64e Störungen des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: Fallbeispiele
In diesem Kapitel werden beispielhaft einige klinische Fall-Vignetten dargestellt, die typische Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts illustrieren. Die Spannbreite der geschilderten Fälle reicht von der diabetischen Ketoazidose über Störungen im Wasser- und Kaliumhaushalt und bis hin zur Azidose bei Intoxikationen.
Es werden zum einen die wesentlichen klinischen Daten präsentiert, zum anderen detailliert die pathophysiologischen Zusammenhänge dargestellt und differenzialdiagnostische Überlegungen angestellt. Eine besondere Stärke dieses Kapitels ist auch die Darstellung des praktischen Managements der Behandlung dieser Störungen sowie typischer Fehler, die es zu vermeiden gilt.
Für die deutsche Ausgabe Benjamin Gollasch und Ralph Kettritz
1. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Eine 23-jährige Patientin wurde nach dreitägigem Fieber, Husten mit blutig tingiertem Sputum, Verwirrtheit und Orthostase in die Klinik eingewiesen. Anamnestisch war ein Typ-1-Diabetes mellitus bekannt. Die körperliche Untersuchung in der Notaufnahme erbrachte eine orthostatische Hypotonie, eine Tachykardie und Kussmaul-Atmung; der Atem roch nach Aceton. Die Thoraxuntersuchung erbrachte Hinweise auf ein Infiltrat im rechten unteren Lungenlappen.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 1. Fallbeispiel
Die Diagnostik der Störung des Säure-Basen-Haushalts erfolgt schrittweise:
Die normale Anionenlücke beträgt 8–10 mmol/l und ist in diesem Fall vergrößert (20 mmol/l). Daher beträgt die Änderung der Anionenlücke hier 10 mmol/l.
Vergleich der Änderung der Anionenlücke und der Änderung der Konzentration von HCO3– Δ[HCO3–]. In diesem Fall beträgt die Änderung der Anionenlücke (siehe oben) 10 mmol/l und die Änderung von [HCO3–] (25–14) 11 mmol/l. Somit entspricht die Zunahme der Anionenlücke in etwa der Absenkung von Bikarbonat.
Im nächsten Schritt wird die kompensatorische respiratorische Reaktion ermittelt. In diesem Fall sollte der PaCO2 aufgrund des [HCO3–] von 14 mmol/l bei 29 mmHg liegen. Dieser Wert wird errechnet, indem der Wert von 15 zur gemessenen [HCO3–] hinzugezogen wird (15 + 14 = 29) oder indem der erwartete PaCO2 aus der Winter-Gleichung abgeleitet wird: 1,5 × [HCO3–] + 8. In jedem Fall liegt der erwartete PaCO2 mit 29 mmHg deutlich über dem gemessenen Wert von 24 mmHg. Daher liegt der gemessene PaCO2 außerhalb des Kompensationsbereiches und ist zu niedrig im Sinne einer überlagernden respiratorischen Alkalose.
Somit besteht bei dieser Patientin eine gemischte Säure-Basen-Störung mit zwei Komponenten: (a) Metabolische Azidose mit großer Anionenlücke durch Ketoazidose und (b) respiratorische Alkalose (in diesem Fall durch eine ambulant erworbene Pneumonie). Die Hyperventilation führt zur respiratorischen Alkalose, welche im Patientenbeispiel die kompensatorische Reaktion auf die metabolische Azidose übersteigt und den hier normalen pH-Wert erklärt. Die respiratorische Alkalose bei einer Azidose mit großer Anionenlücke weist auf eine weitere Störung der respiratorischen Komponente hin. Bei einer ambulant erworbenen Pneumonie besteht oft eine respiratorische Alkalose.
In diesem Fall liegen als klinische Symptome eine Hyperglykämie, eine Hypovolämie, eine Ketoazidose, Zeichen der Verwirrtheit und zusätzlich eine Pneumonie vor. Diese Befunde passen zu einer diabetischen Ketoazidose bei einer Patientin mit bekanntem Typ-1-Diabetes. Infektionen sind bei diabetischer Ketoazidose häufig und können der Ketoazidose vorausgehen.
Die Diagnose der diabetischen Ketoazidose ist in der Regel nicht schwierig und sollte bei allen Patienten mit vergrößerter Anionenlücke und metabolischer Azidose erwogen werden. Hyperglykämie und Ketonämie (positives Acetoacetat bei einer Verdünnung ≥ 1 : 8) reichen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zur Diagnose aus. Die Δ[HCO3–] sollte etwa der Zunahme der Anionenlücke entsprechen, was jedoch von mehreren Faktoren abhängt. So vergrößert sich die Anionenlücke bei intravenöser Volumengabe oft weniger stark, da dadurch die glomeruläre Filtration zunimmt und Ketone mit dem Urin ausgeschieden werden. Die Abnahme des Plasmanatriums ist Folge der Hyperglykämie, die zum Ausstrom von intrazellulärem Wasser aus Zellen, die zum Glukosetransport Insulin benötigen, in den Extrazellularraum führt. Infolge der Hyperglykämie kommt es zur osmotischen Diurese mit Natriurese. Außerdem leiden Patienten mit diabetischer Ketoazidose oft unter Durst, sodass die Wasseraufnahme meistens fortgesetzt wird. Der Serumkaliumspiegel ist in der Regel leicht erhöht, angesichts der Azidose und infolge der andauernden osmotischen Diurese kommt es jedoch fast immer zu einem signifikanten Verlust des Gesamtkörperkaliums, dessen Aufdeckung essenziell ist, ebenso wie der therapeutische Kaliumersatz zur geeigneten Zeit und bei korrekter Indikationsstellung (siehe unten). Volumenmangel ist bei diabetischer Ketoazidose sehr häufig und ein pathogenetischer Schlüsselfaktor der Krankheit.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 1. Fallbeispiel
Patienten mit diabetischer Ketoazidose weisen oft einen nachhaltigen und deutlichen Mangel von Natrium, Kalium, Wasser, Bikarbonat und Phosphat auf. Der allgemeine Behandlungsansatz richtet sich gegen alle diese Veränderungen. Die erfolgreiche Behandlung der diabetischen Ketoazidose erfolgt schrittweise:
Extrazellulären Volumenmangel ersetzen. Da die meisten Patienten eine absolute oder relative Hypotonie aufweisen sowie gelegentlich einen drohenden Schock, sollte initial eine rasche Infusion von NaCl 0,9 % erfolgen, bis der systolische Blutdruck > 100 mmHg ist oder kumulativ 2–3 l gegeben wurden. Während der ersten 2–3 Stunden der Infusion sinkt die Blutglukose durch die Verdünnung und die vermehrte renale Ausscheidung. Sobald die Plasmaglukose auf 230 mg/dl oder darunter sinkt, wird Glukose 5 % der NaCl 0,9 % oder NaCl 0,45 % (in Deutschland nicht verfügbar) zugegeben.
Produktion der Ketosäuren verringern. Bei einer diabetischen Ketoazidose muss Normalinsulin als initialer Bolus von 0,1 U/kg i.v. gegeben werden; anschließend erfolgt sofort die Dauerinfusion von 0,1 U/kg/h in NaCl 0,9 %. Die Effektivität der intravenösen (nicht subkutanen) Insulingabe wird durch den Abfall der Plasmaketone erfasst. Da der Anstieg der Anionenlücke über den Normalwert von 10 mmol/l die akkumulierten Ketosäuren widerspiegelt, bedeutet das Verschwinden der Anionen der Ketosäuren die Verkleinerung und schließlich Normalisierung der Anionenlücke in der Regel innerhalb von 8–12 Stunden.
Kaliummangel beheben. Obwohl Patienten mit diabetischer Ketoazidose durch den Insulinmangel oft eine Hyperkaliämie aufweisen, haben sie in der Regel einen schweren Kaliummangel. Nachdem die Urinausscheidung sichergestellt und Insulin gegeben wurde, sollte jedem Liter intravenöser Flüssigkeit KCl (20 mmol/l) zugesetzt werden.
Korrektur der metabolischen Azidose. Das Plasmabikarbonat steigt durch den Verdünnungseffekt durch die intravenös gegebene Kochsalzlösung in der Regel erst verspätet nach mehreren Stunden an. Sobald die Ketoazidose verschwindet, erreicht das Plasmabikarbonat 18 mmol/l. Die Gabe von Natriumbikarbonat wird oft nicht empfohlen oder ist nicht notwendig, vor allem bei Kindern ist sie sogar kontraindiziert. Erwachsene mit diabetischer Ketoazidose und extremer Azidämie (pH < 7,1) erhalten Bikarbonat. Bei älteren Patienten (≥ 70 Jahre) wird die Therapie ab pH 7,20 empfohlen. Natriumbikarbonat sollte allenfalls in geringer Dosis gegeben werden. Da Ketosäuren nach der Insulintherapie metabolisiert werden, wird Bikarbonat bei der Umkehr der Ketoazidose der Extrazellulärflüssigkeit zugegeben. Durch die Kombination vor exogener Natriumbikarbonatzufuhr und metabolischer Bikarbonatproduktion kann eine überschießende Alkalose entstehen.
Phosphat. In den ersten 6–8 Stunden der Therapie kann die kombinierte Infusion von Kalium und Phosphat erforderlich sein, da während der Therapie mit Insulin und Glukose sich ein Phosphatmangel manifestieren kann. Glukose sorgt für die Phosphataufnahme in die Zelle. Daher muss der Phosphatspiegel bei Patienten mit diabetischer Ketoazidose engmaschig überwacht werden. Ein prophylaktischer Phosphatersatz sollte jedoch unterbleiben. Phosphat sollte erst gegeben werden, wenn der Phosphatspiegel in den unteren Normbereich absinkt. Die Therapie erfolgt am besten mit Kaliumphosphat in einer Geschwindigkeit von 6 mmol/h.
Wichtig ist die Klärung der ursächlichen Faktoren wie Infektionen, Myokardinfarkte, Pankreatitis, Unterbrechung der Insulintherapie oder andere Ereignisse, die eine diabetische Ketoazidose auslösen können. Der hier vorgestellte Fall unterstreicht diesen Aspekt.
