479e Hitzebedingte Erkrankungen
Die hitzebedingten Erkrankungen gliedern sich in milde Formen, wie Hauterscheinungen, Hitzesynkope, -ödem, -krämpfe und -erschöpfung, und medizinische Notfälle (Hitzschlag).
Alte Menschen und Kleinkinder sowie Personen, die sich körperlich in der Hitze stark belasten, sind besonders betroffen. Pathophysiologisch bedeutsam ist die Thermoregulation durch den Hypothalamus. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Steigerung der Transpiration und der peripheren Durchblutung. Umstände, die diese Mechanismen behindern (hohe Luftfeuchtigkeit, Medikamente, enge Kleidung und Dehydratation), begünstigen hitzebedingte Erkrankungen.
Die Symptomatik ist abhängig von der Form der Hitzeerkrankung; häufig sind Schwellungen, Muskelkrämpfe, grippeartige Symptome, Sinustachykardie, Synkopen und eine Erhöhung der Körperkerntemperatur.
Beim Hitzschlag kommt es im Gegensatz zu den milden Hitzeerkrankungen zu schweren Beeinträchtigungen der Vitalfunktionen und zu zentralnervösen Ausfallserscheinungen. Leber- und Nierenfunktionsstörungen, eine Verbrauchskoagulopathie und ein Multiorganversagen können auftreten. Wichtige Differenzialdiagnosen sind endokrine Erkrankungen, Infektionserkrankungen, Intoxikationen, metabolische Störungen, neurologische und psychiatrische Erkrankungen.
Therapeutisch sind immer die Abkühlung und bedarfsgerechte Rehydrierung sowie symptomatische Maßnahmen. In schweren Fällen sind engmaschiges hämodynamisches Monitoring und ggf. die Reanimation notwendig.
Für die deutsche Ausgabe Vera von Kalckreuth und Martin Möckel
Zu den hitzebedingten Erkrankungen gehören Krankheiten, die von Hitzesynkope, Muskelkrämpfen und Hitzekollaps bis zu medizinischen Notfällen wie dem Hitzschlag reichen. Normalerweise wird die Körperkerntemperatur in einem sehr engen Bereich konstant gehalten. Während eine bedeutende Hypothermie physiologischerweise vom menschlichen Organismus toleriert wird (Kap. 478e), treten bei Körpertemperaturen über 41–43 °C nach kurzer Zeit Dysfunktionen multipler Organe auf. Im Gegensatz zur schweren Hyperthermie ist das häufige Symptom Fieber Zeichen einer intakten Temperaturregulation.
Temperaturregulation
Der menschliche Organismus kann bedeutende Mengen an Wärme produzieren. Bei körperlicher Anstrengung kann sich die Wärmebildung verzwanzigfachen. Die durch den Stoffwechsel und die Aufnahme aus der Umgebung entstehende Wärme wird durch zahlreiche Mechanismen vom Körper wieder abgegeben. Diese Thermoregulation wird zentral vom im Bereich des anterioren Hypothalamus gelegenen Nucleus praeopticus gesteuert. Die von dort über das autonome Nervensystem weitergeleiteten efferenten Signale lösen eine Vasodilatation und Transpiration aus, um die Wärmeabgabe zu bedingen. Die Durchblutung der Haut kann um den Faktor 25–30 über die Basalrate erhöht werden. Dadurch wird die Hautoberfläche zu einem Heizstrahler und dem wichtigsten Ort der Wärmeabgabe. Kompensatorisch besteht gleichzeitig eine Vasokonstriktion der Nieren- und Mesenterialgefäße.
Normalerweise leitet der Körper überschüssige Wärme über vier Mechanismen an die Umgebung ab. Das Verdunsten von Feuchtigkeit auf der Haut ist der effizienteste Mechanismus zur Wärmeabgabe, wird aber bei über 70%iger relativer Luftfeuchtigkeit zunehmend wirkungslos. Weiter gibt der Körper kontinuierlich Wärme in Form von Infrarotstrahlung an die Umgebung ab. (Umgekehrt ist diese Strahlung in heißen Gegenden eine wichtige Quelle der Überwärmung.) Konduktion (die direkte Übertragung von Wärme auf kältere Objekte) und Konvektion (der Verlust von Wärme durch Luftströmung) werden unwirksam, sobald die Umgebungstemperatur über der Körpertemperatur liegt.
