen Serumspiegeln beobachtet werden. Die Behandlung besteht primär in einer Dosisreduktion, einem Absetzen bzw. Wechsel des Medikaments. Sirolimus hat bisher nur in sehr wenigen berichteten Fällen zu neurotoxischen Nebenwirkungen geführt und könnte eine sinnvolle Alternative bei einigen Patienten darstellen. Andere Beispiele neurologischer Komplikationen bei immunsuppressiver Medikation sind der OKT3-assoziierte akinetische Mutismus (monoklonaler Antikörper gegen den CD3-Membranprotein-Rezeptor auf der Zelloberfläche von T-Lymphozyten) und die Methotrexat-induzierte Leukoenzephalopathie, die insbesondere bei intrathekaler Anwendung oder gleichzeitiger Bestrahlung auftritt. Bei allen organtransplantierten Patienten mit neurologischen Auffälligkeiten muss eine gründliche Durchsicht der Medikation erfolgen, um nach solchen Substanzeffekten zu suchen.
Zerebrovaskuläre Komplikationen nach der Transplantation solider Organe werden häufig bereits unmittelbar postoperativ festgestellt. Grenzzoneninfarkte können auftreten, insbesondere im Zusammenhang mit einer systemischen Hypotension während einer Herztransplantation. Embolische Infarkte werden klassischerweise als Komplikation von Herztransplantationen beobachtet, aber alle Transplantationsverfahren für solide Organe setzen die Patienten einem Risiko systemischer Embolien aus. Wenn zerebrale Embolien während Nieren- oder Lebertransplantation auftreten, sollte eine sorgfältige Suche nach einem Rechts-links-Shunt erfolgen. Diese sollte eine Echokardiografie mit Kontrastgebung (agitierter Kochsalzlösung) sowie die Suche nach einem intrapulmonalen Shunt beinhalten. Nierentransplantierte sowie einige herztransplantierte Patienten haben häufig eine fortgeschrittene Arteriosklerose, die einen weiteren Mechanismus für Schlaganfälle darstellt. Bildgebung mittels Computer- oder Magnetresonanztomografie mit Diffusionswichtung sind beim Verdacht auf zerebrovaskuläre Komplikationen zur Diagnosesicherung und zur Unterscheidung zwischen Ischämie und Blutung obligat; Letztere tritt meist im Zusammenhang mit einer Koagulopathie bei Leberversagen oder nach kardialer Bypass-Chirurgie auf.
Da organtransplantierte Patienten chronisch immunsupprimiert sind, sind sie erhöht infektionsgefährdet. (Kap. 169). Bei allen transplantierten Patienten mit neuen Symptomen wie Anfällen, Verwirrtheit oder fokalem Defizit sollte die Diagnose einer Infektion des zentralen Nervensystems erwogen werden und mittels Bildgebung (üblicherweise MRT) und Liquoruntersuchung nach Lumbalpunktion abgeklärt werden. Die häufigsten Erreger von ZNS-Infektionen bei diesen Patienten unterscheiden sich abhängig vom Intervall seit der Transplantation. In den ersten Monaten nach Transplantation sind häufig typische bakterielle Erreger von operations- oder katheterassoziierten Infekten nachzuweisen. Ab dem zweiten Monat werden opportunistische Infektionen des ZNS häufiger, unter anderem mit Toxoplasmen, Nokardien und Pilzen, wie Aspergillus. Viren, die das Gehirn immunsupprimierter Patienten befallen können, darunter Herpes-simplex-, Zytomegalie- und Varicella-zoster-Virus sowie humanes Herpesvirus Typ 6 (HHV-6), nehmen ab dem ersten Monat nach Transplantation ebenfalls zu. Nach 6 Monaten sind immunsupprimierte Patienten weiterhin durch die genannten opportunistischen Bakterien, Parasiten, Pilze und Viren gefährdet; zusätzlich können sie aber an späten infektiösen ZNS-Komplikationen erkranken. Hierzu gehören die unter neueren Immunsuppressiva mit JC-Virus assoziierte progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) sowie nach der Transplantation auftretende lymphoproliferative Krankheiten oder ZNS-Lymphome infolge einer klonalen Expansion von B-Zellen unter dem Einfluss des Epstein-Barr-Virus. Nach allogener Knochenmarkstransplantation kann das ZNS auch im Rahmen einer „Graft-versus-host“-Reaktion geschädigt werden.
