76e Atlas wichtiger Dermatosen und Hautveränderungen bei internen Erkrankungen
Die Dermatologie ist eine überwiegend visuelle Kunst und der klinisch Erfahrene kann in vielen Fällen eine rasche und klare Blickdiagnose stellen. Viele primäre Dermatosen sind typisch in Manifestation, Verteilung und Art der Einzeleffloreszenzen. Sehr oft aber sind pathologische Hautveränderungen nicht Ausdruck einer Hauterkrankung sui generis, sondern vielmehr Folge einer inneren Erkrankung. Das Hautsymptom kann dabei so pathognomonisch sein, das es wegweisend für die Diagnose der zugrunde liegenden internistischen Erkrankung ist.
Umgekehrt aber müssen Hautkrankheiten begleitende internistische Symptome auch immer auf einen eventuellen kausalpathogenetischen Zusammenhang hin geprüft werden. Besonders Autoimmun- und rheumatische Erkrankungen, Infektionen, Allergien, Nieren- und Darmerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Tumorerkrankungen bedürfen dieser interdisziplinären Einschätzung. Nur durch gründliche Anamneseerhebung und durch ganzheitliche Inspektion und Diagnostik können diese häufigen Ursachenzusammenhänge geklärt werden. Vor diesem Hintergrund soll der „Atlas der Hautveränderungen“ praxisrelevante Blickdiagnosen aufzeigen.
Für die deutsche Ausgabe Michael Hertl
Die tägliche Praxis konfrontiert nahezu jeden Kliniker mit Patienten, die an Hauterkrankungen leiden. Nicht allein Dermatologen, sondern Ärzte vieler Fachrichtungen stehen fast täglich vor der Aufgabe, eine ätiologische Einordnung von Hautkrankheiten vorzunehmen. Bei Patienten mit pathologischen Hautveränderungen ist immer die Frage zu klären, ob es sich um eine spezifische Hauterkrankung, also ein Hautleiden sui generis, handelt oder ob eine Mitbeteiligung der Haut bei inneren Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie vorliegt. Anhand dermatologischer Ordnungsprinzipien sind in diesem Atlas ausgewählte Krankheitsbilder folgender Kategorien aufgeführt: (1) Häufige Hauterkrankungen bzw. Hautveränderungen, (2) nicht melanozytärer Hautkrebs, (3) Melanom und pigmentierte Veränderungen, (4) Infektionskrankheiten und Haut, (5) immunologisch bedingte Hauterkrankungen und (6) Hautveränderungen bei inneren Krankheiten.
Häufige Hautkrankheiten und -veränderungen
(Abb. 76e-1 bis 76e-19) Während die meisten dieser entzündlichen Hautkrankheiten sowie gutartige und reaktive Neubildungen Hautkrankheiten im engen Wortsinn sind, kann einigen eine innere Erkrankung zugrunde liegen. Die atopische Dermatitis ist eine chronische Hauterkrankung bei Patienten mit atopischer Diathese, zu der auch das allergische Asthma bronchiale und die Rhinokonjunktivitis allergica zählen. Die Psoriasis vulgaris kann umschrieben in der Ellenbogen- und Knieregion auftreten oder aber das gesamte Integument (= Erythrodermie) einbeziehen und außerdem mit einer Arthritis psoriatica assoziiert sein. Bei einigen Patienten mit Alopecia areata besteht eine Assoziation zu Schilddrüsenerkrankungen. Schließlich kann sogar die Acne vulgaris, eine sehr häufige multifaktorielle Verhornungsstörung der Haarfollikel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, gelegentlich als Begleitsymptom bei inneren Erkrankungen wie dem Syndrom der polyzystischen Ovarien vorkommen.
Abbildung 76e-8A. Allergische Kontaktdermatitis, akutes Stadium, mit perioralen, scharf begrenzten, nässenden, teils krustösen Plaques. B. Allergisches Kontaktekzem gegen Nickel, chronisches Stadium, mit erythematöser, teils nässender Plaquebildung und Lichenifikation im Bereich des Jeansknopfes. (B mit frdl. Genehmigung von Robert Swerlick, MD.)