Faktoren, die das Verdunsten von Schweiß auf der Haut beeinträchtigen, erhöhen das Risiko hitzebedingter Erkrankungen wesentlich. Dazu gehören enge oder abschließende Kleidung, Dehydrierung, hohe Luftfeuchtigkeit und das Perlen des Schweißes von der Haut. Luft ist zwar ein guter Isolator, aber die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist 25-mal höher als diejenige von Luft bei der gleichen Temperatur. Zur Beurteilung der Wirkung von Umgebungswärme auf den Menschen wird oft die Wet-bulb Globe Temperature (WBGT-Index) herangezogen. Sie berücksichtigt bei der Berechnung neben der Umgebungstemperatur, die relative Luftfeuchtigkeit und die Höhe der Wärmestrahlung (z. B. durch das Sonnenlicht).
Akklimatisierung bedingt bestimmte physiologische Anpassungen, durch die der Körper effektiver Wärme abgeben kann. Damit diese Anpassung erfolgt, sind eine bis mehrere Wochen Wärmeexposition und körperliche Tätigkeit in der warmen Umgebung nötig. Während der Akklimatisierung wird der thermoregulatorische Grenzwert angepasst, sodass der Beginn der Transpiration, das Schweißvolumen und die Zusammensetzung des Schweißes verändert werden: Die Schwelle zum Schwitzen wird erniedrigt und die Feuchtigkeitsmenge bei geringerer Salzkonzentration erhöht. Bei Wärmebelastung kann die Schweißproduktion von akklimatisierten Menschen bis zu 1–2 l/h erreichen. Außerdem kommt es zur Expansion des Plasmavolumens und dadurch zur besseren Hautdurchblutung. Die Herzfrequenz sinkt, das Schlagvolumen wird erhöht. Nach dem Verlassen der warmen Umgebung klingt die verbesserte Wärmetoleranz rasch ab, das Plasmavolumen sinkt wieder, und es kommt innerhalb weniger Wochen zur Deklimatisierung.
Prädisponierende Faktoren und Differenzialdiagnosen
Bei übermäßiger Wärmebelastung kann der nicht akklimatisierte Körper verschiedene hitzebedingte Erkrankungen entwickeln. Hitzewellen erhöhen die Mortalität insbesondere bei älteren, armen und unterernährten Menschen sowie jenen, die keinen Zugang zu klimatisierten Räumen haben. Im Alter nehmen physiologischerweise die Anzahl der Schweißdrüsen, das Gesamtkörperwasser und das Durstgefühl ab. Zusätzlich beeinflussen zahlreiche Erkrankungen wie Polyneuropathien, demenzielle Syndrome und Immobilität die Wärmeabgabe negativ. Sekundäre Gefäßereignisse, z. B. Apoplex und Myokardinfarkt, treten bei extremer Umgebungswärme etwa 10-mal häufiger auf. Im Rahmen einer Hitzewelle 2003 kam es z. B. in vielen Ländern in Westeuropa zu einer deutlichen hitzeassoziierten Übersterblichkeit; diese betraf v. a. ältere Menschen (RKI 2004, Sardon 2003). Die Hitzewelle hatte umfangreiche Konsequenzen, u. a. einen durch die Europäische Kommission und die Weltgesundheitsorganisation festgelegten Heat-Health Action Plan („Key features of the heat-health action plans“, European Commission).
Die belastungsbedingte Hitzekrankheit tritt auf, wenn sich z. B. Arbeiter, Militärpersonal oder Sportler bei Hitze übermäßig körperlich anstrengen. Im deutschsprachigen Raum wird im Rahmen des Arbeitsschutzes besonderer Wert auf Präventionsmaßnahmen zur Prophylaxe hitzebedingter Erkrankungen gelegt. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigte vor solarer UV-Strahlung zu schützen. Arbeitszeit und -intensität müssen an die Witterung angepasst werden, Anlagen zur Beschattung und Besprühung mit Wasser sind einzurichten, die ständige Verfügbarkeit von Wasser ist zu gewährleisten (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung).Dies gilt im Besonderen für Arbeitsplätze im Freien, jedoch auch für Arbeitsstätten in Gebäuden. Zahlreiche weitere Faktoren prädisponieren für eine Hitzekrankheit. Neben Kleinkindern und sehr alten Menschen haben Jugendliche ein erhöhtes Risiko, da sie die Folgen eines anstrengenden Trainings bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit falsch einschätzen. Weitere Risikofaktoren sind Adipositas, unzureichende Kondition, fehlende Akklimatisierung sowie Dehydrierung.