Nicht selten kommt es zur exzessiven Ausdehnung des Volumens durch die intravenöse Flüssigkeitsgabe, die in späteren Stadien der Behandlung der diabetischen Ketoazidose zur Entwicklung der hyperchlorämischen Azidose beiträgt. Eine Volumenüberladung sollte vermieden werden.
2. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein 25-jähriger Mann mit einer seit 6 Jahren bekannten HIV/AIDS-Erkrankung, die seit kurzem durch eine Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie (PCP) kompliziert ist, wurde intravenös mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol behandelt (20 mg TMP/kg/d). Am 4. Behandlungstag wurden folgende Laborwerte abgenommen:
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 2. Fallbeispiel
Was verursachte bei diesem Patienten die Hyperkaliämie und die metabolische Azidose? Welche weiteren Medikamente können zu einem ähnlichen Bild führen? Wie lässt sich anhand der Elektrolytwerte im Urin feststellen, ob die Hyperkaliämie renaler Ursache ist oder durch eine Verschiebung von der Zelle in das extrazelluläre Kompartment entstanden ist?
Bei 15–20 % der hospitalisierten Patienten mit HIV/AIDS-Erkrankung tritt eine Hyperkaliämie auf. Die häufigsten Ursachen sind eine Nebennierenrindeninsuffizienz, das Syndrom des hyporeninämischen Hypoaldosteronismus oder eines mehrerer Medikamente, wie Trimethoprim, Pentamidin, nicht steroidale Antiphlogistika, Angiotensin-converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, Spironolacton und Eplerenon. Trimethoprim wird bei Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie in der Regel in Kombination mit Sulfamethoxazol oder Dapson gegeben und erhöht den Plasmakaliumspiegel um etwa 1 mmol/l; die Hyperkaliämie kann jedoch auch sehr schwer sein. Trimethoprim ist strukturell und chemisch mit Amilorid und Triamteren verwandt und wirkt auf diese Weise vermutlich als kaliumsparendes Diuretikum. Dieser Effekt kommt durch die Hemmung des epithelialen Natriumkanals (ENaC) in der Hauptzelle des Sammelrohres zustande. Bei Blockade des Natriumkanals wird auch die Kaliumsekretion gehemmt; die Kaliumsekretion hängt vom lumennegativen Potenzialunterschied des Natriumeinstroms durch den ENaC ab (Abb. 64e-1).
TMP führt zu einer Azidose ohne Anionenlücke, die sich gleichzeitig mit der Hyperkaliämie entwickelt, sodass das gleichzeitige Auftreten von Hyperkaliämie und metabolischer Azidose in diesem Fall nicht selten ist. Die H+-Sekretion über die apikalen H+ATPase-Pumpen in den benachbarten interkalierten Typ-A-Zellen (Abb. 64e-1) ist ebenfalls elektrogen, sodass die Reduktion des lumennegativen Potenzialunterschieds durch TMP die distale H+-Sekretion hemmt. Dies wird oft als Spannungseffekt der distalen renal-tubulären Azidose bezeichnet. Auch die systemische Hyperkaliämie unterdrückt die renale Ammoniakbildung, Ammoniakausscheidung und damit auch Säureausscheidung; d. h., die Hyperkaliämie an sich hat multiple Effekte auf die Ansäuerung des Urins.
Der hemmende Effekt von Trimethoprim auf die Kalium- und H+-Sekretion im kortikalen Sammelrohr ist dosisabhängig. Daher führen die bei HIV/AIDS-Patienten mit Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie oder tiefen Weichgewebeinfektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) verwendeten höheren Dosierungen zu einer höheren Prävalenz von Hyperkaliämie und Azidose. Auch konventionelle Dosen von Trimethoprim können bei prädisponierten Patienten eine Hyperkaliämie und/oder Azidose induzieren, vor allem bei Älteren, Patienten mit Niereninsuffizienz und/oder Patienten mit bestehendem hyporeninämischem Hypoaldosteronismus.
Eine Möglichkeit zur Ermittlung der Nierenbeteiligung bei der Entwicklung der Hyperkaliämie ist die Berechnung des transtubulären Kaliumgradienten (TTKG) aus einer Urinprobe und einer gleichzeitig entnommenen Plasmaprobe. Der TTKG wird berechnet als (Posmol × UKalium)/(PKalium × Uosmol). Bei Hypokaliämie sollte der TTKG < 3 betragen (siehe auch Fall 7 und Fall 8) und bei Hyperkaliämie > 7–8. In diesem Fall weist der TTKG von etwa 2 darauf hin, dass die renale Kaliumausscheidung im Verhältnis zur Hyperkaliämie anormal niedrig ist. Daher zeigt der unangemessen niedrige TTKG auf eine renale Ursache der Hyperkaliämie hin.
Abbildung 64e-1Wasser, Natrium, Kalium, Ammoniak und Protonentransport in den Hauptzellen (PC) und den benachbarten interkalierten Typ-A-Zellen. Das Wasser wird entlang dem osmotischen Gradienten von den Hauptzellen durch den apikalen Aquaporin-2(AQP-2)- und die basolateralen Aquaporin-3- und Aquaporin-4-Kanäle absorbiert. Die Absorption von Natrium über den Amilorid-sensitiven epithelialen Natriumkanal (ENaC) erzeugt einen lumennegativen Potenzialunterschied, der die Kaliumausscheidung durch den apikalen sekretorischen Kaliumkanal, den ROMK (Renal Outer Medullary K+ Channel) und/oder den flussabhängigen Maxi-K-Kanal vorantreibt. Der transepitheliale Ammoniak- und Protonentransport erfolgt in den benachbarten interkalierten Typ-A-Zellen über apikale und basolaterale Ammoniakkanäle bzw. apikale H+-ATPase-Pumpe. Schließlich wird Ammoniak mit dem Urin ausgeschieden, um den systemischen pH-Wert aufrechtzuerhalten. Auch die elektrogene Protonensekretion durch die interkalierten Typ-A-Zellen wird durch den lumennegativen Potenzialunterschied der benachbarten Hauptzellen beeinflusst, sodass die Reduktion dieses lumennegativen elektrischen Gradienten die H+-Ausscheidung reduzieren kann. Außerdem reabsorbieren die interkalierten Typ-A-Zellen das filtrierte Kalium bei Kaliummangel über die apikale H+/K+-ATPase.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 2. Fallbeispiel
Die Kenntnis der Faktoren, welche die Kaliumsekretion durch die Hauptzellen des kortikalen Sammelrohres steuern, hilft beim Verständnis der Behandlungsgrundlagen der Hyperkaliämie, vor allem, wenn die auslösende Substanz nicht abgesetzt werden kann. Die Kaliumsekretion wird durch einen höheren Urinfluss, eine erhöhte distale Bereitstellung von Natrium, die distale Bereitstellung eines schlecht reabsorbierten Anions (wie Bikarbonat) und/oder die Gabe eines Schleifendiuretikums gefördert. Daher erfolgt die Behandlung bei diesem Patienten mit der intravenösen Gabe von NaCl 0,9 % zur Expansion der extrazellulären Flüssigkeit und Bereitstellung von mehr Natrium und Chlorid im kortikalen Sammelrohr. Da das TMP-Molekül protoniert werden muss, um den ENaC zu hemmen, erhöht die Alkalisierung der Flüssigkeit im renalen Tubulus die distale tubuläre Kaliumsekretion. Als Alternative zur Induktion einer Bikarbonaturie zur Verbesserung der Kaliumsekretion kann ein Carboanhydrasehemmer gegeben werden, um eine signifikante Kaliurese auszulösen. Im hier vorgestellten Fall müsste zunächst die metabolische Azidose ohne Anionenlücke korrigiert werden, damit Acetazolamid effektiv sein kann; somit müsste Acetazolamid für eine optimale Wirkung in Kombination mit intravenösem Natriumbikarbonat gegeben werden. Schließlich unterdrückt die systemische Hyperkaliämie direkt die renale Bildung und Ausscheidung von Ammoniak und damit auch die Säureausscheidung. Gelegentlich ist bei diesen Patienten die Korrektur der Hyperkaliämie mit einem kaliumbindenden Kunstharz angezeigt; der anschließende Abfall des Plasmakaliumspiegels erhöht die Ammoniakausscheidung mit dem Urin und trägt zur Azidosekorrektur bei.
3. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein 63-jähriger Mann wurde mit einer schweren Aspirationspneumonie auf eine Intensivstation aufgenommen. Anamnestisch war eine Schizophrenie bekannt, die eine Heimunterbringung nötig machte. Die Behandlung erfolgte mit Neuroleptika und intermittierender Gabe von Lithium, wobei die Lithiumgabe 6 Monate vor der aktuellen Aufnahme wieder begonnen wurde. Der Patient wurde für mehrere Tage mit Antibiotika behandelt und intubiert und entwickelte dabei eine Polyurie (3–5 l/d), eine Hypernatriämie und eine akute Niereninsuffizienz. Der Spitzenplasmanatriumspiegel betrug 156 mmol/l und der Spitzenwert von Kreatinin 2,6 mg/dl. Die Urinosmolalität wurde einmal bestimmt und lag bei 157 mosmol/kg; die gleichzeitig gemessene Plasmaosmolalität betrug 318 mosmol/kg. Lithium wurde bei Aufnahme auf die Intensivstation abgesetzt.
Bei der körperlichen Untersuchung war der Patient wach, extubiert und durstig. Das Körpergewicht betrug 97,5 kg. Die Urinausscheidung in den letzten 24 Stunden betrug 3,4 l bei einer intravenösen Flüssigkeitszufuhr von 2 l/d Glukose 5 %.
Nach dreitägiger intravenöser Hydrierung erfolgte ein Durstversuch. Nach 9 Stunden wurde eine Einzeldosis von 2 μg Desmopressin (DDAVP) intravenös gegeben (+9):
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 3. Fallbeispiel
Warum entwickelte der Patient eine Hypernatriämie, Polyurie und akute Niereninsuffizienz? Was weist der Durstversuch nach? Welche Pathophysiologie liegt dem hypernatriämischen Syndrom dieses Patienten zugrunde?
