7e Männergesundheit
Das Aufkommen der Männergesundheit als eigenes Fachgebiet der Inneren Medizin trägt dem Umstand Rechnung, dass sich Männer und Frauen während ihres gesamten Lebens hinsichtlich der Empfänglichkeit für Krankheiten, der klinischen Manifestationen der Krankheiten und des Ansprechens auf die Therapie unterscheiden. Außerdem beurteilen Männer und Frauen die Folgen einer Krankheit für ihre Gesundheit anders und wünschen aus unterschiedlichen Gründen eine Behandlung.
Aufgrund zahlreicher sozioökonomischer und kultureller Faktoren haben Männer und Frauen einen unterschiedlichen Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und werden unterschiedlich medizinisch versorgt. Da oft aufgrund persönlicher Vorbehalte oder institutioneller Barrieren der Zugang zur Behandlung erschwert ist, manche Männer Angst haben und sich schämen, medizinische Hilfe zu suchen, weil sie es für unmännlich halten, und Ärzte sowie Patienten Hemmungen haben, über Themen wie Sexualität, Drogengebrauch und Alter zu sprechen, besteht ein hoher Bedarf für Programme, die direkt auf die besonderen gesundheitlichen Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind.
Für die deutsche Ausgabe Theodor Klotz
Das Aufkommen der Männergesundheit als eigenes Fachgebiet der Inneren Medizin trägt dem Umstand Rechnung, dass sich Männer und Frauen während ihres gesamten Lebens hinsichtlich der Empfänglichkeit für Krankheiten, der klinischen Manifestationen der Krankheiten und des Ansprechens auf die Therapie unterscheiden. Außerdem beurteilen Männer und Frauen die Folgen einer Krankheit für ihre Gesundheit anders und wünschen aus unterschiedlichen Gründen eine Behandlung. Aufgrund zahlreicher sozioökonomischer und kultureller Faktoren haben Männer und Frauen einen unterschiedlichen Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und werden unterschiedlich medizinisch versorgt. Da oft aufgrund persönlicher Vorbehalte oder institutioneller Barrieren der Zugang zur Behandlung erschwert ist, manche Männer Angst haben und sich schämen, medizinische Hilfe zu suchen, weil sie es für unmännlich halten, und Ärzte sowie Patienten Hemmungen haben, über Themen wie Sexualität, Drogengebrauch und Alter zu sprechen, besteht ein hoher Bedarf für Programme, die direkt auf die besonderen gesundheitlichen Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind.
Die geschlechtsabhängigen Unterschiede der Prävalenz, Suszeptibilität und der klinischen Manifestationen von Krankheiten wurden bereits in Kapitel 6e (Frauengesundheit) besprochen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die beiden führenden Todesursachen – Herzkrankheit und Krebserkrankungen – bei Männern und Frauen gleich sind. Allerdings ist die Prävalenz von Entwicklungsstörungen des Nervensystems und degenerativen Erkrankungen, Suchterkrankungen (einschließlich leistungssteigernder Drogen und Alkohol), Diabetes mellitus und kardiovaskulären Erkrankungen bei Männern höher. Bei Frauen hingegen sind Autoimmunerkrankungen, Depression, rheumatologische Erkrankungen und Osteoporose prävalenter. Männer sterben mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit an Unfällen, Suizid und Mord als Frauen. Mehr als drei Viertel der Männer im Alter von 15–34 Jahren sterben an Unfallverletzungen, Mord oder Suizid, während bei Männern im Alter von 35–64 Jahren Herzkrankheiten, Krebserkrankungen und Unfallverletzungen die häufigsten Todesursachen sind. Männer über 65 Jahre sterben meistens an koronarer Herzkrankheit, Krebserkrankungen, Pneumonien und Schlaganfällen.
Die biologischen Grundlagen der geschlechtsabhängigen Unterschiede bei der Suszeptibilität für Krankheiten, deren Progression und deren Manifestation sind auch weiterhin nur unvollständig bekannt und vermutlich multifaktoriell. Zweifellos beeinflussen geschlechtsabhängige Unterschiede beim genetischen Aufbau und den zirkulierenden Geschlechtshormonen den Phänotyp einer Krankheit. Hinzu kommen epigenetische Effekte der Geschlechtshormone während der Fetalzeit, im Kleinkindalter und der Pubertätsentwicklung, die sexuelle und nicht sexuelle Verhaltensweisen, Körperzusammensetzung und Krankheitsneigung festlegen. Bei Frauen wirken sich zudem die reproduktive Last und die physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft, wie die ausgeprägten hormonellen und metabolischen Verschiebungen sowie der Mikrochimerismus (Übertragung von Zellen von der Mutter auf den Fetus und umgekehrt), auf die Krankheitsneigung und die Krankheitsschwere aus. Auch die soziokulturellen Normen der Kindeserziehung, die sozialen Erwartungen an die Geschlechterrolle sowie die ökonomischen Langzeitauswirkungen dieser Praktiken und Geschlechterrollen wirken sich auf das Krankheitsrisiko und die Manifestationen von Krankheiten aus. Die altersbedingten Veränderungen der Geschlechtshormonspiegel im fortpflanzungsfähigen Alter und danach verlaufen bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich und können die geschlechtsabhängigen Unterschiede bei der zeitlichen Entwicklung von Krankheiten, die mit dem Alter assoziiert sind (wie Osteoporose, Mammakarzinom und Autoimmunerkrankungen), beeinflussen.
