478e Akzidentelle Hypothermie und Erfrierung
Akzidentelle Hypothermie ist als ein Absinken der Körperkerntemperatur auf < 35 °C definiert. Bei der primären Hypothermie ist die Ursache die direkte Kälteexposition, bei der sekundären Hypothermie ist sie die Komplikation einer schweren systemischen Erkrankung. Modulierend wirken extremes Alter, Ernährungszustand, sozioökonomische Faktoren, psychische Erkrankungen sowie toxikologische und pharmakologische Ursachen.
Die unmittelbare Temperaturregulation geschieht über das autonome Nervensystem, die verzögerte Kontrolle erfolgt durch das endokrine System. Das klinische Bild reicht von leichten physiologischen Störungen (z. B. Amnesie, Apathie, arterielle Hypertonie, Tachypnoe, Kältezittern) bis zu starken Einschränkungen der vitalen Funktionen (z. B. Koma, Areflexie, Arrhythmien, Kammerflimmern, Asystolie). Die Stabilisierung erfolgt entsprechend den akuten Organdysfunktionen (z. B. kardiales und pulmonales Monitoring, Blutgas-Analyse, Hämatokrit, Blutchemie); relativ häufig finden sich Koagulopathien.
Maßnahmen zur Wiedererwärmung reichen von der aktiven externen Erwärmung (z. B. mit Warmluftdecken), Verabreichung von warmen Infusionen bis zu Pleura- oder Peritoneallavage und bei Herzstillstand extrakorporaler Bluterwärmung.
Erfrierungen treten bei Gewebetemperaturen < 0 °C auf, Eiskristallbildungen zerstören zelluläre Strukturen, beim Auftauen zeigen sich Ischämien, Thrombosen, Ödeme, Nekrosen. Bei der Therapie steht das rasche Auftauen durch Immersion in warmem Wasser im Vordergrund; keine Unterbrechung der Wiedererwärmung wegen dann nicht kontrollierbarer Schmerzen! Tetanus- und Streptokokkenprophylaxe, Analgesie im Rahmen der Wiedererwärmung, gegebenenfalls Heparin und in selten Fällen eine Thrombolyse bei erfrierungsbedingten Thrombosen.
Für die deutsche Ausgabe Peter Paal und Joachim Koppenberg
Akzidentelle Hypothermie
Eine akzidentelle Hypothermie tritt auf, wenn die Körperkerntemperatur unbeabsichtigt unter 35 °C absinkt. Bei dieser Temperatur beginnen viele kompensatorische physiologische Mechanismen der Wärmeerhaltung zu versagen. Die primäre akzidentelle Hypothermie ist das Ergebnis einer direkten Kälteexposition eines vorher gesunden Individuums. Die Sterblichkeit ist bei Patienten viel höher, bei denen eine sekundäre Hypothermie als Komplikation einer schweren, systemischen Erkrankung auftritt.
Ursachen von Hypothermie
Die primäre akzidentelle Hypothermie ist von den geografischen und saisonalen Gegebenheiten abhängig. Obwohl sich die meisten Fälle in den Wintermonaten und in kälteren Klimazonen ereignen, treten sie überraschenderweise genauso auch in wärmeren Regionen auf. Durch zahlreiche Besonderheiten sind ältere und kranke Patienten sowie Neugeborene besonders anfällig für eine akzidentelle Hypothermie (Tab. 478e-1). Der ältere Mensch hat eine verminderte Thermoregulation und reagiert empfindlicher auf Immobilität, Mangelernährung und systemische Erkrankungen, welche mit der Wärmeproduktion und -erhaltung interferieren. Demenz, psychische Erkrankungen und sozioökonomische Faktoren verstärken häufig diese Probleme durch Verhinderung von Maßnahmen, die einer akzidentellen Hypothermie vorbeugen. Neugeborene haben einen kleinen wärmeproduzierenden Körper und eine zum Erwachsenen verhältnismäßig große Körperoberfläche und verlieren deshalb viel Wärme, zudem ist die Möglichkeit der Wärmeproduktion durch Zittern und adäquates Verhalten limitiert. Außerdem kann bei allen Altersgruppen Unterernährung den Wärmeverlust verstärken, weil das subkutane Fettgewebe vermindert und die Thermogenese aufgrund verminderter Energiereserven eingeschränkt ist.