Dieser Patient wurde nach der Aufnahme auf die Intensivstation mit schwerer Pneumonie polyurisch und entwickelte eine signifikante Hypernatriämie und akute Niereninsuffizienz. Die Polyurie kann Folge einer osmotischen Diurese oder einer Wasserdiurese sein. Die osmotische Diurese kann durch die exzessive Ausscheidung von Kochsalz, Mannitol, Glukose und/oder Harnstoff entstehen, sodass es zur Ausscheidung von > 750–1000 mosmol/d (> 15 mosmol/kg Körperwasser/d) löslicher Stoffe kommt. In diesem Fall jedoch schied der Patient große Mengen eines stark hypotonen Urins aus, sodass die Urinosmolalität deutlich unter der Serumosmolalität lag; dies ist per Definition eine Wasserdiurese und führt zur unangemessenen Ausscheidung von freiem Wasser und zur Hypernatriämie. Die angemessene Reaktion auf die Hypernatriämie und die Plasmaosmolalität > 295 mosmol/kg ist eine Zunahme des zirkulierenden ADH-Spiegels und die Ausscheidung von geringen Mengen (< 500 ml/d) eines maximal konzentrierten Urins, d. h. Urin mit einer Osmolalität > 800 mosmol/kg; die Reaktion dieses Patienten auf die Hypernatriämie war sehr inadäquat, entweder durch einen Mangel von zirkulierendem ADH (zentraler Diabetes insipidus) oder durch eine renale ADH-Resistenz (nephrogener Diabetes insipidus). Der andauernde Verlust von freiem Wasser war so schwer, dass eine absolute Hypovolämie entstand, obwohl etwa zwei Drittel des ausgeschiedenen Wassers aus dem intrazellulären und nicht dem extrazellulären Flüssigkeitsraum stammten. Die Hypovolämie (Kontraktion des Exrazellularraumes) führte zu einer akuten Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR), d. h. zu einer akuten Niereninsuffizienz mit allmählicher Besserung nach Hydrierung (siehe unten).
Nach der Korrektur der Hypernatriämie und der akuten Niereninsuffizienz durch eine angemessene Hydrierung (siehe unten) erfolgte ein Durstversuch mit Gabe von DDAVP. Dieser Test zeigt, ob die inadäquate Wasserdiurese Folge eines zentralen oder nephrogenen Diabetes insipidus ist. Die Wasserrestriktion begann am frühen Morgen unter sorgfältiger Überwachung der Vitalfunktionen und der Urinausscheidung. Die nächtliche Wasserdeprivation ist bei Patienten mit Diabetes insipidus nicht sicher und wegen der Gefahr einer schweren Hypernatriämie kontraindiziert. Der Plasmanatriumspiegel, der präziser bestimmt werden kann und schneller verfügbar ist als die Plasmaosmolalität, wird stündlich während des Durstversuchs bestimmt. Zu Beginn wird ein ADH-Ausgangswert abgenommen und eine zweite Probe, nachdem das Plasmanatrium 148–150 mmol/l erreicht hat. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Einzeldosis von 2 μg des V2-Vasopressinrezeptoragonisten DDAVP gegeben. Alternativ wäre bei diesem Patienten die initiale Messung von ADH und Gabe von DDAVP während der initialen Hypernatriämie möglich gewesen; allerdings wäre die Gabe von DDAVP wegen der renalen Funktionsstörung weniger sicher gewesen, da die Clearance von DDAVP über die Niere erfolgt.
Der Durstversuch bei diesem Patienten zeigte einen nephrogenen Diabetes insipidus, bei dem der ADH-Spiegel während der Hypernatriämie im Normalbereich liegt (d. h. keine Hinweise auf einen zentralen Diabetes insipidus) und eine inadäquat niedrige Urinosmolalität vorliegt, die weder im Durstversuch noch nach der Gabe von DDAVP um > 50 % oder > 150 mosmol/kg ansteigt. Dieser Defekt würde einem „kompletten“ nephrogenen Diabetes insipidus entsprechen; Patienten mit „partiellem nephrogenem Diabetes insipidus“ erreichen eine Urinosmolalität von 500–600 mosmol/kg nach DDAVP-Behandlung, aber keine Urinkonzentration von mehr als 800 mosmol/kg.
Der nephrogene Diabetes insipidus hat mehrere genetische und erworbene Ursachen, die jeweils bestimmte Aspekte des renalen Konzentrationsmechanismus stören. So verursachen Loss-of-function-Mutationen des V2-ADH-Rezeptors den X-chromosomalen nephrogenen Diabetes insipidus. Bei diesem Patienten ist der nephrogene Diabetes insipidus Folge der Lithiumtherapie, der vermutlich häufigsten Ursache des nephrogenen Diabetes insipidus bei Erwachsenen. Lithium führt durch direkte Hemmung der renalen Glykogensynthasekinase-3 (GSK3), die vermutlich der Angriffspunkt von Lithium bei psychiatrischen Erkrankungen ist, zum nephrogenen Diabetes insipidus. Die renale GSK3 ist für die Reaktion der Hauptzellen auf ADH erforderlich. Außerdem induziert Lithium die Expression der Cyclooxygenase 2 (COX-2) im Nierenmark; von COX-2 abgeleitete Prostaglandine hemmen den ADH-abhängigen Salztransport im dicken aufsteigenden Schenkel und den ADH-abhängigen Wassertransport im Sammelrohr und verstärken dadurch die lithiumassoziierte Polyurie. Um zu wirken, muss Lithium durch den Amilorid-sensitiven Natriumkanal ENaC (Abb. 64e-1) in die Hauptzellen eindringen, sodass eine Kombinationstherapie mit Lithium und Amilorid den lithiumassoziierten nephrogenen Diabetes insipidus abschwächen kann. Allerdings verursacht Lithium bei Langzeittherapie eine chronische tubulointerstitielle Fibrose und eine chronische Niereninsuffizienz, sodass die Patienten oft auch nach dem Absetzen der Substanz einen persistierenden nephrogenen Diabetes insipidus aufweisen, bei dem der therapeutische Nutzen von Amilorid reduziert ist. Der hier vorgestellte Patient wurde intermittierend für mehrere Jahre mit Lithium behandelt, sodass sich eine chronische Niereninsuffizienz (Ausgangswert von Kreatinin 1,3–1,4) und ein nephrogener Diabetes insipidus entwickelten, die auch nach dem Absetzen der Substanz fortbestanden.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 3. Fallbeispiel
Wie sollte dieser Patient behandelt werden? Welche besonderen Aspekte und möglichen Schwierigkeiten müssen bei der Therapie berücksichtigt werden?
Bei diesem Patienten entstand die schwere Hypernatriämie durch die Wasserdiurese bei einem lithiumassoziierten nephrogenen Diabetes insipidus. Die Behandlung der Hypernatriämie umfasst den Ersatz des bereits entstandenen Mangels an freiem Wasser sowie den Ersatz des weiter andauernden Verlusts freien Wassers. Der erste Schritt ist die Abschätzung des Gesamtkörperwassers (GKW), das in der Regel bei Frauen 50 % des Körpergewichts beträgt und bei Männern 60 %. Anschließend wird der Mangel an freiem Wasser berechnet [(Na+ − 140)/140] × GKW. Bei diesem Patienten betrug der Mangel an freiem Wasser 4,2 l bei einem Körpergewicht von 97,5 kg und einem Plasmanatriumspiegel von 150 mmol/l. Dieser Mangel an freiem Wasser sollte langsam über 48–72 Stunden ersetzt werden, um das Absinken des Plasmanatriumspiegels um > 10 mmol/l/24 h zu verhindern. Ein häufiger Fehler ist der Ersatz dieses Mangels ohne Ersatz des andauernden Verlusts von freiem Wasser, sodass der Plasmanatriumspiegel entweder nicht korrigiert werden kann oder sogar ansteigt.
Der andauernde Verlust von freiem Wasser lässt sich mithilfe der Gleichung für die Clearance von elektrolytfreiem Wasser berechnen:
Hier ist V das Urinvolumen, UNa die Natriumkonzentration im Urin, UK die Kaliumkonzentration im Urin und PNa der Plasmaspiegel von Natrium.
Bei diesem Patienten betrug der CeH2O bei der initialen Evaluation 2,5 l/d (UNa = 34 mmol/l, UKa = 5,2 mmol/l, PNa = 150 mmol/l, Urinvolumen = 3,4 l). Daher erhielt der Patient in den ersten 24 Stunden 2,5 l Glukose 5 %, um den andauernden Verlust des freien Wassers zu ersetzen, sowie 2,1 l Glukose 5 % zum Ersatz der Hälfte des Gesamtdefizits von freiem Wasser. Der CeH2O wird durch die tägliche Bestimmung der Urinelektrolyte und des Urinvolumens überwacht und die tägliche Flüssigkeitsgabe auf diese Weise anhand des Plasmanatriumspiegels angepasst. Oft erfolgt die Behandlung der Hypernatriämie entsprechend dem Mangel an freiem Wasser, indem die Hälfte des Mangels in den ersten 24 Stunden ausgeglichen wird. Dieses Vorgehen ist bei Patienten geeignet, die nicht ständig weiter freies Wasser verlieren, z. B. bei einer Hypernatriämie nach zu geringer Zufuhr freien Wassers. Dieser Fall zeigt, wie der Bedarf an freiem Wasser bei hypernatriämischen Patienten stark unterschätzt werden kann, wenn die anhaltenden täglichen Verluste von freiem Wasser nicht berücksichtigt werden.
4. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein 78-jähriger Mann wurde mit Pneumonie und Hyponatriämie eingewiesen. Der Plasmanatriumspiegel betrug initial 129 mmol/l und sank innerhalb von 3 Tagen trotz der Flüssigkeitsrestriktion von 1 l/d auf 118–120 mmol/l. Ein Thorax-CT zeigte rechts infrahilär eine Raumforderung mit der Größe 2,8 × 1,6 cm und eine postobstruktive Pneumonie. Der Patient war aktiver Raucher. Anamnestisch erfolgte vor 15 Jahren eine Strahlentherapie wegen eines Larynxkarzinoms, außerdem waren ein Nierenzellkarzinom, eine periphere Gefäßerkrankung und eine Hypothyreose bekannt. Bei der systematischen Befragung verneinte er Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Der Patient litt unter chronischen Hüftschmerzen, die mit Paracetamol und Kodein behandelt wurden. Weitere eingenommene Medikamente waren Cilostazol, Amoxicillin/Clavulansäure, Digoxin, Diltiazem und Thyroxin. Der Patient war bei der Untersuchung euvolämisch, wies keine Lymphadenopathie auf und hatte einen unauffälligen Thoraxbefund.