Inzwischen spiegelt sich das zunehmende Interesse an der Männergesundheit auch in immer mehr darauf spezialisierten Kliniken wider. Die wichtigsten Gesundheitsgefahren für Männer haben sich zwar nicht geändert, weil die koronare Herzkrankheit, Krebserkrankungen und Unfallverletzungen auch weiterhin die Liste der Ursachen für Morbidität und Mortalität anführen. Meistens suchen Männer die auf Männergesund spezialisierten Kliniken aber wegen anderer Probleme, insbesondere sexueller und reproduktiver Funktionsstörungen sowie urologischer Beschwerden, auf. Dazu gehören häufige Krankheiten, wie Androgenmangelsyndrome, der altersbedingt sinkende Testosteronspiegel, sexuelle Funktionsstörungen, Muskeldysmorphie und Anabolikagebrauch, Symptome der ableitenden Harnwege und medizinische Komplikationen der Behandlung des Prostatakarzinoms, die auch in diesem Kapitel besprochen werden. Außerdem wurden erst im Laufe der 1980er-Jahre neue Körperbildstörungen von Männern erkannt; dazu gehören das Dysmorphiesyndrom und die Einnahme leistungssteigernder Drogen zur Erhöhung der Muskelmasse und zum Erzielen eines muskulösen Körpers. Während die Menopause der Frauen seit mehr als 50 Jahren intensiv untersucht wird, erhalten die für Männer spezifischen Aspekte erst jetzt die Aufmerksamkeit, die ihnen wegen ihrer hohen Prävalenz und des Einflusses auf die Gesundheit insgesamt, das Wohlbefinden und die Lebensqualität gebührt.
Altersbedingte Veränderungen der männlichen Fortpflanzungsfähigkeit
(Siehe Kap. 411) In mehreren Studien wurde belegt, dass der Testosteronspiegel mit dem Alter sinkt. Dieser Effekt beginnt im Alter von 30–40 Jahren und schreitet anschließend fort (Abb. 7e-1). Die niedrigen Spiegel des Gesamttestosterons und des bioverfügbaren Testosterons gehen mit einer Reduktion der Skelettmuskelmasse und der Kraft, einer höheren viszeralen Fettmasse, Insulinresistenz, einem erhöhten Risiko für die koronare Herzkrankheit und einer erhöhten Mortalität einher (Tab. 7e-1). Die meisten Studien legen nahe, dass diese Symptome und Befunde auftreten, sobald der Serumspiegel des Gesamttestosterons bei älteren Männern unter 320 ng/dl sinkt und der Serumspiegel des freien Testosterons unter 64 pg/ml. Der Testosteronspiegel sollte jedoch nur bei älteren Männern mit den Symptomen und Befunden eines Androgenmangels bestimmt werden.
Abbildung 7e-1Altersbedingte Abnahme des Gesamttestosteronspiegels. Das Gesamttestosteron wurde bei den Männern der Framingham Heart Study (FHS), der European Male Aging Study (EMAS) und der Osteoporotic Fractures in Men Study (MrOS) mittels Flüssigchromatografie mit Massenspektrometrie bestimmt. (Mit frdl. Genehmigung aus S Bhasin et al: J Clin Endocrinol Metab 96:2430, 2011.)
Wenn ältere gesunde Männer mit niedrigem Testosteronspiegel mit Testosteron behandelt werden, nehmen ihre Magermasse, ihre Greifkraft und die selbstberichtete körperliche Funktion zu (Abb. 7e-2). Außerdem erhöht die Testosterontherapie die Knochenmineraldichte in den Wirbelkörpern, nicht aber im Femur. Bei Männern mit sexuellen Funktionsstörungen und zu niedrigem Testosteronspiegel verbessert die Testosterongabe die Libido, während die Effekte auf die erektile Dysfunktion und das Ansprechen auf selektive Phosphodiesterasehemmer variabel sind (Kap. 67). Wie in Kap. 411 besprochen, erhöht eine Behandlung mit Testosteron möglicherweise das Risiko für Prostatakarzinome.
Abbildung 7e-2Auswirkungen der Testosterontherapie in Interventionsstudien auf Körperzusammensetzung, Muskelkraft, Knochenmineraldichte und sexuelle Funktion. Gezeigt sind die Punktschätzungen und die assoziierten 95%-Konfidenzintervalle. A. Auswirkungen der Testosterontherapie auf Magermasse, Greifkraft und Fettmasse in einer Metaanalyse randomisierter Studien. (Daten aus S Bhasin et al: Nat Clin Pract Endocrinol Metab 2:146, 2006.) B. Auswirkungen der Testosterontherapie auf die Knochenmineraldichte der Lendenwirbel und des Femurs in einer Metaanalyse randomisierter Studien. (Daten aus einer Metaanalyse von MJ Tracz et al: J Clin Endocrinol Metab 91:2011, 2006.) C. Auswirkungen der Testosterontherapie auf die Messwerte der sexuellen Funktion bei Männern mit einem Ausgangstestosteronspiegel < 10 nmol/l (290 ng/dl). (Daten aus einer Metaanalyse von AM Isidori et al: Clin Endocrinol (Oxf) 63:381, 2005.) (Mit frdl. Genehmigung aus M Spitzer et al: Nat Rev Endocrinol 9:414, 2013.)
