86e Das menschliche Mikrobiom
Studien zur humanen mikrobiellen Ökologie sind ein wichtiges Anzeichen für den Fortschritt in den Genomwissenschaften und ein zeitgemäßer Schritt des Bemühens um ein besseres Verständnis vom Platz des Menschen in seiner Umwelt. Sie spiegeln das zunehmende Interesse der Medizin des 21. Jahrhunderts an der Krankheitsprävention, neuen Gesundheitsdefinitionen, neuen Wegen zur Klärung des Ursprungs individueller biologischer Unterschiede und neuen Ansätzen zur Klärung der Auswirkungen von Veränderungen der Lebensführung und der Biosphäre auf die Humanbiologie wider.
Die zunehmende Verbesserung der auf das Mikrobiom gerichteten Diagnostik und Therapie erfordert ein zunehmendes Maß an Sensibilität gegenüber deren gesellschaftlichen Auswirkungen.
Für die deutsche Ausgabe Markus M. Heimesaat
Die Technologien, welche die Entzifferung des menschlichen Genoms möglich gemacht haben, erlauben auch die Beschreibung von Zusammensetzung und Funktionen der mikrobiellen Gemeinschaften, die den menschlichen Körper kolonisieren und seine Mikrobiota ausmachen. Jeder Lebensraum des Körpers, wie Haut, Nase, Mund, Atemwege, Gastrointestinaltrakt und Vagina, beherbergt eine bestimmte Gemeinschaft aus Mikroben. Durch die Bemühungen, die Mikrobiota und die Gesamtheit ihrer mikrobiellen Gene (das Mikrobiom) zu verstehen, ändert sich die Sichtweise auf unser menschliches „Selbst” und vertieft sich unser Verständnis vieler normaler physiologischer, metabolischer und immunologischer Merkmale sowie ihrer inter- und intrapersonellen Variationen. Außerdem liefert dieser neue Forschungsbereich zunehmend Einsichten in Krankheiten, von denen bislang nicht bekannt war, dass sie eine mikrobielle Komponente besitzen und eröffnet neue Ansätze für deren Behandlung und Prävention. Die Schlüsselbegriffe bei der Besprechung des Mikrobioms sind in Tabelle 86e-1 definiert.
Der Mensch stellt quasi einen Holobionten dar, eine Ansammlung von menschlichen und mikrobiellen Zellen, die in einer ausgefeilten Symbiose gemeinsam funktionieren. Die Gesamtzahl der mikrobiellen Zellen der humanen Mikrobiota übersteigt die Anzahl der Zellen eines erwachsenen Menschen etwa um das 10-Fache. Jeder gesunde Erwachsene beherbergt schätzungsweise 105–106 mikrobielle Gene bei etwa 20.000 Homo-sapiens-Genen. Die Mitglieder der Mikrobiota fungieren als Mutualisten (d. h., dass Wirt und Mikrobe voneinander profitieren), als Kommensalen (ein Partner profitiert, während der andere scheinbar nicht beeinträchtigt wird) sowie als potenzielle oder offensichtliche Pathogene (ein Partner profitiert, der andere nimmt Schaden). Viele Ärzte betrachten Pathogene als individuelle mikrobielle Spezies oder Stämme, die bei empfänglichen Wirten eine Krankheit auslösen können. Einer neueren, mehr ökologischen Betrachtungsweise zufolge können Pathogene nicht isoliert für sich fungieren. Vielmehr vollziehen sich Invasion und Auftreten von Pathogenen im Wirt mit den damit verbundenen pathogenen Effekten in Wechselwirkung mit anderen Mitgliedern der Mikrobiota. Eine noch weiter fassende Ansicht geht davon aus, dass sich mehrere Organismen einer Gemeinschaft zusammenschließen, um bei bestimmten Konstellationen von Wirt und Umwelt pathogene Effekte auszulösen (pathologische Gemeinschaft).
Die Möglichkeit, die Strukturen und Funktionen ganzer mikrobieller Gemeinschaften ohne Kultivierung ihrer Mitglieder zu charakterisieren, hat einen neuen Wissenschaftszweig begründet, die Metagenomik(Tab. 86e-1). Die Metagenomik steht für die Vereinigung von experimentellen und computerbasierten Fortschritten der Genomwissenschaften sowie für ein mehr ökologisches Verständnis der medizinischen Mikrobiologie hinsichtlich der Funktionen der einzelnen Mikroben und ihres Einflusses auf die Humanbiologie in Abhängigkeit vom Kontext zu anderen mikrobiellen Mitgliedern derselben Gemeinschaft. Während die Mikrobiologie sich traditionell auf die kulturelle Anzucht der jeweiligen Mikroben stützt, lässt die Metagenomik diesen Schritt aus und sequenziert direkt die aus einer bestimmten mikrobiellen Gemeinschaft gewonnene DNS. Die so entstandenen Datensätze erleichtern funktionelle „Follow-up“-Studien, wie das „Profiling“ von RNS und Proteinprodukten, die vom Mikrobiom exprimiert werden, oder die nähere Charakterisierung der metabolischen Aktivitäten einer mikrobiellen Gemeinschaft.
Die Metagenomik liefert Einblicke darin, wie sich mikrobielle Gemeinschaften in verschiedenen Situationen, die für die menschliche Gesundheit entscheidend sind, verändern. Dazu gehört auch, wie sich mikrobielle Gemeinschaften nach der Geburt zusammensetzen und im Laufe der Zeit funktionieren, einschließlich der Reaktionen etablierter Gemeinschaften auf Störungen unterschiedlicher Art. Weitere Aspekte sind, wie sich mikrobielle Gemeinschaften normalerweise an verschiedenen anatomischen Lokalisationen eines Menschen unterscheiden und welche Unterschiede es zwischen den Menschen in Abhängigkeit von deren Alter, physiologischem Status, Lebensführung, Geografie und Geschlecht gibt. Wiederum andere Aspekte sind, wie sich mikrobielle Gemeinschaften bei Krankheiten verändern, ob diese Veränderungen bei allen Menschen mit denselben Krankheitskriterien gleich sind, ob die Mikrobiota oder das Mikrobiom neue Klassifikationen der Krankheitsstadien hervorbringen und vor allem, ob die jeweiligen Strukturen und Funktionalitäten der mikrobiellen Gemeinschaften Ursache oder Folge von Krankheiten sind.
Untersuchungen unseres Mikrobioms adressieren eine der grundlegendsten Fragen der Genetik: Wie wählt die Umgebung unsere Gene aus und beeinflusst sie deren Funktion direkt? Im Laufe des Lebens wird jeder Mensch einer einzigartigen Umgebung ausgesetzt. Ein Teil dieser persönlich erfahrenen Umgebung wird in die Gene und Fähigkeiten unserer mikrobiellen Gemeinschaften inkorporiert. Somit erweitert das Mikrobiom die Konzeptualisierung des „humanen“ genetischen Potenzials von einem einzelnen Gensatz, der bei der Geburt an ein Mikrobiom gebunden wurde, zu einem Mikrobiom mit zusätzlichen Genen und Fähigkeiten, die durch Prozesse erworben wurden, die mit der Familie und den Lebenserfahrungen, wie modifizierbaren Aspekten der Lebensführung (z. B. Ernährung) zusammenhängen. Diese Ansicht würdigt eine bislang unterschätzte Dimension der Evolution des Menschen, die auf der Ebene des Mikrobioms stattfindet und dazu anregt, zu bestimmen, wie und wie schnell sich diese mikrobielle Evolution auf die Humanbiologie auswirkt. So ist die „Verwestlichung“ unseres Lebensstils mit dem Verlust der bakteriellen Diversität in der Mikrobiota verknüpft, der wiederum mit dem Anstieg von Wohlstandskrankheiten vergesellschaftet sein könnte. Außerdem wirft das Studium der Mikrobiota wichtige Fragen über die persönliche Identität, die Definitionen von unterschiedlichen Gesundheitszuständen und Privatsphäre auf. Des Weiteren ermöglicht es völlig neue Ansätze bei der Prävention und Behandlung von Krankheiten, wie etwa in der regenerativen Medizin, bei der Patienten, die unreife, noch nicht voll funktionsfähige mikrobielle Gemeinschaften beherbergen, oder deren Gemeinschaften so gestört wurden, dass sie durch Zugabe von Spezies, welche die freien Nischen besetzten, saniert werden können, bestimmte mikrobielle Spezies (Probiotika) erhalten.
Dieses Kapitel liefert eine allgemeine Übersicht darüber, wie humane mikrobielle Gemeinschaften analysiert werden. Außerdem werden die ökologischen Grundsätze, die unser Verständnis der mikrobiellen Gemeinschaften in Gesundheit und Krankheit leiten, dargelegt und aktuelle Studien zusammengefasst, die Korrelationen sowie in manchen Fällen auch Kausalzusammenhänge zwischen der humanen Mikrobiota/dem Mikrobiom und verschiedenen Krankheiten herstellen. Abschließend werden Probleme bei der Übertragung dieser Ergebnisse in neue therapeutische Interventionsmöglichkeiten besprochen.
Werkzeuge für die kulturunabhängige metagenomische Analyse mikrobieller Gemeinschaften
Das Leben auf der Erde wurde in drei Domänen unterteilt: Bakterien, Archaeen und Eukaryonten. Die Habitate auf der Oberfläche des menschlichen Körpers beherbergen Vertreter jeder Domäne plus deren Viren. Die mikrobielle Diversität wurde vor allem deswegen größtenteils nicht durch kulturbasierte Verfahren charakterisiert, weil sich das durch diese Gemeinschaften in ihren nativen Habitaten geschaffene metabolische Milieu derzeit nicht in vitro duplizieren lässt; außerdem neigen einige Organismen dazu, andere zu überwuchern. Kulturunabhängige Verfahren weisen rasch nach, welche Organismen in der Mikrobiota in welcher relativen Menge vorhanden sind. Das am häufigsten zur Identifikation von Mikroorganismen und zur Klassifikation ihrer evolutionären Beziehungen verwendete Gen kodiert für die RNS-Hauptkomponente der kleinen Untereinheit (SSU) der Ribosomen. Das SSU-rRNS-Genist bei allen bekannten Lebensformen auf der Erde hochkonserviert. Durch diese Konservierung lassen sich die SSU-rRNS-Gene verschiedener Organismen akkurat aufreihen, sodass die Regionen mit Nukleotidsequenzvariationen gut zu erkennen sind. Durch den paarweisen Vergleich der SSU-rRNS-Gensequenzen unterschiedlicher Mikroorganismen lässt sich ein phylogenetischer Baum erstellen, der einer Evolutionskarte entspricht und auf dem bislang unbekannten Organismen eine Position zugewiesen werden kann. Dieser Ansatz, auch molekulare Phylogenetik genannt, erlaubt die Charakterisierung jedes Organismus anhand seiner evolutionären Distanz zu anderen Organismen. Die verschiedenen phylogenetischen Typen (Phylotypen) können als Äste eines Evolutionsbaumes gesehen werden.
Typisierung von Bakterien
Da die Mitglieder der Domäne Bakterien die humane Mikrobiota dominieren, wurde bei den meisten Studien zur Definition der verschiedenen Körperhabitate, die mikrobielle Gemeinschaften enthalten, das für 16S-rRNS kodierende bakterielle SSU-Gen sequenziert. Dieses Gen besitzt eine Mosaikstruktur, bei welcher die variablen Regionen von hochkonservierten Domänen flankiert werden. Der direkteste Weg zur Identifizierung bakterieller taxonomischer Gruppen (Taxa) in einer bestimmten Gemeinschaft besteht in der Sequenzierung von Produkten (Amplikons) der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), die von den 16S-rRNS-Genen der Gemeinschaft generiert werden. PCR-Primer, die gegen die konservierten Regionen des Gens gerichtet sind, enthalten PCR-Amplikons, die einen oder mehrere der neun variablen Regionen enthalten. Das Primer-Design ist entscheidend: Die Primerhybridisierung mit verschiedenen Primerpaaren für die Amplifikation variabler Regionen kann dazu führen, dass bestimmte Taxa über- oder unterrepräsentiert sind; außerdem können die verschiedenen Regionen im 16S-rRNS-Gen unterschiedliche Evolutionsmuster aufweisen. Daher ist der Vergleich der relativen Häufigkeit der Taxa in Proben, die in verschiedenen Studien mit unterschiedlichen Methoden charakterisiert wurden, nur unter Vorbehalt möglich, weil unterschiedliche Methoden wiederum größere Unterschiede der abgeleiteten Taxonomie hervorbringen, als tatsächlich vorhanden sind.