Jede pharmakologische Störung der Hautdurchblutung beeinträchtigt die Wärmeabgabe. Vielen Patienten ist das durch Medikamente erhöhte Risiko von Hitze nicht bewusst. Anticholinergika beeinträchtigen die Schweißproduktion und dämpfen die physiologische kardiovaskuläre Reaktion auf Hitze ab. Phenothiazine besitzen ebenfalls anticholinerge Eigenschaften und stören die Funktion des Nucleus praeopticus im anterioren Hypothalamus durch die Blockade zentraler Dopaminrezeptoren (Dopamin wirkt an Nieren- und Mesenterialgefäßen vasodilatierend).
Auch Kalziumantagonisten, Betablocker und unterschiedliche Aufputschmittel hemmen die Wärmeabgabe durch Reduktion der Schweißproduktion und der peripheren Durchblutung. Um bei zunehmender Dehydrierung den mittleren arteriellen Blutdruck aufrechtzuerhalten, muss das Herz das Herzzeitvolumen bedarfsgerecht anheben können. Zahlreiche Aufputschmittel und illegale Drogen erhöhen zudem die Muskelaktivität und die Wärmeproduktion des Organismus.
Bei Verdacht auf eine hitzebedingte Erkrankung ist die Berücksichtigung der Differenzialdiagnosen entscheidend. Klinisch finden sich oft Hinweise auf andere Ätiologien, wie z. B. eine maligne Hyperthermie nach Allgemeinanästhesie oder ein malignes neuroleptisches Syndrom. Außerdem können multiple Infektions- und endokrine Krankheiten, Intoxikationen und zentralnervöse Erkrankungen im Anfangsstadium einen Hitzschlag vortäuschen(Tab. 479e-1).
Milde hitzebedingte Erkrankungen
Das Hitzeödem – eine leichte Schwellung der Hände, Füße und Sprunggelenke – tritt in den ersten Tagen einer Hitzeexposition auf. Der grundlegende Mechanismus ist die periphere Vasodilatation als Reaktion auf die Wärmebelastung mit Ansammlung von Flüssigkeit im Interstitium. Außerdem erhöht Wärme die Sekretion von antidiuretischem Hormon und Aldosteron. Andere Ursachen wie Leberzirrhose, nephrotisches Syndrom und Herzinsuffizienz lassen sich in der Regel anhand der Anamnese und der körperlichen Untersuchungsbefunde ausschließen. Das Hitzeödem klingt meist unbehandelt innerhalb weniger Tage ab. Diuretika sind nicht effektiv, sondern bergen durch den Volumenverlust ein Risiko für die Entwicklung schwererer hitzebedingter Erkrankungen.
Die Miliaria rubra(Lichen tropicus, tropische Flechte) ist ein makulopapulöses, juckendes, erythematöses Exanthem, das häufig auf von Kleidung bedeckten Körperarealen auftritt. Der Verschluss der Schweißdrüsenausführungsgänge durch Debris der mazerierten Epidermis verursacht eine Entzündung der Schweißdrüsen, die dilatieren, rupturieren und oberflächliche Pusteln erzeugen. Klinisch steht der Juckreiz im Vordergrund. Neben Antihistaminika wirkt Chlorhexidin beschwerdelindernd. Umschriebene Bereiche können von der vorsichtigen Behandlung mit 1%iger Salicylsäure oder Zink-Schüttelmixturen und Pudern profitieren. Die Kleidung sollte sauber sein und nicht eng anliegen. Außerdem müssen schweißtreibende Aktivitäten und Umgebungen gemieden werden.
Eine Hitzesynkope (belastungsbedingter Kreislaufzusammenbruch) tritt nach Ausdauertraining oder bei älteren Menschen auf. Weitere häufige klinische Szenarien sind langes, bewegungsloses Stehen bei Hitze sowie plötzliches Aufstehen nach längerer Hitzeexposition. Die Wärmebelastung führt zu einem relativen Volumenmangel aufgrund eines reduzierten vasomotorischen Tonus und einer peripheren Vasodilatation, die gemeinsam den venösen Rückstrom zum Herzen senken und insbesondere bei älteren, nicht akklimatisierten Personen zu einer orthostatischen Hypotonie führen. Da viele der Betroffenen auch unter anderen Erkrankungen leiden, sollten weitere kardiovaskuläre, neurologische und metabolische Ursachen der Synkope ausgeschlossen werden. Nach Distanzierung von der Wärmequelle erholen sich die Patienten meist spontan durch Abkühlung und Rehydrierung.