Sexuelle Funktionsstörung
(Siehe Kap. 67) Einer der Hauptgründe, aus denen Männer Kliniken für Männergesundheit aufsuchen, sind zahlreiche sexuelle Funktionsstörungen. Die sexuellen Funktionsstörungen des Menschen werden anhand der Beschreibungen des sexuellen Reaktionszyklus des Menschen von Masters und Johnson, wonach Männer und Frauen nach sexueller Stimulation vorhersagbare physiologische Reaktionen zeigen, eingeteilt. Demnach wurden sexuelle Funktionsstörungen abhängig von der betroffenen Phase des Reaktionszyklus in vier Kategorien eingeteilt:
Die Zuordnung der vorliegenden Störung zu diesen Gruppen ist wichtig, weil sich die ätiologischen Faktoren, die Diagnostik und die therapeutischen Strategien für die einzelnen Klassen unterscheiden. Früher erfolgte die Klassifikation und Bezeichnung sexueller Funktionsstörungen anhand von Kriterien des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), weil irrtümlich davon ausgegangen worden war, dass sexuelle Funktionsstörungen beim Mann überwiegend psychogener Natur sind. Mit der Erkenntnis, dass die erektile Dysfunktion die Manifestation einer systemischen Krankheit ist und mit der Einführung der leicht anwendbaren oralen selektiven Phosphodiesterase-5-Hemmer, wurden die sexuellen Funktionsstörungen des Mannes in den Tätigkeitsbereich des Hausarztes verlagert.
Muskeldysmorphiesyndrom des Mannes: eine Körperbildstörung
Die Muskeldysmorphie ist eine Körperbildstörung, bei der sich der Betroffene pathologisch mit seiner Muskulatur und einem muskulösen Aussehen beschäftigt. Männer mit Muskeldysmorphie haben den starken Wunsch, mehr Muskeln zu haben und schlanker zu sein. Sie schämen sich wegen ihrer Körpergröße und -form und geben oft störende Symptome an, wie Unzufriedenheit mit dem Aussehen, Fixierung auf Bodybuilding und Muskulosität sowie funktionelle Störungen. Außerdem leiden sie häufig unter affektiven Störungen, Angststörungen und Zwangsstörungen sowie unter einer Einschränkung der Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben.
Patienten mit dem Muskeldysmorphiesyndrom (also fast alle Männer) stemmen oft Gewichte oder machen Bodybuilding und nehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit leistungssteigernde Drogen, insbesondere Anabolika. Durch die Kombination von interaktiven Wirkungen der Intensität des Trainingsprogramms, der Einnahme leistungssteigernder Drogen und anderer Faktoren, die mit einer durch Gewichtheben und Anabolika geprägten Lebensführung einhergehen, prädisponiert das Muskeldysmorphiesyndrom die Männer für Krankheiten. Bislang gibt es keine randomisierten Studien über Behandlungsmöglichkeiten. In Einzelfällen wurden mit unterschiedlichem Erfolg kognitive und behaviorale Therapien eingesetzt.
Anabolikagebrauch durch Leistungssportler und Bodybuilder
Der illegale Gebrauch von Anabolika zur Steigerung der sportlichen Leistung kam in den 1950er-Jahren bei Powerliftern auf und verbreitete sich rasch auch in anderen Sportarten, unter den Berufs- und Hochschulsportlern sowie im Freizeitbereich bei Bodybuildern. In den frühen 1980er-Jahren weitete sich der Anabolikagebrauch über die Sportler hinaus auch in die Allgemeinbevölkerung aus. Bis zu 3 Millionen US-Amerikaner – überwiegend Männer – haben diese Substanzen vermutlich eingenommen. Die meisten Anabolika werden jedoch nicht von Sportlern eingenommen, sondern von Männern, die in ihrer Freizeit zum Bodybuilding gehen und sie verwenden, um schlanker und muskulöser auszusehen.
Zu den am häufigsten eingenommenen Anabolika gehören Testosteronester, Nandrolon, Stanozolol, Methandienon und Methenolon. In der Regel werden mehrere Anabolika in immer höheren Dosen zugeführt (Stacking).
Die unerwünschten Langzeiteffekte von Anabolika sind nur schlecht verstanden. Die meisten Informationen stammen aus Einzelfallberichten, unkontrollierten Studien oder klinischen Studien zur Testosteronersatztherapie (Tab. 7e-2). Dabei muss bedacht werden, dass beim Anabolikagebrauch über viele Jahre das 10- bis 100-Fache der zur Supplementation üblichen Dosis eingenommen wird, sodass eine Extrapolation der Ergebnisse aus Studien zur Ersatztherapie nicht zu rechtfertigen ist. Außerdem nimmt ein nicht unerheblicher Teil derjenigen, die Anabolika einnehmen, auch andere Substanzen mit mutmaßlicher muskelaufbauender oder leistungssteigernder Wirkung ein. Dazu gehören Wachstumshormon, Stimulanzien der Erythropoese, Insulin und Stimulanzien wie Amphetamin, Clenbuterol, Kokain, Ephedrin und Thyroxin sowie Substanzen, die mutmaßlich deren unerwünschte Wirkungen reduzieren sollen, wie humanes Choriongonadotropin, Aromatasehemmer oder Östrogenantagonisten. Hinzu kommt, dass Männer, die Anabolika einnehmen, häufiger zu Hochrisikoverhalten neigen als Männer, die keine Anabolika einnehmen. Die unerwünschten Wirkungen der Anabolika können durch die Anabolika selbst, durch die gleichzeitige Einnahme anderer Substanzen, durch Hochrisikoverhalten und durch Wirtsfaktoren, durch die der Betroffene empfänglicher für Anabolikagebrauch und Hochrisikoverhalten ist, auftreten.