Eine grundlegende Neuerung ist die Multiplex-Sequenzierung. Die aus jeder DNS-Probe der mikrobiellen Gemeinschaft gewonnenen Amplikons werden durch Inkorporation eines spezifischen Oligonukleotid-Barcodes im Primer markiert. Amplikons mit dem probenspezifischen Barcode werden gepoolt, sodass viele Proben, die mehrere Gemeinschaften repräsentieren, gleichzeitig sequenziert werden können (Abb. 86e-1). Eine wichtige Entscheidung bei der Multiplex-Sequenzierung mit Barcode besteht in der Abwägung der Anzahl der Proben, die verarbeitet werden können, und der Zahl der Sequenzen pro Probe. Es bestehen große (interindividuelle) Unterschiede zwischen der Mikrobiota einzelner Menschen sowie zwischen mikrobiellen Gemeinschaften, die verschiedene Habitate im Körper desselben Individuums einnehmen (siehe unten). Daher genügen relativ wenige (< 1000) SSU-rRNS-Ablesungen für die Unterscheidung von Gemeinschaften. Allerdings wird die Identifizierung von systematischen Unterschieden der Gemeinschaftsökologie, die mit dem physiologischen und pathophysiologischen Status korrelieren, durch die immensen interindividuellen Variationen erschwert.
Die Sequenzierung der bakteriellen 16S-rRNS-Gene stellt eine Herausforderung für die medizinische Mikrobiologie dar: Wie können die taxonomischen Gruppen in einer Gemeinschaft systematisch und informativ definiert werden, sodass sie miteinander verglichen und voneinander abgegrenzt werden können? In jeder Domäne des Lebens werden die Mikroben in einer Hierarchie definiert, die mit dem Stamm (der größten Gruppe) beginnt; es folgen die Klasse, die Ordnung, die Familie, das Genus und die Spezies. Um die Taxonomie festzulegen, werden die 16S-rRNS-Sequenzen anhand von Ähnlichkeiten ihrer Sequenzen ausgerichtet (Auswahl von operational taxonomic units, OTUs). Die Gruppierung von 16S-rRNS-Sequenzen aus einer bestimmten variablen Region in „Kästen”, bei denen ≥ 97 % der Nukleotidsequenzen identisch sind (97 % ID OTUs), ist eine allgemein akzeptierte, aber dennoch willkürliche Herangehensweise zur Definition einer Spezies.
Beim Blick über das 16S-rRNS-Gen hinaus, enthalten verschiedene Isolate (Stämme) einer bestimmten Bakterienspezies überschneidende, aber nicht identische Gensätze innerhalb ihres Genoms. Die Gene, die in allen Isolaten (Stämmen) eines bestimmten Spezies-Phylotyps nachgewiesen werden, bilden ihr Pangenom. Die meisten Spezies haben mehrere Stämme mit oft sehr unterschiedlichen Funktionen (z. B. enteropathogene versus kommensale Escherichia coli). Die Unterschiede des Genomgehalts zwischen den Stämmen einer Spezies spiegeln Unterschiede in der Mitgliedschaft in einer bestimmten Gemeinschaft sowie den unterschiedlichen Selektionsdruck der Stämme in einem Habitat und zwischen den Habitaten wider. Der horizontale Gentransfer zwischen den Mitgliedern einer Mikrobiota durch Phagen, Plasmide und andere Mechanismen spielt bei diesen Unterschieden auf Stammebene eine wichtige Rolle.
Die Diversität der Stämme ist von Bedeutung in Anbetracht der Frage, wie sich die mikrobiellen Gemeinschaften verschiedener Menschen voneinander unterscheiden und wie diese Gemeinschaften mit Störungen umgehen. So ist die große Diversität an Bakterienstämmen im Darm vermutlich eines der Merkmale, die es dieser Mikrobiota, die ein konstant perfundiertes Ökosystem besetzt, das den komplexen und unterschiedlichen mit der Nahrung aufgenommenen Substanzen ausgesetzt ist, ermöglicht, sich an ändernde Umstände anzupassen und nicht davon abhängig ist, dass ein Stamm eine bestimmte, für die Funktion der Gemeinschaft wichtige Nische besetzt. In ökologischen Studien zu unterschiedlichen Umgebungen, wie Wiesen, Wäldern und Riffen, erhöhte eine hohe Diversität in einer Gemeinschaft deren Fähigkeit, auf Störungen zu reagieren und sich selbst wiederherzustellen (d. h. ihre Resilienz); das Gleiche gilt vermutlich auch für mikrobielle Ökosysteme. Bei der Charakterisierung eines Mechanismus, über den eine bestimmte Spezies eine Wirkung auf den menschlichen Organismus hat, muss der jeweils untersuchte Stamm berücksichtigt werden. Die Diversität der Stämme wirkt sich nämlich auf die Entdeckung und Entwicklung von Probiotika der nächsten Generation aus, die therapeutisch zur Förderung von Gesundheit oder Behandlung von Krankheit eingesetzt werden könnten.
Abbildung 86e-1Ablauf bei kulturunabhängiger Analyse der Mikrobiota. (A) Die DNS wird direkt aus einer Probe der mikrobiellen Gemeinschaft eines Habitats des menschlichen Körpers extrahiert. Die präzise Lage der Gemeinschaft und relevante Hintergrunddaten des Patienten werden erfasst. Mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) werden Teile der Small-subunit(SSU)-rRNS-Gene (Gene, die für bakterielle 16S-rRNS kodieren), die eine oder mehrere variable Regionen enthalten, amplifiziert. Es werden Primer mit probenspezifischen, Fehler korrigierenden Barcodes entworfen, welche die konservierteren Regionen des 16S-rRNS-Gens erkennen, die die variablen Zielregionen umgeben. (B) Die Barcode-markierten Amplikons aus multiplen Proben (Gemeinschaften 1–3) werden gepoolt und in einem hochparallelen DNS-Sequenzer der nächsten Generation schubweise sequenziert. (C) Die Ablesungen werden verarbeitet. Die Barcodes zeigen an, aus welcher Probe die Sequenz stammt. Nachdem die Barcode-Sequenzen in silico entfernt wurden, werden die Ablesungen aufgereiht und anhand übereinstimmender Sequenzen gruppiert. Sequenzen, bei denen ≥ 97 % der Nukleotidsequenz übereinstimmen, gelten beispielsweise als von derselben Spezies. Sobald die Ablesungen auf diese Weise in operationale taxonomische Units (OTUs) sortiert wurden, werden sie zur Klärung ihrer Phylogenität auf den phylogenetischen Baum aller bislang bekannten Bakterien gelegt. (D) Die Gemeinschaften lassen sich untereinander entweder taxonbasiert vergleichen, wobei die Phylogenität unbeachtet bleibt und nur die Anzahl der gemeinsamen Taxa interessiert, oder phylogenetisch, wobei die Gemeinschaftsähnlichkeit anhand der evolutionären Beziehungen der Gemeinschaftsmitglieder ermittelt wird. Oft erfolgt der phylogenetische Vergleich mittels UniFrac-Metrik. In den drei hier aufgeführten Beispielen sind Gemeinschaften mit unterschiedlich ausgeprägter Ähnlichkeit gezeigt. Jeder Kreis entspricht einer OTU, die ihrer Ursprungsgemeinschaft entsprechend eingefärbt und in einen phylogenetischen „Meister“-Stammbaum eingepflegt wurde, der alle Linien sämtlicher Gemeinschaften enthält. Die Äste (horizontale Linien) sind in der Farbe der Gemeinschaft gehalten, die Mitglieder dieses Astes enthält. Die Beispiele (i), (ii) und (iii) haben unterschiedlich lange gemeinsame Astabschnitte mit den OTUs jeder Gemeinschaft. Bei (i) gibt es keinen gemeinsamen Astabschnitt, sodass die drei Gemeinschaften den Ähnlichkeitswert 0 aufweisen. Bei (ii) sind die Gemeinschaften identisch und erhalten einen Ähnlichkeitswert von 1. Bei (iii) besteht eine intermediäre Ähnlichkeit. Die in Rot und Grün dargestellten Gemeinschaften weisen längere gemeinsame Astabschnitte auf und haben daher einen höheren Ähnlichkeitswert als rote und blaue bzw. grüne und blaue Gemeinschaften. Durch den paarweisen Vergleich der gemeinsamen Astabschnitte der Gemeinschaften erhält man eine Distanzmatrix. (E) Die Ergebnisse taxonomischer oder phylogenetischer Distanzmatrizes lassen sich durch eine Hauptkoordinatenanalyse (PCoA) darstellen, bei der jede Gemeinschaft räumlich so wiedergegeben wird, dass die größte Varianzkomponente auf der X-Achse festgehalten wird (PC1) und die zweitgrößte Varianzkomponente auf der Y-Achse (PC2). Im hier gezeigten Beispiel werden die drei Gemeinschaften von (iii) aus Bild D verglichen. Man beachte, dass die Ablesungen bei der Schrotschuss-Sequenzierung der gesamten DNS der Gemeinschaften (Mikrobiomanalyse) mit den im Genom sequenzierter kultivierter Mikroorganismen vorhandenen Genen und/oder mit Genen aus hierarchischen Klassifikationsschemata verschiedener Datenbanken wie KEGG verglichen werden. Anschließend können die Gemeinschaften anhand der Verteilung funktioneller Gruppen in ihren Mikrobiomen (analog der taxonbasierten Verfahren zum 16S-rRNS-basierten Vergleich) verglichen und die Ergebnisse mittels PCoA dargestellt werden.
Identifikation von Archaeen und Eukaryonten
Auf der Sequenzierung des SSU-rRNS-Gens basierende Untersuchungen haben sich überwiegend auf Bakterien konzentriert. Allerdings muss die Erhebung von allen, in den Habitaten des Körpers vorkommenden Mikroben auch Archaeen und Eukaryonten berücksichtigen. Durch Unterschiede in den Sequenzen der 16S-rRNS-Gene von Archaeen und Bakterien, die erstmals 1977 von Carl Woese entdeckt wurden, konnten diese beiden Domänen des Lebens voneinander abgegrenzt werden. Das Vorhandensein von Archaeen in den mikrobiellen Gemeinschaften des Menschen ist weniger gut belegt als das der Bakterien, was zum Teil auf Problemen bei der Optimierung von PCR-Primern beruht, die spezifisch konservierte Regionen der 16S-rRNS-Gene der Archaeen (und nicht von Bakterien) nachweisen. Die Identifizierung der Archaeen ist für das Verständnis der funktionellen Eigenschaften der Mikrobiota wichtig. So besteht für mikrobielle Gemeinschaften das größte Problem beim Abbau von Polysacchariden (den am zahlreichsten auf der Erde vorhandenen Polymeren) nämlich darin, das Redoxgleichgewicht bei maximaler Energieproduktion aufrechtzuerhalten. Viele mikrobielle Spezies besitzen aber verzweigte Fermentationswege, über die sie reduzierende Äquivalente entfernen können (z. B. durch die Produktion von energieeffizientem H2). Allerdings muss der Wasserstoff entfernt werden, da es sonst zur Reoxidierung der Pyridinnukleotide kommt. Daher sind Wasserstoff konsumierende (hydrogenotrophe) Spezies der Schlüssel für die maximale Energieextraktion der primären Fermenter.
Im menschlichen Darm umfassen die Hydrogenotrophen eine phylogenetisch heterogene Gruppe bakterieller Acetogenen, eine kleinere Gruppe sulfatreduzierender Bakterien, die Schwefelwasserstoff bilden können, sowie methanproduzierende Archaeen (Methanogene), die im Stuhl mancher Menschen bis zu 10 % der Anaerobier ausmachen können. Allerdings scheint die Diversität der Archaeen in der Darmmikrobiota gesunder Menschen eher gering zu sein.
Auch kulturunabhängige Untersuchungen der Diversität von Eukaryonten werden durch Probleme mit PCR-Primern, die das eukaryote SSU-Gen (18S-rRNA) sowie die intern transkribierten Spacer-Regionen der rRNS-Operons erkennen, eingeschränkt. Metagenomische Studien an gesunden Erwachsenen in Ländern mit bestimmten kulturellen Traditionen, ungleichen geografischen Gepflogenheiten und Orten haben ergeben, dass die Diversität der Eukaryonten geringer ist als diejenige der Bakterien. Im Darm, der weitaus mehr Mikroben enthält als jedes andere Habitat des Körpers, finden sich bei Menschen in westlichen Gesellschaften weitaus weniger Pilze als bei Menschen in nicht westlichen Gesellschaften. Die häufigsten Pilzsequenzen gehören zum Stamm der Ascomycetes und Microsporidia. Die Stämme Ascomycetes und Basidiomycetes scheinen einander auszuschließen; das Vorhandensein von Candida korreliert vor allem mit vorherigem Verzehr von Kohlenhydraten.