Der Patient wurde mit Furosemid 2 × 20 mg/d p.o. und Salztabletten behandelt. Unter dieser Therapie stieg der Plasmanatriumspiegel auf 129 mmol/l; der Patient entwickelte jedoch eine orthostatische Hypotonie und Schwindel. Er erhielt daraufhin unmittelbar vor der Krankenhausentlassung Demeclocyclin 600 mg p.o. morgens und 300 mg abends. Der Plasmanatriumspiegel stieg auf 140 mmol/l mit einer BUN von 23 und einem Kreatinin von 1,4, sodass Demeclocyclin auf 2 × 300 mg/d p.o. reduziert wurde. Die bronchoskopische Biopsie zeigte ein kleinzelliges Lungenkarzinom; der Patient verweigerte eine Chemotherapie und wurde in ein Hospiz verlegt.
Diagnostik und Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 4. Fallbeispiel
Welche Faktoren trugen bei diesem Patienten zur Hyponatriämie bei? Welche therapeutischen Optionen gibt es?
Dieser Patient entwickelte im Rahmen eines zentralen Lungentumors und einer postobstruktiven Pneumonie eine Hyponatriämie. Klinisch bestand Euvolämie mit einem hohen Urinnatriumspiegel und einem niedrigen Plasmaharnsäurespiegel. Der Patient war euthyreot ohne Hinweise auf eine hypophysäre Funktionsstörung oder eine sekundäre Nebenniereninsuffizienz. Das klinische Bild entsprach einem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH). Obwohl die Pneumonie vermutlich zum SIADH beigetragen hat, nahm der Plasmanatriumspiegel ab, obwohl die Antibiotika klinisch anschlugen. Daher bestand der Verdacht, dass das SIADH dieses Patienten Folge eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms war, da im Thorax-CT ein zentraler Lungentumor aufgefallen war und eine signifikante Raucheranamnese vorlag. Anamnestisch waren auch ein Larynxkarzinom und ein Nierenkarzinom bekannt, allerdings gab es keine Hinweise auf Rezidive; daher wurde für diese Malignome kein Zusammenhang mit dem SIADH angenommen. Die Biopsie des Lungentumors bestätigte die Diagnose eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms, das für etwa 75 % der malignen SIADH verantwortlich ist. Etwa 10 % der Patienten mit diesem neuroendokrinen Tumor weisen bei der Erstvorstellung Plasmanatriumspiegel < 130 mmol/l auf. Der Patient hatte keine anderen „nicht osmotischen“ Stimuli für einen ADH-Anstieg, keine Schmerzen oder Übelkeit und keine Medikamente, die zum SIADH führen konnten.
Der Patient hatte keine Symptome im Sinne einer Hyponatriämie, allerdings bestand die Gefahr einer Verschlechterung der Hyponatriämie durch das schwere SIADH. Eine persistierende, chronische Hyponatriämie (Dauer > 48 h) führt zum Ausstrom organischer Osmolyte (Kreatin, Betain, Glutamat, Myo-Inositol und Taurin) aus den Gehirnzellen; diese Reaktion reduziert die intrazelluläre Osmolalität und den osmotischen Gradienten und fördert so den Wassereinstrom. Diese zelluläre Reaktion schützt den Patienten nicht komplett vor Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Verwirrtheit und Krampfanfällen, die in der Regel bei einem Plasmanatriumspiegel < 125 mmol/l auftreten. Selbst als asymptomatisch geltende Patienten können subtile Gangstörungen und kognitive Defekte entwickeln, die sich nach Korrektur der Hyponatriämie zurückbilden. Außerdem erhöht eine chronische Hyponatriämie durch das erhöhte Sturzrisiko und die hyponatriämisch bedingte Reduktion der Knochendichte das Frakturrisiko. Daher sollte immer versucht werden, den Plasmanatriumspiegel bei Patienten mit chronischer Hyponatriämie zu korrigieren. Dies gilt insbesondere für das maligne SIADH, bei dem die feingewebliche Diagnostik und die nachfolgende ADH-Reduktion nach Beginn der Chemotherapie, Radiotherapie und/oder Operation Wochen bis Monate dauern kann.
Welche therapeutischen Optionen gibt es beim SIADH? Wasserrestriktion, der Eckpfeiler der Therapie des SIADH, wirkt sich bei diesem Patienten kaum auf den Plasmanatriumspiegel aus. Mit dem Urin-Plasma-Elektrolytquotienten (Urin [Na+] + [K+]/Plasma [Na+]) lassen sich die Ausscheidung von elektrolytfreiem Wasser und die erforderliche Wasserrestriktion berechnen; Patienten mit einem Quotienten > 1 sollten nur wenig Wasser zu sich nehmen (< 500 ml/d), solche mit einem Quotienten von ~1 nur 500–700 ml/d und jene mit einem Quotienten von < 1 nur < 1 l/d. Bei diesem Patienten betrug der Urin-Plasma-Elektrolytquotient 1, sodass er vorhersehbar nicht auf eine moderate Wasserrestriktion von 1 l/d ansprach. Theoretisch wäre eine aggressivere Wasserrestriktion erfolgreicher gewesen, sie wird aber von Patienten mit SIADH wegen des erhöhten Durstgefühls nur schlecht vertragen.
Oft erhöht die Kombinationstherapie mit Furosemid und Salztabletten beim SIADH den Plasmanatriumspiegel. Furosemid reduziert die maximale Urinkonzentrationsfähigkeit durch Hemmung des Gegenstrommechanismus. Die Salztabletten schwächen den Diuretika-bedingten NaCl-Verlust und verstärken die Ausscheidung von freiem Wasser durch Anhebung der Ausscheidung von Soluten mit dem Urin. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich und setzt die Auftitration der Salztabletten voraus, um einen Diuretika-induzierten Volumenmangel zu vermeiden; bei diesem Patienten blieb der Plasmanatriumspiegel < 130 mmol/l und gleichzeitig trat eine orthostatische Hypotonie auf. Das Hauptzellentoxin Demeclocyclin (in Deutschland nicht zugelassen) ist eine Alternative zur oralen Behandlung des SIADH und war bei diesem Patienten sehr erfolgreich, indem sein Plasmanatriumspiegel auf 140 mmol/l anstieg. Demeclocyclin kann jedoch natriuretisch wirken und zu einer prärenalen Reduktion der GFR führen. Außerdem kann es nephrotoxisch wirken, vor allem bei Patienten mit Zirrhose und chronischer Lebererkrankung, bei denen die Substanz akkumuliert. Bei diesem Patienten nahm die GFR unter der Behandlung mit Demeclocyclin signifikant und stabil ab, sodass eine Dosisreduktion erforderlich wurde.
Ein wichtiger Fortschritt beim Management der Hyponatriämie war die klinische Entwicklung von Vasopressinantagonisten (Vaptanen). Sie hemmen den ADH-Effekt auf die renalen V2-Rezeptoren und führen so zur Ausscheidung von elektrolytfreiem Wasser und zur Korrektur der Hyponatriämie. Die genauen Indikationen dieser Substanzen sind noch unklar, obwohl die U.S. Food and Drug Administration (FDA) sie zum Management der euvolämischen und hypervolämischen Hyponatriämie zugelassen hat (in Europa nur Zulassung bei Hyponatriämie als sekundäre Folge des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons [SIADH]). Man geht davon aus, dass die Bedeutung der Vaptane beim Management des SIADH und anderer Ursachen der Hyponatriämie zunehmen wird. Hätte dieser Patient die aktive Behandlung seiner Krebserkrankung fortgesetzt, wäre angesichts der Entwicklung einer Niereninsuffizienz unter Demeclocyclin der Austausch von Demeclocyclin gegen orales Tolvaptan (V2-spezifisches orales Vaptan) der nächste geeignete Schritt gewesen. Ebenso wie alle anderen Maßnahmen zur Korrektur der Hyponatriämie (hypertone Kochsalzlösung, Demeclocyclin usw.) können auch die Vaptane eine Überkorrektur des Plasmanatriumspiegels bewirken (Anstieg um > 8–10 mmol/l/24 h oder 18 mmol/l/18 h) und erhöhen dadurch die Gefahr einer osmotischen Demyelinisierung (siehe 5. Fall). Daher sollte der Plasmanatriumspiegel zu Beginn der Therapie mit diesen Substanzen engmaschig überwacht werden. Bei der Langzeitgabe von Tolvaptan wurden erhöhte Leberwerte (ALT- u. AST-Werte) festgestellt.
5. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Eine 76-jährige Frau stellte sich mit einer seit mehreren Monaten bestehenden Diarrhö vor, die sich in den letzten 2–3 Wochen vor der Aufnahme deutlich verschlechtert hatte (bis zu 12 Stuhlentleerungen am Tag). Die Patientin hatte kein Fieber und keinen orthostatischen Schwindel und verneinte Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Anamnestisch bekannt waren eine Hypertonie, Nierensteine und eine Hypercholesterinämie. Eingenommene Medikamente waren Atenolol, Spironolacton und Lovastatin. Außerdem gab sie an, wegen der Nierensteine täglich > 2 l Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Die Patientin erhielt in den ersten 5 Stunden des Krankenhausaufenthalts 1 l Kochsalzlösung. Bei der Untersuchung in der 6. Stunde betrug die Herzfrequenz im Sitzen 72/min und im Stehen 90/min und der Blutdruck im Sitzen und Stehen 105/50 mmHg. Der Jugularvenendruck (JVP) war normal; kein Hinweis auf periphere Ödeme. Bei der abdominellen Untersuchung fielen leicht vermehrte Darmgeräusche auf, es fanden sich aber keine Druckschmerzen und keine Hinweise auf eine Organvergrößerung.