Eine Hyperventilationstetanie tritt bei Personen auf, die auf Wärmeexposition mit Hyperventilation reagieren, und geht mit einer respiratorischen Alkalose, Parästhesien und Karpopedalspasmen einher. Im Gegensatz zu Hitzekrämpfen erzeugt die Hitzetetanie nur geringe Schmerzen in muskulären Kompartimenten. Die Behandlung erfolgt durch Beruhigen des Patienten, der in eine kühlere Umgebung gebracht wird, sowie durch gezielte Anweisung zur ruhigen und flacheren Atmung.
Hitzekrämpfe
Hitzekrämpfe (belastungsinduzierte Muskelkrämpfe) sind intermittierende, schmerzhafte, unwillkürliche, spastische Kontraktionen der Skelettmuskulatur. Sie treten bei nicht akklimatisierten Menschen auf, die sich nach einer starken körperlichen Anstrengung in einer heißen Umgebung mit hoher Luftfeuchtigkeit wieder im Ruhezustand befinden. Muskelkrämpfe hingegen, die während Belastung bei Sportlern auftreten, dauern länger, lassen sich durch Dehnen und Massage lindern und klingen spontan wieder ab.
Nicht alle Muskelkrämpfe hängen mit körperlicher Belastung zusammen, zu den Differenzialdiagnosen gehören zahlreiche Erkrankungen wie Myopathien, endokrine Erkrankungen und die Sichelzellanämie. Auch diverse Medikamente sind mögliche Auslöser.
Der klassische Patient mit Hitzekrämpfen schwitzt profus und hat den Flüssigkeitsverlust mit reichlich Wasser oder anderen hypotonen Flüssigkeiten ausgeglichen. Häufig betroffen sind z. B. Dachdecker, Feuerwehrleute, Militärpersonal, Sportler, Stahl- und Feldarbeiter. Weitere prädisponierende Faktoren sind eine unzureichende Natriumzufuhr vor anstrengender Tätigkeit in warmer Umgebung und eine fehlende Akklimatisierung an die Wärme, sodass ein sehr salzreicher Schweiß produziert wird.
Die genaue Pathogenese von Hitzekrämpfen ist unbekannt. Vermutlich spielt der relative Mangel von Natrium, Kalium und Flüssigkeit im Intrazellulärraum eine Rolle. Gemeinsam mit der reichlichen Zufuhr hypotoner Flüssigkeiten führt die Produktion von Schweiß mit hohem Salzgehalt zu einer Elektrolytstörung, durch die es aufgrund der von Kalzium und Natrium abhängigen Muskelrelaxation zu Muskelkrämpfen kommt. Während der Akklimatisierung an die Wärme kann der Körper seine gesamten Kaliumvorräte verlieren. Eine Rhabdomyolyse durch Muskelkrämpfe nach gewöhnlichen Belastungen ist sehr selten.
Hitzekrämpfe ohne wesentliche Dehydrierung lassen sich mit handelsüblichen Elektrolytlösungen behandeln. Auch wenn die aromatisierten Elektrolytlösungen besser schmecken, bekommt man bereits durch das Auflösen von zwei Tabletten à 650 mg Salz in 1 l Wasser eine Salzlösung mit ausreichender Konzentration von 0,1 %. Die Aufnahme nicht aufgelöster Salztabletten sollte unterbleiben, da sie den Magen reizen und Erbrechen auslösen können.
Hitzeerschöpfung
Die physiologischen Leitbefunde der Hitzeerschöpfung im Gegensatz zum Hitzschlag sind der Erhalt der Thermoregulation und der ZNS-Funktion. Die Körperkerntemperatur ist zwar meist erhöht, liegt aber in der Regel unter 40,5 °C. Zwei Ursachen sind Wasser- und Natriummangel, die oft gemeinsam auftreten. Arbeiter, Sportler und ältere Menschen, die sich in heißer Umgebung ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr körperlich anstrengen, entwickeln eine Hitzeerschöpfung durch Wasserverlust. Menschen, die in der Hitze arbeiten, ergänzen häufig nur zwei Drittel ihres Nettowasserverlusts und dehydrieren. Im Gegensatz dazu entwickelt sich die Hitzeerschöpfung, die durch Natriummangel bei nicht akklimatisierten Menschen, die große Mengen hypotoner Lösungen getrunken haben, hervorgerufen wird, langsamer. In Pflegeeinrichtungen wird häufig natriumarmes Wasser und Tee gereicht, was z. B. zu unzureichender Serumnatriumkonzentration führen kann.