Klärung der Virusdynamik
Viren sind die am vielzähligsten auf der Erde vertretene biologische Entität. In den meisten Umgebungen sind zehnmal mehr Viren als Bakterien vorhanden. Auch der Mensch ist bei der viralen Kolonisierung keine Ausnahme; schon der Stuhl enthält 108–109 Viruspartikel pro Gramm. Dennoch sind viele eukaryotische Virengemeinschaften auch weiterhin unzureichend charakterisiert, was zum Teil darauf beruht, dass die Identifizierung von Viren in metagenomischen Sequenzierungsdaten sehr schwierig ist. Zur Darstellung der viralen Diversität sind andere Ansätze erforderlich: Da es kein Gen gibt, das allen Viren gemein ist, gibt es keinen universellen „Barcode des Lebens“ wie das SSU-rRNS-Gen. Ein Ansatz bestand darin, selektiv virusähnliche Partikel aus biologischen Gemeinschaftsproben aufzureinigen, die kleinen gewonnenen DNS-Mengen zu amplifizieren, die DNS randomisiert zu fragmentieren und diese Fragmente anschließend zu sequenzieren (Schrotschuss-Sequenzierung). Die so entstandenen Sequenzen können zu größeren Contigs zusammengefügt werden, deren Funktion aus der Homologie zu bekannten Genen mittels Computertechnik abgeleitet wird. Anhand dieser Informationen lassen sich nicht redundante Virendatenbanken erstellen und erweitern. Diese annotierten nicht redundanten Datenbanken können wiederum für die gezieltere Gewinnung der rasch expandierenden Anzahl von Schrotschuss-Sequenzen eingesetzt werden, die aus der DNS der gesamten Gemeinschaft für bekannte oder mutmaßliche DNS-Viren gewonnen wurden.
Angesichts der Dominanz der Bakterien in der Mikrobiota des Darms überrascht es nicht weiter, dass Phagen (Viren, die Bakterien infizieren können) in der identifizierbaren Komponente des intestinalen DNS-Viroms vorherrschen. Prophagen sind eine Manifestierung der so genannten temperenten Virus-Wirtsbakterien-Dynamik, bei welcher der Phage in das bakterielle Genom seines Wirts integriert wird. Diese temperente Dynamik liefert eine Möglichkeit, das Genom der Bakterienspezies ständig durch horizontalen Gentransfer umzugestalten. Die Gene, für die das Prophagengenom kodiert, können die Nischen und die Fitness ihrer bakteriellen Wirte vergrößern, indem sie z. B. den Stoffwechsel von bislang unzugänglichen Nährstoffquellen ermöglichen. Außerdem kann die Integration von Prophagen den Wirtsstamm vor einer Superinfektion schützen, ihn quasi gegen die Infektion mit eng verwandten Phagen „immunisieren“. Durch den temperenten Lebenszyklus des Prophagen kann das Virus im Verhältnis von 1:1 mit seinem bakteriellen Wirt expandieren. Sofern das integrierte Virus eine stärkere Fitness vermittelt, nimmt die Prävalenz des bakteriellen Wirts und seines Phagen innerhalb der Mikrobiota zu. Darauf kann die Induktion eines lytischen Zyklus folgen, bei dem der Prophage sich repliziert und den Wirt abtötet. Lytische Zyklen können entsprechend einen hohen bakteriellen Umsatz verursachen. Der lysebedingte Debris (z. B. Kapselkomponenten) dient den überlebenden Bakterien als Nahrungsquelle. Ein derartiger Wechsel in der Energiedynamik einer Gemeinschaft wird als Phagen-Shunt bezeichnet. Eine Subpopulation der Bakterien, die eine lytische Induktion durchlaufen, kann andere sensitive Spezies der Gemeinschaft verdrängen und dadurch die für die Überlebenden verfügbare Nische vergrößern (d. h. die Bakterien mit bereits integriertem Phagen). Die periodische Induktion von Prophagen führt zu einer konstanten Dynamik der Diversität, durch welche die Struktur und die Funktion der Gemeinschaft aufrechterhalten werden.
Das Interesse an viralen Gemeinschaften und insbesondere an den möglichen therapeutischen Funktionen von Phagen als Alternative oder Zusatz zu Antibiotika hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Mitglieder des Viroms haben elegante Überlebensmechanismen entwickelt, mittels derer sie die Wirtsabwehr umgehen, diversifizieren und eine ausgefeilte und für beide Seiten nützliche Symbiose mit ihren Wirten eingehen. In mehreren aktuellen Studien wurde versucht, diese Mechanismen therapeutisch einzusetzen (z. B. zur Behandlung von Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa bei Brandopfern oder anderen klinischen Bedingungen mittels synthetischer Phagen). Die Phagentherapie ist kein neues Konzept: Felix d’Herelle, Mitentdecker der Phagen, erkannte ihr medizinisch-therapeutisches Potenzial bereits vor fast 100 Jahren. Allerdings wurde die Phagentherapie erst vor kurzem durch technologische Fortschritte und die Kenntnis der humanen Mikrobiota zu einem realistischen Ziel, das noch zu unseren Lebzeiten erreichbar ist.
Ökologische Grundlagen und Parameter zum Vergleich mikrobieller Gemeinschaften
Menschen ähneln sich in vielerlei Hinsicht: Ihre Homo-sapiens-Genome sind zu mehr als 99 % identisch und sie bestehen aus einer ähnlichen Zusammenstellung humaner Zellen. Die mikrobiellen Gemeinschaften hingegen unterscheiden sich erheblich sowohl von Mensch zu Mensch als auch innerhalb von Habitaten ein und desselben menschlichen Körpers. Die größten Unterschiede (Beta-Diversität, siehe unten) finden sich zwischen verschiedenen Körperregionen. So ist z. B. der Unterschied zwischen den mikrobiellen Gemeinschaften von Mund und Darm eines Individuums ähnlich groß wie der zwischen den Gemeinschaften in Erde und Meerwasser. Selbst in derselben Körperregion bestehen interindividuell nicht nur geringfügige Unterschiede: Die Gemeinschaften von Darm, Haut und Mundhöhle können, bezogen auf die Bakterienspezies, um 80–90 % voneinander abweichen. Der Dichter John Donne sagte einmal, dass niemand eine Insel sei; aus mikrobieller Sicht hingegen besteht jeder Mensch nicht nur aus einer isolierten Insel, sondern aus einem ganzen Archipel verschiedener Habitate, die untereinander und mit der Umgebung in unbekanntem Umfang Mikroorganismen austauschen. Bevor wir weiter auf diese Unterschiede eingehen und ihre Bedeutung bei Krankheiten des Menschen verstehen können, müssen einige Grundlagenbegriffe und ökologische Grundsätze bekannt sein.
Alpha-Diversität
Alpha-Diversität ist definiert als die tatsächliche Anzahl von Spezies in einer bestimmten Probe. Gemeinschaften, die vielfältiger zusammengesetzt sind (also mehr OTUs aufweisen) oder die phylogenetisch vielfältiger sind, besitzen eine höhere Alpha-Diversität. Dafür wird die Anzahl der verschiedenen SSU-rRNS-Sequenzen, die auf einem phylogenetischen Niveau in einer Probe gefunden werden (Spezies, Genus usw.) als Funktion der Anzahl der SSU-rRNS-Gen-Ablesungen angegeben. Die häufigsten Messwerte der Alpha-Diversität sind Sobs (die Anzahl der ermittelten Spezies in einer bestimmten Anzahl von Sequenzen), Chao1 (basierend auf der nur einmalig ermittelten Spezies), der Shannon-Index (Anzahl der Informations-Bits, die durch die Identität zufällig gewählter Mitglieder der Gemeinschaft ermittelt wurde) und die phylogenetische Diversität (als Maß für die gesamte Astlänge des phylogenetischen Baums einer Probe). Abschätzungen der Diversität sind besonders anfällig gegenüber Fehlern, die während PCR und Sequenzierung entstehen.
Beta-Diversität
Beta-Diversität bezeichnet die Unterschiede zwischen Gemeinschaften und wird mit phylogenetischen oder nicht phylogenetischen Abstandswerten definiert. UniFrac ist eine häufig eingesetzte phylogenetische Metrik zum Vergleich der evolutionären Geschichte verschiedener mikrobieller Gemeinschaften, die festhält, wie lange sich zwei Gemeinschaften einen Ast auf dem Baum des mikrobiellen Lebens teilen: Je ähnlicher sich die Gemeinschaften sind, umso länger ist der Astabschnitt, den sie sich teilen (Abb. 86e-1). UniFrac-Messungen des Abstands zwischen Gemeinschaften können visuell durch eine Hauptkoordinatenanalyse oder andere genomische Techniken dargestellt werden, die einen hochdimensionalen Datensatz zur besseren Analyse auf eine kleine Anzahl von Dimensionen übertragen (Abb. 86e-1). Die Hauptkoordinatenanalyse kann auch auf nicht phylogenetische Methoden zum Vergleich von Gemeinschaften angewandt werden, wie der euklidische Abstand, die Jensen-Shannon Divergenz und der Bray-Curtis-Koeffizient, die zwar unabhängig vom Evolutionsbaum sind, aber die Identifikation biologischer Muster erschweren. Die taxonomischen Daten oder Abstandsmatrizes können ebenfalls in die Algorithmen mehrerer Lernmaschinen einfließen (z. B. Random Forests), die Unterschiede zwischen den markierten Gruppen von Proben mithilfe einer überwachten Klassifikation aufdecken. Die überwachte Klassifizierung hilft beim Erkennen von Unterschieden zwischen Fällen und Kontrollen, kann aber auch wichtige intrinsische Datenmuster verdecken, darunter Störgrößen, wie etwa unterschiedliche Sequenzierungsläufe oder Patientenpopulationen.
Wie oben erwähnt, besteht die größte Beta-Diversität zwischen verschiedenen Körperregionen. Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit, das Körperhabitat bei jeder Analyse der Mikrobiota zu spezifizieren, auch bei mikrobiellen Anwendungsstudien, die bei Patienten und ihren Ärzten den Fluss normaler und pathogener Mikroben in und aus bestimmten Körperregionen erfassen. Aus den Studien zur Beta-Diversität humanassoziierter mikrobieller Gemeinschaften haben sich mehrere weitere Schlüsselaspekte ergeben, vor allem (1) dass für jedes bislang untersuchte Körperhabitat eine hohe interpersonelle Variabilität besteht, (2) dass die intrapersonelle Variation in einem bestimmten Körperhabitat weniger stark ausgeprägt ist und (3) dass die mikrobiellen Gemeinschaften von Menschen, die in einem Haushalt leben, ähnlicher sind als bei Menschen, die in getrennten Haushalten leben. Somit ist die Person selbst ihre beste Kontrolle und die Untersuchung eines Menschen über einen Zeitraum als Funktion von Krankheitsstadien oder Behandlungsinterventionen ist wünschenswert. Auch Familienmitglieder sind logische Referenzkontrollen, wobei das Alter als wichtige Kovariante die Struktur der Mikrobiota beeinflusst.
Studien zur zeitlichen Veränderung der bakteriellen Diversität in Stuhlproben von Zwillingspaaren haben gezeigt, dass sich die bakteriellen Gemeinschaften im Darm erwachsener monozygoter Zwillingspaare nicht signifikant stärker unterscheiden als bei dizygoten Zwillingspaaren, wobei sie bei monozygoten Zwillingen in manchen Populationen früh im Leben etwas ähnlicher sein können. Diese Ergebnisse sowie die Ergebnisse von Interventionsstudien an Mäusen und von epidemiologischen Beobachtungen beim Menschen betonen die entscheidende Bedeutung einer frühen Umgebungsexposition für die mikrobielle Darmökologie des Erwachsenen. Beim Menschen hängt die Erstexposition von der Art der Entbindung ab. Proben, die 20 Minuten nach der Geburt von Neugeborenen genommen wurden, zeigen im Mund, auf der Haut und im Darm relativ undifferenzierte mikrobielle Gemeinschaften. Bei vaginaler Entbindung ähneln die mikrobiellen Gemeinschaften des Neugeborenen denen der mütterlichen Vagina, bei einer Kaiserschnittentbindung hingegen denen der mütterlichen Haut. Obwohl es in der Literatur kaum nach der Entbindungsmethode stratifizierte Studien an älteren Kindern und Erwachsenen gibt, persistieren diese mikrobiellen Unterschiede mindestens bis zum Alter von 4 Monaten und vermutlich bis zum Alter von 7 Jahren. Die Darmmikrobiota des Säuglings ändert sich im Laufe der ersten 3 Lebensjahre und ähnelt dann der eines Erwachsenen; für andere Körperhabitate wurden allerdings bislang keine vergleichbaren Studien durchgeführt.