Häufige neurologische Komplikationen bei Elektrolytstörungen
Durch Abweichungen der Normbereiche der Serumelektrolyte können zahlreiche neurologische Symptome auftreten. Elektrolytstörungen sollten daher bei jeder neurologischen Konsultation im Krankenhaus bedacht werden. Eine umfassende allgemeine Besprechung von Homöostase und Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolytgleichgewichts findet sich in Kapitel 63.
Hypernatriämie und Hyperosmolalität als Ursache neurologischer Komplikationen
Der Normalbereich der Serumosmolalität liegt bei 275–295 mOsm/kg, neurologische Auffälligkeiten bei Hyperosmolalität werden jedoch normalerweise erst bei Werten von mehr als 325 mOsm/kg beobachtet. Hyperosmolalität ist meist Folge einer Hypernatriämie, Hyperglykämie, Azotämie oder der Gabe von osmotisch wirksamen Substanzen, wie Mannit, welches häufig bei neurologischen Intensivpatienten mit Hirndruck angewandt wird. Die Hyperosmolalität an sich bewirkt eine generalisierte Enzephalopathie, die unspezifisch ist und keine fokalen Befunde aufweist. Allerdings kann eine vorbestehende subklinische Läsion, wie eine Raumforderung, unter der metabolischen Belastung durch den hyperosmolaren Zustand erstmals symptomatisch demaskiert werden und ein fokales neurologisches Defizit verursachen. Einige Patienten mit Hyperosmolalität bei schwerer Hyperglykämie entwickeln generalisierte Anfälle, fokale neurologische Defizite oder Läsionen im Stammganglienbereich, die sich normalerweise nach Senkung des Glukosespiegels zurückbilden. Die Behandlung bei allen Formen von Hyperosmolalität beinhaltet die Berechnung des Flüssigkeitsdefizits und seinen langsamen Ausgleich. Dabei sollte das Serumnatrium wegen der Gefahr einer Hirnödembildung nicht schneller als 2 mmol/l pro Stunde abfallen.
Eine Hypernatriämie führt zum intrazellulären Wasserverlust und damit zu einer Schrumpfung der Zellen. In den Zellen des Gehirns werden unter diesen Umständen Solute wie Glutamin und Harnstoff synthetisiert, um dieser Schrumpfung entgegenzuwirken. Trotz dieses Korrekturmechanismus versagt der Zellstoffwechsel bei schwerer Hypernatriämie (Serumnatrium > 160 mmol/l) oder einem zu raschen Anstieg des Natriums, und es resultiert eine Enzephalopathie. Es gibt viele Ursachen einer Hypernatriämie, unter denen ein renaler und extrarenaler Wasserverlust am häufigsten ist. Als neurologische Ätiologien findet sich der zentrale Diabetes insipidus, bei dem die Hyperosmolalität von einer submaximalen Konzentrationsfähigkeit der Nieren begleitet wird. Ursache ist eine unzureichende Freisetzung des antidiuretischen Hormons (ADH) aus der posterioren Hypophyse, oft infolge einer Hypophysenschädigung durch Operation, Blutung, infiltrative Prozesse oder zerebrale Herniation.
Hyponatriämie als Ursache neurologischer Komplikationen
Eine Hyponatriämie ist definiert als ein Serumnatrium von weniger als 135 mmol/l. Neurologische Symptome treten bei verschiedenen ausgeprägten Hyponatriämien auf, wobei es nicht nur auf den absoluten Wert, sondern auch auf die Geschwindigkeit des Abfalls ankommt. Bei Patienten, in denen sich die Hyponatriämie innerhalb von Stunden entwickelt, können lebensbedrohliche Anfälle und Hirnödeme bereits bei Werten um 125 mmol/l auftreten. Dagegen können einige Patienten mit chronischer Hyponatriämie, die sich über Monate bis Jahre langsam entwickelt hat, selbst bei Serumkonzentrationen von weniger als 110 mmol/l asymptomatisch bleiben. Der Ausgleich einer Hyponatriämie, besonders wenn es sich um eine chronische Form handelt, muss langsam erfolgen, um zusätzliche neurologische Komplikationen zu vermeiden. Die Zellen des Gehirns schwellen bei hypotonisch-hyponaträmischen Zuständen an, können dies aber im Zeitverlauf durch die Abgabe von Soluten in den Extrazellulärraum kompensieren. Dies führt zur Normalisierung des Zellvolumens, da das Wasser den Soluten aus der Zelle hinaus folgt. Wenn die Behandlung der Hyponatriämie zu einem zu raschen Anstieg des Serumnatriums führt, kann es durch eine plötzliche Schrumpfung der Zellen des Gehirns zu einer osmotischen Demyelinisierung kommen. Früher wurde angenommen, dass dieser Prozess ausschließlich auf den Hirnstamm begrenzt wäre („zentrale pontine Myelinolyse“; siehe Abb. 269-6); inzwischen wurden diese meist symmetrischen Läsionen jedoch auch extrapontin nachgewiesen, weswegen die Konstellation als „Osmotisches Demyeliniserungssyndrom“ bezeichnet wird.