Der Plasmanatriumspiegel betrug bei Aufnahme 113 mmol/l bei einem Kreatinin von 2,35 mg/dl (Tab. 64e-1). In der 7. Stunde des Krankenhausaufenthalts wurden folgende Werte im Plasma gemessen: Natrium 120 mmol/l, Kalium 5,4 mmol/l, Chlorid 90 mmol/l, Bikarbonat 22 mmol/l, BUN 32 mg/dl, Kreatinin 2,02 mg/dl, Glukose 89 mg/dl, Gesamteiweiß 5,0 mg/dl und Albumin 1,9 mg/dl. Der Hämatokrit betrug 33,9 mg/dl, die Leukozytenzahl 7,6/nl und die Thrombozytenzahl 405/nl. Die morgendliche Bestimmung von Cortisol ergab einen Wert von 19,5 μg/dl und TSH 1,7 μU/ml. Die Patientin erhielt 1 μg DDAVP intravenös und 75 ml/h halbnormale Kochsalzlösung intravenös. Nachdem der Plasmanatriumspiegel auf 116 mmol/l sank, wurde wieder physiologische Kochsalzlösung gegeben und die Infusionsrate beibehalten. Den Verlauf der Messwerte zeigt Tabelle 64e-1.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 5. Fallbeispiel
Diese Patientin wies eine hypovolämische Hyponatriämie und eine prärenale Reduktion der GFR mit erhöhtem Serumkreatinin auf. Sie hatte seit einiger Zeit unter einer Diarrhö gelitten und nach der Gabe von 1 l physiologischer Kochsalzlösung immer noch eine orthostatische Tachykardie entwickelt. Wie bei einer hypovolämischen Hyponatriämie zu erwarten, betrug der Natriumspiegel im Urin < 20 mmol/l ohne Hinweise auf eine Stauungsherzinsuffizienz oder andere Ursachen der hypervolämischen Hyponatriämie und sie sprach gut auf eine Hydrierung mit Kochsalzlösung an, indem der Plasmanatriumspiegel anstieg und das Kreatinin absank.
Die initiale Hypovolämie erhöhte die Sensibilität der ADH-Reaktion auf die Osmolalität mit Senkung der osmotischen Schwelle zur ADH-Ausschüttung und Anhebung der Reaktionskurve der Osmolalität. Da ADH eine Halbwertszeit von nur 10–20 Minuten besitzt, führt die akute Zunahme des intravasalen Volumens nach der intravenösen Gabe von 1 l Kochsalzlösung rasch zur Reduktion des zirkulierenden ADHs. Die anschließende Wasserdiurese ist der wichtigste Grund für die rapide Zunahme des Plasmanatriumspiegels in den ersten 7 Stunden des Krankenhausaufenthalts.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 5. Fallbeispiel
In diesem Fall war die Chronizität der Hyponatriämie durch die mehrwöchige Diarrhö mit Exazerbation in den letzten 2–3 Tagen der schwierigste Aspekt. Bei dieser Patientin wurde die Diagnose einer „chronischen“ Hyponatriämie gestellt, d. h. eine Dauer der Hyponatriämie von > 48 Stunden angenommen. Dadurch besteht bei zu rascher Korrektur des Plasmanatriumspiegels um mehr als 8–10 mmol/l/24 h oder 18 mmol/l/48 h die Prädisposition für eine osmotische Demyelinisierung. Bei der Vorstellung bestanden keine für eine akute Hyponatriämie typischen Symptome und der Plasmanatriumspiegel war bereits so weit angehoben worden, dass keine Gefahr mehr für ein Gehirnödem bestand. Allerdings erfolgte die Korrektur in den ersten 7 Stunden des Krankenhausaufenthalts mit einer Geschwindigkeit von 1 mmol/l/h mit der Gefahr einer drohenden Überkorrektur. Um den Anstieg des Plasmanatriumspiegels zu verlangsamen oder aufzuhalten, erhielt die Patientin intravenös 1 μg DDAVP und freies Wasser. Angesichts der Hypovolämie und zur Behebung der akuten Niereninsuffizienz wurde entschieden, als Quelle für das freie Wasser nicht Glukose 5 %, sondern NaCl 0,45 % zu verabreichen. Nachdem der Plasmanatriumspiegel auf 117 mmol/l abgesunken war (Tab. 64e-1), wurde die Infusion auf NaCl 0,9 % umgestellt.
Die Überkorrektur einer chronischen Hyponatriämie ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines osmotischen Demyelinisierungssyndroms (ODS). Tierstudien zeigen beim ODS eine neuroprotektive Wirkung und einen Überlebensvorteil bei „Wiederabsenkung“ des Plasmanatriumspiegels mit DDAVP und freiem Wasser; dieser Ansatz ist bei Patienten mit Hyponatriämie nachweislich sicher und geht nicht mit einem erhöhten Risiko für Krampfanfälle oder Folgekrankheiten einher. Diese Kombination wird zur Prävention der Überkorrektur und zur Wiederabsenkung des Plasmanatriumspiegels bei Patienten mit bereits überkorrigierter Hyponatriämie eingesetzt. DDAVP muss gegeben werden, weil der endogene ADH-Spiegel bei den meisten dieser Patienten extrem abgesunken ist, sodass eine freie Wasserdiurese vorliegt. Die Gabe von freiem Wasser allein ist in diesem Fall wegen des relativen ADH-Mangels kaum wirksam. Ein alternativer Ansatz bei Patienten mit schwerer Hyponatriämie ist die prospektive Gabe von DDAVP zweimal täglich, um Veränderungen der Bioaktivität von ADH zu verhindern. Die gleichzeitige Gabe von hypertoner Kochsalzlösung erhöht dann (also nach der DDAVP-Gabe) den Serumspiegel von Natrium langsamer und kontrollierter.
Der Plasmanatriumspiegel dieser Patientin blieb noch für mehrere Tage nach der DDAVP-Gabe supprimiert. Die Plasmahalbwertszeit von DDAVP beträgt zwar nur 1–2 Stunden, pharmakodynamische Studien ermittelten jedoch eine weitaus längere Wirkung auf Urinausscheidung und/oder Urinosmolalität. Schließlich wird sich auch die initiale Nierenfunktionsstörung dieser Patientin auf die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der gegebenen DDAVP-Dosis ausgewirkt haben, da es renal ausgeschieden wird. DDAVP sollte bei Patienten mit akuter oder chronischer Niereninsuffizienz nur vorsichtig zur Wiederherstellung einer Hyponatriämie gegeben werden.
6. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Eine 44-jährige Frau wurde von einem lokalen Krankenhaus verlegt, nachdem bei ihr eine schlaffe Lähmung aufgetreten war. Wegen der schweren Hypokaliämie (2,0 mmol/l) erfolgte eine Infusion mit KCl-Zusatz.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 6. Fallbeispiel
In diesem Fall besteht eine klassische hypokaliämische distale renal-tubuläre Azidose durch ein Sjögren-Syndrom. Bei dieser Patientin bestand eine metabolische Azidose ohne Anionenlücke. Die Anionenlücke im Urin war positiv (Na + K > Cl) im Sinne einer angesichts der systemischen Azidose zu geringen Ausscheidung von Ammonium, das als Ammoniumchlorid ausgeschieden wird. Der Urin-pH war unangemessen alkalisch, trotzdem gab es keine Hinweise auf eine Hyperkalzurie, Nephrokalzinose oder Knochenerkrankung. Anschließend wurde bei dieser Patientin eine Hyperglobulinämie nachgewiesen. Insgesamt weisen diese Befunde auf eine renal-tubuläre Störung als Ursache der Hypokaliämie und metabolischen Azidose ohne Anionenlücke hin. Die Hypokaliämie und anormal geringe Ausscheidung von Ammonium, gemessen an der Anionenlücke im Urin, ohne Glykosurie, Phosphaturie oder Aminoazidurie (Fanconi-Syndrom) definiert die klassische distale renal-tubuläre Azidose (dRTA), die auch als renal-tubuläre Azidose Typ 1 bezeichnet wird. Aufgrund der Hyperglobulinämie wurden weitere serologische Werte abgenommen, anhand derer die Diagnose eines primären Sjögren-Syndroms gestellt werden konnte. Außerdem ergab die Anamnese eine seit 5 Jahren bestehende Xerostomie und Keratoconjunctivitis sicca ohne Synovitis, Arthritis oder Exanthem.
Die klassische dRTA ist bei Patienten mit Sjögren-Syndrom häufig und Folge einer immunologischen Reaktion am Sammelrohr, die in den interkalierten Typ-A-Zellen der apikalen Membran zum Versagen der H+-ATPase führt. Das Sjögren-Syndrom ist eine der am besten dokumentierten erworbenen Ursachen der klassischen dRTA. Zum Verlust der H+-ATPase-Funktion kommt es auch bei bestimmten hereditären Formen der klassischen dRTA. In diesem Fall war die Familienanamnese negativ. Beim Sjögren-Syndrom finden sich mehrere Autoantikörper; vermutlich verhindern diese Autoantikörper das Trafficking oder die Funktion der H+-ATPase in den interkalierten Typ-A-Zellen des Sammelrohres. Nur selten ist das Sjögren-Syndrom mit einer proximalen RTA assoziiert, zudem fanden sich bei dieser Patientin keine Symptome einer proximalen tubulären Funktionsstörung (Fanconi-Syndrom).
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 6. Fallbeispiel
Die Langzeitprognose von Patienten mit klassischer dRTA durch ein Sjögren-Syndrom ist unbekannt. Die metabolische Azidose und die Hypokaliämie sprechen jedoch auf Alkaliersatz mit Natriumzitratlösung (Shohl-Lösung) oder Natriumbikarbonattabletten an. Auch der Kaliummangel muss initial ausgeglichen werden. Allerdings ist bei der dRTA in der Regel kein Langzeitersatz von Kalium erforderlich, da Natriumbikarbonat (oder Zitrat) das Volumen expandiert und den sekundären Hyperaldosteronismus korrigiert. Infolge des interstitiellen Infiltrats bei Sjögren-Syndrom und klassischer dRTA verläuft die chronische Niereninsuffizienz progredient. Eckpfeiler der Therapie des Sjögren-Syndroms ist seit vielen Jahren eine zytotoxische Therapie (z. B. mit Azathioprin) plus Glukokortikoide; aber auch nach Behandlung mit Rituximab bildet sich das B-Lymphozyten-Infiltrat in den Speicheldrüsen zurück und die Urinansäuerung bessert sich.
7. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein 32-jähriger Mann wurde wegen Schwäche und Hypokaliämie ins Krankenhaus eingewiesen. Er war bis vor 2 Monaten vollkommen gesund gewesen, als eine intermittierende Beinschwäche auftrat. Weitere auffällige Befunde fanden sich nicht. Der Patient verneinte die Einnahme von Drogen oder Laxanzien und nahm keine Medikamente ein. Die persönliche Anamnese war unauffällig und es fanden sich insbesondere keine Hinweise auf eine neuromuskuläre Erkrankung. Eine Schwester des Patienten litt an einer Schilddrüsenerkrankung. Bei der körperlichen Untersuchung fielen nur abgeschwächte Muskeleigenreflexe auf.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 7. Fallbeispiel
Bei diesem Patienten entstand die Hypokaliämie durch eine Umverteilung von Kalium zwischen dem intra- und extrazellulären Kompartment. Diese Pathophysiologie war schnell zu erkennen, nachdem der transtubuläre Kaliumgradient (TTKG) berechnet worden war. Der TTKG wird berechnet nach der Formel (Posmol × UKalium)/(PKalium × Uosmol). Bei einer Hypokaliämie sollte der TTKG < 3 betragen und bei einer Hyperkaliämie > 7–8 (siehe 2. und 8. Fall). Alternativ entspricht ein Kalium-Kreatinin-Quotient des Urins von > 13 mmol/g Kreatinin (> 1,5 mmol/mmol Kreatinin) einer übermäßigen renalen Kaliumausscheidung. In diesem Fall ergab sich ein TTKG von 2,5 im Sinne einer adäquaten renalen Konservierung von Kalium und einer nicht renalen Ursache der Hypokaliämie. Da keine signifikanten gastrointestinalen Kaliumverluste vorlagen, wurde die Diagnose eines „Umverteilungstyps“ der Hypokaliämie gestellt.
Mehr als 98 % des Gesamtkörperkaliums befinden sich intrazellulär. Die gesteuerte Pufferung des extrazellulären Kaliums durch diesen großen intrazellulären Pool spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung stabiler Plasmakaliumspiegel. Klinisch führen Veränderungen des Austauschs und der Verteilung von intra- und extrazellulärem Kalium oft zu einer signifikanten Hypo- oder Hyperkaliämie. Insulin, β2-Mimetika, Schilddrüsenhormone und eine Alkalose fördern die zelluläre Aufnahme von Kalium über viele miteinander zusammenhängende Mechanismen, sodass eine Hypokaliämie entsteht. Insbesondere Veränderungen der Aktivität des endogenen sympathischen Nervensystems können in vielen Fällen zu einer Hypokaliämie führen, z. B bei Alkoholentzug, Hyperthyreose, akutem Myokardinfarkt und schwerem Schädeltrauma.
Oft besteht bei schwerer Hypokaliämie eine Schwäche. Die Hypokaliämie führt zur Hyperpolarisierung der Muskeln und stört deren Depolarisation und Kontraktion. Bei diesem Patienten verursachte eine Basedow-Krankheit die Hyperthyreose und hypokaliämische Paralyse (thyreotoxische periodische Paralyse, TPP). Die thyreotoxische periodische Paralyse tritt bevorzugt bei Patienten asiatischer oder spanischer Abstammung auf. Diese Prädisposition wurde mit der genetischen Variation von Kir2.6 in Verbindung gebracht, einem muskelspezifischen schilddrüsenhormoninduzierten Kaliumkanal. Allerdings ist der pathophysiologische Mechanismus, der die Fehlfunktion dieses Ionenkanals und die thyreotoxische periodische Paralyse miteinander verbindet, noch unbekannt. Die Hypokaliämie bei der thyreotoxischen periodischen Paralyse entsteht durch die direkte und indirekte Aktivierung der Na+/K+-ATPase durch Schilddrüsenhormon mit vermehrter Aufnahme von Kalium durch die Muskulatur und andere Gewebe. Schilddrüsenhormon induziert die Expression mehrerer Untereinheiten der Na+/K+-ATPase im Skelettmuskel und erhöht dadurch dessen Aufnahmekapazität für Kalium. Die Hyperthyreose erhöht die β-adrenerge Aktivität, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei der thyreotoxischen periodischen Paralyse spielen soll.
Klinisch leiden Patienten mit thyreotoxischer periodischer Paralyse oft unter einer Schwäche der Extremitäten oder des Extremitätengürtels. Die paralytischen Episoden treten meistens zwischen 1 Uhr und 6 Uhr nachts auf. Gefördert werden sie durch kohlenhydratreiche Mahlzeiten und körperliche Überanstrengung. Nicht immer bestehen Symptome seitens der Hyperthyreose, sodass die Diagnose oft verzögert gestellt wird. Die Hypokaliämie ist oft stark ausgeprägt und geht in der Regel mit einer Umverteilungshypophosphatämie einher (wie in diesem Fall). Ein TTKG < 2–3 unterscheidet die Patienten mit thyreotoxischer periodischer Paralyse von denen mit einer Hypokaliämie durch renale Kaliumverluste, deren TTKG-Werte > 4 liegen. Diese Abgrenzung ist therapeutisch sehr wichtig; Patienten mit starkem Kaliummangel müssen aggressiv Kaliumchlorid erhalten, was bei thyreotoxischer periodischer Paralyse und verwandten Erkrankungen mit einem signifikanten Risiko für eine Rebound-Hyperkaliämie einhergeht.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 7. Fallbeispiel
Die definitive Therapie der thyreotoxischen periodischen Paralyse erfordert die Behandlung der Hyperthyreose. Kurzzeitig ist jedoch ein Kaliumersatz erforderlich, um die Muskelgenesung zu beschleunigen und Herzrhythmusstörungen zu verhindern. Nach einer akuten Episode halbiert sich die durchschnittliche Genesungszeit bei der Behandlung mit intravenösem Kaliumchlorid in einer Geschwindigkeit von 10 mmol/h. Allerdings besteht dabei ein erhebliches Risiko für eine Rebound-Hyperkaliämie, da bis zu 70 % der Patienten Plasmakaliumspiegel > 5,0 mmol/l erreichen. Diese mögliche Rebound-Hyperkaliämie ist ein allgemeines Problem beim Management von „Umverteilungshypokaliämien“, sodass diese Patienten akkurat und schnell von denen mit starkem Kaliummangel durch renale oder extrarenale Kaliumverluste unterschieden werden müssen. Eine interessante Alternative zum Kaliumchloridersatz bei der thyreotoxischen periodischen Paralyse ist die Behandlung mit hoch dosiertem Propranolol (3 mg/kg), das die assoziierte Hypokaliämie, Hypophosphatämie und Paralyse rasch umkehrt. In diesem Fall kommt es übrigens nicht zur Rebound-Hyperkaliämie.
8. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein 66-jähriger Mann wurde mit einem Plasmakaliumspiegel von 1,7 mmol/l und ausgeprägter Schwäche ins Krankenhaus eingewiesen. Der Patient hatte bereits seit mehreren Tagen eine progressive Schwäche beobachtet, sodass er schließlich sein Bett nicht mehr eigenständig verlassen konnte. Anamnestisch war ein kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Metastasen in Gehirn, Leber und Nebennieren bekannt. Der Patient war 1 Jahr vor der jetzigen Krankenhausaufnahme mit einem Zyklus Cisplatin/Etoposid behandelt worden, wobei eine akute Niereninsuffizienz auftrat (Kreatinin maximal 5 mg/dl und nachfolgende chronische Niereninsuffizienz), sowie mit drei Zyklen Cyclophosphamid/Doxorubicin/Vincristin und 15 Behandlungen mit Ganzhirnbestrahlung.
Bei der körperlichen Untersuchung imponierte ein Ikterus. Der Blutdruck (RR) betrug 130/70 mmHg und stieg nach der Gabe von 1 l Kochsalzlösung auf 160/98 mmHg. Der Jugularvenendruck (JVD) betrug 8 cm. Es bestand eine allgemeine Muskelschwäche.
Während des Krankenhausaufenthalts erlitt der Patient durch eine Lungenembolie eine akute respiratorische Insuffizienz und verstarb 2 Wochen nach der Aufnahme.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 8. Fallbeispiel
Warum bestand bei diesem Patienten eine Hypokaliämie? Warum war er schwach? Warum bestand eine Alkalose?
Dieser Patient litt unter einem metastasierten kleinzelligen Bronchialkarzinom, das trotz mehrerer Zyklen Chemotherapie und Strahlentherapie persistierte. Er zeigte eine profunde Hypokaliämie, Alkalose, Hypertonie, Schwäche, Ikterus und Verschlechterung der Leberwerte.
Hinsichtlich der Hypokaliämie gab es keine Hinweise auf extrarenale Kaliumverluste wie Diarrhö. Der Urin-TTKG betrug 11,7 bei einem Plasmakaliumspiegel von 1,7 mmol/l. Dieser TTKG passt zu einer inadäquaten renalen Kaliumsekretion trotz der schweren Hypokaliämie. Der TTKG wird berechnet als (Posmol × UKalium)/(PKalium × Uosmol). Bei Hypokaliämie sollte der TTKG < 3 betragen (siehe auch 2. und 6. Fall) und bei Hyperkaliämie > 7–8.
Es gab mehrere Erklärungen für den exzessiven renalen Kaliumverlust. Zunächst war bei dem Patienten eine Cisplatin-assoziierte akute Nierenschädigung mit nachfolgender chronischer Niereninsuffizienz bekannt. Cisplatin kann zu persistierenden renal-tubulären Schäden mit starker Hypokaliämie und Hypomagnesiämie führen; allerdings war bei diesem Patienten bislang kein Ersatz von Kalium oder Magnesium erforderlich gewesen, sodass die Cisplatin-assoziierte renal-tubuläre Schädigung vermutlich nicht relevant zu dieser schweren Hypokaliämie beigetragen hat. Zweitens bestand bei der Vorstellung eine Hypomagnesiämie im Sinne einer Reduktion des Gesamtkörpermagnesiums. Magnesiummangel wirkt sich hemmend auf die Aktivität der muskulären Na+/K+-ATPase aus, reduziert den Einstrom in die Muskelzellen und verursacht sekundär einen Anstieg der Kaliumausscheidung. Außerdem erhöht ein Magnesiummangel durch eine Reduktion des magnesiumabhängigen intrazellulären Blocks des Kaliumausstroms durch den sekretorischen Kaliumkanal der Hauptzellen (Renal Outer Medullary K+ Channel, ROMK, Abb. 64e-1) die Kaliumsekretion im distalen Nephron. Klinisch sind Patienten mit Hypomagnesiämie ohne Magnesiumersatz refraktär gegenüber einem Kaliumersatz. Auch hier gilt jedoch, dass der Patient trotz der periodischen Hypomagnesiämie bislang keine signifikante Hypokaliämie entwickelt hatte, sodass andere Faktoren für die schwere Hypokaliämie verantwortlich sein müssen.