Die Struktur der Gemeinschaft wird oft auch weiterhin von der Exposition gegenüber mikrobiellen Reservoiren in der Umgebung beeinflusst. So ähnelt sich die Mikrobiota aller Körperbereiche bei nicht verwandten, zusammenlebenden Erwachsenen stärker als bei nicht zusammenlebenden Erwachsenen; des Weiteren ähneln Menschen den Hunden, mit denen sie zusammenleben, zumindest hinsichtlich der Hautmikrobiota. Auch Geschlecht und Geschlechtsreife beeinflussen die Struktur der Mikrobiota, wobei die Abgrenzung dieser Variablen voneinander, durch zahlreiche Störfaktoren bedingt, schwierig ist; jegliche geschlechtsbedingten Effekte sind allerdings, verglichen mit anderen Variablen, wie etwa der Ernährung, als eher klein einzustufen. Eine Ausnahme bildet der weibliche Harntrakt, der von der vaginalen Mikrobiota beeinflusst wird.
Die vaginale Mikrobiota veranschaulicht des Weiteren den Beitrag verschiedener Faktoren zu interpersonellen Unterschieden der Struktur mikrobieller Gemeinschaften in einem bestimmten Körperhabitat. Bakterielle 16S-rRNS-Studien der mittleren vaginalen Mikrobiota bei sexuell aktiven asymptomatischen Frauen haben signifikante Unterschiede der Gemeinschaftszusammensetzung bei vier ethnischen Gruppen belegt (weiße und schwarze sowie Frauen hispanischer und asiatischer Herkunft). Im Gegensatz zu anderen untersuchten Körperhabitaten wird dieses Ökosystem von einem einzigen Genus dominiert, dem Lactobacillus. Gemeinsam machen vier Spezies dieses Genus mehr als die Hälfte der Bakterien der meisten dieser Gemeinschaften aus. Es wurden fünf Gemeinschaftsgruppen definiert, I–V. Vier Gruppen werden von L. iners, L. crispatus, L. gasseri oder L. jensii dominiert, während zur fünften Gruppe proportional weniger Mitglieder dieses Genus und dafür mehr Anaerobier gehören. Diese Gemeinschaftskategorien waren in jeder der vier ethnischen Gruppen sehr charakteristisch vertreten und korrelierten mit dem vaginalen pH und dem Nugent-Score (einem Biomarker der bakteriellen Vaginose). Derzeit werden Longitudinalstudien durchgeführt, um Faktoren aufzudecken, welche die Zusammenstellung dieser speziellen mikrobiellen Gemeinschaften innerhalb und zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen festlegen. Außerdem wird die Resistenz und Resilienz der Gemeinschaften bei verschiedenen physiologischen Bedingungen und pathologischen Störungen untersucht. So sind Menstruationszyklus und Schwangerschaft überraschenderweise weitaus bedeutsamere Faktoren (wegen der damit verbundenen stärker ausgeprägten Veränderungen) als etwa sexuelle Aktivität.
Ein weiterer Faktor mit Einfluss auf die Beta-Diversität ist die räumliche Lage innerhalb eines Habitats. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die Haut Gemeinschaften mit vorhersehbaren, wenn auch komplexen biogeografischen Merkmalen beherbergt. Um festzustellen, ob diese Unterschiede verschiedene lokale Umgebungsfaktoren, die vorherige Exposition bestimmter Körperbereiche gegenüber Mikroorganismen oder beides widerspiegeln, wurde eine reziproke Transplantation der Mikrobiota durchgeführt. Dabei wurden mikrobielle Gemeinschaften aus einem Hautbereich durch Behandlung mit keimtötenden Substanzen reduziert und anschließend eine „fremde“ Mikrobiota inokuliert, die aus anderen Hautbereichen oder Körperhabitaten derselben oder einer anderen Person gewonnen wurde. Anschließend wurde das Zusammenfügen der Gemeinschaften an der Transplantationsstelle im Laufe der Zeit beobachtet. Bemerkenswerterweise verläuft dieses lokalisationsabhängig unterschiedlich: Die Gemeinschaft von Unterarmbereichen, die Mikrobiota von der Zunge erhielten, ähnelte den Zungengemeinschaften stärker als den nativen Unterarmgemeinschaften hinsichtlich Zusammensetzung und Diversität. Stirnbereiche hingegen, die mit Zungenbakterien inokuliert wurden, entwickelten Gemeinschaften, die den nativen Stirngemeinschaften stärker ähnelten. Somit scheinen Umgebungsfaktoren, die auf den Stirnbereich wirken, zusätzlich zur Exposition mit Zungenbakterien die Zusammenstellung der Gemeinschaft zu prägen. Interessant ist, dass die Zusammensetzung fungaler Gemeinschaften auf der Haut anscheinend durch völlig andere Faktoren bestimmt wird als die Zusammensetzung bakterieller Gemeinschaften. Die Handflächen und Unterarme besitzen eine hohe bakterielle, aber geringe fungale Diversität, während es an den Füßen genau umgekehrt ist. Außerdem werden fungale Gemeinschaften in der Regel von der Lage bestimmt (Fuß, Rumpf, Kopf), während bakterielle Gemeinschaften eher von der vorhandenen Feuchte abhängen (trocken, feucht oder talgig).
Kookkurenzanalyse
Mit der Kookkurenzanalyse wird überprüft, welche Phylotypen in bestimmten Habitaten verschiedener Menschen und/oder in verschiedenen Habitaten gemeinsam vorkommen. Gleichzeitig wird nach den Faktoren gesucht, die dieses Muster der gemeinsamen Verteilung erklären. Positive Korrelationen spiegeln gemeinsame Präferenzen für bestimmte Umgebungsbedingungen wider, während negative Korrelationen in der Regel abweichende Präferenzen oder Kompetition bedeuten. Syntrophe (Kreuzfütterung) Beziehungen sind voneinander abhängige Interaktionen, die auf Strategien zur Nährstoffteilung beruhen. So werden in Nahrungsnetzen die Stoffwechselprodukte des einen Organismus von dem anderen Organismus verstoffwechselt (z. B. die Interaktionen zwischen fermentativen Organismen und Methanogenen).
Enterotypenanalyse
Die Enterotypenanalyse klassifiziert Menschen anhand der Zusammensetzung ihrer Mikrobiota, indem auf einer Karte Grenzen, die mit der Hauptkoordinatenanalyse oder anderen Ordinationsverfahren ermittelt wurden, eingezeichnet werden. Die erste Enterotypenanalyse setzte das so genannte „supervised Clustering“ zur Festlegung von drei Hauptkonfigurationen der menschlichen Darmmikrobiota in drei Studien am Menschen ein und vermittelte die Ansicht, dass es drei „Cluster“ gibt. Nachfolgende Arbeiten haben gezeigt, dass die Variabilität der Darmmikrobiota von Kindern und nicht westlichen Populationen bei Weitem über die Variabilität der Populationen, die für die Festlegung der initialen Enterotypen herangezogen wurden, hinausgeht. Außerdem folgt die Variabilität selbst in westlichen Populationen eher einem Kontinuum, das von dem Gradienten der in großem Maße vorkommenden Genera Bacteroides und Prevotella abhängt. Ein weiterer Aspekt der Enterotypenanalyse ist, ob die Lokalisation auf einer Karte, die mithilfe der Variation von gesunden Menschen erstellt wurde, für die Prädisposition für Krankheiten relevant ist oder ob nicht stattdessen seltene Spezies mit bestimmten Funktionen wichtigere diskriminierende Faktoren sind.
Funktionelle Redundanz
Zur funktionellen Redundanz kommt es, wenn Funktionen von vielen bakteriellen Taxa erbracht werden. Daher gehen interpersonelle Unterschiede der Diversität der bakteriellen Mikrobiota (d. h. welche Bakterien vorhanden sind) nicht unbedingt mit einer vergleichbar großen funktionellen Diversität (d. h., was die Bakterien leisten können) einher. Die Charakterisierung des Mikrobioms mittels Schrotschuss-Sequenzierung ist wichtig, da dieses Verfahren im Gegensatz zur SSU-rRNS-Analyse das direkte Ablesen der Gene ermöglicht, die für bestimmte Funktionen einer Gemeinschaft zur Verfügung stehen. Eine zentrale Frage lautet, in welchem Umfang die Zusammenstellung der Spezies eines bestimmten Körperhabitats mit der Variation des Gemeinschaftsgenoms korreliert. Gemäß der neutralen Theorie der Gemeinschaftsentwicklung, die von Makroökologen aufgestellt wurde, werden Spezies ohne Berücksichtigung ihrer Funktion zur Gemeinschaft hinzugefügt und tragen so automatisch zur funktionellen Redundanz der Gemeinschaft bei. Übertragen auf die mikrobielle Welt würde eine neutrale Gemeinschaftsentwicklung die hochgradige Variation der mikrobiellen Linien bedeuten, die bei verschiedenen Menschen ein bestimmtes Körperhabitat besetzen, wobei die im Mikrobiom dieser Gemeinschaft kodierten Funktionen recht ähnlich sein könnten.
Die Schrotschuss-Sequenzierung des fäkalen Mikrobioms hat gezeigt, dass verschiedene mikrobielle Gemeinschaften im gleichen Funktionszustand konvergieren. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine Gruppe mikrobieller Gene im Darm nicht verwandter und verwandter Individuen. Dieses Prinzip gilt auch für andere Körperstellen (Abb. 86e-2). Das Kern-Mikrobiom des Darms enthält zahlreiche Funktionen, die mit dem Überleben der Mikroorganismen zusammenhängen (z. B. Translation, Nukleotid-, Kohlenhydrat- und Aminosäurestoffwechsel) und von denen der Wirt profitiert (Nährstoff- und Energiebereitstellung aus der Nahrung für Mikroorganismen und Wirt gleichermaßen). Zu den letztgenannten Funktionen gehören Nahrungsnetze, in denen die metabolischen Produkte eines Mikroorganismus Substrate von anderen sind. Diese Netze können unglaublich komplex sein und sich verändern, da Mikroorganismen ihre Genexpressionsmuster und ihren Metabolismus einem veränderten Nährstoffangebot anpassen. Somit kann die Summe der Aktivitäten aller Mitglieder einer mikrobiellen Gemeinschaft als im Wandel und nicht fixiert angesehen werden.
Bemerkenswerterweise haben paarweise Vergleiche gezeigt, dass Familienmitglieder funktionell ähnlichere Darmmikrobiome aufweisen als nicht verwandte Individuen. Somit könnte die intrafamiliäre Übertragung des Darmmikrobioms innerhalb einer bestimmten Generation und generationsübergreifend die biologischen Merkmale miteinander verwandter Menschen gestalten und Risiken für bestimmte Erkrankungen vermitteln bzw. modulieren.
Abbildung 86e-2Die interpersonelle Variation der in den Gemeinschaften von Körperhabitaten vorhandenen Organismen ist ausgeprägter als die interpersonelle Variation der Genfunktionen. Vergleich der bakteriellen Taxonomie und der metabolischen Funktion in 107 Proben der oralen Mikrobiota und des oralen Mikrobioms (oben) und 139 Proben der fäkalen Mikrobiota und des fäkalen Mikrobioms (unten). Die Proben wurden nach dem Zufallsprinzip bei 242 gesunden Freiwilligen (gleicher Anteil von Männern und Frauen), die in den USA leben, entnommen. Für die taxonomische und funktionelle Klassifikation wurden dieselben DNS-Extrakte derselben Proben verwendet. Jeder Probe wurde mittels bakterieller 16S-rRNS-Amplikon-Sequenzierung (Mittelwert, 5400 Sequenzen je Probe) und Schrotschuss-Sequenzierung der Gemeinschafts-DNS (Mittelwert, 2,9 Milliarden Basen je Probe) analysiert. Die taxonomischen Gruppen unterschieden sich dramatisch zwischen den jeweiligen Proben mit unterschiedlichen typischen Bakterienstämmen in der oralen versus fäkalen Mikrobiota. So waren Mitglieder der Aktinobakterien und der Fusobakterien im Mund weitaus häufiger als im Darm vertreten und umgekehrt Mitglieder der Bacteroidetes in Fäkalproben wesentlich häufiger vorkommend. Die Stoffwechselwege waren hingegen in den verschiedenen Proben weitaus konsistenter, selbst wenn daran unterschiedliche bakterielle Spezies beteiligt waren. Diese Ergebnisse belegen eine hohe funktionelle Redundanz in mikrobiellen Ökosystemen ähnlich wie in Makroökosystemen, in denen fundamental unterschiedliche Abstammungslinien dieselben ökologischen Rollen innehaben können (z. B. Bestäuber oder Raubtier). (Nach: Human Microbiome Project Consortium: Nature 486:207, 2012; und CA Lozupone et al: Nature 489:220, 2012.)