Toxikologische und pharmakologische Gründe |
Personen, die aufgrund ihres Berufes oder Hobbys extrem kalter Witterung ausgesetzt sind, haben ein erhöhtes Risiko für eine akzidentelle Hypothermie. Die Militärgeschichte ist z. B. voll von Unterkühlungstragödien. Jäger, Seeleute, Skiläufer und Bergsteiger sind ebenfalls einem erhöhten Risiko ausgesetzt – sowohl bezüglich der Unfallgefahr als auch bezüglich plötzlicher Wetteränderungen oder unzureichender Vorbereitung.
Alkohol führt zur Vasodilatation (welche den Wärmeverlust verstärkt), vermindert die Thermogenese sowie die Glukoneogenese und kann die Urteilsfähigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit reduzieren. Phenothiazine, Barbiturate, Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva und viele andere Medikamente reduzieren die zentral vermittelte Vasokonstriktion. Bis zu 25 % aller Patienten, die wegen Drogenüberdosierung auf einer Intensivstation aufgenommen werden, sind hypotherm. Anästhetika können das Kältezittern unterdrücken. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn Patienten im Operationsraum oder im Aufwachraum nicht adäquat zugedeckt und gewärmt werden.
Verschiedene endokrine Fehlfunktionen können zu einer akzidentellen Hypothermie führen. Eine Hypothyreose, besonders ausgeprägt beim Myxödemkoma, schränkt den Grundumsatz und die Thermogenese ein und beeinträchtigt das Verhalten. Auch eine Nebenniereninsuffizienz und Hypophyseninsuffizienz können zu einer verstärkten Hypothermieneigung führen. Eine Hypoglykämie, häufig durch eine Überdosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika hervorgerufen, ist ebenfalls mit Hypothermie in Verbindung zu bringen, wohl als Folge einer neuroglykopenischen Wirkung auf die hypothalamische Funktion. Daneben wird die hypothalamische Thermoregulation durch eine erhöhte Osmolalität, metabolische Entgleisungen in Zusammenhang mit einer Urämie, diabetische Ketoazidose und Laktatazidose beeinflusst.
Nervenverletzungen durch Traumata, zerebrovaskuläre Ereignisse, Subarachnoidalblutungen und hypothalamische Läsionen erhöhen die Hypothermieneigung. Eine fehlende Anlage des Corpus callosum (Shapiro-Syndrom) ist eine Ursache für eine periodische Hypothermie, welche durch exzessives Schwitzen mit nachfolgendem starkem Temperaturabfall charakterisiert ist. Eine akute Rückenmarkverletzung unterbricht die autonomen Leitungsbahnen, sodass das Kältezittern und die kälteinduzierte, reflektorische, vasokonstriktorische Antwort ausbleiben.
Eine akzidentelle Hypothermie im Rahmen einer Sepsis ist ein schlechtes prognostisches Zeichen. Eine Leberinsuffizienz vermindert die Glykogenspeicherung und die Glukoneogenese und vermindert das kompensatorische Kältezittern. Auch ein akuter Myokardinfarkt mit niedrigem Herzzeitvolumen führt zu einer Hypothermie, welche nach erfolgreicher Behandlung reversibel sein kann. Der erhöhte periphere Blutfluss, wie er im Rahmen von ausgedehnten Verbrennungen, Psoriasis, Erythrodermie und anderen Hauterkrankungen zu verzeichnen ist, führt zu exzessivem Wärmeverlust.
Thermoregulation
Wärmeverlust erfolgt durch fünf Mechanismen: (1) Radiation (Wärmestrahlung) (55–65 % des Wärmeverlustes), (2) Konduktion (Wärmeleitung) (10–15 %, deutlich höher im kalten Wasser), (3) Konvektion (Wärmeübertragung) (Zunahme bei Wind), (4) Atmung und (5) Wasserverdunstung (die beiden Letzten werden durch die Umgebungstemperatur und die relative Luftfeuchtigkeit beeinflusst).