Die Hitzeerschöpfung ist aufgrund der zahlreichen unspezifischen Symptome eine Ausschlussdiagnose. Bei Anhalt für einen Hitzschlag sind eine rasche Abkühlung sowie die sofortige Zufuhr von kristalloiden Lösungen noch während der Stabilisierung und diagnostischen Evaluation indiziert. Bei der Hitzeerschöpfung bestehen nur leichte neurologische und gastrointestinale grippeartige Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Ataxie, eingeschränkte Urteilsfähigkeit, Krankheitsgefühl, Benommenheit, Übelkeit und Muskelkrämpfe. Oft entwickeln sich eine orthostatische Hypotonie und eine Sinustachykardie. Schwerere zentralnervöse Ausfälle sprechen für einen Hitzschlag oder andere infektiöse, neurologische oder toxikologische Differenzialdiagnosen.
Eine Hämokonzentration entsteht nicht grundsätzlich. Die umgehende intravenöse Infusion isotoner Flüssigkeiten sollte abhängig von wiederholten Elektrolytwertbestimmungen und dem individuellen Perfusionsbedarf erfolgen. Die Hitzeerschöpfung durch Natriummangel ist durch eine Hyponatriämie und eine Hypochlorämie gekennzeichnet. Die hepatischen Aminotransferasen sind bei beiden Formen der Hitzeerschöpfung leicht erhöht. Im Urin sind Konzentrationen von Natrium und Chlorid meist erniedrigt.
Manche Patienten mit Hitzeerschöpfung entwickeln einen Hitzschlag, nachdem sie in eine kühlere Umgebung gebracht wurden. Bei ausbleibendem klinischem Ansprechen auf den Umgebungswechsel ist eine aggressive Abkühlung indiziert, bis die Körperkerntemperatur unter 39 °C liegt. Außer in leichten Fällen sollte der Mangel an freiem Wasser langsam über 24–48 h ersetzt werden, damit die Serumosmolalität um nicht mehr als 2 mOsm/h absinkt.
Jüngere, sonst gesunde Patienten mit Zustand nach Hitzeerschöpfung ohne veränderte Laborwerte werden im Krankenhaus ambulant beobachtet und nach intravenöser Rehydrierung wieder entlassen. Bei älteren Patienten mit Begleiterkrankungen (z. B. kardiovaskulären Erkrankungen) oder den Verlauf ungünstig beeinflussenden anamnestischen und klinischen Risikofaktoren erfolgt der Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten stationär unter Überwachungsmaßnahmen.
Hitzschlag
Die klinische Symptomatik des Hitzschlags entsteht durch den kompletten Verlust der Thermoregulation. Zu den typischen Veränderungen der Vitalfunktionen gehören eine Tachypnoe, verschiedene Formen der Tachykardie, Hypotonie und eine verbreiterte Blutdruckamplitude. Ein beweisender diagnostischer Test existiert nicht. In der Regel wird die Verdachtsdiagnose anhand der Anamnese und der Trias aus Hitzeexposition, zerebraler Dysfunktion und einer Körperkerntemperatur > 40,5 °C gestellt. Die Diagnosesicherung erfolgt nur nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen der Hyperthermie. Viele der bei Hitzschlag typischen Laborveränderungen finden sich auch bei anderen Krankheiten. Sofern sich der mentale Status des Patienten nach der Abkühlung nicht bessert, sollten ein toxikologisches Screening sowie evtl. eine kraniale CT und eine Liquoranalyse durchgeführt werden.
Die initialen Symptome sind unspezifisch und umfassen Schwäche, Benommenheit, Orientierungsstörungen, Ataxie sowie gastrointestinale oder psychische Symptome. Sie ähneln zu Beginn dem klinischen Bild einer Hitzeerschöpfung. Die plötzliche Verschlechterung tritt auf, wenn zur Stabilisierung des mittleren arteriellen Blutdrucks und für die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Durchblutung eine periphere Vasokonstriktion erforderlich ist. Dadurch kann kaum noch Wärme über die Haut abgegeben werden und die Körperkerntemperatur steigt dramatisch an. Viele Patienten mit Hitzschlag erfüllen auch die diagnostischen Kriterien des systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) und zahlreicher anderer Differenzialdiagnosen. Während der umfassenden diagnostischen Abklärung ist eine rasche Abkühlung entscheidend (Tab. 479e-1).