Stabilität
Ebenso wie andere Ökosysteme verändern sich auch die mikrobiellen Gemeinschaften der menschlichen Körperhabitate mit der Zeit. Daher ist das Verständnis dieser Variationen entscheidend für das funktionelle Verständnis der humanen Mikrobiota. Bislang wurden nur wenige hochauflösende Zeitreihen (Longitudinalstudien) von einzelnen gesunden Erwachsenen veröffentlicht. Eine der vorhandenen Zeitreihen zeigt, dass Menschen sich selbst von Tag zu Tag über einen Zeitraum von 6–15 Monaten mikrobiologisch ähneln und ihre gesonderten Identitäten auch beim Zusammenleben bewahren. Durch die Entwicklung von Verfahren zur Amplikon-Sequenzierung mit niedriger Fehlerquote lässt sich die Stabilität auf dem Niveau der Bakterienstämme weitaus zuverlässiger darstellen als früher. Mithilfe dieser Verfahren wurde bei wiederholten Probenahmen aus dem Darm gesunder Menschen festgestellt, dass ein gesunder Erwachsener ständig etwa 100 Bakterienspezies und mehrere hundert Stämme beherbergt. Die Stabilität der bakteriellen Komponenten folgt einem Potenzgesetz: Bakterienstämme, die früh im Leben erworben wurden, können jahrzehntelang im Darm persistieren, obwohl sich ihr prozentualer Anteil als Funktion verschiedener Faktoren, wie der Ernährung, ändert. Durch die Genomsequenzierung der kultivierbaren Komponenten der Mikrobiota von Studienteilnehmern wurde bestätigt, dass Bakterienstämme über lange Zeitphasen vorhanden sind und von Familienmitgliedern, die in einem Haushalt leben, geteilt werden.
Resilienz
Die Fähigkeit der Mikrobiota oder des Mikrobioms, sich von einer kurz einwirkenden Störung (z. B. Antibiotikaeinnahme, Infektion) zu erholen, wird als Resilienz bezeichnet. Sie ist vergleichbar mit einem Ball, der quasi über eine Landschaft mit geringfügigen Erhebungen rollt. Im Grunde geht die Gemeinschaft in einen neuen Status über und muss einen weiteren, instabilen Status durchlaufen, um sich wieder zu erholen. Manchmal wird bei der Erholung der ursprüngliche stabile Zustand wiederhergestellt, manchmal entsteht ein neuer stabiler Zustand, der gesund oder nicht gesund sein kann. So können Änderungen der Ernährung oder des physiologischen Status des Wirts die Landschaft verändern, sodass der Übergang vom initialen Zustand in verschiedene andere Zustände erleichtert wird, die potenziell unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Die mikrobiellen Gemeinschaften in unseren Körperhabitaten unterscheiden sich mitunter sehr hinsichtlich ihrer Resilienz. Händewaschen z. B. führt zu profunden Änderungen der mikrobiellen Gemeinschaft und erhöht die Diversität (vermutlich durch das überwiegende Entfernen von Phylotypen, die besonders zahlreich und dominant sind, wie etwa Propionibakterien). Innerhalb von 6 Stunden kehrt die Mikrobiota der Hand wieder nahezu zur ursprünglichen Gemeinschaft zurück. Die Auswirkungen von wiederholtem Händewaschen müssen erst noch ermittelt werden. So umfasst die Mikrobiota der Hautoberfläche (gemessen in Kratzbiopsien) etwa 50.000 Mikrobenzellen/cm2 und die Mikrobiota unter der Hautoberfläche (gemessen in Stanzbiopsien) etwa 1.000.000 Mikrobenzellen/cm2.
In einer Studie mit drei gesunden erwachsenen Freiwilligen, die für kurze Zeit mit Ciprofloxacin behandelt wurden (2 × 500 mg/d p.o. für 5 Tage, dieses Regime wird oft bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen eingesetzt), ähnelte die Zusammensetzung der Darmgemeinschaft 6 Monate nach Therapieende wieder dem Ausgangszustand, wobei sich manche Taxa nicht erholten. Allerdings wirkte sich die Störung durch das Antibiotikum individuell sehr unterschiedlich aus. Die erneute Gabe von Ciprofloxacin mehrere Monate später veränderte den Status der Gemeinschaft im Vergleich zum Ausgangsstatus bei allen drei Freiwilligen; auch hier war die Veränderung individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Entscheidend ist, wie diese und andere Studien zeigen, dass ein bakterielles Taxon bei verschiedenen Menschen unterschiedlich auf das gleiche Antibiotikum reagieren kann. Diese Beobachtung legt nahe, dass der Rest der mikrobiellen Gemeinschaft eine bedeutende Rolle dabei spielt, die Effekte von Antibiotika individuell zu beeinflussen.
In jedem Körperhabitat kann sich der Zustand einer mikrobiellen Gemeinschaft nach einer Störung verschlechtern. Dieser degradierte Zustand kann selbst resilient sein, sodass es mitunter schwierig sein kann, einen funktionelleren Zustand wiederherzustellen. Eine Infektion mit Clostridium difficile z. B. kann jahrelang persistieren. Die Entwicklung und Resilienz eines verschlechterten Status kann sowohl durch positive Feedback-Schleifen (wie etwa Kaskaden von reaktiven Sauerstoffspezies, die Wirtsmakrophagen einbeziehen), die das Wachstum proinflammatorischer Proteobakterien fördern, als auch durch negative Feedback-Schleifen (wie den Verlust von Butyrat, das für eine gesunde Epithelbarriere und die Etablierung nützlicher Mitglieder der Mikrobiota erforderlich ist), gesteuert und unterhalten werden. Daher erfordern mikrobiotabasierte Therapieansätze (1) die Elimination von Feedback-Schleifen, welche die Etablierung einer neuen Gemeinschaft verhindern, oder (2) die Identifikation einer Richtungsänderung und eines Reizes ausreichender Stärke (z. B. die Invasion und Etablierung von Mikroben aus einem Stuhltransplantat oder von einer definierten Gemeinschaft aus kultivierten, sequenzierten Mitgliedern der Mikrobiota des menschlichen Darms; siehe unten), um die Resilienzmechanismen des degradierten Zustandes zu überwinden. Eine wichtige und bislang unbeantwortete Frage, die vor allem Kinder, deren Mikrobiota sich rasch verändert, betrifft, lautet, ob Interventionen in Phasen mit raschen Veränderungen oder in Phasen mit relativer Stabilität effektiver sind.
Kausalzusammenhänge zwischen der Mikrobiota des Darms und normalen physiologischen, metabolischen und immunologischen Phänotypen sowie Krankheiten
Gnotobiotische Tiere werden in keimfreier Umgebung aufgezogen (ohne Exposition mit Mikroben) und dann in einem bestimmten Lebensstadium mit bestimmten mikrobiellen Gemeinschaften kolonisiert. Gnotobiotische Mäuse sind ein ausgezeichnetes System zur Kontrolle des Wirtsgenotyps, der Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft, der Ernährung und der Haltung. Anhand der mikrobiellen Gemeinschaften der Spendermäuse mit definierten Genotypen und Phänotypen wird ermittelt, wie sich die mikrobiellen Gemeinschaften der Spender auf die Eigenschaften der zuvor keimfreien Empfängermäuse auswirkt. Auch die Empfänger können die transplantierte Mikrobiota und ihr Mikrobiom beeinflussen. Somit haben die Untersucher dank gnotobiotischer Mäuse die Möglichkeit, vergleichende Studien von Spender-Gemeinschaften und funktionelle Assays der Gemeinschaftseigenschaften zu verknüpfen und zu bestimmen, wie (und wie lange) diese Funktionen die Wirtsbiologie beeinflussen.
Kardiovaskuläres System
Die Darmmikrobiota beeinflusst die komplizierte, unterhalb des Dünndarmepithels verlaufende Mikrovaskulatur: Die Dichte des Kapillarnetzes ist bei erwachsenen keimfreien Tieren deutlich reduziert, lässt sich aber durch die Transplantation von Darmmikrobiota nach 2 Wochen wiederherstellen. Mechanistische Studien haben gezeigt, dass die Mikrobiota durch Effekte auf den neu entdeckten Signalweg des extravaskulären Gewebefaktors Protease-activated Receptor (PAR1) den Gefäßumbau im Darm fördert. Bei keimfreien Mäusen sind das echokardiografisch gemessene Herzgewicht sowie das auf Tibialänge oder fettfreie Körpermasse bezogene und normalisierte Nassgewicht des Herzens signifikant vermindert. Dieser Unterschied verschwindet 2 Wochen nach der Kolonisierung mit einer Darmmikrobiota. Beim Fasten kommt es durch die Darmmikrobiota zu einem Anstieg der hepatischen Ketogenese (reguliert durch den Peroxisome-proliferator-activated Receptor α), und der Myokardstoffwechsel wird auf die Verwendung von Ketonkörpern umgestellt. Die Analyse isolierter, perfundierter Herzen von keimfreien und kolonisierten Tieren hat gemeinsam mit In-vivo-Bestimmungen gezeigt, dass die Myokardleistung bei keimfreien Mäusen durch einen Anstieg des Glukosestoffwechsels aufrechterhalten wird. Das Herzgewicht ist jedoch sowohl bei fastenden als auch bei gefütterten Mäusen reduziert. Dieser Herzmassen-Phänotyp ist bei keimfreien Mäuse, die eine ketonreiche Kost erhalten haben, komplett umgekehrt. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie der Wirt bei Nährstoffmangel von seiner Darmmikrobiota profitiert und liefern eine Verbindung zwischen den Darmmikroben und kardiovaskulärem Stoffwechsel sowie Gesundheit.
Konventionell aufgezogene apoE-defiziente Mäuse entwickeln bei ballaststoffreicher Kost eine weniger schwere Form der Atherosklerose als entsprechende keimfreie Mäuse. Dieser schützende Effekt der Mikrobiota wird umgangen, wenn die Tiere eine ballaststoffarme Ernährung mit einem hohen Anteil an Einfachzuckern und Fett erhalten. Viele der günstigen Effekte einer Ernährung mit einem hohen Anteil von Vollkorn, Obst und Gemüse werden vermutlich durch Endprodukte des mikrobiellen Stoffwechsels der Nahrungsbestandteile vermittelt, darunter kurzkettige Fettsäuren und Metabolite der Flavonoide. Umgekehrt können die Mikroben eigentlich harmlose Ernährungsbestandteile in Metaboliten umwandeln, welche das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten erhöhen. Studien an Mäusen und Freiwilligen haben ergeben, dass die Verstoffwechslung von L-Carnitin, das in großen Mengen in rotem Fleisch vorkommt, durch die Darmmikrobiota zu Trimethylamin-N-Oxid führt, das bei Mäusen die Atherosklerose durch Suppression des reversen Cholesterintransports beschleunigt.
Eine weitere Facette der mikrobiellen Beeinflussung der kardiovaskulären Physiologie zeigte sich in einer Studie an Olfr78-defizienten Mäusen (Olfr78 ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der im juxtaglomerulären Apparat exprimiert wird, wo er in Anwesenheit kurzkettiger Fettsäuren die Reninsekretion erhöht) und Gpr41-defizienten Mäusen (Gpr41 ist ein weiterer Rezeptor für kurzkettige Fettsäuren, der gemeinsam mit Olfr78 von den glatten Muskelzellen kleiner Widerstandsgefäße exprimiert wird). Diese Studie legte dar, dass die Mikrobiota den Blutdruck über kurzkettige Fettsäuren, die bei der bakteriellen Fermentation entstehen, beeinflussen kann.
Knochen
Erwachsene keimfreie Mäuse haben eine höhere Knochenmasse als vergleichbare konventionell aufgezogene. Diese erhöhte Knochenmasse ist mit einer Reduktion des Anteils der Osteoklasten pro Oberflächenbereich des Knochens, einer reduzierten Anzahl von CD11b+/GR1-Osteoklastenvorläufern im Knochenmark, einer reduzierten Anzahl von CD4+-T-Zellen und einer reduzierten Expression des osteolytischen Zytokins Tumor-Nekrose-Faktor α vergesellschaftet. Die Kolonisierung mit einer normalen Darmmikrobiota behebt die beobachteten Unterschiede zwischen keimfrei und konventionell aufgezogenen Mäusen.
Gehirn
Bei erwachsenen keimfreien und konventionell aufgezogenen Mäusen unterscheiden sich die Spiegel von 38 der 196 identifizierten zerebralen Metaboliten signifikant. Davon haben 10 bekannte Funktionen im Gehirn, wie etwa N-Acetylaspartansäure (ein Marker für neuronale Gesundheit und Dämpfung), Pipecolinsäure (ein präsynaptischer Modulator der γ-Aminobuttersäure-Spiegel) und Serin (ein obligater Koagonist der Gycinbindungsstelle des N-Methyl-d-Aspartat-Rezeptors). Propionat, eine kurzkettige Fettsäure, und ein durch die mikrobielle Gemeinschaft im Darm entstehendes Produkt des Stoffwechsels von Ballaststoffen, beeinflussen die Expression von Genen der intestinalen Glukoneogenese über einen neuralen Darm-Gehirn-Kreislauf, an dem der freie Fettsäurerezeptor 3 beteiligt ist. Dieser Effekt liefert eine mechanistische Erklärung für den belegten Nutzen der Ballaststoffe bei der Verstärkung der Insulinsensitivität sowie der Reduktion von Körpermasse und Adipositas.