Die Therapie der Hyponatriämie hängt von ihrer Ursache ab. Die Natriumsubstitution muss angepasst an die Akuität und Ausprägung der Hyponatriämie selbst und ihrer Symptome erfolgen. Dabei sollte eine schnelle Anhebung des Serumnatriumspiegels um mehr als 0,5 mmol/l/h vermieden werden und nur anfangs zur Korrektur einer mit bedrohlichen Symptomen einhergehenden Hyponatriämie ausnahmsweise mit 1−2 mmol/l/h erfolgen. Die isovolämische Hyponatriämie (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion; SIADH) wird mittels Wasserrestriktion oder Anwendung von ADH-Antagonisten behandelt. Vorgehen der Wahl bei Patienten mit hypervolämisch-hypotonischer Hyponatriämie ist die Beschränkung von freiem Wasser und die Behandlung einer zugrunde liegenden ödematösen Erkrankung, etwa eines nephrotischen Syndroms, eines Leberversagens oder einer Herzinsuffizienz. Bei hypovolämisch-hypotonischer Hyponatriämie wird das fehlende Volumen mit isotonischer Kochsalzlösung ersetzt, während gleichzeitig bestehende Erkrankungen der Nieren, Nebennieren oder des Gastrointestinaltrakts behandelt werden.
Eine neurologische Ursache der hypovolämisch-hypotonischen Hyponatriämie ist das zerebrale Salzverlustsyndrom (Cerebral Salt Waste Syndrome; CSWS), das bei Subarachnoidalblutungen und seltener bei anderen zerebralen Prozessen wie Meningitis, Schlaganfall oder traumatischem Hirnschaden auftreten kann. In diesen Fällen kann die renal ausgeschiedene Natriummenge beachtlich sein, sodass große Mengen von isotonischer oder hypertonischer Kochsalzlösung oder eine orale Salzzufuhr erforderlich werden, um Komplikationen durch ein zerebrales Ödem zu verhindern.
Hypokaliämie als Ursache neurologischer Komplikationen
Zu einer Hypokaliämie, definiert als Serumkaliumkonzentration von weniger als 3,5 mmol/l, kommt es entweder durch vermehrten Kaliumverlust über die Nieren oder den Darm oder als Folge einer gestörten Verteilung von Kalium zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum. Sehr niedrige Konzentrationen (< 1,5 mmol/l) sind aufgrund der Gefahr von Herzrhythmusstörungen potenziell lebensbedrohlich. Neurologisch können sie sich als schwere Muskelschwäche äußern. Die hypokaliämische periodische Paralyse ist eine seltene Erkrankung, die durch eine exzessive intrazelluläre Kaliumaufnahme bei Mutationen von Kalzium- oder Natriumkanälen verursacht wird. Die Behandlung der Hypokaliämie hängt von der Ätiologie ab, beinhaltet jedoch normalerweise den oralen oder parenteralen Ersatz sowie die Korrektur der Ursache des gestörten Kaliumhaushalts (z. B. Absetzen von β2-Rezeptoragonisten oder Behandlung der Ursache der schweren Diarrhö).
Hyperkaliämie als Ursache neurologischer Komplikationen
Eine Hyperkaliämie, definiert als eine Serumkaliumkonzentration von mehr als 5,5 mmol/l, kann zu Muskelschwäche oder Parästhesien führen. Eine Hyperkaliämie wird lebensbedrohlich, wenn sie zu EKG-Veränderungen mit erhöhten T-Wellen oder verbreiterten QRS-Komplexen führt. In diesen Fällen ist eine umgehende Behandlung zur Verhinderung der Arrhythmien notwendig, beispielsweise durch Gabe von Kalziumglukonat, die Verschiebung von Kalium in die Zellen durch Gabe von Glukose-Insulin-Infusionen oder β2-Rezeptoragonisten und die Verstärkung der Elimination von Kalium mittels Natriumpolystyrolsulfonat, Schleifendiuretika oder Dialyse.