Normalerweise koordiniert der präoptische anteriore Hypothalamus die Thermoregulation (Kap. 23). Die unmittelbare Aufrechterhaltung der Thermoneutralität geschieht über das autonome Nervensystem, während die verzögerte Kontrolle durch das endokrine System vorgenommen wird. Die Antworten des autonomen Nervensystems schließen die Ausschüttung von Noradrenalin, einen erhöhten Muskeltonus und Muskelzittern ein, was zu einer Thermogenese und einem Anstieg des Grundumsatzes führt. Kutane Kälterezeptoren bewirken eine direkte reflektorische Vasokonstriktion, um Wärmeverluste zu vermeiden. Ein längerer Aufenthalt in kälterer Umgebung stimuliert außerdem die thyrotrope Achse, was die Stoffwechselrate erhöht.
Klinisches Bild bei Hypothermie
Bei Hypothermie kann die Diagnose meist durch die begleitenden Umweltfaktoren (wie z. B. längerer Aufenthalt im Freien ohne adäquate Kleidung) gestellt werden. In urbanen Regionen ist das Erkennen häufig schwieriger und es müssen in erster Linie andere ätiologische Faktoren wie Toxine oder psychiatrische Diagnosen in Erwägung gezogen werden.
Nach einer initialen Stimulation durch eine Hypothermie folgt eine stetige Abnahme der Funktion aller Organsysteme. Das zeitliche Auftreten der klinischen Manifestationen variiert sehr stark (Tab. 478e-2). Ohne Kenntnis der Körperkerntemperatur ist es schwierig, andere Vitalzeichen zu interpretieren. Eine zur Kerntemperatur unverhältnismäßige Tachykardie lässt beispielsweise auch eine sekundäre Hypothermie infolge einer Hypoglykämie oder Hypovolämie beziehungsweise einer Intoxikation vermuten. Da die CO2-Produktion dabei stetig abnimmt, sollte die Atemfrequenz ebenfalls niedrig sein. Findet sich jedoch eine Hyperventilation, so ist an eine Läsion des zentralen Nervensystems oder eine organische Azidose zu denken. Eine deutlich eingeschränkte Bewusstseinslage bei einem Patienten mit milder Hypothermie sollte den Verdacht auf eine Überdosierung oder eine infektiös beziehungsweise traumatisch bedingte ZNS-Fehlfunktion lenken.
Auch die körperlichen Untersuchungsbefunde können durch eine Hypothermie verändert sein. So kann die Annahme, dass eine Areflexie allein auf eine Hypothermie zurückzuführen ist, die Diagnose einer Rückenmarkverletzung verbergen oder verzögern. Patienten mit Hypothermie können verwirrt oder aggressiv sein. Diese Symptome verschwinden rascher bei Wiedererwärmung als bei Fixierung oder medikamentöser Ruhigstellung. Ein typisches Beispiel für schlecht adaptiertes Verhalten von Patienten mit Hypothermie ist das paradoxe Entkleiden, welches sich durch ein inadäquates Ablegen von Kleidung als Antwort auf eine Kältebelastung darstellt. Der kälteinduzierte Ileus oder Spasmen des M. rectus abdominis können ein akutes Abdomen vortäuschen oder maskieren (Kap. 20).
Erleidet ein Patient durch eine akzidentelle Hypothermie einen Herzstillstand, so ist unverzüglich die kardiopulmonale Wiederbelebung durchzuführen. Ausnahmen sind, wenn (1) eine Patientenverfügung mit dem Verzicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen („do-not-resuscitate“) vorliegt, (2) offenkundig tödliche Verletzungen vorliegen oder (3) die Kompression des gefrorenen Thorax nicht möglich ist. Im Verlauf einer Reanimation verschlechtert sich die Prognose erheblich, wenn ein deutlicher Zelluntergang durch einen Serum-Kalium-Spiegel von über > 12 mmol/l vorliegt. Falls der Patient mit hypothermem Herzstillstand nach Wiedererwärmung auf > 32 °C keinen Spontankreislauf entwickelt und keine Intoxikation vorliegt, so kann die Reanimation abgebrochen werden. Eine vorausgehende Asphyxie mit sekundärem Auskühlen ist der wichtigste negative Prädiktor für das Überleben.