Studien an einem Mausmodell (maternale Immunaktivierung) mit stereotypem/repetitivem und ängstlichem Verhalten zeigen, dass die Behandlung mit einem einzigen Vertreter der humanen Darmmikrobiota, Bacteroides fragilis, Defekte der Darmbarriere (Permeabilität) korrigiert, erhöhte Spiegel von 4-Ethylphenylsulfat reduziert (dieser Metabolit findet sich im Modell der maternalen Immunaktivierung und wird kausal mit dem Verhaltensphänotyp der Tiere in Verbindung gebracht) und einige der Verhaltenseffekte abmildert. Diese Beobachtungen heben die Bedeutung einer weiteren Klärung möglicher gemeinsam entwickelter Beziehungen zwischen Mikrobiota und Wirtsverhalten hervor.
Immunfunktion
Viele Grundlagenstudien haben gezeigt, dass die Darmmikrobiota eine Schlüsselrolle bei der Reifung des angeborenen und des erworbenen Immunsystems spielt. Das Darmepithel, das hauptsächlich aus vier Zelllinien besteht (Enterozyten, Becherzellen, Paneth-Körnerzellen und enteroendokrinen Zellen) stellt eine physikalische und funktionelle Barriere gegenüber penetrierenden Mikroben dar. Becherzellen produzieren Schleim, der auf dem Epithel liegt und aus zwei Schichten besteht: Die äußere (zum Lumen gewandte) lockere Schicht enthält Mikroben, während die dichtere untere Schicht normalerweise keine Mikroben enthält. In der Basis der Lieberkühn-Zysten befinden sich Mitglieder der Paneth-Körnerzelllinie und sezernieren antimikrobielle Peptide. Studien an Mäusen haben gezeigt, dass Paneth-Zellen die Anwesenheit der Mikrobiota direkt durch die Expression des Signaladaptorproteins MyD88 wahrnehmen, das nach dem Erkennen mikrobieller Produkte durch Toll-like-Rezeptoren (TLRs) an der Transduktion von Signalen an Wirtszellen beteiligt ist. Dadurch wird die Expression antibakterieller Produkte (z. B. des Lektins RegIIIγ) ausgelöst, welche die mikrobielle Translokation durch die Darmmukosabarriere verhindern.
Der Darm ist reich an B-Zellen, die IgA produzieren und in das Lumen abgeben. Dort hindert es Mikroben an der Durchquerung der Mukosabarriere und begrenzt die Disseminierung von Nahrungsmittelantigenen. Die Mikrobiota spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer IgA-Antwort: Bei keimfreien Mäusen sind IgA-produzierende B-Zellen deutlich reduziert. Eine fehlende normale IgA-Antwort kann zu einer massiven Erhöhung der bakteriellen Last führen. Das IgA aus den B-Zellen, das gegen bestimmte Mitglieder der Darmmikrobiota gerichtet ist, spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention einer Aktivierung Mikrobiota-spezifischer T-Zellen.
Die Darmbakterienspezies lösen die Bildung protektiver TH17- und TH1-Antworten aus, die zur Abwehr von Pathogenattacken beitragen. Außerdem fördern die Mitglieder der Mikrobiota die Entwicklung einer spezialisierten Population von CD4-positiven T-Zellen, die unerwünschte Entzündungsreaktionen verhindern. Diese regulatorischen T-Zellen (Treg) exprimieren typischerweise den Transkriptionsfaktor Forkhead Box P3 (FOXP3) und andere Zelloberflächenmarker. Keimfreie Mäuse weisen in der Lamina propria des Kolons kaum Treg auf. Bestimmte Mitglieder der Mikrobiota, wie mehrere Clostridium-Stämme, die aus dem murinen und humanen Darm isoliert wurden, sowie einige Bacteroides spp. aus dem humanen Darm expandieren das Treg-Kompartiment und verstärken immunsupprimierende Funktionen.
Die Mikrobiota ist bei Mäusen mit Mutationen in Genen, die beim Menschen mit einem gesteigerten Risiko für chronisch entzündliche Darmkrankheiten (CED) assoziiert sind, ein wichtiger Trigger bei der Entwicklung einer CED. Außerdem können Komponenten der Darmmikrobiota die Aktivität des Immunsystems so modifizieren, dass eine CED gelindert oder gar verhindert wird. Mäuse mit einem mutierten ATG16L1-Allel, das in direktem Zusammenhang mit der Crohn-Krankheit steht, sind besonders suszeptibel für CED. Nach Infektion mit murinem Norovirus und Behandlung mit Dextrannatriumsulfat führt die Expression eines hypomorphen ATG16L1-Allels zu einem Defekt in den Panethzellen des Dünndarms und macht diese Mäuse im Vergleich zu Wildtypkontrollen erheblich anfälliger für eine Ileitis. Dieser Prozess hängt von der Darmmikrobiota ab und zeigt, wie die Verknüpfung aus Wirtsgenen, Infektionserregern und der Mikrobiota eine schwere Immunpathologie auslösen kann. Somit ist das pathogene Potenzial einer Mikrobiota vermutlich kontextabhängig und entsteht durch viele zusammenfließende Faktoren. Eine wichtige Beobachtung ist, dass Mitglieder der Darmmikrobiota, wie etwa B. fragilis oder Clostridium spp., im Mausmodell eine schwere Entzündung, die verschiedene Aspekte von CED beim Menschen nachahmt, verhindern.
Die Darmmikrobiota soll auch Immunpathologien außerhalb des Darms begünstigen. Die Multiple Sklerose ist bei konventionell aufgezogenen Mäusen häufig, deren CD4-positiven T-Zellen auf Myelinoligodendrozytenprotein reagieren. Deren keimfreie Pendants sind komplett vor Entstehung von Multiple-Sklerose-artigen Symptomen geschützt. Dieser Schutz wird durch die Kolonisierung mit einer Darmmikrobiota von konventionell aufgezogenen Tieren aufgehoben.
Inflammasome sind zytoplasmatische Multiproteinkomplexe, die Stress- und Schädigungsmuster wahrnehmen. NLRP6-defiziente Mäuse (NLRP6 ist ein Bestandteil des Inflammasoms) entwickeln nach der Gabe von Dextrannatriumsulfat eher eine Kolitis. Diese erhöhte Suszeptibilität geht mit Veränderungen der Darmmikrobiota dieser Tiere gegenüber Wildtypkontrollen einher. Da Mäuse Koprophagen sind (und demnach Faezes fressen), reicht die gemeinsame Haltung von NLRP6-defizienten und Wildtypmäusen aus, um die erhöhte Suszeptibilität für eine Kolitis durch Dextrannatriumsulfat zu übertragen. Ähnliche Ergebnisse sind für ASC-defiziente Mäuse beschrieben (ASC ist der Inflammasomadapter Apoptose-assoziiertes Speck-like-Protein mit einer Caspase-Rekrutierungsdomäne). ASC-defiziente Mäuse sind suszeptibler für die Entwicklung einer experimentellen nicht alkoholischen Steatosis hepatis. Diese Suszeptibilität ist mit Strukturveränderungen der Darmmikrobiota assoziiert und kann durch gemeinsame Haltung auf Wildtypmäuse übertragen werden.
Adipositas und Diabetes
Keimfreie Mäuse sind gegenüber einer ernährungsbedingten Adipositas resistent. Die Struktur der mikrobiellen Gemeinschaft im Darm ist bei genetisch bedingt adipösen ob/ob-Mäusen deutlich gegenüber schlanken Wildtyp- (+/+) und heterozygoten +/ob-Geschwistern aus demselben Wurf verändert. Die Transplantation der Mikrobiota von ob/ob-Mäusen in keimfreie Wildtypmäuse überträgt den Adipositas-Phänotyp, was nach Transplantation der Mikrobiota von Geschwistertieren mit +/+- und +/ob-Genotyp nicht der Fall ist. Diese Unterschiede lassen sich nicht auf Unterschiede in der Nahrungsaufnahme zurückführen, sondern hängen mit Unterschieden im Stoffwechsel der mikrobiellen Gemeinschaften zusammen. Ein Roux-en-Y-Magenbypass führt zu einer Verminderung von Körpergewicht und Adipositas und verbessert den Glukosemetabolismus; diese Veränderungen lassen sich nicht einfach auf eine reduzierte Kalorienzufuhr oder Nährstoffresorption zurückführen. 16S-rRNS-Analysen haben gezeigt, dass die Veränderungen der Darmmikrobiota nach dieser Operation bei Mäusen, Ratten und Menschen konserviert sind. Tierstudien haben ergeben, dass derartige Veränderungen die gesamte Darmlänge betreffen, am deutlichsten aber in den der Operationsstelle nachgeschalteten Abschnitten sind. Die Transplantation der Darmmikrobiota von Mäusen, bei denen ein Roux-en-Y-Bypass durchgeführt wurde, auf keimfreie Mäuse ohne diese Operation reduziert bei letzteren Körpergewicht und Adipositas, was bei der Transplantation der Mikrobiota von Mäusen, bei denen eine Scheinoperation durchgeführt wurde, nicht der Fall ist.
Die Darmmikrobiota schützt im nicht adipösen Diabetes(NOD)-Mausmodell vor der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 1. Die Krankheitsinzidenz ist bei konventionell aufgezogenen männlichen NOD-Mäusen signifikant niedriger als bei entsprechenden weiblichen Tieren, während keimfreie männliche Mäuse genauso suszeptibel sind wie die entsprechenden weiblichen Mäuse. Nach Kastration der Männchen steigt die Krankheitsinzidenz, während eine Androgenbehandlung der Weibchen eine Schutzwirkung hat. Der Transfer der Darmmikrobiota von erwachsenen männlichen NOD-Mäusen auf gerade frisch von der Mutter abgesetzte weibliche NOD-Tiere reicht aus, um die Schwere der Krankheit gegenüber Weibchen, welche die Mikrobiota von einem erwachsenen Weibchen oder einem nicht manipulierten Weibchen erhalten haben, zu reduzieren. Da sich dieser Schutz durch die Behandlung mit Flutamid aufheben lässt, wird die funktionelle Bedeutung des Testosteron-Signalwegs bei diesem durch die Mikrobiota vermittelten Schutz vor Diabetes mellitus Typ 1 deutlich.
MyD88-defiziente (MyD88 ist eine Schlüsselkomponente des TLR-Signalwegs) NOD-Mäuse entwickeln keinen Diabetes und weisen relativ häufiger Mitglieder der Familie der Lactobacillaceae auf. Dementsprechend wurden bei Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1 weniger Mitglieder des Genus Lactobacillus nachgewiesen als bei gesunden Kontrollen. Bestandteile der Laktobazillen fördern die Integrität der Darmbarriere. Studien an verschiedenen Tiermodellen zeigen, dass die Translokation von bakteriellen Bestandteilen, wie etwa bakteriellen Lipopolysacchariden, durch eine undichte Darmbarriere eine geringgradige Entzündung auslösen kann, die zur Insulinresistenz beiträgt. TLR5-defiziente Mäuse weisen Veränderungen der Darmmikrobiota und eine Hyperphagie auf. Außerdem entwickeln sie Merkmale des metabolischen Syndroms wie Hypertonie, Hyperlipidämie, Insulinresistenz und vermehrte Adipositas.
Die Darmmikrobiota steuert sowohl Biosynthese als auch Metabolismus von Wirtsprodukten. Diese Produkte wiederum können über eine rezeptorvermittelte Signalgebung die Wirtsphysiologie formen. Ein Beispiel für diese Symbiose liefern die Gallensäuren, deren direkte metabolische Effekte überwiegend durch den Farnesoid-X-Rezeptor (FXR, auch bekannt als NR1H4) vermittelt werden. Bei leptindefizienten Mäusen schützt der FXR-Mangel vor Adipositas und verbessert die Insulinsensitivität. Bei Mäusen mit ernährungsbedingter Adipositas, bei denen eine operative Magenverkleinerung (vertikale Sleeve-Gastrektomie) durchgeführt wird, steigen postoperativ die Spiegel der zirkulierenden Gallensäuren, verändert sich die Darmmikrobiota, kommt es zum Gewichtsverlust und bessert sich die Glukosehomöostase. Bei künstlichem FXR-Mangel sind die Gewichtsreduktion und die Verbesserung der Insulinsensitivität jedoch schwächer ausgeprägt.