Die hohe Mortalität und Morbidität bei Männern, die Anabolika einnehmen, sind alarmierend. Das Sterblichkeitsrisiko unter Elite-Powerliftern ist fünfmal höher als bei gleichaltrigen Männern der Allgemeinbevölkerung. Zu den Todesursachen gehören Suizid, Myokardinfarkt, Leberkoma und Non-Hodgkin-Lymphom.
Aufgrund zahlreicher Berichte über den Herztod junger Männer, die Anabolika eingenommen hatten, rücken die unerwünschten kardiovaskulären Wirkungen der Anabolika in den Vordergrund. Hoch dosiert lösen Anabolika eine proatherogene Dyslipidämie aus. Außerdem erhöhen sie über Effekte auf die Gerinnungsfaktoren und die Thrombozyten das Thromboserisiko, induzieren durch ihre Wirkung auf das vaskuläre Stickoxid Gefäßspasmen und induzieren eine Hypertrophie und Fibrose des Myokards.
Im Rahmen der Hormonersatztherapie führt das parenteral verabreichte Testosteron zu einer nur geringfügigen Abnahme des High-density-Lipoprotein(HDL)-Cholesterins und hat eine geringe oder gar keine Wirkung auf das Gesamtcholesterin, das Low-density-Lipoprotein(LDL)-Cholesterin und die Triglyzeridspiegel. Im Gegensatz dazu sind supraphysiologische Dosen von Testosteron und oral verabreichten 17-α-alkylierten, nicht aromatisierbaren Anabolika mit einer deutlichen Reduktion des HDL-Cholesterins und einem deutlichen Anstieg des LDL-Cholesterins assoziiert.
Der Langzeitgebrauch von Anabolika kann zu einer Hypertrophie und Fibrose des Myokards sowie zu verkürzten QT-Intervallen führen. Anabolika supprimieren die Ausschüttung von LH und FSH und hemmen die endogene Testosteronproduktion sowie die Spermatogenese. Daher kommt es nach dem Absetzen der Anabolika oft zu sexuellen Funktionsstörungen, Müdigkeit, Infertilität und depressiven Symptomen. In manchen Fällen ist die Hypothalamus-Hypophysen-Hoden-Achse für mehr als ein Jahr supprimiert und gelegentlich normalisiert sie sich auch nie wieder. Aufgrund der Symptome des Anabolikaentzugs nehmen viele Männer sie doch wieder ein, sodass es zur dauerhaften Einnahme und Abhängigkeit kommt. Bis zu 30 % der Männer, die Anabolika einnehmen, werden von ihnen abhängig. Die Anabolikasucht ist gekennzeichnet durch die Langzeiteinnahme von Anabolika trotz unerwünschter medizinischer und psychischer Wirkungen. Supraphysiologische Testosterondosen beeinträchtigen zudem die Insulinsensitivität und prädisponieren für einen Diabetes mellitus. Bei der oralen Einnahme von 17-α-alkylierten Anabolika wurden ein Anstieg der Leberenzyme, ein cholestatischer Ikterus, Lebertumoren und eine Peliosis hepatis beschrieben. Außerdem kann die Einnahme von Anabolika eine Muskelhypertrophie ohne entsprechende Adaptationen der Sehnen, Bänder und Gelenke auslösen und dadurch das Risiko für Sehnen- und Gelenkverletzungen erhöhen. Daneben führt der Anabolikagebrauch zu Akne, Kahlköpfigkeit und vermehrter Körperbehaarung.
Durch unsichere Injektionspraktiken, Hochrisikoverhalten und häufige Gefängnisaufenthalte haben Männer, die Anabolika einnehmen, ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit HIV, HBV und HCV. In einer Erhebung hatte sich fast jeder zehnte schwule Mann Anabolika oder andere Substanzen injiziert, und gaben diejenigen, die Anabolika einnahmen, häufiger ungeschützten Hochrisiko-Analverkehr an als andere Männer.
Gelegentlich führen Anabolika zu hypomanischen und manischen Symptomen (Reizbarkeit, Aggressivität, rücksichtsloses Verhalten sowie gelegentlich psychotischen Symptomen, die manchmal mit Gewaltausbrüchen einhergehen) und Major-Depression (gelegentlich mit Suizidalität) beim Anabolikaentzug. Außerdem nehmen die Männer neben den Anabolika oft noch weitere illegale Drogen ein, deren Wirkung durch Anabolika potenziert oder exazerbiert wird.