Es gibt zwei Formen des Hitzschlags mit sehr verschiedenen klinischen Manifestationen (Tab. 479e-2). Der klassische (epidemische) Hitzschlag tritt in der Regel während langer Phasen mit hoher Umgebungstemperatur und hoher Luftfeuchtigkeit auf, wie sie bei sommerlichen Hitzewellen üblich sind. Patienten mit klassischem Hitzschlag haben chronische Krankheiten, die sie für eine hitzebedingte Erkrankung prädisponieren, und oft nur begrenzten Zugang zur Flüssigkeitsaufnahme. Die physiologischen Mechanismen zur Wärmeabgabe werden durch die Summe aus endogener Wärmeproduktion und exogener Hitzebelastung überlastet. Diese Patienten nehmen häufig Medikamente ein, die sich negativ auf die Wärmetoleranz auswirken. Viele sind dehydriert, schwitzen nicht und haben eine trockene, warme Haut. Wenn keine sofortige Abkühlung erfolgt, können sich schwere Leber- und Nierenfunktionsschäden, eine Verbrauchskoagulopathie und ein fulminantes Multiorganversagen entwickeln. Hepatozyten sind sehr hitzesensibel. Der Serumspiegel der Aspartataminotransferase (AST) ist initial gewöhnlich erhöht. Schließlich steigen die Serumspiegel von AST und Alaninaminotransferase (ALT) häufig auf das mehr als Hundertfache des Normalwerts an. Die Gerinnungsanalytik zeigt eine Reduktion von Thrombozyten, Fibrinogen und Prothrombin. Die Hypernatriämie ist eine Folge der Dehydrierung. Viele Patienten weisen eine deutliche Stressleukozytose auf – trotz fehlendem Infektfokus. Bei den meisten Patienten mit klassischem Hitzschlag müssen vorsichtig intravenös Kristalloidlösungen gegeben werden und die Elektrolyte überwacht werden. Als wesentlicher Messparameter besaß der zentralvenöse Druck (ZVD) in der Vergangenheit eine zentrale Rolle bei der Steuerung der Volumentherapie. Studien haben seither jedoch die Aussagekraft dieses Parameters in Frage gestellt. Insgesamt sollte die Steuerung der Volumentherapie in Zusammenschau der anamnestischen Informationen, der klinischen Untersuchungsbefunde (z. B. Hydratation von Schleimhäuten, Hautturgor) und der Ergebnisse apparativer Untersuchungen erfolgen. Dabei können sonografische und echokardiografische Verfahren ebenso zum Einsatz kommen wie Methoden des sog. funktionellen hämodynamischen Monitorings (z. B. Messung des Herzzeitvolumens im Rahmen eines Beinhebeversuches oder einer Volumengabe) oder die Bestimmung dynamischer Vorlastparameter (z. B. Schlagvolumenvariation, Pulsdruckvariation).
Im Gegensatz zu Patienten mit klassischem Hitzschlag sind Patienten mit belastungsbedingtem Hitzschlag in der Regel jung und gesund. Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese. Vielfach sind z. B. Sportler, Arbeiter und Soldaten betroffen. Der Patient mit belastungsbedingtem Hitzschlag schwitzt profus trotz der deutlichen Dehydrierung. Infolge der körperlichen Belastung sind Rhabdomyolyse und akute Niereninsuffizienz beim belastungsbedingten Hitzschlag häufiger. Entsprechend müssen Untersuchungen zum Nachweis der Rhabdomyolyse und ihrer Komplikationen, wie Hypokalzämie und Hyperphosphatämie, bedacht werden. Erhöhte Serumspiegel von Kreatinkinase und Laktatdehydrogenase sind Hinweise auf einen belastungsbedingten Hitzschlag. Eine Oligurie tritt auf. Weitere Befunde sind eine Hyponatriämie, eine Hypoglykämie und Koagulopathien. Infolge direkter thermischer Schäden, einer unbehandelten Rhabdomyolyse oder des Volumenmangels kann eine Niereninsuffizienz entstehen. Mikrohämaturie, eine Myoglobinurie sowie granulierte Zylinder und Erythrozytenzylinder sind oftmals Befunde in der Urinanalytik.
Beim klassischen und belastungsbedingten Hitzschlag können die kardialen Biomarker reversibel erhöht sein. Der Hitzschlag löst oft eine wärmebedingte Kardiomyopathie aus. Dadurch kann der zentrale Venendruck auch bei beträchtlichem Volumenmangel erhöht sein. Außerdem kann ein irreführendes nicht kardiales Lungenödem mit basalen Rasselgeräuschen bestehen – ebenfalls trotz der Hypovolämie. Das Elektrokardiogramm zeigt verschiedene Formen der Tachyarrhythmie und in unspezifischen Veränderungen der ST-T-Welle eine wärmebedingte Ischämie oder einen Infarkt an. Essenziell ist hier die rasche Abkühlung – und nicht die Gabe von Antiarrhythmika.
