93e Weltweite Demografie des Alterns
Die Alterung der Bevölkerung verändert die gesamte Welt dramatisch und grundlegend. Die Altersverteilung der Bevölkerung hat sich verändert und wird sich wegen der weiteren Abnahme der Geburtenrate und der Verringerung der Mortalität auch weiterhin radikal verändern. Diese Transformation, die als demografischer Übergang bezeichnet wird, wird von einem epidemiologischen Übergang begleitet, indem nicht übertragbare chronische Krankheiten zur weltweit häufigsten Todesursache und den wichtigsten Faktoren für Krankheitslast und Erwerbsunfähigkeit werden.
Ein Begleitumstand der Bevölkerungsalterung ist die Veränderung der Schlüsselquotienten, welche die „Abhängigkeit“ der einen von den anderen ausdrücken: Das Verhältnis zwischen der arbeitenden und nicht arbeitenden Bevölkerung, also Säuglingen, Kindern, „jungen“ Rentnern (die noch vielfach aktiv sind, aber keiner bezahlten Arbeit mehr nachgehen) und den ganz Alten. Die globale Alterung wird sich auf das ökonomische Wachstum, die Migration, die Arbeits- und Ruhestandsformen, die Familienstrukturen, die Renten- und Sozialsysteme und sogar auf den Handel und das Verhältnis der Nationen zueinander auswirken.
Sowohl die Anzahl (die Größe einer Altersgruppe) als auch die Quotienten (zwischen der arbeitenden und nicht arbeitenden Bevölkerung aus Säuglingen, Kindern und älteren Menschen) sind wichtig. Die Größe der Altersgruppen in einer Bevölkerung wirkt sich auf die erforderlichen Krankenhausbetten aus, während sich aus dem Verhältnis zwischen Kindern und älteren Menschen der Bedarf an Pädiatern und Geriatern abschätzen lässt.
Für die deutsche Ausgabe Ilja Demuth und Elisabeth Steinhagen-Thiessen
Die Alterung der Bevölkerung verändert die gesamte Welt dramatisch und grundlegend. Die Altersverteilung der Bevölkerung hat sich verändert und wird sich wegen der weiteren Abnahme der Geburtenrate und der Verringerung der Mortalität auch weiterhin radikal verändern (Tab. 93e-1). Diese Transformation, die als demografischer Übergang bezeichnet wird, wird von einem epidemiologischen Übergang begleitet, indem nicht übertragbare chronische Krankheiten zur weltweit häufigsten Todesursache und den wichtigsten Faktoren für Krankheitslast und Erwerbsunfähigkeit werden. Ein Begleitumstand der Bevölkerungsalterung ist die Veränderung der Schlüsselquotienten, welche die „Abhängigkeit“ der einen von den anderen ausdrücken: Das Verhältnis zwischen der arbeitenden und nicht arbeitenden Bevölkerung, also Säuglingen, Kindern, „jungen“ Rentnern (die noch vielfach aktiv sind, aber keiner bezahlten Arbeit mehr nachgehen) und den ganz Alten. Die globale Alterung wird sich auf das ökonomische Wachstum, die Migration, die Arbeits- und Ruhestandsformen, die Familienstrukturen, die Renten- und Sozialsysteme und sogar auf den Handel und das Verhältnis der Nationen zueinander auswirken. Sowohl die Anzahl (die Größe einer Altersgruppe) als auch die Quotienten (zwischen der arbeitenden und nicht arbeitenden Bevölkerung aus Säuglingen, Kindern und älteren Menschen) sind wichtig. Die Größe der Altersgruppen in einer Bevölkerung wirkt sich auf die erforderlichen Krankenhausbetten aus, während sich aus dem Verhältnis zwischen Kindern und älteren Menschen der Bedarf an Pädiatern und Geriatern abschätzen lässt.
Der Anstieg der Lebenserwartung kann gut und gerne als die Errungenschaft der Menschheit in den letzten eineinhalb Jahrhunderten bezeichnet werden. Er ist die Folge zahlreicher medizinischer, sozialer und wirtschaftlicher Siege über Krankheiten. Die erhöhte Lebenserwartung und die Verschiebung des Anteils der abhängigen Bevölkerungsgruppen stellt jedoch längerfristig eine gewaltige Herausforderung dar.
Diese Veränderung schreitet immer schneller fort. In den Ländern, in denen der demografische Übergang früher begonnen hat, verlief er langsamer: Es dauerte 115 Jahre, bis der Anteil der Menschen ≥ 65 Jahren in Frankreich von 7 auf 14 % der Gesamtbevölkerung zunahm, und die USA werden dieselbe Zunahme in 69 Jahren erreicht haben. In Ländern, in denen der Übergang später begann, verläuft er weitaus rascher: In Japan dauerte die Veränderung des Bevölkerungsanteils der mindestens 65-Jährigen von 7 auf 14 % 26 Jahre, während China und Brasilien dafür nur noch 24 Jahre brauchen werden.