Zugang zum Patienten: Anabolikagebrauch
Die Anwender von Anabolika misstrauen Ärzten in der Regel und suchen sie nur selten auf. Wenn sie vorstellig werden, dann oft zur Behandlung des Anabolikaentzugssyndroms, einer Infertilität, einer Gynäkomastie oder anderer medizinischer oder psychischer Komplikationen des Anabolikagebrauchs. Der Verdacht auf Anabolikagebrauch besteht bei einem sehr muskulösen Mann mit erhöhten Hämoglobin- und Hämatokritwerten, supprimiertem luteinisierendem Hormon (LH), Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) und Testosteron, reduziertem HDL-Cholesterin sowie geringen Hodenvolumen und Spermiendichte (Tab. 7e-3). In der Praxis reicht die Kombination dieser Befunde, gemeinsam mit einem vom Patienten angegebenen Anabolikagebrauch, der sich meist bei einer taktvollen Befragung ergibt, für die Diagnose aus.
Zugelassene Labore weisen den Anabolikagebrauch mittels Gaschromatografie oder Flüssigkeitschromatografie und Massenspektrometrie nach. In den vergangenen Jahren wurde die Sensitivität für den Nachweis von Anabolika durch die hochauflösende Massenspektrometrie und die Tandem-Massenspektrometrie verbessert. Illegal eingenommenes Testosteron wird meist eher anhand des Testosteron-Epitestosteron-Quotienten im Urin nachgewiesen und durch die 13C/12C-Isotopen-Massenspektrometrie bestätigt. Durch die exogene Zufuhr von Testosteron wird die Ausscheidung von Testosteronglukuronid und damit der Testosteron-Epitestosteron-Quotient im Urin erhöht. Ein Verhältnis > 4 legt die exogene Zufuhr von Testosteron nahe, kann aber auch eine genetische Variante sein. Genetische Variationen in der Uridindiphosphoglukuronyltransferase 2B17 (UGT2B17), dem wichtigsten Enzym der Glukuronidierung von Testosteron, beeinflussen den Testosteron-Epitestosteron-Quotienten. Synthetisches Testosteron weist einen niedrigeren 13C/12C-Quotienten auf als endogen produziertes Testosteron. Diese Unterschiede lassen sich mittels 13C/12C-Isotopen-Massenspektrometrie nachweisen.
Behandlung: Komplikationen des Anabolikagebrauchs
Die nicht professionellen Gewichtheber, die Anabolika einnehmen, gehen nur selten zum Arzt und betrachten diese Substanzen und die assoziierte Lebensführung nicht als gesundheitsschädlich. Viele Internisten wiederum assoziieren Anabolikagebrauch mit Doping im Leistungssport, obwohl die meisten Anwender von Anabolika gar keine Leistungssportler sind. Außerdem mangelt es den Ärzten am Verständnis der Motivation für die Einnahme leistungssteigernder Substanzen, der Langzeitwirkungen der Anabolika und der assoziierten Psychopathologien, die sich auf die Behandlungsentscheidungen auswirken.
Neben der zugrunde liegenden Körperbildstörung, die zur Einnahme der Drogen motiviert, sollten auch die Symptome oder die Krankheit, wegen derer der Patient den Arzt aufsucht, wie Infertilität, sexuelle Funktionsstörungen, Gynäkomastie oder depressive Symptome, behandelt werden. Dementsprechend umfasst die Therapie eine kognitive und behaviorale Therapie der Muskeldysmorphie, die Gabe von Antidepressiva wegen einer Depression, von selektiven Phosphodiesterase-5-Hemmern wegen erektiler Dysfunktion, von selektiven Östrogenrezeptormodulatoren oder Aromatasehemmern zur Reaktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Hoden-Achse oder von hCG zur Wiederherstellung der Testosteronspiegel. Clomiphencitrat, ein partieller Östrogenrezeptoragonist, wird alle zwei Tage in einer Dosis von 25–50 mg gegeben und erhöht die LH- und FSH-Spiegel und stellt bei den meisten Männern mit Anabolikaentzugssyndrom den Testosteronspiegel wieder her. Allerdings erholt sich die sexuelle Funktion unter Clopmiphengabe trotz der höheren Testosteronspiegel unterschiedlich gut. In Einzelfällen wurden auch andere Aromatasehemmer, wie Anastrozol, gegeben. hCG, das dreimal in der Woche in einer Dosis von 750–1500 IU intramuskulär gegeben wird, kann den Testosteronspiegel in den Normalbereich anheben. Da manche Patienten weder auf Clomiphen noch auf hCG ansprechen, besteht die Möglichkeit von irreversiblen toxischen Langzeitauswirkungen der Anabolika auf die Funktion der Leydig-Zellen.