Die begleitende Hypertonie weist auf eine mineralokortikoide Aktivität hin, die zur Aktivitätssteigerung der ENaC-Kanäle in den Hauptzellen, zur NaCl-Retention, zur Hypertonie und zur Hypokaliämie führt. Der Anstieg des ENaC-vermittelten Natriumtransports in den Hauptzellen hätte den lumennegativen Potenzialunterschied in distalem Tubulus und kortikalem Sammelrohr erhöht, sodass es zur vermehrten Kaliumsekretion durch apikale Kaliumkanäle kommt (Abb. 64e-1). Diese Erklärung passt auch zu dem sehr hohen TTKG, d. h. zu einer gemessen am Plasmakaliumspiegel inadäquat erhöhten Kaliumausscheidung.
Was führte bei diesem Patienten zur vermehrten mineralokortikoiden Aktivität? Der Patient wies beidseits Nebennierenmetastasen auf, sodass ein primärer Hyperaldosteronismus unwahrscheinlich war. Das klinische Bild (Hypokaliämie, Hypertonie und Alkalose) sowie das bekannte kleinzellige Bronchialkarzinom ließen ein Cushing-Syndrom mit massiver Zunahme der zirkulierenden Glukokortikoide als Reaktion auf die ektope ACTH-Produktion des kleinzelligen Bronchialkarzinoms vermuten. Diese Diagnose wurde durch einen sehr hohen Plasmacortisolspiegel, einen hohen ACTH-Spiegel und eine vermehrte Cortisolausscheidung mit dem Urin bestätigt (Laborwerte siehe oben).
Warum erhöht der höhere zirkulierende Cortisolspiegel die mineralokortikoide Aktivität? Cortisol und Aldosteron besitzen die gleiche Affinität für den Mineralokortikoidrezeptor, sodass Cortisol mineralokortikoid wirkt. Allerdings werden die Zellen des aldosteronabhängigen distalen Nephrons (distales Konvolut, Verbindungsrohr und Sammelrohr) durch das Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-2 (11βHSD-2) vor dem zirkulierenden Cortisol geschützt, das Cortisol zu Kortison umbaut (Abb. 64e-2); Kortison besitzt nur eine minimale Wirkung am Mineralokortikoidrezeptor. Die Aktivierung des Mineralokortikoidrezeptors aktiviert die basolaterale Na+/K+-ATPase, den thiazidabhängigen Na+-Cl–-Kotransporter im distalen Konvolut und die apikalen ENaC-Kanäle in den Hauptzellen von Verbindungsrohr und Sammelrohr (Abb. 64e-2). Rezessive Loss-of-function-Mutationen des 11βHSD-2-Gens führen zur cortisolabhängigen Aktivierung des Mineralokortikoidrezeptors und zum Syndrom des Pseudohyperaldosteronismus (syndrome of apparent mineralocorticoid excess, SAME) mit Hypertonie, Hypokaliämie, Hyperkalzurie und metabolischer Alkalose, supprimierter Plasmareninaktivität (PRA) und supprimiertem Aldosteron. Ein ähnliches Syndrom entsteht durch die biochemische Hemmung der 11βHSD-2 durch Glycyrrhetinin-/Glycyrrhizinsäure (z. B. in Lakritz) und/oder Carbenoxolon.
Abbildung 64e-211β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-2 und Pseudohyperaldosteronismus. Das Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-2 (11βHSD-2) schützt die Zellen des aldosteronabhängigen distalen Nephrons (distales Konvolut, Verbindungsrohr und Sammelrohr) vor der unerwünschten Aktivierung des Mineralokortikoidrezeptors durch Cortisol. Durch Bindung von Aldosteron an den Mineralokortikoidrezeptor (MR) werden der thiazidabhängige Na+-Cl–-Kotransporter im distalen Konvolut und der amiloridabhängige sensitive epitheliale Natriumkanal (ENaC) in Verbindungs- und Sammelrohr aktiviert. Außerdem aktiviert Aldosteron die Na+/K+-ATPase und in geringerem Umfang auch den apikalen sekretorischen Kaliumkanal ROMK (renal outer medullary potassium channel). Cortisol besitzt die gleiche Affinität für den Mineralokortikoidrezeptor wie Aldosteron; der Metabolismus von Cortisol zu Kortison, das nicht an den Mineralokortikoidrezeptor bindet, schützt diese Zellen vor der Aktivierung durch zirkulierendes Cortisol. Ein genetisch bedingter Mangel von 11βHSD-2 oder die Hemmung seiner Aktivität führt zum Pseudohyperaldosteronismus (siehe 8. Fall).
Beim Cushing-Syndrom durch die vermehrte hypophysäre ACTH-Ausschüttung beträgt die Inzidenz der Hypokaliämie nur 10 %, während sie bei ektoper ACTH-Sekretion trotz ähnlicher Inzidenz der Hypertonie etwa 70 % erreicht. Die Aktivität der renalen 11βHSD-2 ist bei Patienten mit ektopem ACTH im Vergleich zum Cushing-Syndrom reduziert, sodass ein Pseudohyperaldosteronismus entsteht. Die vorherrschende Theorie ist, dass die weitaus höhere Cortisolproduktion bei ektopen ACTH-Syndromen die Kapazität der renalen 11βHSD-2 übersteigt und zur Aktivierung renaler Mineralokortikoidrezeptoren durch nicht metabolisiertes Cortisol führt (Abb. 64e-2).
Warum war der Patient so schwach? Die starke Schwäche beruhte auf der kombinierten Wirkung der Hypokaliämie und des erhöhten Cortisolspiegels. Die Hypokaliämie führt zur Hyperpolarisierung der Muskeln und behindert deren Depolarisation und Kontraktion. Dadurch kann eine schwere Hypokaliämie mit Schwäche und sogar aufsteigenden Lähmungen einhergehen. Außerdem verursacht die Hypokaliämie eine Myopathie und prädisponiert für eine Rhabdomyolyse; der Patient hatte jedoch eine normale Kreatinkinase (CK). Das Cushing-Syndrom geht durch den Eiweißabbau im Muskel im Gefolge des Cortisolexzesses oft mit einer proximalen Myopathie einher.
Der Patient wies eine gemischte Störung des Säure-Basen-Haushalts auf, mit signifikanter metabolischer Alkalose und einer Bikarbonatkonzentration von 44 mmol/l. Kurz nach der Aufnahme erfolgte eine venöse Blutgasbestimmung; die venöse und arterielle Blutgasanalyse ist bei hämodynamisch stabilen Patienten nahezu gleich, sodass sich Störungen des Säure-Basen-Haushalts anhand einer venösen Blutprobe diagnostizieren lassen. Als Reaktion auf die bestehende metabolische Alkalose hätte der PCO2 für jede Zunahme des Bikarbonats um 1 mmol um 0,75 mmHg ansteigen müssen, sodass der erwartete PCO2 bei etwa 55 mmHg lag. Angesichts des PCO2 von 62 mmHg bestand vermutlich infolge einer Schwäche der Atemmuskulatur durch die akute Hypokaliämie und den subakuten Hyperkortisolismus zusätzlich eine respiratorische Azidose.
Wegen der Albumin-korrigierten Anionenlücke von 21 + [(4–2,8) × 2,5] = 24 lag noch eine dritte Störung des Säure-Basen-Haushalts vor: eine Azidose mit Anionenlücke. Die gemessene Anionenlücke kann bei einer Alkalose durch die Zunahme der Plasmaproteinkonzentrationen (bei hypovolämischer Alkalose) und durch die Alkaliämie-bedingte Zunahme der negativen Nettoladung der Plasmaproteine zunehmen, die beide einen Anstieg der „nicht gemessenen Anionen“ bewirken. Allerdings bestand bei dem Patienten weder ein Volumenmangel noch eine besonders starke Alkaliämie, sodass diese Effekte nur eine untergeordnete Rolle bei der Vergrößerung der Anionenlücke gespielt haben dürften. Außerdem fördert die Alkalose durch Aktivierung der Phosphofruktokinase und eine beschleunigte Glykolyse die Laktatproduktion; leider wurde der Laktatspiegel bei diesem Patienten nicht bestimmt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass eine Alkalose den Laktatspiegel in der Regel nur um 1,5–3 mmol/l erhöht und dass der Patient keine signifkante Alkaliämie aufwies. Unabhängig von der Pathophysiologie hing diese vergrößerte Anionenlücke vermutlich mit der metabolischen Alkalose zusammen, da sie am zweiten Krankenhaustag auf 18 gesunken war – gleichzeitig zur Absenkung des Plasmabikarbonats.
Warum hatte der Patient eine metabolische Alkalose? Die Aktivierung des Mineralokortikoidrezeptors im distalen Nephron erhöht die Ansäuerung im distalen Nephron und führt zu einer Nettosäuresekretion. Dadurch führt der Mineralokortikoidexzess zu einer NaCl-resistenten metabolischen Alkalose, die durch eine Hypokaliämie signifikant exazerbiert. Bei den meisten Formen der metabolischen Azidose spielt die Hypokaliämie eine entscheidende Rolle, da sie die Ammoniumproduktion im proximalen Tubulus, die Bikarbonatreabsorption im proximalen Tubulus und die Aktivität der H+/K+-ATPase im distalen Tubulus erhöht.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 8. Fallbeispiel
Am wichtigsten beim Management dieses Patienten war die rasche Anhebung des Plasmakaliums und -magnesiums. Da die Patienten refraktär bei Hypomagnesiämie gegenüber einem alleinigen Kaliumersatz sind, muss die Hypomagnesiämie sofort korrigiert werden. Bei kardialem Monitoring und wiederholter Bestimmung der Plasmaelektrolyte erfolgte die orale und intravenöse Gabe von Kaliumchlorid (insgesamt 240 mmol in den ersten 18 Stunden) und von Magnesiumsulfat (5 g i.v.). Es wurden mehrere 100-ml-Minibeutel Kochsalzlösung mit jeweils 20 mmol infundiert. Kaliumchlorid sollte intravenös immer in Kochsalzlösungen gegeben werden, da Glukoselösungen den Insulinspiegel erhöhen und die Hypokaliämie verstärken können.