Nicht melanozytärer Hautkrebs (= heller Hautkrebs)
(Abb. 76e-20 bis 76e-27) Bei den hellhäutigen ethnischen Populationen steigt die Inzidenz des „hellen Hautkrebses“ in letzter Zeit alarmierend an. Das Basalzellkarzinom(Synonym: Basaliom) ist der häufigste Krebs des Menschen und weist eine enge Beziehung zu stattgehabter UV-Exposition auf. Das Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) einschließlich des keratoakanthomartigen Plattenepithelkarzinoms ist die zweithäufigste Hautkrebsart bei den meisten Hellhäutigen und weist ebenfalls enge Beziehungen zu übermäßiger UV-Expositionen auf. Seltenere, kutane maligne Neubildungen stellen kutane T-Zell-Lymphome (Mycosis fungoides) und in die Haut metastasierende andere Karzinome und Lymphome dar.
Abbildung 76e-27Aktinische Keratosenimponieren als unregelmäßig begrenzte rötliche Papeln und Plaques mit festhaftender Hyperkeratose an chronisch lichtexponierter Haut, zumeist multiple Läsionen. Es handelt sich um UV-induzierte intraepitheliale Karzinome (Carcinoma in situ). Aktinische Keratosen treten bei Erwachsenen ab dem mittleren Alter auf. (Mit frdl. Genehmigung von Robert Swerlick, MD.)
Malignes Melanom und benigne pigmentierte Hautveränderungen
(Abb. 76e-28 bis 76e-33) Die Prognose des malignen Melanoms hängt von der Invasionstiefe (Clark Level), vom Zeitpunkt der Diagnose und der frühzeitig einsetzenden chirurgischen Therapie ab. Das Stadium bei der Diagnosestellung bestimmt die durchschnittliche Überlebenszeit. Daraus ergibt sich für alle Ärzte die Verpflichtung bzw. die Notwendigkeit, pigmentierte Hautveränderungen immer besonders genau zu betrachten. Nach klinisch-pathologischen Gesichtspunkten werden folgende Subtypen des Melanoms unterschieden: das superfiziell spreitende Melanom, das Lentigo-maligna-Melanom und das akrolentiginöse Melanom. Hilfreich bei der Beurteilung pigmentierter Veränderungen ist die sog. ABCDE-Regel, wobei die Buchstaben A für „asymmetry“ (Asymmetrie), B für „border“ (unregelmäßige Begrenzung), C für „color“ (Farbe, d. h. unterschiedlicher Farbton von schwarz bis braun, rot oder depigmentiert), D für „diameter“ (Durchmesser größer als 6 mm) und E für „elevation“ (vertikales Tumorwachstum) nach den suspekten und Melanom-verdächtigen Veränderungen fragen. Das noduläre Melanom ist typischerweise blauschwarz, meist halbkugelig und symmetrisch, kann aber auch unpigmentiert sein (amelanotisches Melanom). Atypische (histologisch: dysplastische) Nävi können sich sporadisch solitär manifestieren oder aber in multipler Zahl hereditär und familiär gehäuft (dysplastisches Nävussyndrom) auftreten. Dysplastische Nävi sind dabei potenzielle Vorläufer von Melanomen und klinisch trifft die ABCDE-Regel zumeist anteilig zu. „Normale“ kongenitale und erworbene melanozytäre Nävi dagegen sind gutartige Tumoren der Melanozyten und kommen sehr häufig vor.
Abbildung 76e-29Dysplastische Nävisind > 5 mm große, ovaläre, inhomogen pigmentierte und unscharf begrenzte, oft zentral erhabene melanozytäre Läsionen. Bei Auftreten multipler dysplastischer Nävi kann ein Melanom-Pankreaskarzinom-Syndrom (Synonym: Nävusdysplasie-Syndrom, Melanom-Syndrom) infolge einer Mutation des CDK2A-Gens vorliegen.