Lower urinary tract symptoms (LUTS) beim Mann
Zu den Lower urinary tract symptoms (LUTS) von Männern gehören Speicherstörungen (Harndrang, Pollakisurie bei Tag und Nacht und Dranginkontinenz), Miktionsstörungen (schwacher oder unterbrochener Harnstrahl, Schwierigkeiten beim Miktionsbegionn, Miktion nur mit Anstrengung, Schmerzen oder Beschwerden bei der Miktion und Harntröpfeln) sowie Symptome nach der Miktion (das Gefühl der inkompletten Blasenentleerung und Harnträufeln). Als Reizblase wird ein Harndrang mit oder ohne Dranginkontinenz bezeichnet. Sie geht in der Regel mit Pollakisurie und Nykturie einher und entsteht oft durch einen überaktiven Detrusor. Früher wurden die LUTS auf eine benigne Prostatahyperplasie zurückgeführt. Inzwischen ist jedoch deutlich geworden, dass die pathophysiologischen Mechanismen des LUTS komplex und multifaktoriell sind. Sie umfassen strukturelle und funktionelle Veränderungen von Blase, Blasenhals, Prostata, distalem Sphinkter und Urethra sowie Anomalien der Nervenkontrolle des unteren Harntrakts. Der Verdacht auf eine benigne Prostatahyperplasie besteht nur bei Männern mit LUTS mit nachweisbarer Prostatavergrößerung und Obstruktion. Diuretika, Antihistaminika, Antidepressiva und andere Medikamente mit anticholinergen Eigenschaften können LUTS bei älteren Männern auslösen oder exazerbieren. Die Stärke der LUTS-Symptome fluktuiert mit der Zeit.
Bei älteren Männern ist die LUTS-Prävalenz hoch. Die LUTS betreffen fast 50 % der Männer über 65 Jahre und 70 % der Männer über 80 Jahre. LUTS beeinträchtigen die Lebensqualität, weil sie sich auf den Schlaf und die Fähigkeit zur Durchführung von Alltagsaktivitäten auswirken und depressive Symptome auslösen. Oft sind die LUTS mit einer erektilen Dysfunktion assoziiert.
Zugang zum Patienten: LUTS
Die medizinische Evaluation umfasst die Beurteilung der Symptomschwere mit dem International Prostate Symptom Score sowie bei manchen Patienten mit der Aufzeichnung von Urinvolumen und Miktionsfrequenz. Auch die Auswirkungen von LUTS auf den Schlaf und die Alltagsaktivitäten sollten erfasst werden. Daneben sollte nach Medikamenten gefragt werden, die zu LUTS beitragen können. Außerdem sollten eine digitale Untersuchung der Prostata, eine neurologische Untersuchung des Damms und der Beine sowie eine Urinanalyse durchgeführt werden. Außerdem sollten ein Nüchternblutzuckerspiegel, die Elektrolyte, der Kreatininspiegel und der Spiegel des prostataspezifischen Antigens (PSA) bestimmt werden. Bei den meisten Patienten sind keine urodynamischen Studien erforderlich. Sie sollten aber durchgeführt werden, wenn invasive Interventionen erwogen werden.
Behandlung: LUTS
Männer mit leichten Symptomen können beruhigt und beobachtet werden. Männer mit leichten bis mittelschweren LUTS können mit α-adrenergen Antagonisten, Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE5-Hemmern), 5α-Reduktasehemmern oder Anticholinergika allein oder in Kombination behandelt werden. Therapie der Wahl sind in der Regel selektive Alphablocker. Bei Männern mit Verdacht auf eine benigne Prostatahyperplasie und LUTS bessern sich die Harnwegssymptome und die Flussrate durch die Gabe von 5α-Reduktasehemmern, wie Finasterid oder Dutasterid, über ein oder mehrere Jahre und das Prostatavolumen wird reduziert. Die Langzeitbehandlung mit 5α-Reduktasehemmern reduziert die Progression zum akuten Harnverhalt und die Notwendigkeit einer Prostataoperation. Die kombinierte Gabe von 5α-Reduktasehemmern und α1-Blockern kann die Harnwegssymptome rasch verbessern und reduziert das relative Risiko für einen akuten Harnverhalt und eine Operation. PDE5-Hemmer, die lang andauernd allein oder in Kombination mit α-Blockern gegeben werden, können die LUTS und die erektile Dysfunktion durch ihre Auswirkungen auf Stickoxid – zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) in Blase, Urethra und Prostata – bessern. Die PDE5-Hemmer verbessern jedoch nicht die Harnflussparameter. Zur Behandlung der Reizblase bei Männern mit starker Dranginkontinenz und ohne Hinweise auf ein erhöhtes Restharnvolumen werden Anticholinergika eingesetzt. Eine Operation ist indiziert, wenn die konservative Therapie versagt oder die Symptome trotz medizinischer Therapie voranschreiten.
Medizinische Komplikationen der Behandlung des Prostatakarzinoms
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung US-amerikanischer Männer. Es macht 29 % aller diagnostizierten Krebserkrankungen und etwa 13 % der krebsbedingten Todesfälle aus. Seine Inzidenz steigt, was zum Teil eine Folge des PSA-Screenings ist. Im Jahr 2013 wurden in den USA etwa 233.000 Prostatakarzinome neu diagnostiziert und starben 29.480 Männer aufgrund eines Prostatakarzinoms. Die meisten dieser Männer litten unter einem auf das Organ begrenztem Low-grade-Prostatakarzinom und hatten eine ausgezeichnete Langzeitprognose. Aufgrund des besseren Überlebens der Männer mit Prostatakarzinom hat sich das Interesse auf die hohe Prävalenz von sexuellen und körperlichen Funktionsstörungen und die geringe Vitalität verlagert. Diese Faktoren leisten einen wichtigen Beitrag zur schlechten Lebensqualität von Patienten mit Prostatakarzinom. Die Pathophysiologie dieser Symptome nach radikaler Prostatektomie ist multifaktoriell, aber die Denervierung und der Androgenmangel tragen wesentlich zu diesen Symptomen bei.