Kalziumstörungen als Ursache neurologischer Komplikationen
Eine Hyperkalzämie tritt in der Regel im Zusammenhang mit einem Hyperparathyreoidismus, einer Übersubstitution oder bei Tumorerkrankungen auf. Neurologisch finden sich Enzephalopathien sowie muskuläre Schwäche als Folge einer verminderten neuromuskulären Erregbarkeit. Anfälle können auftreten, treten aber häufiger bei Hypokalzämien auf.
Eine Hypokalzämietritt bei Erwachsenen oft nach einer Operation an der Schilddrüse oder an den Nebenschilddrüsen auf. Anfälle und delirante Zustände stehen im Vordergrund der neurologischen Symptomatik und klingen in der Regel mit Normalisierung des Kalziums ab. Klassisches Symptom der Hypokalzämie ist die Tetanie, die durch spontane repetitive Aktionspotenziale in peripheren Nerven ausgelöst wird.
Magnesiumstörungen als Ursache neurologischer Komplikationen
Störungen des Magnesiumhaushaltes korrelieren nur gering mit der Serumkonzentration, da sich nur ein sehr kleiner Teil des gesamten Magnesiums im Extrazellulärraum befindet. Eine Hypomagnesiämie zeigt sich neurologisch durch Anfälle, Tremor und Myoklonien. Wenn therapierefraktäre Anfälle bei bestehender Hypomagnesiämie auftreten, führt nur die Gabe von Magnesium zur Anfallskontrolle. Erhöhte Magnesiumspiegel führen dagegen zu einer ZNS-Depression. Hypermagnesiämie kommt in der Regel ausschließlich bei Patienten mit Nierenversagen oder bei Magnesiumgabe vor. Ausgeprägte Abweichungen können zu Verwirrtheitszuständen und Muskellähmungen führen.
Fragestellungen bei Störungen des peripheren Nervensystems
Druckläsionen
Polyneuropathien sind bei ambulanten Patienten ein häufiger Überweisungsgrund zum Neurologen (Kap. 459). Bei stationären Patienten sind dagegen Mononeuropathien häufiger, und hierbei insbesondere Druckschädigungen als mögliche Komplikation bei vielen chirurgischen Eingriffen und internistischen Erkrankungen. Die Druckschädigung des Nervus medianus am Handgelenk (Karpaltunnelsyndrom) ist das bei weitem häufigste neuropathische Engpasssyndrom, ist jedoch selten Anlass für neurologische Konsultationen im Krankenhaus. Wichtige Mechanismen bei perioperativen Mononeuropathien sind Dehnungsschäden, Kompression und Ischämie des Nervs. Durch bildgebende Verfahren (MRT-Neurografie, Nervensonografie) kann eine definitive Unterscheidung dieser Ursachen möglich sein. Bei allen Fällen einer Mononeuropathie kann die Diagnose durch die klinische Untersuchung gestellt werden. Zur Bestätigung können, sofern erforderlich, in der subakuten Phase elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt werden. Die Behandlung besteht hauptsächlich darin, eine weitere Traumatisierung des betroffenen Nervs zu vermeiden, kann aber auch eine operative Revision beinhalten, um eine Druckeinwirkung auf den Nerv zu beseitigen oder eine Nervennaht bzw. Nerveninterponat durchzuführen.
Neuropathie des N. radialis
Eine Schädigung des N. radialis zeigt sich klassischerweise als Schwäche der Hand- und Fingerextension („Fallhand“) mit oder ohne Schwäche weiter proximal gelegener Extensoren der oberen Extremität, abhängig vom Läsionsort. Die Sensibilitätsstörung liegt im Versorgungsgebiet des N. radialis und bezieht den Handrücken ein (Abb. 463e-3A). Eine Druckeinwirkung in Höhe der Axilla, etwa bei Benutzung von Achselstützen als Gehhilfe, führt neben der Fallhand zur Schwäche des Musculus triceps, Musculus brachioradialis und der Supinatoren. Häufiger liegt der Kompressionsort im Bereich des Sulcus spiralis am Oberarm, etwa bei einer Humerusfraktur oder wenn der Patient mit dem Arm über einer Lehne geschlafen hat („Parkbanklähmung“). Bei einer Verletzung des Nervs in dieser Höhe ist der M. triceps in der Regel nicht betroffen. Radialisparesen können mit zentralen extensorenbetonten Handparesen verwechselt werden, die aus einer Läsion des ersten Motorneurons (Pyramidenbahn) bei zerebralen oder spinalen Affektionen resultiert, sodass neuroradiologisch ein akuter Schlaganfall oder eine Raumforderung ausgeschlossen werden müssen.