Diagnostik und Stabilisierung bei einer Hypothermie
Das Vorliegen einer Hypothermie wird durch die Bestimmung der Körperkerntemperatur, idealerweise ösophageal im mittleren bis unteren Drittel bestätigt. Die rektale Messung sollte in einer Tiefe von 15 cm durchgeführt werden, möglichst nicht im kalten Kot, die Werte sind im Rahmen der Abkühlung in der Regel höher als ösophageal und bei Wiedererwärmung niedriger (träge Temperaturänderungen durch Kot). Die epitympanale Temperaturmessung wird vielfach bei Nichtintubierten verwendet, ist aber in kalter Umgebung und bei Wasser und Schnee im Ohr sehr fehleranfällig mit Neigung zur Anzeige zu niedriger Temperaturen.
Nach der Diagnose einer akzidentellen Hypothermie sollte ein EKG-Monitoring durchgeführt werden. Gleichzeitig müssen weitere Wärmeverluste verhindert werden. Bei Kammerflimmern unterhalb von 30 °C Körperkerntemperatur können bis zu drei Defibrillationen mit Standardstromstärken durchgeführt werden. Kardiales Pacing bei hypothermieinduzierten Bradyarrhythmien ist nicht indiziert. Eine Oxygenierung sollte immer durchgeführt werden, da die Gewebeversorgung mit Sauerstoff durch eine Linksverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve verschlechtert ist und eine Hypoxie maligne Arryhtmien triggern kann. Eine Pulsoximetrie ist bei Patienten mit hypothermiebedingter Vasokonstriktion unmöglich. Bei fehlenden Atemwegschutzreflexen sollte eine endotracheale Intubation in Betracht gezogen werden, das Risiko, damit einen Herzstillstand auszulösen ist vernachlässigbar. Sehr wohl ist aber anschließend die Abkühlungsgeschwindigkeit durch Inhibition der Thermoregulation beschleunigt und damit das Risiko für einenhypothermiebedingten Herzstillstand erhöht.
Ein Blasenkatheter ermöglicht das Erkennen einer kälteinduzierten Diurese. Bei chronischer Hypothermie tritt für gewöhnlich eine Dehydratation auf. Im Rahmen einer Wiedererwärmung inkl. einsetzenden Vasodilatation benötigen Patienten intravenöse Gaben von kristalloiden Lösungen. Wegen der möglichen Irritabilität des rechten Vorhofs sollten außerdem zentralvenöse Katheter herzfern (z. B. femoral) gelegt werden, um Arrhythmien zu verhindern.
Die arteriellen Blutgase sollten nicht entsprechend der Temperatur korrigiert werden (Kap. 66). Ein nicht korrigierter pH von 7,42 und ein PCO2 von 40 mmHg weisen auf eine ausgeglichene alveoläre Ventilation und ein Gleichgewicht des Säure-Basen-Status bei jeder Kerntemperatur hin. Säure-Basen-Störungen sollten langsam korrigiert werden, da das Bikarbonat-Puffersystem nicht effizient arbeitet. Ein häufiger Fehler ist die übertriebene Hyperventilation bei verminderter CO2-Produktion. Wenn der PaCO2 bei 28 °C um 10 mmHg abnimmt, verdoppelt sich der pH-Anstieg von 0,08 im Vergleich zu 37 °C.
Das Ausmaß der Anämie kann unterschätzt werden, weil der Hämatokritwert um 2 % für jeden Temperaturabfall um 1 °C steigt. Die Leukozyten werden sequestriert und das Knochenmark supprimiert, sodass möglicherweise eine Infektion maskiert wird. Obwohl eine Hypokaliämie bei chronischer Hypothermie die Regel ist, kann auch eine Hyperkaliämie auftreten. Die erwarteten EKG-Veränderungen sind jedoch mitunter durch die Hypothermie verdeckt. Patienten mit Niereninsuffizienz, metabolischer Azidose oder Rhabdomyolyse haben ein großes Risiko für Elektrolytverschiebungen.