Temperaturen über 42 °C können rasch zu direkten Zellschäden führen. Wärmeempfindliche Enzyme stellen ihre Funktion ein und schließlich kommt es zur irreversiblen Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung. Die Produktion von Hitzeschockproteinen nimmt zu und Zytokine vermitteln eine systemische Entzündungsreaktion. Auch das Gefäßendothel wird geschädigt, wodurch die Gerinnungskaskade aktiviert wird. Durch das Shunting des Blutes und den konsekutiven Mangel im Splanchnikusgebiet entsteht eine gastrointestinale Ischämie. Endotoxine stören die normale Thermoregulation weiter. In der Folge entwickeln sich bei ausbleibender Abkühlung eine schwere Leberfunktionsstörung, eine permanente Niereninsuffizienz, eine Verbrauchskoagulopathie und ein fulminantes Multiorganversagen.
Strategien zur Abkühlung
Vor Beginn der Abkühlung sollten endotracheale Intubation, multimodale Bestimmung des Volumenstatus und kontinuierliche Überwachung der Körperkerntemperatur erwogen werden. Die häufig vorhandene Hypoglykämie wird intravenös mit Glukoselösung ausgeglichen. Da die periphere Vasokonstriktion die Wärmeabgabe erschwert, sollte die Hypotonie besser mit der wiederholten Bolusgabe von isotonischen kristalloiden Lösungen behandelt werden als mit α-Agonisten.
Evaporatives Kühlenist in der Regel am einfachsten und effektivsten. Eine rasche Abkühlung ist bei beiden Formen des Hitzschlags entscheidend. Dazu wird kaltes Wasser (15 °C) auf die nackte Haut gesprüht, während Ventilatoren einen kontinuierlichen Luftstrom über die feuchte Haut leiten. Eine nützliche Ergänzung sind Kühlpackungen axillär und inguinal. Wenn die EKG-Elektroden nicht kleben, können sie am Rücken des Patienten angebracht werden. Um eine überschießende Hypothermie zu verhindern, sollte die aktive Kühlung bei einer Körperkerntemperatur von 38–39 °C beendet werden.
Die Immersionskühlung in kaltem Wasser ist bei der belastungsbedingten Hitzeerschöpfung eine Alternative, führt jedoch zu einer peripheren Vasokonstriktion und intensivem Zittern. Am ehesten ist die Immersionskühlung für junge, gesunde Patienten mit belastungsbedingtem Hitzschlag geeignet (nicht jedoch bei jenen mit klassischem Hitzschlag). Diese Technik ist allerdings hinsichtlich Überwachung und Reanimation klinisch schwer durchführbar.
Das Abkühlen mit handelsüblichen Kühldecken sollte nicht das einzige angewandte Verfahren sein, da die Abkühlung viel zu langsam erfolgt. Andere Methoden sind weniger effektiv und nur selten indiziert, wie die intravenöse Infusion kalter Flüssigkeiten und die Spülung von Blase oder Gastrointestinaltrakt mit kalter Flüssigkeit. Die kalte Lavage von Thorax und Peritoneum ist effektiv, aber invasiv und selten notwendig. Ein kardiopulmonaler Bypass oder endovaskuläre Kühlkatheter ermöglichen eine rasche und effektive Kühlung, sind aber arbeitsaufwändig, selten routinemäßig verfügbar und für diese Indikation prospektiv nicht validiert.
Reanimation
Bei einem Hitzschlag kommt es oft zu Aspiration und Krampfanfällen, die eine endotracheale Intubation erforderlich machen. Der Stoffwechsel ist deutlich gesteigert, und die Hypoxämie, die durch die Wärmebelastung und die pulmonale Funktionsstörung entstanden ist, muss durch Gabe von Sauerstoff behandelt werden. Pneumonitis, Lungeninfarkt, Blutung, Ödem und ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) entwickeln sich häufig im Rahmen eines Hitzschlags.