Dieser Fall zeigt die Probleme bei der Abschätzung des Ganzkörperdefizits von Kalium bei hypokaliämischen Patienten. Wenn keine Umverteilungsstörung von Kalium vorliegt, korreliert der Gesamtmangel mit dem Plasmakaliumspiegel, der bei jeder Abnahme der Körperspeicher um 100 mmol um etwa 0,27 mmol/l absinkt. Dies würde bei diesem Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme einen Mangel von etwa 650 mmol Kalium bedeuten, da der Kaliumspiegel bei 1,7 mmol/l lag. Allerdings kommt es bei Alkalose zur moderaten Verlagerung des zirkulierenden Kaliums nach intrazellulär, sodass der initiale Kaliumspiegel dieses Patienten kein idealer Indikator des Gesamtkaliummangels war. Unabhängig von der Pathophysiologie müssen die Plasmakaliumspiegel während der Korrektur einer schweren Hypokaliämie immer engmaschig überwacht werden, um eine Überkorrektur zu vermeiden.
Das anschließende Management des Cushing-Syndroms und der ektopen ACTH-Sekretion bei diesem Patienten wurde durch respiratorische Komplikationen erschwert. Die Prognose von Patienten mit ektoper ACTH-Sekretion hängt von der Tumorhistologie und dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Fernmetastasen ab. Dieser Patient hatte durch das profus metastasierte, therapierefraktäre kleinzellige Bronchialkarzinom eine ausgesprochen schlechte Prognose; andere Patienten mit ektoper ACTH-Sekretion durch eher benigne, isolierte Tumoren, meistens bronchiale Karzinoidtumoren, haben eine weitaus bessere Prognose. Wenn keine operative Resektion des auslösenden Tumors möglich ist, kann das Management durch operative Adrenalektomie oder medikamentöse Blockade der adrenalen Steroidproduktion erfolgen.
9. Fall: Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ein stuporöser 22-jähriger Mann wurde wegen Verhaltensauffälligkeiten in ein Krankenhaus eingewiesen. Seine Freunde gaben an, er habe seit kurzem wegen einer gescheiterten Beziehung emotionale Probleme und habe mit Suizid gedroht. Es gab Hinweise auf Alkoholmissbrauch, wobei seine Freunde sich nicht an kürzlichen Alkoholkonsum erinnern konnten. Der Patient wirkte bei der Aufnahme abgestumpft und zeigte keine lokalen neurologischen Defizite. Die körperliche Untersuchung war unauffällig.
Die Urinanalyse zeigte eine Kristallurie mit einer Mischung aus briefumschlagförmigen und nadelförmigen Kristallen.
Diagnostik der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 9. Fallbeispiel
Da der Patient bei Aufnahme zentralnervöse Symptome zeigte und über vorausgegangene Verhaltensauffälligkeiten berichtet wurde, bestand der Verdacht auf eine Intoxikation. Die Anionenlücke war mit 35 mmol/l stark vergrößert. Die Änderung der Anionenlücke um 25 mmol/l überstieg die Δ[HCO3–] von 15 deutlich. Die deutliche Abweichung dieser beiden Werte zeigt, dass es sich vermutlich um eine metabolische Azidose mit großer Anionenlücke und eine metabolische Alkalose handelt. Die metabolische Alkalose könnte hier auf Erbrechen zurückzuführen sein. Der nützlichste Befund war jedoch die vergrößerte osmolare Lücke. Eine osmolare Lücke von 33 (Differenz der gemessenen und berechneten Osmolalität bzw. 325–292) ist angesichts der metabolischen Azidose mit großer Anionenlücke ein klarer Hinweis auf einen osmotisch aktiven Metaboliten im Plasma; ein Unterschied von > 10 mosmol/kg zeigt eine signifikante Konzentration eines nicht gemessenen Osmolyten an. Beispiele für toxische Osmolyten sind Ethylenglykol, Diethylenglykol, Methanol und Propylenglykol.
Die Interpretation der osmolaren und Anionenlücken unterliegt bei der Differenzialdiagnose der Ingestion toxischer Alkohole mehreren Einschränkungen. Zunächst können ungemessene, neutrale Osmolyten auch bei Laktatazidose und alkoholischer Ketoazidose akkumulieren, sodass eine vergrößerte osmolare Lücke nicht spezifisch für eine Azidose mit Anionenlücke bei Ingestion toxischer Alkohole ist. Zweitens können die Patienten bei der Vorstellung bereits große Mengen des aufgenommenen Toxins verstoffwechselt haben, sodass eine minimale osmolare Lücke, aber eine große Anionenlücke imponiert, d. h., dass das Fehlen einer vergrößerten osmolaren Lücke die Ingestion toxischer Alkohole nicht ausschließt. Drittens findet sich die umgekehrte Situation bei Patienten, die bereits frühzeitig nach Toxinaufnahme vorstellig werden, sodass sich eine große osmolare Lücke mit minimal vergrößerter Anionenlücke findet. Schließlich muss immer an die Wirkung von gleichzeitig aufgenommenem Ethanol gedacht werden, der die osmolare Lücke vergrößern und den Metabolismus der toxischen Alkohole durch kompetitive Hemmung der Alkoholdehydrogenase (siehe unten) hemmen kann, und so die erwartete Vergrößerung der Anionenlücke abschwächt.
Ethylenglykol ist allgemein als Frostschutz- und Lösungsmittel erhältlich und kann versehentlich oder in suizidaler Absicht aufgenommen werden. Beim Abbau von Ethylenglykol durch die Alkoholdehydrogenase entstehen Säuren wie Glykolaldehyd, Glykolsäure und Oxalsäure. Initial führt diese Intoxikation im frühesten Stadium zu zerebralen Symptomen ähnlich denen bei Trunkenheit, die aber rasch bis zu einem voll ausgeprägten Koma fortschreiten. Häufigste Todesursache bei der Vergiftung mit toxischen Alkoholen ist eine verzögerte Behandlung. An der Niere zeigt sich ein akuter tubulärer Schaden mit ausgedehnter Ablagerung von Kalziumoxalatkristallen in den tubulären Epithelzellen. Oft besteht ein Hirnödem durch – im Übrigen irreversible – Kristallablagerungen im Gehirn.
Die gleichzeitig vorhandene Kristallurie ist typisch für eine Ethylenglykolintoxikation. Mit fortschreitender Schädigung finden sich nadelförmige myonohydrierte und briefumschlagförmige dihydrierte Kalziumoxalatkristalle im Urin. Das zirkulierende Oxalat kann auch mit dem Plasmakalzium Komplexe bilden, sodass es zur Reduktion des ionisierten Kalziums kommt (wie in diesem Fall).
Die Ethylenglykolintoxikation sollte durch Messung des Ethylenglykolspiegels bestätigt werden. Diese lebensbedrohliche Situation erfordert einen sofortigen Therapiebeginn. Grundsätzlich kann die Therapie bei bekannter oder beobachteter Aufnahme auch ohne diesen Nachweis erfolgen, derartige Fälle sind aber selten. Daher wird bei Patienten mit schwerer metabolischer Azidose und erhöhter Anionenlücke und osmolarer Lücke mit der Therapie begonnen. Weitere diagnostische Merkmale wie die Hypokalzämie und die akute Niereninsuffizienz mit Kristallurie liefern in dringlichen Fällen wertvolle Hinweise für eine empirische Therapie.
Behandlung der Störungen des Flüssigkeits- und Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts: 9. Fallbeispiel
Da alle vier osmotisch aktiven toxischen Alkohole (Ethylenglykol, Diethylenglykol, Methanol und Propylenglykol) durch die Alkoholdehydrogenase zu toxischen Produkten abgebaut werden, erfolgt bei Vergiftungen mit diesen Alkoholen grundsätzlich zur Behandlung eine kompetitive Hemmung dieses Schlüsselenzyms. Der stärkste Hemmstoff der Alkoholdehydrogenase und Substanz der Wahl unter diesen Umständen ist Fomepizol (4-Methylpyrazol) (in Deutschland nur zur Behandlung der Ethylenglykol-Vergiftung zugelassen). Fomepizol sollte intravenös in einer Aufsättigungsdosis gegeben werden (15 mg/kg), anschließend viermal im Abstand von 12 Stunden in einer Dosis von 10 mg/kg und dann alle 12 Stunden in einer Dosis von (7,5–)15 mg/kg, bis der Ethylenglykolspiegel < 20 mg/dl liegt, der Patient asymptomatisch ist und einen normalen pH-Wert aufweist. Weitere sehr wichtige Komponenten der Behandlung einer Vergiftung mit toxischen Alkoholen sind die Gabe von Flüssigkeit, Thiamin, Pyridoxin, Folsäure und Natriumbikarbonat sowie die Hämodialyse. Letztere erfolgt zur Entfernung der Muttersubstanz und der toxischen Metaboliten, entfernt allerdings gleichzeitig auch das gegebene Fomepizol, sodass die Dosierfrequenz angepasst werden muss. Magenspülung, induziertes Erbrechen oder Aktivkohle sind nur innerhalb von 30–60 Minuten nach Ingestion wirksam. Wenn Fomepizol nicht verfügbar ist, kann stattdessen Ethanol gegeben werden, das eine mehr als zehnmal höhere Affinität zur Alkoholdehydrogenase besitzt als die anderen Alkohole und gut wirksam ist. Um einen Blutspiegel von 22 mmol/l (100 mg/dl) zu erzielen, muss Ethanol intravenös gegeben werden. Ein Nachteil von Ethanol ist die nach seiner Zufuhr auftretende Bewusstseinsstörung, die additiv zu den zentralnervösen Effekten von Ethylenglykol ist. Bei Hämodialyse muss zudem die Infusionsrate von Ethanol erhöht werden, da es rasch dialysiert wird. Allgemein ist eine Hämodialyse bei allen Patienten mit Ethylenglykolintoxikation indiziert, wenn der arterielle pH-Wert < 7,3 liegt oder die osmolare Lücke > 20 mosmol/kg H2O.
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