Es finden sich häufig Koagulopathien, da Kälte die enzymatischen Reaktionen für die Aktivierung der Gerinnungskaskade hemmt. Außerdem ist die Bildung von Thromboxan B2 durch die Thrombozyten temperaturabhängig. Die Thrombozytenfunktion selbst ist ebenfalls beeinträchtigt. Deshalb ist die Gabe von Thrombozyten und Fresh-Frozen-Plasma nicht wirksam. Prothrombin oder die partielle Thromboplastinzeit bzw. der INR zeigen fälschlicherweise normale Werte und stehen im Widerspruch zu der beobachteten Koagulopathie. Dieser Widerspruch kommt dadurch zustande, dass alle Gerinnungstests routinemäßig bei 37 °C durchgeführt werden und die Enzyme dadurch miterwärmt werden.
Maßnahmen zur Wiedererwärmung bei Hypothermie
Die wichtigste Entscheidung ist, ob der Patient aktiv oder passiv wiedererwärmt werden soll. Die passive externe Erwärmung besteht aus Zudecken und Isolieren des Patienten in einer warmen Umgebung. Bei zugedecktem Kopf tritt eine Erwärmung um 0,5–2,0 °C pro Stunde auf. Diese Technik ist ideal für vorher gesunde Patienten, die eine akute, milde, primäre, akzidentelle Hypothermie erlitten haben. Der Patient muss genügend Glykogen zur Verfügung haben, um die endogene Thermogenese aktivieren zu können.
Eine aktive Erwärmung ist unter folgenden Bedingungen notwendig: (1) Kerntemperatur < 32 °C (Poikilothermie, kein spontanes Kältezittern mehr vorhanden), (2) kardiovaskuläre Instabilität, (3) extremes Alter, (4) Störung des zentralen Nervensystems, (5) endokrine hormonelle Insuffizienz oder (6) Verdacht auf eine sekundäre Hypothermie. Eine aktive externe Erwärmung wird am besten mit Warmluftdecken und warmen Infusionen erreicht. Andere Möglichkeiten sind Wärmestrahler und Wärmepackungen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur aktiven Anhebung der Körperkerntemperatur. Kristalloide Lösungen sollten auf 40–42° C erwärmt werden. Dies ist jedoch nur bei massiver Volumensubstitution erfolgreich. Eine geschlossene Pleura- oder Peritonealspülung ist weit wirksamer bei schwer hypothermen Patienten mit Herzstillstand. Die beiden Thoraxhälften werden über zwei großlumige Drainagen gespült. Thoraxdrainagen sollten bei spontaner Perfusion zwecks Wiedererwärmung nicht in den linken Brustraum gelegt werden. Eine Peritoneallavage mit einem Dialysat von 40–45 °C führt zu einer wirksamen Erwärmung, wenn zwei Katheter mit gleichzeitigem Sog verwendet werden. Ähnlich wie die Peritonealdialyse ist die Hämodialyse besonders sinnvoll für Patienten mit Elektrolytstörungen, Rhabdomyolyse oder Intoxikationen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der zentralvenösen Insertion eines Katheters zur raschen endovaskulären Erwärmung.
Extrakorporale Bluterwärmung kommt bei sehr stark unterkühlten Patienten, besonders bei hypothermiebedingtem Kreislaufstillstand, in Betracht (Tab. 478e-3). Der kardiopulmonale Bypass sollte bei Patienten ohne dokumentierte Kontraindikation für eine Wiederbelebung angewendet werden. Zirkulatorische Unterstützung ist ebenfalls die alleinige effektive Maßnahme bei Patienten mit vollständig gefrorenen Extremitäten oder bei erheblicher Gewebezerstörung in Verbindung mit Rhabdomyolyse. Die optimale Wiedererwärmungstemperatur ist nicht bekannt. Die beste Strategie ist gewöhnlich eine Kombination aus passiver und aktiver Erwärmungstechnik, die vorwiegend am Stamm erfolgt.