Ein Androgenmangel ist bei Männern mit Prostatakarzinom häufig. Die Testosteronspiegel nehmen mit dem Alter ab. Bei Männern mit Prostatakarzinom besteht allein schon aufgrund ihres Alters ein Risiko für einen niedrigen Testosteronspiegel. Noch niedriger als bei altersentsprechenden Kontrollen ohne Karzinom sind die Spiegel des Gesamttestosterons und des freien Testosterons bei Männern mit Prostatakarzinom nach Prostatektomie. Bei Männern mit Prostatakarzinom ist der Androgenmangel mit störenden Symptomen, wie Müdigkeit, sexuellen Funktionsstörungen, Hitzewallungen, eingeschränkter Mobilität und reduzierter körperlicher Funktion assoziiert. Selbst nach einer bilateralen nervenschonenden Operation entwickeln mehr als 50 % der Männer postoperativ eine sexuelle Funktionsstörung. Im Laufe der Zeit erholt sich die sexuelle Funktion zwar, 40–50 % der Männer empfinden ihre sexuelle Leistung aber 18 Monate nach radikaler Prostatektomie als problematisch. Sexuelle Funktionsstörungen sind für Männer mit lokal begrenztem Prostatakarzinom psychisch belastend. Neben dem Beitrag zu belastenden Symptomen erhöht der Androgenmangel bei Männern mit Prostatakarzinom das Risiko für Knochenfrakturen, Diabetes, koronare Herzkrankheit und Frailty.
Testosterontherapie bei Männern mit bekanntem Prostatakarzinom
Bislang galt ein bekanntes Prostatakarzinom als Kontraindikation für eine Testosterontherapie. Der Grund dafür waren Beobachtungen, wonach Testosteron das Wachstum von Metastasen des Prostatakarzinoms fördert. Das metastasierte Prostatakarzinom bildet sich nach einer Orchidektomie und Androgenentzugstherapie in der Regel zurück. Der Signalweg des Androgenrezeptors spielt eine zentrale Rolle für das kontinuierliche Wachstum der normalen Prostata und des Prostatakarzinoms. Bei hypogonadalen Männern sind die PSA-Spiegel niedriger und steigen nach einer Testosterontherapie. Auch ihr Prostatavolumen ist geringer und steigt nach einer Testosterontherapie auf die Höhe altersentsprechender Kontrollen.
Allerdings ist die Bedeutung von Testosteron beim Prostatakarzinom komplex. Epidemiologische Studien haben keinen konsistenten Zusammenhang zwischen dem Serumtestosteron und dem Prostatakarzinom hergestellt. Bei einer bahnbrechenden randomisierten Studie wirkte sich die Testosteronersatztherapie bei älteren Männern mit niedrigen Testosteronspiegeln weder auf die Androgenspiegel in der Prostata noch auf die Expression androgenabhängiger Prostatagene aus. Auch die Suppression der zirkulierenden Testosteronspiegel durch einen Antagonisten von Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) hat keinen Einfluss auf die Androgenkonzentration in der Prostata. Open-label-Studien und retrospektive Analysen der Testosteronersatztherapie bei Männern mit Prostatakarzinom, bei denen eine radikale Prostatektomie durchgeführt worden war und bei denen postoperativ keine PSA-Spiegel mehr nachweisbar sind, fanden nur sehr selten PSA-Rezidive. Selbst bei Männern mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie der Prostata (HGPIN) – einer Gruppe mit hohem Risiko für ein Prostatakarzinom – stieg nach einjähriger Testosterontherapie weder der PSA-Spiegel noch die Häufigkeit von Prostatakarzinomen.
Nach radikaler Prostatektomie und ohne residuelles Karzinomgewebe lässt sich PSA innerhalb eines Monats nicht mehr nachweisen. Ein 5 Jahre nach radikaler Prostatektomie nicht mehr nachweisbares PSA ist ein guter Vorhersagefaktor für ein biochemisch rezidivfreies Überleben. Daher ist das Rezidivrisiko bei Männern mit einem auf das Organ begrenzten Prostatakarzinom (pT2), einem Gleason-Score ≤ 6 und einem präoperativen PSA < 10 ng/ml mit 2 Jahre nach radikaler Prostatektomie nicht mehr nachweisbarem PSA (< 0,1 ng/ml) sehr niedrig (< 0,5 % nach 10 Jahren). Bei diesen Patienten ist individualisiert eine Testosteronersatztherapie möglich. Sofern mit einer Testosterontherapie begonnen wird, sollte sie durch engmaschige Kontrollen des PSA-Spiegels überwacht und ein Urologe hinzugezogen werden.