Xenobiotischer Stoffwechsel
Es gibt immer mehr Belege dafür, dass pharmakogenomische Studien nicht nur das Genom des Menschen, sondern auch das Genom seiner Mikrobiota berücksichtigen sollten. So wird beispielsweise Digoxin im menschlichen Darm von dem Bakterium Eggerthella lenta inaktiviert, allerdings nur von Stämmen mit einem cytochromhaltigen Operon. Die Expression dieses Operons wird durch Digoxin induziert und durch Arginin inhibiert. Studien an gnotobiotischen Mäusen ergaben, dass der Proteingehalt der Nahrung den mikrobiellen Metabolismus von Digoxin beeinflusst (reduziert) und zu entsprechenden Veränderungen des Wirkstoffspiegels in Serum und Urin führt. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass bei Untersuchungen der interpersonellen Variationen beim Stoffwechsel oral verabreichter Medikamente die Diversität der Stämme der Darmmikrobiota berücksichtigt werden muss.
Effekte der humanen Mikrobiota auf die Wirtsbiologie von Mäusen und Menschen
Fragen über den Zusammenhang zwischen den humanen mikrobiellen Gemeinschaften und dem Gesundheitsstatus lassen sich allgemein folgendermaßen formulieren: Lässt sich in der Studienpopulation eine konsistente Konfiguration der Mikrobiota definieren, die mit einer bestimmten Erkrankung zusammenhängt? Wie wird diese Konfiguration durch Remissionen/Rezidive und Behandlungen beeinflusst? Besteht eine etwaige Rekonfiguration über das Behandlungsende hinaus? Wie hängt die Biologie des Wirts mit der Konfiguration und Rekonfiguration zusammen? Wie groß ist die Effektgröße? Sind diese Korrelationen bei Mitgliedern verschiedener Familien und Gemeinschaften konsistent und spiegeln sie Unterschiede in Alter, geografischer Lage und Lebensführung wider?
Wie bei allen Studien zur mikrobiellen Ökologie des Menschen ist die Definition einer geeigneten Referenzkontrolle überaus wichtig. Ist es der Betroffene selbst, sind es Familienmitglieder oder besser alters- und geschlechtsgleiche Menschen, die in derselben Region leben und ähnliche kulturelle Traditionen haben? Wichtig ist vor allem, ob die beobachteten Zusammenhänge zwischen der mikrobiellen Gemeinschaftsstruktur und den exprimierten Funktionen eine Reaktion auf die Krankheit sind (also Nebenwirkungen anderer Prozesse) oder ob sie zu ihr ursächlich beitragen. In diesem Sinne müssen die Koch-Postulate weiterentwickelt werden, sodass sie auf gesamte mikrobielle Gemeinschaften oder Komponenten von Gemeinschaften anwendbar sind und nicht nur auf einzelne, aufgereinigte Organismen. Ebenso wie in anderen Situationen, in denen Experimente zur Ursachenklärung von menschlichen Krankheiten schwierig oder unethisch sind, können die Hill-Kriterien zur Untersuchung der Stärke, Konsistenz und biologischen Plausibilität epidemiologischer Daten oft hilfreich sein.
Mono- und dizygote Zwillinge und ihre Angehörigen sind sehr gut dazu geeignet, erste Hinweise auf Beziehungen zwischen Umwelteinflüssen, dem Homo-sapiens-Genotyp und der humanen mikrobiellen Ökologie zu erhalten. Monozygote Zwillinge mit einer Diskordanz für bestimmte Krankheitsbilder sind auch ein hervorragendes Paradigma, anhand dessen sich ermitteln lässt, ob bestimmte Krankheiten mit der Mikrobiota und dem Mikrobiom eines Menschen zusammenhängen. Die Untersuchung von Zwillingspaaren hat gegenüber dem konventionellen Fall-Kontroll-Design nicht verwandter Probanden mehrere Vorteile, die auf der ausgeprägten Variabilität der Zusammensetzung von Mikrobiota/des Mikrobioms zwischen verschiedenen Familien sowie darauf beruhen, dass potenziell viele Zustandsformen einer Gemeinschaft mit einer Krankheit assoziiert sein können. Die Transplantation der Mikrobiota von geeigneten menschlichen Spenderkontrollen, die verschiedene Krankheiten und Gemeinschaften repräsentieren (z. B. Zwillinge mit Diskordanz für eine Krankheit), auf keimfreie Mäuse trägt zur Klärung der kausalen Rolle der Gemeinschaft bei der Pathogenese bei und liefert Einsichten in die zugrunde liegenden Mechanismen. Außerdem liefert die Mikrobiota-Transplantation eine präklinische Plattform zur Identifikation von Probiotika der nächsten Generation, Präbiotika oder Kombinationen von beiden (Synbiotika). Die Adipositas und die mit ihr assoziierte Stoffwechselstörung illustrieren diese Punkte.
Die Darmmikrobiota (und Mikrobiome) adipöser Menschen besitzen eine deutlich geringere Diversität als die schlanker Menschen. Daraus folgt, dass es nicht ausgefüllte Nischen (nicht exprimierte Funktionen) gibt, die zur Adipositas und den mit ihr assoziierten Stoffwechselstörungen beitragen. Le Chatelier und Kollegen ermittelten bei der Analyse von 292 Mikrobiomen eine bimodal verteilte Genmenge: Bei Menschen mit niedriger Genzahl (low-gene-count, LGC) enthielt das Darmmikrobiom durchschnittlich 380.000 mikrobielle Gene und bei Menschen mit hoher Genzahl (high-gene-count, HGC) durchschnittlich 640.000 Gene. Bei den LGC-Individuen war das Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2 und andere Stoffwechselstörungen erhöht, während die HGC-Gruppe metabolisch gesund war. Bei der Suche im Gengehalt nach Taxa, die HGC- und LGC-Menschen voneinander unterscheiden, ergaben sich Zusammenhänge zwischen antiinflammatorischen Bakterienspezies, wie Faecalibacterium prausnitzii, und der HCG-Gruppe sowie zwischen proinflammatorischen Spezies, wie Ruminococcus gnavus, und der LGC-Gruppe. LGC-Mikrobiome enthielten deutlich mehr Gene, die für Module des Tricarbonsäurezyklus, Peroxidasen und Katalasen kodieren. Diese Beobachtung legt ein besseres Reaktionsvermögen auf Sauerstoffexposition und oxidativen Stress nahe. HGC-Mikrobiome enthielten sehr viele Gene, die an der Produktion von organischen Säuren, wie Laktat, Propionat und Butyrat, beteiligt sind, was auf eine höhere fermentative Kapazität hinweist.
Die Transplantation einer nicht kultivierten fäkalen Mikrobiota von Zwillingen mit stabiler Diskordanz für Adipositas oder der bakteriellen Kulturen ihrer Mikrobiota überträgt die diskordante Adipositas sowie die mit der Adipositas einhergehenden Stoffwechselveränderungen auf keimfreie Mäuse. Die gemeinsame Haltung dieser koprophagen gnotobiotischen Mäuse führt zur Invasion bestimmter Bakterienstämme der vom schlanken Zwilling transplantierten Kultursammlung in die Därme von Mäusen, welche die Kultursammlung des adipösen Zwillings erhalten hatten (nicht aber umgekehrt). Dadurch wurden bei letzteren eine Adipositas und ihre assoziierten Stoffwechselstörungen verhindert. Wichtig ist, dass die Invasion und Prävention der Adipositas und der metabolischen Phänotypen von der Art der menschlichen Nahrung abhängt, welche die Tiere erhalten: Die Prävention ist mit einer Ernährung mit wenigen gesättigten Fetten und hohem Anteil an Obst und Gemüse assoziiert.
Dieser Ansatz belegt die kausale Rolle der Mikrobiota bei Adipositas und den mit ihr einhergehenden Stoffwechselstörungen. Außerdem liefert er bei krankheitsassoziierten mikrobiellen Gemeinschaften eine Methode zur Definition unbesetzter Nischen, der Bedeutung von Nährstoffen bei der Besetzung dieser Nischen durch Bakterientaxa des menschlichen Darms und der Effekte einer derartigen Besetzung auf den mikrobiellen und humanen Metabolismus. Zudem lassen sich damit gesundheitsfördernde Ernährungsformen und Probiotika der nächsten Generation entwickeln, welche die natürlich auftretenden Mitglieder der humanen standortheimischen mikrobiellen Gemeinschaften enthalten, die gut an eine Persistenz in einem bestimmten Körperhabitat angepasst sind.
Ein Schlüssel bei diesem Ansatz ist die Gewinnung der mikrobiellen Gemeinschaft von einem Spender, der einer bestimmten Physiologie, Krankheit, Lebensführung oder einem Wohnort von Interesse entspricht, diese Spendergemeinschaft durch Einfrieren zu erhalten und sie dann in vielen gnotobiotischen Tieren zu replizieren, die unter Bedingungen aufgezogen werden, in denen sich die Umgebung und die Wirtsvariablen in einem Ausmaß kontrollieren und manipulieren lassen, was in klinischen Studien nicht erreicht werden kann. Da diese Mäuse über Zeiträume vor und nach der Transplantation beobachtet werden können, wird quasi aus dem Schnappschuss einer Spendergemeinschaft ein ganzer Film. Die Transplantation von intakten, nicht kultivierten humanen (fäkalen) Mikrobiota-Proben von mehreren Spendern mit einem bestimmten Phänotyp von Interesse zusammen mit der Übernahme von Ernährungsgewohnheiten (oder von Derivaten der Nahrung) der jeweiligen Spender auf verschiedene Gruppen von Mäusen ist eine Möglichkeit zu bestimmen, ob übertragbare Reaktionen der Mikrobiota eigen oder hochspenderabhängig sind. In einem zweiten Schritt wird bestimmt, ob der kultivierbare Anteil einer repräsentativen Mikrobiota-Probe den oder die in der intakten, nicht kultivierten Probe beobachteten Phänotypen übertragen kann. Die Verfügbarkeit einer Sammlung kultivierter Organismen, die sich in einem Körperhabitat des Spenders gemeinsam entwickelt haben, ermöglicht die Auswahl von Teilen dieser Kollektion zur Testung an gnotobiotischen Mäusen, die Ermittlung der für den Phänotyp verantwortlichen Mitglieder und die Klärung der diesen Effekten zugrunde liegenden Mechanismen. Die angewandten Modelle bestimmen das Design und die Auswertung klinischer Studien derselben einzelnen Menschen und Populationen, deren Mikrobiota zur Schaffung dieser Modelle verwendet wurde.
Die fäkale Mikrobiota-Transplantation(FMT) von einem Menschen auf den anderen ist derzeit der direkteste Weg, um den Beweis zu erbringen, dass die Mikrobiota eine kausale Rolle bei der Pathogenese von Krankheiten spielt. Der Empfänger erhält die gespendete Fäzes über eine nasogastrale Sonde oder mit einer anderen Technik. In zahlreichen Studien wurde die Wirksamkeit der FMT von gesunden Spendern auf Empfänger mit Krankheiten, die von einer Clostridium-difficile-Infektion bis zu Crohn-Krankheit, Colitis ulcerosa und Diabetes mellitus Typ 2 reichen, belegt. Allerdings waren nur einige wenige dieser Studien doppelblind und placebokontrolliert konzipiert.
In einer doppelblinden kontrollierten Studie erhielten Männer im Alter von 21–65 Jahren mit einem Body-Mass-Index > 30 kg/m2 und gesicherter Insulinresistenz eine FMT mit der Mikrobiota von metabolisch gesunden, schlanken Spendern oder von anderen Studienteilnehmern. Die Mikrobiota von schlanken Spendern besserten die periphere Insulinsensitivität deutlich gegenüber den Kontrollen. Diese Veränderung ging mit einer Zunahme des Anteils von butyratproduzierenden Bakterien, die mit Roseburia intestinalis (in der Fäzes) und Eubacterium hallii (im Dünndarm) verwandt sind, einher.
In mehreren kleinen Studien wurde die Wirksamkeit der FMT bei der Behandlung rezidivierender C.-difficile-Infektionen untersucht. Eine nicht geblindete, placebokontrollierte Studie betrachtete den Einsatz der FMT bei 42 Patienten mit rezidivierenden Infektionen mit C. difficile (definiert als mindestens ein Rückfall nach der Behandlung mit Vancomycin oder Metronidazol für ≥ 10 Tage). Die Patienten wurden oral mit Vancomycin vorbehandelt. Anschließend erhielt die Testgruppe über eine Nasoduodenalsonde eine FMT von gesunden freiwilligen Spendern (< 60 Jahre), die aus der Gemeinschaft ausgewählt wurden. Die Kontrollgruppe erhielt eine sterile Lavage oder nur orales Vancomycin. Bei der Folgeuntersuchung nach 10 Wochen war die Infektion bei 81 % der Patienten (13 von 16) der Testgruppe geheilt (definiert als drei negative Stuhltests auf C.-difficile-Toxin), aber nur bei 23 % (3 von 13) der Kontrollpatienten mit der Darmspülung und 31 % (4 von 13) der Kontrollpatienten, die nur Vancomycin erhalten hatten. Die metagenomische Analyse der Mikrobiota-Proben, die vor und nach der Behandlung entnommen worden waren, ergab in der FMT-Gruppe einen höheren Anteil der Bacteroidetes und der Clostridium-Cluster IV und XIVa sowie eine relative Zunahme von Proteobakterien auf das Hundertfache.