Behandlung: Hypothermie
Beim hypothermen Patienten sprechen die Zielorgane und das kardiovaskuläre System auf die meisten Arzneimittel nur minimal an. Allgemein sollten bei einer Körpertemperatur < 30 °C Medikamente zurückhaltend intravenös verabreicht werden. Bei hypothermen Patienten ist die Proteinbindung von Medikamenten verstärkt, der Abbau durch den reduzierten Stoffwechsel und die eingeschränkte Ausscheidung vermindert. Deshalb sollte bei Medikamenten eine geringere Dosis oder ein längeres Dosisintervall gewählt werden, um eine Überdosierung zu verhindern. Im Herzstillstand sollten bei Patienten mit einer Körpertemperatur < 30 °C keine Katecholamine verabreicht werden, bei > 30 °C Körpertemperatur und anhaltendem Herzstillstand sollten die Intervalle zwischen der Verabreichung von Katecholaminen verlängert werden. Zum Beispiel ist die wiederholte Gabe von Digoxin oder Insulin wirkungslos, solange der Patient hypotherm ist, aber die verabreichten und gespeicherten Arzneimittel können während der Erwärmungsphase und beim Wiederaufleben des Stoffwechsels schnell toxisch wirken.
Es ist unklar, welcher Blutdruck bei einem hypothermen Patienten angestrebt werden sollte. Verbesserungen des klinischen Bildes und des Laktats sowie eine Diurese sprechen für einen ausreichenden Perfusionsdruck. Im Rahmen der Wiedererwärmung benötigen Hypotherme größere Flüssigkeitsmengen (Zustand nach Kältediurese und kältebedingter Vasokonstriktion, wärmebedingte Vasodilatation). Wenn die arterielle Hypotonie nicht ausreichend auf kristalloide oder kolloidale Infusionen anspricht, kann unterstützend die Gabe von niedrig dosiertem Katecholamin, z. B. Noradrenalin (0,1–0,5 μg/kg/min) in Erwägung gezogen werden.
Vorhofarrhythmien können zunächst ohne Intervention zur Kenntnis genommen werden, solange die ventrikuläre Frequenz langsam bleibt. In der Regel verschwinden Vorhofarrhythmien im Rahmen einer Wiedererwärmung. Je ausgeprägter die Unterkühlung ist, desto häufiger treten ventrikuläre Arrhythmien auf, Kammerflimmern ist < 32 °C möglich und < 28 °C wahrscheinlich. Prophylaxe und Therapie ventrikulärer Arrhythmien sind nicht möglich. Keines der Klasse-I-Antiarrhythmika hat sich als wirksam und sicher erwiesen, und es gibt keine Hinweise darauf, dass das Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron sicher ist.
Eine Substitutionstherapie bezüglich einer Nebenniereninsuffizienz ist in der Regel nicht notwendig, sofern keine Hinweise aus der Anamnese für Steroidbedürftigkeit, Hypoadrenalismus oder ein Versagen der Erwärmung durch die Standardtherapie vorliegen. Die Anwendung von parenteralem Levothyroxin bei euthyreoten Patienten mit Hypothermie ist potenziell gefährlich. Da Laborergebnisse verzögert vorliegen können und das klinische Bild durch das Vorhandensein eines Euthyroid-Sick-Syndroms (Kap. 405) verwischt sein kann, sollte durch Anamnese oder körperliche Untersuchung nach einer Hypothyreose gesucht werden. Bei Vorliegen einer Hypothermie aufgrund eines Myxödems ist beispielsweise die Relaxationsphase des Achillessehnenreflexes stärker verlängert als die Kontraktionsphase.
Eine Hypothermie kaschiert die meisten Zeichen und Symptome einer Infektion, besonders Fieber und Leukozytose. Schüttelfrost aufgrund einer Infektion kann als Muskelzittern fehlinterpretiert werden. Mit Ausnahme von milden Fällen sind wiederholte Bakterienkulturen und Kontrolluntersuchungen notwendig. Wird dann eine infektiöse Quelle identifiziert, sollte prophylaktisch bei älteren Patienten, Neugeborenen und immunsupprimierten Patienten antibiotisch behandelt werden.
Präventive Maßnahmen sind bei Hochrisikopatienten zu erwägen. Das betrifft vor allem ältere Patienten oder Personen, die bei ihrer Arbeit extremer Kälte ausgesetzt sind. Die Bedeutung von mehrschichtiger Kleidung und Kopfschutz, adäquater Unterkunft, höherer Kalorienaufnahme und der Vermeidung von Alkohol sollte nachdrücklich hervorgehoben und dabei ärztliche Hilfe angeboten werden.