Neuropathie des N. ulnaris
Der N. ulnaris ist nach dem Karpaltunnelsyndrom des Nervus medianus am zweithäufigsten von Druckläsionen betroffen. Meist liegt der Ort der Kompression am Ellenbogen, wo der Nerv oberflächlich im Sulcus ulnaris bzw. Kubitaltunnel verläuft. Früheste Symptome sind in der Regel Missempfindungen im sensiblen Versorgungsgebiet des N. ulnaris am vierten und fünften Finger (Abb. 463e-3B). Die sensiblen Störungen können bei Flexion des Ellenbogens zunehmen, da dies den Druck auf den Nerv erhöht. Daher geben die Patienten oft eine Zunahme der Parästhesien in der Nacht an, wenn der Arm während des Schlafes im Ellenbogen gebeugt wird. Motorische Ausfälle betreffen meist die kleinen Handmuskeln, was zu Ungeschicklichkeit und verminderter Kraft bei Faustschluss und Pinzettengriff führt. Ursachen einer Kompression des N. ulnaris sind z. B. ein Trauma („Musikantenknochen“), Lagerungsschäden während Operationen in Allgemeinanästhesie und chronische Ellenbogenarthritis. Wenn eine perioperative Verletzung des N. ulnaris vermutet wird, sollten Dehnungsschäden oder andere Verletzungen des unteren Plexus brachialis in die Differenzialdiagnose einbezogen werden, da deren Symptome die einer Ulnarisläsion imitieren können. Bei uneindeutigem klinischem Befund können elektrophysiologische Untersuchungen einige Wochen nach der Schädigung klar zwischen einer Plexusaffektion und einer Ulnarisläsion unterscheiden. Häufig wird zunächst eine konservative Behandlung mit nächtlicher Schienung des Ellenbogens in Extension erfolgen. Daneben können in refraktären oder rezidivierenden Fällen mehrere chirurgischer Verfahren erfolgreich sein, darunter die anteriore Transposition des N. ulnaris und die Spaltung der Aponeurose des M. flexor carpi ulnaris.
Neuropathie des N. peroneus
Der N. peroneus (auch als N. fibularis bezeichnet) windet sich unterhalb des Knies um den Fibulakopf, wo ihn seine oberflächliche Lage für Verletzungen anfällig macht. Patienten zeigen im Fußgelenk eine Schwäche der Dorsalextension (Fußheberschwäche, „Steppergang“) und der Supination, nicht jedoch der Pronation. Diese Aussparung der Einwärtswendung, die durch vom N. tibialis innervierte Muskeln ausgeführt wird, kann bei der Abgrenzung einer Peronaeusläsion von einer Radikulopathie der Wurzel L5 hilfreich sein. Sensible Störungen betreffen den lateralen Unterschenkel und den Fußrücken (Abb. 463e-3C). Frakturen des Fibulakopfes können zu einer Peronaeusläsion führen; häufigere Ursache im Zusammenhang mit Operationen sind jedoch schlecht sitzende Schienen, die bei einem bewusstlosen Patienten, der oft in Steinschnittlage gelagert wurde, Druck auf den Nerv ausüben. Zu enge Kompressionsstrümpfe oder Oberschenkelgipse können ebenfalls Ursache einer Peronaeusläsion sein. Schlanke Menschen und solche mit kurz zurückliegender Gewichtsabnahme weisen ein erhöhtes Risiko auf.