Infektionskrankheiten der Haut
(Abb. 76e-34 bis 76e-58) Die Haut bildet die Barriere zur Umwelt und gerät daher in Kontakt mit verschiedenen Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Die Folge kann die Kolonisation, aber auch die primäre Infektion der Haut sein. Bei systemischen Infektionen, z. B. bei Meningokokkeninfektion, Rocky-Mountain-Fieber, Systemcandidose oder Kryptokokkose kann die Haut über septisch-embolische Aussaat auch sekundär beteiligt sein und kann wichtige diagnostische Hinweise geben. Die meisten sexuell übertragenen bakteriellen und viralen Erkrankungen, wie z. B. primäre und sekundäre Syphilis, Ulcus molle, Herpes genitalis und Condylomata acuminata, manifestieren sich an der Haut.
Abbildung 76e-35Varizellen (Windpocken) mit multiplen Bläschen auf erythematösem Grund und Krusten. Entstehung immer wieder neuer Effloreszenzen in zueinander asynchronen Entwicklungsstadien und resultierendem polymorphem Aspekt („Heubner-Sternenkarte“).(Mit frdl. Genehmigung von Robert Hartman, MD.)
Abbildung 76e-37Impetigo contagiosa ist eine oberflächliche bakterielle Hautinfektion zumeist durch Streptokokken der Gruppe A. Aus kleinen Blächen und superfiziellen Pusteln entwickeln sich von honiggelben Krusten bedeckte Erosionen. Gelegentlich können bullöse Läsionen auftreten. Die großblasige Impetigo durch Staphylococcus aureus zeigt größere Vesiculae und eher schwefelgelbe Pusteln. Mischinfektionen sind möglich.(Mit frdl. Genehmigung von Mary Spraker, MD.)
Abbildung 76e-40Molluscum contagiosum (Dellwarzen) ist eine Lokalinfektion der Haut durch Pockenviren, die durch multiple, genabelte, hautfarbene oder hypopigmentierte Papeln (Mollusca contagiosa) in oft gruppierter oder linearer Anordnung (Autoinokulation) gekennzeichnet ist. (Mit frdl. Genehmigung der Yale Resident’s Slide Collection.)
Abbildung 76e-41 Die orale Haarleukoplakie präsentiert sich oft in Form von fest haftenden weißen fadenförmig-fransigen Strukturen an der lateralen Zungenoberfläche und ist primär durch das Epstein-Barr-Virus verursacht. (Aus K Wolff, RA Johnson, D Suurmond: Fitzpatrick’s Color Atlas & Synopsis of Clinical Dermatology, 5th ed. New York, McGraw-Hill, 2005. www.accessmedicine.com.)
Abbildung 76e-44 Das Erythema chronicum migrans ist die frühe kutane Manifestation der Borreliose und ist charakterisiert durch sich zentrifugal ausbreitende und durch zentrale Abblassung anulär wirkende Erytheme mit zentraler Papel an der Stelle des Zeckenstiches. (Mit frdl. Genehmigung von Yale Resident’s Slide Collection.)
Abbildung 76e-49A. Die Tinea corporis ist eine oberflächliche Pilzinfektion durch Dermatophyten. Charakteristische runde oder polyzyklisch begrenzte erythrosquamöse Plaques. Ringform durch zentrale Abblassung und entzündlich-erhabenen Randwall.B. Eine häufige Manifestation der chronischen Dermatophyteninfektion betrifft die Füße (Tinea pedis), die Hände (Tinea manum) und die Nägel (Tinea unguium).