Eine Metaanalyse der FMT bei C.-difficile-Infektion untersuchte 20 veröffentlichte Fallserien, 15 Fallberichte und die oben genannte nicht geblindete Studie. Bis auf eine Studie wurden jeweils frische (nicht eingefrorene) Stuhlproben verwendet. Die Auswahl der Spender war unterschiedlich, wobei die meisten Spender Familienmitglieder oder Verwandte waren und die meisten Studien Spender mit kürzlich zurückliegender Antibiotikatherapie ausschlossen. Wichtig ist, dass die Konzentrationen der infundierten Spenderfäzes stark variierten (von 5 g bis 200 g mit Resuspension in 10–500 ml). Diese fäkalen Suspensionen wurden in den Magen und verschiedene Bereiche in Dünn- und Dickdarm eingebracht. Bei 87 % (467) der 536 behandelten Patienten verschwand die Infektion, was oft mit dem Abklingen der Symptome gleichgesetzt wurde (und nur selten durch die Bestimmung des Toxins von C. difficile gesichert wurde). Als häufigste unerwünschte Wirkungen traten am Infusionstag eine Diarrhö (94 % der Fälle) und Bauchkrämpfe (31 %) auf. Die Metaanalyse war auf das klinische Ergebnis beschränkt und betrachtete nicht die Rolle der Mikrobiota bei der Heilung (d. h. das Ausmaß der Invasion der Spendertaxa, deren Persistenz und die Langzeitwirkungen der Transplantation auf verschiedene Aspekte der Wirtsbiologie, die generell nicht ermittelt wurden).
Die Indikation für die therapeutische Anwendung der FMT muss sachlich und wohlüberlegt gestellt werden, da es sich um einen noch in den Kinderschuhen steckenden, rudimentären Ansatz zur Manipulation der Mikrobiota handelt, der höchstwahrscheinlich durch die Gabe ausgewählter Kollektionen sequenzierter, kultivierter Mitglieder der Mikrobiota abgelöst werden wird (probiotische Konsortien). Mehrere Veröffentlichungen über den Einsatz der FMT haben erhebliches öffentliches Interesse geweckt. Diese Aufmerksamkeit erfordert gemeinsam mit der zunehmenden öffentlichen Würdigung des Nutzens unserer Interaktionen mit Mikroben, dass das Vorsichtsprinzip befolgt wird und Nutzen und Risiken derartiger Interventionen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Bislang konnten die meisten FMT-Studien keine einheitlichen signifikanten Störgrößen festlegen. Dazu gehören (1) die Kriterien der Spenderprobenauswahl, (2) die Methoden zur Verarbeitung und Typisierung der Proben sowie die Entscheidung darüber, ob Proben von Spender und Empfänger archiviert werden, sodass eine retrospektive Analyse (und Metaanalyse bei bestimmten Krankheiten) möglich ist, (3) die Entwicklung von Mindeststandards zur Beurteilung der Invasion der Darmgemeinschaften des Empfängers durch Taxa der Spender-Mikrobiota (mithilfe mikrobieller „Source-tracking“-Verfahren) sowie des zeitlichen Verlaufs, der Dauer, Art und Breite der Probennahme beim Empfänger als Funktion der Transplantation, (4) die Anwendung von Mindeststandards bei der Erhebung der klinischen Patientendaten (z. B. Alter, Ernährung, Antibiotikaeinnahme usw.) und die Etablierung von Datenbanken zur Eingabe dieser Daten (einschließlich der Verwendung einer definierten Formulierung der klinischen Daten) sowie (5) die Entwicklung von Standards für die Patienteneinwilligungserklärung trotz der Unkenntnis über die Langzeitwirkungen der Intervention. Die behördlich regulierenden Rahmenbedingungen ändern sich. Die US-Food and Drug Administration (FDA) gab vor kurzem eine Durchsetzungsstrategie bekannt, die sich speziell mit dem Einsatz der FMT bei der Behandlung rezidivierender C.-difficile-Infektionen befasst. Diese Richtlinie besagt, dass die FDA „die Anforderungen an experimentelle neue Arzneimittel bei der FMT bei Infektionen mit C. difficile, die nicht auf die Standardtherapien ansprechen, nach eigenem Ermessen beurteilen wird“, setzt aber die Voraussetzungen für andere experimentelle neue Arzneimittel bei FMT-Studien nicht außer Kraft.
Ausblick
Das Design von Mikrobiom-Studien am Menschen entwickelt sich rasch, zum Teil, weil die Daten sehr multivariat und kompositorisch sind und nicht die Verteilungshypothesen der statistischen Standardverfahren, wie der Varianzanalyse, erfüllen. Folglich muss noch geklärt werden, wie viele Patienten eingeschlossen werden müssen und welche Populationen untersucht werden sollen. Ein sinnvoller Ansatz ist der Review veröffentlichter Studien unter dem Aspekt, ob die erzielte Schlussfolgerung auch mit weniger Probanden (Proben-Rarefaction) und/oder weniger Sequenzierungsläufen von SSU-rRNS-Genen, Gemeinschafts-DNS (Mikrobiomen) oder exprimierter Gemeinschafts-mRNS (Metatranskriptome) pro Proband (Sequenz-Rarefaction) erreichbar gewesen wäre. Ein häufiges und bislang entscheidendes Problem betrifft die unzureichende Abbildung der fraglichen Objekttypen. Wenn beispielsweise Faktoren, die für den Einzelnen gelten (z. B. die individuelle Ernährung) untersucht werden sollen, könnten in jeder klinischen Kategorie mehrere Dutzend Patienten erforderlich werden. Sollen auf Populationsebene relevante Faktoren untersucht werden (z. B. demografische Eigenschaften), sind mitunter zahlreiche Populationen erforderlich.
Ein weiterer zentraler Punkt ist, ob die Effektgröße insbesondere bei Metaanalysen größer oder kleiner ist als die technischen Effekte. Wie bereits erwähnt, erbringen unterschiedliche PCR-Primer auch unterschiedliche taxonomische Beschreibungen einer mikrobiellen Gemeinschaft. Diese Unterschiede sind z. B. größer als die Unterschiede zwischen der Mikrobiota schlanker und adipöser Menschen, aber geringer als die Unterschiede zwischen den fäkalen Gemeinschaften von Neugeborenen und Erwachsenen.
Ein zentrales Problem bei der Erforschung des humanen Mikrobioms ist die Festlegung, inwieweit die diagnostischen Verfahren und therapeutischen Ansätze verallgemeinert werden können. Dies lässt sich an Studien zur Metabolisierung oral verabreichter Arzneimittel durch Darmmikrobiome veranschaulichen. Die Ergebnisse können für die pharmazeutische Industrie bei der Suche nach neuen und präziseren Wegen zur Vorhersage von Bioverfügbarkeit und Toxizität von großem Interesse sein. Allerdings sollten diese Studien berücksichtigen, dass viele klinische Studien in Länder ausgelagert werden, in denen die Studienteilnehmer eine andere Ernährung und andere mikrobielle Gemeinschaftsstrukturen aufweisen als die vorgesehenen Empfänger der (zu vermarktenden) Substanz. Das Erfassen und der Erhalt der breiten mikrobiellen Diversität in verschiedenen menschlichen Populationen und somit der Fähigkeit der mikrobiellen Gemeinschaften, ausgefeilte und in vielen Bereichen nicht charakterisierte Biotransformationen zu katalysieren, sind ein fruchtbarer Boden für die Entdeckung neuer Arzneimittel (und neuer industrieller Verfahren von gesellschaftlichem Wert). Die chemischen Substanzen, die unsere mikrobiellen Gemeinschaften inzwischen synthetisieren können, um ihre auf gegenseitigem Nutzen beruhenden Beziehungen zu festigen, und die humanen Gene, die von diesen Chemotypen beeinflusst werden, könnten neue Arzneimittelklassen bzw. neue Angriffspunkte für künftige Therapien darstellen. Daher ist die Charakterisierung von Gruppen von Menschen, die in Ländern mit einem raschen kulturellen und sozioökonomischen Wandel leben und in denen immer mehr Krankheiten, die mit der Übernahme der westlichen Lebensweise im Zuge der Globalisierung verbunden sind, auftreten, eine zeitgemäße Herausforderung. Geburtskohortenstudien (einschließlich Zwillingsstudien), die alle 10 Jahre in diesen Ländern beginnen, könnten den Einfluss der Lebensstilveränderungen, wie der Ernährung, auf die menschliche mikrobielle Ökologie erfassen.
Obwohl die mikrobiomassoziierte Diagnostik und Therapie neue, aufregende Dimensionen für die personalisierte Medizin darstellen, muss die potenziell weitreichende gesellschaftliche Auswirkung dieser Möglichkeiten berücksichtigt werden. So dürften Studien zum menschlichen Darmmikrobiom derzeitige Ansichten zur menschlichen Ernährung stören und das Einsehen fördern, dass Nahrung und Stoffwechsel in Wechselwirkung mit der Mikrobiota stehen, die untrennbar mit unzähligen Funktionalitäten der Humanbiologie verbunden sind. Den Bemühungen zur Klärung der Zusammenhänge zwischen Nahrung, Mikrobiom und menschlicher Ernährung liegt der Bedarf für die proaktive Entwicklung von Schulungsmaterialien in einer Sprache zugrunde, die für die breiten und vielschichtigen Verbrauchergruppen aus unterschiedlichen Kulturen und sehr unterschiedlichem wissenschaftlichen Bildungsniveau verständlich ist. Die Ergebnisse könnten eine katalysierende Wirkung auf die Integration von Agrarpolitik und Landwirtschaft, die Nahrungsmittelproduktion und Ernährungsempfehlungen für Verbrauchergruppen mit unterschiedlichem Alter, Wohnort und Gesundheitszustand haben.
Die Definition des menschlichen Metagenoms (der Gene des Homo-sapiens-Genoms und des Mikrobioms) wird die menschliche Beschreibung des Selbst, unserer genetischen Evolution und unserer postnatalen Entwicklung auf einer ganz neuen Ebene verfeinern und ein mögliches mikrobielles Vermächtnis der persönlichen Lebensführung aufdecken. Obwohl diese Informationen den Ursprung gewisser Unterschiede bei der Gesundheit erklären könnten, muss eine Stigmatisierung Einzelner oder von Gruppen vermieden werden, die andere kulturelle Normen, Glaubensvorstellungen oder Verhaltensmuster aufweisen. Gemeinsam mit den Wissenschaftlern, die auf dem Gebiet des humanen Mikrobioms forschen, müssen die Anthropologen den Einfluss dieser humanen Mikrobiomstudien auf die Teilnehmer beurteilen und bewerten, wie dieser Forschungsbereich und die kulturellen Traditionen der jeweiligen Individuen interagieren, um deren Wahrnehmung von Kräften zu beeinflussen, die ihr Leben und ihre Beziehungen innerhalb einer Familie oder Gemeinschaft bestimmen.
Zusammenfassung
Studien zur humanen mikrobiellen Ökologie sind ein wichtiges Anzeichen für den Fortschritt in den Genomwissenschaften und ein zeitgemäßer Schritt des Bemühens um ein besseres Verständnis vom Platz des Menschen in der Umwelt. Sie spiegeln das zunehmende Interesse der Medizin des 21. Jahrhunderts an der Krankheitsprävention, neuen Gesundheitsdefinitionen, neuen Wegen zur Klärung des Ursprungs individueller biologischer Unterschiede und neuen Ansätzen zur Klärung der Auswirkungen von Veränderungen der Lebensführung und der Biosphäre auf die Humanbiologie wider. Die zunehmende Verbesserung der auf das Mikrobiom gerichteten Diagnostik und Therapie erfordert ein zunehmendes Maß an Sensibilität gegenüber deren gesellschaftlichen Auswirkungen.
Weiterführende Literatur
Human Microbiome Project Consortium: Structure, function and diversity of the healthy human microbiome. Nature 486:207–14, 2012
Khoruts A, Sadowsky MJ: Understanding the mechanisms of faecal microbiota transplantation. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 13(9):508–16, 2016
Lozupone CA et al: Diversity, stability and resilience of the human gut microbiota. Nature 489:220–30, 2012
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