Erfrierungen
Die peripheren Kälteschäden schließen sowohl Verletzungen durch Erfrieren als auch durch Unterkühlung ein. Menschliches Gewebe gefriert sehr schnell, wenn es in Kontakt mit thermischen Leitern, wie z. B. Metall oder Flüssigkeiten, kommt. Weitere prädisponierende Faktoren sind eng anliegende Kleidung oder Schuhe, Immobilität sowie Behandlung mit vasokonstriktorisch wirkenden Arzneimitteln. Erfrierungen treten auf, wenn die Gewebetemperatur unter 0 °C fällt. Die Bildung von Eiskristallen zerstört die zelluläre Struktur. Wenn das vaskuläre Endothel geschädigt wird, tritt rasch eine Stase ein und mikrovaskuläre Thromben entstehen. Taut dann das Gewebe auf, bleibt die fortschreitende Ischämie der Haut bestehen. Die kleinen Gefäße beginnen zu kollabieren, arteriovenöse Shunts steigern den Gewebedruck und führen zu Ödemen. Letztendlich treten Thrombosen, Ischämien und oberflächliche Nekrosen auf. Mumifikation und Demarkierung entwickeln sich erst nach Wochen bis Monaten.
Klinisches Bild von Erfrierungen
Das initiale Erscheinungsbild von Erfrierungen kann trügerisch günstig sein. Symptome schließen stets sensible Ausfälle bezüglich sanfter Berührung, Schmerzen und Temperaturperzeption ein. Die peripheren Bereiche der Extremitäten, besonders Beine und Füße, sind in der Regel gefühllos. Manche Patienten sprechen von einem pelzigen oder „holzklotzartigen“ Gefühl in den Extremitäten.
Tiefgefrorenes Gewebe kann wachsbleich, gesprenkelt, gelb oder bläulich-weiß aussehen. Prognostisch günstige Symptome sind warme Bereiche oder empfindliche Areale mit normaler Farbe. Die Verletzung bleibt häufig oberflächlich, wenn das subkutane Gewebe geschmeidig ist oder wenn die Haut über vorspringenden Knochen verschoben werden kann.
Sog. „Frostnips“ können Erfrierungen vorausgehen. Es sind nicht gefrorene Kälteschäden durch eine ausgeprägte Vasokonstriktion der an den Akren exponierten Haut.
Klinisch ist es am sinnvollsten, zwischen oberflächlichen und tiefen Erfrierungen zu unterscheiden. Oberflächliche Erfrierungen führen nicht zwangsläufig zur Gewebezerstörung, sondern nur zu Anästhesie und Erythem. Oberflächliche Bläschen, die von einem Ödem und Erythem umgeben sind, weisen auf eine tiefer reichende Erfrierung hin (Abb. 478e-1). Hämorrhagische Bläschen spiegeln eine starke mikrovaskuläre Verletzung im Sinne einer schweren Erfrierung wider. Bei Schäden von Subkutis, Muskulatur oder Knochengewebe kann eine Amputation erforderlich sein.
Die zwei häufigsten peripheren Kälteverletzungen, die nicht den Erfrierungen zugeordnet werden, sind Frostbeulen und der so genannte Immersions- oder Grabenfuß („Nasserfrierung“). Frostbeulen entstehen durch neurale und endotheliale Schädigung bei wiederholt trockener Kälteexposition. Junge Frauen, besonders Patientinnen mit einer Raynaud-Erkrankung, sind besonders häufig betroffen. Persistierende Vasospasmen und Vaskulitis führen zu Erythem, leichtem Ödem und Juckreiz. Es können sich auch Flecken, blaue Knoten und Ulzerationen entwickeln. Diese Läsionen treten typischerweise am Hand- und Fußrücken auf. Im Gegensatz dazu entsteht der Immersionsfuß nach wiederholter oder längerer Exposition von nasser Kälte oberhalb des Gefrierpunktes. Der Fuß erscheint zunächst zyanotisch, kalt und ödematös. Die nachfolgende Blasenbildung unterscheidet sich häufig nicht von Erfrierungen. Diese Blasenbildung schreitet jedoch schnell fort, und es entstehen Ulzerationen und eine schmerzende Gangrän. In leichteren Fällen klagen die Patienten später über übermäßige Schweißsekretion, Kälteempfindlichkeit und Schmerzen beim Gehen noch nach vielen Jahren.