Medizinische Komplikationen der Androgenentzugstherapie
Bei einem Prostatakarzinom mit Fernmetastasen verbessert eine Androgenentzugstherapie das Überleben. Bei einer lokal fortgeschrittenen Krankheit verbessert eine Androgenentzugstherapie in Kombination mit einer externen Bestrahlung oder als adjuvante Therapie (nach Prostatektomie und Lymphadenektomie des Beckens) ebenfalls das Überleben. Allerdings wird die Androgenentzugstherapie zunehmend als Erstlinientherapie bei Männern mit lokalisierter Krankheit sowie bei biochemischen Rezidiven ohne klare Belege für einen Überlebensvorteil eingesetzt. Da die meisten Männer mit Prostatakarzinomen nicht an ihrem primären Malignom versterben, sind das Erkennen und das Management dieser unerwünschten Effekte von besonderer Bedeutung.
Der ausgeprägte Hypogonadismus durch die Androgenentzugstherapie geht mit einer sexuellen Funktionsstörung, vasomotorischen Symptomen, Gynäkomastie, reduzierter Muskelmasse und Muskelkraft, Frailty, erhöhter Fettmasse, Anämie, Fatigue, Knochenverlust, Verlust der Körperbehaarung, depressiven Symptomen und reduzierter Lebensqualität einher. Vor kurzem wurde diese Liste der Komplikationen um den Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Krankheiten ergänzt (Abb. 7e-3). Die Behandlung von Männern mit Prostatakarzinom mit GnRH-Agonisten führt zur raschen Abnahme von Insulinresistenz und Hyperinsulinämie sowie zur signifikanten Zunahme des Risikos für einen neuen Diabetes mellitus. Ein metabolisches Syndrom findet sich bei mehr als 50 % der Männer unter langdauernder Androgenentzugstherapie. Ein Teil der Studien hat bei Männern unter Androgenentzugstherapie ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, den Tod durch kardiovaskuläre Ereignisse und eine periphere Gefäßkrankheit bei Männern ermittelt. Außerdem ist auch ihr Risiko für thromboembolische Ereignisse erhöht und sie leiden öfter unter einer akuten Niereninsuffizienz als Männer ohne Androgenentzugstherapie. Dieses erhöhte Risiko scheint überwiegend mit der kombinierten Gabe eines GnRH-Agonisten und eines Antiandrogens zusammenzuhängen. Außerdem reduziert die Androgenentzugstherapie das Risiko für eine Osteoporose und Knochenfrakturen deutlich.
Abbildung 7e-3Unerwünschte kardiale, metabolische und skelettale Wirkungen der Androgenentzugstherapie bei Prostatakarzinom. Die Androgenentzugstherapie geht mit einem reduzierten Risiko für thromboembolische Ereignisse, Frakturen und Diabetes einher. Ein Teil der Studien hat ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ermittelt. (Die Daten zum relativen Risiko stammen aus: VB Shahinian et al: N Engl J Med 352:154, 2005; NL Keating et al: J Clin Oncol 24:4448, 2006; und JC Hu et al: Eur Urol 61:1119, 2012.)
Zugang zum Patienten: Männer unter Androgenentzugstherapie
Der Nutzen einer Androgenentzugstherapie des nicht metastasierten Prostatakarzinoms sollte sorgfältig gegen die Risiken der unerwünschten Wirkungen abgewogen werden (Tab. 7e-4). Sofern die Androgenentzugstherapie medizinisch indiziert ist, sollte eine intermittierende Gabe erwogen werden. Vor einer Androgenentzugstherapie sollten die Patienten auf das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes und Frakturen untersucht werden. Dazu werden der Blutzucker, die Blutfette und die Knochenmineraldichte (BMD) mittels Dual-Energie-Röntgenabsorptiometrie gemessen. Bei Männern mit Zustand nach einer Fraktur trotz eines minimalen Traumas und mit einem 10-Jahres-Risiko für osteoporotische Frakturen > 20 % werden Maßnahmen zur Prävention des Knochenverlusts, wie körperliche Aktivität, ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D, und eine pharmakologisch Therapie begonnen, sofern keine Kontraindikationen bestehen. Männer mit einem Prostatakarzinom, die eine Androgenentzugstherapie erhalten, sollten auf eine Gewichtszunahme und einen Diabetes mellitus überwacht werden. Das Risiko für kardiale und metabolische Komplikationen lässt sich durch Veränderungen der Lebensführung, wie körperliche Aktivität und Sport, sowie die Beachtung von Körpergewicht, Blutdruck, Fettprofil, Blutglukose und Raucherentwöhnung, reduzieren. In randomisierten Studien wurden Hitzewallungen effektiver durch Medroxyprogesteron, Cyproteronacetat und den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin gelindert als durch Placebo. Die Nebenwirkungen dieser Therapien, wie Appetitsteigerung und Gewichtszunahme durch Medroxyprogesteron, eine Gynäkomastie durch Östrogenkomponenten und Mundtrockenheit durch Venlafaxin, sollten gegen ihre relative Effektivität abgewogen werden. Akupunktur, Sojaprodukte, Vitamin E und Pflanzenpräparate wurden trotz mangelnder Evidenz für ihre Wirkung empirisch zur Behandlung der vasomotorischen Symptome eingesetzt. Eine Gynäkomastie lässt sich durch eine lokale Bestrahlung oder die Gabe von Antiöstrogen oder einem Aromatasehemmer verhindern. Diese Therapien lindern zwar die Schmerzen effektiv, können aber eine einmal induzierte Gynäkomastie weniger effektiv zurückbilden.
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