Der Flüssigkeitsbedarf kann – insbesondere beim klassischen Hitzschlag – täuschend niedrig sein. Durch die aggressive Kühlung und die mäßige Volumeninfusion steigt der ZVD meistens auf 12–14 mmHg. Diese Messung kann jedoch in die Irre führen. Viele der Patienten weisen eine wärmebedingte hyperdynamische Zirkulation mit hohem kardialem Index, geringem peripherem Gefäßwiderstand und erhöhtem ZVD durch ein Rechtsherzversagen auf. Entsprechend benötigen die meisten Patienten mit belastungsbedingtem Hitzschlag eine weitaus intensivere Flüssigkeitstherapie mit isotonischen Kristalloidlösungen.
Die Hypotonie, die initial bei Patienten mit Hitzschlag häufig ist, ist Folge der Dehydrierung und des High-output-Versagens durch die periphere Vasodilatation. Inotropika mit α-adrenerger Wirkung (z. B. Noradrenalin) können die Abkühlung durch das Auslösen einer Vasokonstriktion behindern. Wenn das Herzminutenvolumen trotz angehobenem ZVD niedrig bleibt, sind insbesondere bei Patienten mit hyperdynamen Kreislaufparametern vasoaktive Katecholamine, wie Dopamin oder Dobutamin, erforderlich. Dopamin wird in Deutschland jedoch in dieser Indikation praktisch nicht mehr verwendet.
Initial können verschiedene Formen der Tachyarrhythmie vorliegen, die in der Regel durch das Abkühlen abklingen. Die Gabe von Antiarrhythmika gegen atriale und ventrikuläre Arrhythmien ist während der Abkühlung nur sehr selten indiziert. Anticholinergika (einschließlich Atropin) sind im Rahmen der Reanimation obsolet und sollten nicht gegeben werden, da sie die Schweißproduktion reduzieren. Eine Defibrillation des hyperthermen Myokards sollte nur bei Kammerflimmern Anwendung finden.
Starkes Zittern, Unwohlsein, Krampfanfälle und extreme Agitiertheit werden vorzugsweise durch kurz wirksame Benzodiazepine gelindert, die aufgrund ihrer renalen Elimination ideal geeignet sind. Wegen der vermutlich vorhandenen Leberfunktionsstörung sollten keine Barbiturate gegeben werden.
Koagulopathien treten am ehesten nach dem ersten Krankheitstag auf. Nach der Abkühlung sollten die Laborwerte des Patienten auf eine Verbrauchskoagulopathie überwacht werden und abhängig vom Schweregrad eine Behandlung mit Heparin bzw. bei der schweren Verbrauchskoagulopathie mit Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten begonnen werden.
Antipyretika spielen keine Rolle bei der Therapie der exogen induzierten Hyperthermie; sie wirken durch Blockade der Pyrogene an hypothalamischen Rezeptoren. Salizylate können die oxidative Phosphorylierung beim Hitzschlag zusätzlich stören und die Koagulopathien verstärken. Paracetamol kann die Leberfunktion weiter verschlechtern. Für andere Medikamente, wie Dantrolen und Aminocapronsäure, sind Sicherheit und Effizienz nicht belegt.
Weiteres Vorgehen
Die meisten Patienten mit milden hitzebedingten Erkrankungen (wie Hitzeödem, -synkope und -krämpfe) müssen nur kardiopulmonal stabilisiert werden und können dann ambulant weiterbehandelt werden. Viele dieser Patienten weisen jedoch mehrere Risikofaktoren und Begleiterkrankungen auf, die eine längere Beobachtung und einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen. Algorithmen für die Wahl des weiteren Vorgehens nach Hitzeerschöpfung gibt es nicht.
Fast alle Patienten mit Hitzschlag müssen aufgenommen und überwacht werden, in den meisten Fällen ist eine intensivmedizinische Behandlung indiziert. Bei vielen dieser Patienten sind auch die invasive Beatmung, die invasive hämodynamische Überwachung und eine unterstützende Therapie der unterschiedlich stark ausgeprägten Funktionsstörung zahlreicher Organe erforderlich. Die Prognose verschlechtert sich, wenn die Körperkerntemperatur initial über 42 °C liegt bzw. über einen längeren Zeitraum über diesem Niveau lag. Weitere prognostisch negative Faktoren sind eine akute Niereninsuffizienz, massiv erhöhte Leberenzyme und eine deutliche Hyperkaliämie. Wie nicht anders zu erwarten, korreliert die Anzahl der gestörten Organsysteme direkt mit der Mortalität.
Weiterführende Literatur
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit. 1996
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): Unfallverhütungsvorschrift – Grundsätze der Prävention. 2013 (http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/1.pdf)
European Commission: Key features of the heat-health action plans. (http://ec.europa.eu/health/climate_change/extreme_weather/heatwaves/index_en.htm#fragment3)
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