Abbildung 76e-55Hautläsionen bei neutropenen Patienten. A. Hämorrhagische Papeln am Fuß eines Patienten während der chemotherapeutischen Behandlung eines Plasmozytoms. In der Biopsie und in den Kulturen wurden Aspergillus spp. nachgewiesen. B. Erodierte Knötchen am harten Gaumen bei einem Patienten unter Chemotherapie. In der Biopsie und den Kulturen wurden Mucor spp. nachgewiesen. C. Ecthyma gangraenosum bei einem neutropenischen Patienten mit P.-aeruginosa-Bakteriämie.
Immunologisch bedingte Hauterkrankungen
(Abb. 76e-59 bis 76e-70) Immunologisch bedingte Hauterkrankungen können ausgedehnt sowohl die Haut als auch die Schleimhäute betreffen und stellen sich mit Blasen und Erosionen dar, wie beim Pemphigus, Pemphigoid oder bei der Dermatitis herpetiformis. Beim Lupus erythematodes, bei der Dermatomyositis und bei der Vaskulitis sind die Hautveränderungen nur ein Symptom des Multiorganbefalls.
Abbildung 76e-59A. Systemischer Lupus erythematodes mit deutlichem Wangenerythem („Schmetterlingserythem“). Oft sind auch andere lichtexponierte Hautpartien betroffen. B. Akuter Lupus erythematodes des oberen Thorax mit hellroten, leicht ödematösen, konfluierenden Papeln und Plaques. (B mit frdl. Genehmigung von Robert Swerlick, MD.)
Abbildung 76e-65 Multiple erythematöse Plaques mit Zielscheiben- oder Irisform, wie sie für das Erythema exsudativum multiforme, meist als Folge einer Überempfindlichkeitsreaktion auf Arzneimittel oder Infektionen (v. a. Herpes-simplex-Virus), typisch sind. (Mit frdl. Genehmigung der Yale Resident’s Slide Collection.)
Abbildung 76e-67A. Pemphigus vulgaris mit erodierten Bullae auf dem Rücken. B. Pemphigus vulgaris betrifft fast immer die Mundschleimhaut, wo er Erosionen am Zahnfleisch, an der Wangenschleimhaut, am Gaumen, an der Rachenhinterwand oder an der Zunge bildet. (B mit frdl. Genehmigung von Robert Swerlick, MD.)
Hautveränderungen bei inneren Krankheiten
(Abb. 76e-71 bis 76e-78) Systemische Erkrankungen zeigen oftmals typische Hautveränderungen, von denen einige in diesem Kapitel dargestellt werden. Einige dieser dermatologischen „Marker“ können der Manifestation der inneren Krankheit vorausgehen, mit ihr simultan bestehen bzw. sich erst in deren Verlauf entwickeln. Die Acanthosis nigricans kommt meist bei Adipositas und Insulinresistenz vor, sie kann aber auch mit anderen endokrinen Störungen und verschiedenen seltenen genetischen Syndromen assoziiert sein. Die Acanthosis nigricans maligna ist koexistent mit verschiedenen Neoplasien, besonders häufig mit Adenokarzinomen des Gastrointestinaltraktes, der Lunge bzw. der Brust. Andere Hautveränderungen einschließlich des Myxoedema praetibiale, das häufig bei Schilddrüsenerkrankungen vorkommt, und des Sweet-Syndroms, das vornehmlich bei hämatologischen Neoplasien, soliden Tumoren, Infektionen oder entzündlichen Darmerkrankungen besteht, werden ebenfalls aufgeführt. Schließlich kann die Haut auch bei generalisierten entzündlichen Erkrankungen wie Sarkoidose, rheumatoider Arthritis und Lupus erythematodes beteiligt sein.
Abbildung 76e-78Pyoderma gangraenosum auf beiden Handrücken mit multiplen Ulzera mit fibrinösem Grund und dunkelroten, erhabenen, ausgeprägt schmerzhaften und unterminierten Geschwürsrändern. Übliche Prädilektionen sind die unteren Extremitäten und der Körperstamm. (Mit frdl. Genehmigung von Robert Swerlick, MD.)
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