Behandlung: Erfrierungen
Wenn Erfrierungen mit einer Unterkühlung einhergehen, kann sich die Gefäßstase durch Hydrieren verbessern. Gefrorenes Gewebe sollte so rasch wie möglich und vollständig durch Immersion in zirkulierendem Wasser bei 37–40 °C aufgetaut werden. Eine rasche Wiedererwärmung führt häufig zur initialen Hyperämie. Die frühe Bildung von großen klaren Blasen im distalen Bereich hat eine günstigere Prognose als kleine dunkle hämorrhagische Blasen im proximalen Bereich. Ein häufiger Fehler ist die vorzeitige Beendigung des Auftauens, weil der Wiedereintritt der Perfusion sehr schmerzhaft ist. Bei tiefen Erfrierungen sind parenterale Analgetika notwendig. Bleibt die Zyanose nach der Wiedererwärmung bestehen, muss der Gewebedruck im betroffenen Kompartiment sorgfältig überwacht werden, und bei Bedarf fasziotomiert werden.
Es wurden zahlreiche primäre und adjuvante antithrombotische und vasodilatatorische Behandlungsansätze erprobt. Das Prostazyklinanalogon Iloprost in Kombination mit Acetylsalicylsäure scheint eine sehr wirksame Therapieform zu sein. Es gibt keine abschließende Evidenz dafür, dass eine Sympathektomie, Glukokortikoide, Kalziumkanalblocker oder hyperbarer Sauerstoff Gewebe erhalten können.
Patienten mit tiefen Erfrierungen mit möglicherweise signifikanter Morbidität sollten eine intravenöse oder intraarterielle Thrombolytikatherapie (z. B. tissue plasminogen activator) erhalten. Der Umfang des Schadens lässt sich mittels Angiografie oder Pyrophosphat-Szintigrafie eingrenzen, außerdem erlauben beide Verfahren die Überwachung des Erfolgs der Tissue-plasminogen-activator-Therapie. Adjuvant wird die Gabe von Heparin empfohlen. Durch eine intraarterielle Thrombolyse lassen sich bei schweren Erfrierungen digitale oder weiter proximal gelegene Amputationen oft vermeiden, wenn sie binnen 24 Stunden nach dem Ereignis erfolgt. Ein Behandlungsprotokoll für Erfrierungen ist in Tabelle 478e-4 zusammengefasst.
Sofern sich keine Infektion entwickelt, sollte jede Entscheidung bezüglich eines Débridements oder einer Amputation hinausgezögert werden. Die Angiografie und die 99m-Technetium-Knochenszintigrafie helfen bei der Festlegung der Resektionsränder. Die Magnetresonanzangiografie kann die Demarkationslinie früher als der klinische Befund erfassen.
Die häufigsten symptomatischen Folgen sind Nervenschäden und ein dauerhaft erhöhter Sympathikotonus sowie Parästhesien, thermische Missempfindungen und Hyperhidrosis. Später auftretende Befunde schließen Nageldeformierungen, Hautmalignome und Epiphysenschäden bei Kindern ein.
Die Behandlung von Frostbeulen erfolgt normalerweise symptomatisch. Hartnäckige Frostbeulen können mit Nifedipin, Glukokortikoiden oder Prostaglandin-E1-Analoga, wie Limaprost, behandelt werden.
Weiterführende Literatur
Althaus U, Aeberhard P, Schupbach P et al: Management of profound accidental hypothermia with cardiorespiratory arrest. Ann Surg 195:492–5, 1982
Ehrlich MP, Mccullough JN, Zhang N et al: Effect of hypothermia on cerebral blood flow and metabolism in the pig. Ann Thorac Surg 73:191–7, 2002
Pasquier M, Zurron N, Weith B et al: Deep accidental hypothermia with core temperature below 24 degrees C presenting with vital signs. High Alt Med Biol 15:58–63, 2014
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