Proximale Femoralisläsionen
Verletzungen des proximalen N. femoralis sind relativ selten, können aber zu dramatischen Bildern mit einer Schwäche der Hüftbeugung, Atrophie des M. quadriceps und Schwäche der Knieextension führen. Letztere manifestiert sich oft durch Stürze, die durch ein plötzliches Nachgeben des Knies ausgelöst werden. Der Patellarsehnenreflex ist abgeschwächt oder ausgefallen. Dagegen ist die Adduktion des Oberschenkels ausgespart, da die Adduktoren vom N. obturatorius versorgt werden. Auf diese Weise kann eine Läsion des N. femoralis von einer weiter proximal gelegenen Läsion des Plexus lumbosacralis abgegrenzt werden. Sensible Ausfälle finden sich im Versorgungsgebiet der sensiblen Äste des N. femoralis am vorderen Oberschenkel (Abb. 463e-3D). Druckschäden durch retroperitoneal gelegene Hämatome oder Raumforderungen sind häufig. Daher sollte bei allen Patienten mit Läsionen des N. femoralis eine Computertomografie des Beckens durchgeführt werden, um eine solche Ursache auszuschließen. Blutungen im Becken mit Hämatombildung können spontan, nach Trauma oder nach intrapelvinen Operationen (z. B. Nierentransplantation) auftreten. Bei intoxikierten oder komatösen Patienten können Dehnungsläsionen des N. femoralis nach prolongierter extremer Hüftbeugung oder -streckung beobachtet werden. Verletzungen des N. femoralis treten selten als Komplikation einer versuchten Punktion einer Femoralarterie oder -vene auf.
N. cutaneus femoris lateralis
Das aus einer Druckschädigung des N. cutaneus femoris lateralis resultierende Syndrom wird als Meralgia paraesthetica bezeichnet. Die Symptome bestehen aus Sensibilitätsausfällen, Schmerzen und Dysästhesien in einem Teil des Versorgungsgebietes dieses Nervs (Abb. 463e-3E). Der Nerv hat keinen motorischen Anteil, sodass eine Muskelschwäche nicht Teil des Syndroms ist. Die Symptome nehmen häufig beim Stehen oder Gehen zu. Die Kompression des Nervs erfolgt typischerweise in seinem Austrittsgebiet oberhalb der Leistenregion, von wo aus er oberflächlich zum Bein verläuft. Meist spielen eng sitzende Gürtel, Hosen oder Korsagen oder eine kürzlich aufgetretene Gewichtszunahme, auch bei Schwangerschaft, eine Rolle. Zu den Differenzialdiagnosen gehören Hüftgelenkprobleme, wie etwa eine Bursitis im Trochanterbereich.
Neuropathien in der Geburtshilfe
Schwangerschaft und Entbindung bedeuten für Frauen ein besonderes Risiko für zahlreiche Nervenläsionen. Radikulopathien infolge lumbaler Bandscheibenvorfälle kommen in der Schwangerschaft nicht gehäuft vor. Dagegen können Druckläsionen des Plexus lumbosacralis auftreten, die entweder durch den Durchtritt des kindlichen Kopfes durch das Becken oder bei Einsatz von Zangen während der Entbindung verursacht werden. Derartige Plexusverletzungen sind häufiger bei einem Missverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken und zeigen sich oft als schmerzlose einseitige Fußheberschwäche. Diese muss abgegrenzt werden von einer Druckläsion des N. peroneus bei Steinschnittlagerung unter der Geburt. Andere kompressionsbedingte Mononeuropathien in der Schwangerschaft sind die Meralgia paraesthetica und das Karpaltunnelsyndrom. Läsionen des N. femoralis können auftreten, wenn zur Entwicklung der kindlichen Schulter eine extreme Extension oder Flexion im Hüftgelenk vorgenommen wird. Affektionen des N. obturatorius sind bei Steinschnittlagerung möglich; sie sind gekennzeichnet von Schmerzen im medialen Oberschenkel und gegebenenfalls einer Schwäche der Oberschenkeladduktion. Zudem besteht eine klare Assoziation zwischen Schwangerschaft und einem gehäuften Auftreten idiopathischer Fazialisparesen.
Weiterführende Literatur
Avila JD, Živković S: The neurology of solid organ transplantation. Curr Neurol Neurosci Rep 15:38, 2015
Dhar R, Human T: Central nervous system complications after transplantation. Neurol Clin 29:943–72, 2011
Fugate JE, Rabinstein AA: Posterior reversible encephalopathy syndrome: clinical and radiological manifestations, pathophysiology, and outstanding questions. Lancet Neurol 14:914–25, 2015
Goto T, Maekawa K: Cerebral dysfunction after coronary artery bypass surgery. J Anesth 28:242–8, 2014
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