Gegen 2020 wird die Anzahl der mindestens 65-Jährigen weltweit erstmals diejenige der unter 5-Jährigen übersteigen. Etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts betrug der Anteil der unter 5-Jährigen fast 15 % der Gesamtpopulation und derjenige der über 65-Jährigen 5 %. Es dauerte etwa 70 Jahre, bis sich der Anteil dieser Altersgruppen umgekehrt hat. Bevölkerungsvorhersagen zeigen, dass es nur weitere 25–30 Jahre dauern wird, bis der Anteil der mindestens 65-Jährigen bei 15 % liegt und etwa doppelt so hoch ist wie der Anteil der jüngeren Altersgruppe. In den meisten Ländern sollten Medizinstudenten damit rechnen, dass sie etwa in der Mitte ihres beruflichen Lebens weitaus ältere Patienten behandeln werden. Die Vorbereitungen auf diese Veränderungen müssen bereits Jahrzehnte vorher beginnen und die Kosten und Nachteile des Wartens sind hoch. Während manche Regierungen bereits mit einer Langzeitplanung begonnen haben, trifft das für die meisten nicht zu.
Geschichte Bevölkerungsalterung
Die Bevölkerungsalterung der letzten Jahrzehnte folgt weltweit einem vergleichbaren Muster. Sie begann mit der Abnahme der Säuglings- und Kindersterblichkeit, gefolgt von einer Abnahme der Geburtenrate und später nahm die Mortalität in höherem Alter ebenfalls ab. Der Rückgang der Fertilität begann bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den USA und Frankreich und breitete sich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts über den Rest von Europa und Nordamerika und Teile von Ostasien aus. Seit dem 2. Weltkrieg hat sich die Reduktion der Fertilität auf alle Regionen weltweit ausgebreitet. Tatsächlich lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung inzwischen in Ländern und Provinzen mit Fertilitätsraten unter der Reproduktionsrate von etwas mehr als zwei Lebendgeburten pro Frau. Auch die Mortalität begann sich – zunächst relativ langsam – in Westeuropa und Nordamerika im Laufe des 19. Jahrhunderts zu verändern. Anfangs waren die Veränderungen in den jüngeren Altersklassen am deutlichsten. Vor den 1940er-Jahren beruhte dieser Effekt überwiegend auf der Verbesserung der Wasserversorgung und der Abwasserbehandlung sowie der Ernährung und der Wohnverhältnisse. Danach überwog der Einfluss von Antibiotika und Schutzimpfungen sowie der immer besseren Schulung der Mütter. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich die „Child Survival Revolution“ über alle Teile der Welt ausgebreitet. Dadurch erreichen die Kinder in fast allen Teilen der Welt mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit ein mittleres Lebensalter als in den vorausgegangenen Generationen.
Vor allem seit etwa 1960 nahm die Mortalität der höheren Altersstufen deutlich ab. Diese Verbesserung beruhte vornehmlich auf Fortschritten bei der Behandlung von Herzkrankheiten und Schlaganfällen sowie bei der Kontrolle von Krankheiten wie Hypertonie und Hypercholesterinämie, die zu Kreislauferkrankungen führen. In einigen Teilen der Welt hat der Raucheranteil abgenommen, was zur Reduktion der Inzidenz vieler Krebserkrankungen, Herzerkrankungen und von Schlaganfällen geführt hat.
Durch den anfänglichen Rückgang der Fruchtbarkeit nahm der Anteil der älteren Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung zu. Der Rückgang der Mortalität von Erwachsenen und älteren Menschen spielte in den späteren Phasen des Prozesses eine Rolle. Die Lebenserwartung bei der Geburt – das durchschnittliche Alter, das jemand unter den gegebenen Mortalitätsbedingungen voraussichtlich erreichen wird – wurde für das antike Griechenland mit 28 Jahren berechnet, für das mittelalterliche England mit etwa 30 Jahren und für die Kolonie Virginia in Nordamerika mit weniger als 25 Jahren. In den USA stieg die Lebenserwartung langsam im Laufe des 19. Jahrhunderts und erreichte 1900 für weiße Frauen 49 Jahre. Im Jahr 1900 lag die Lebenserwartung weißer Männer 2 Jahre unter der für weiße Frauen und diejenige schwarzer Amerikaner 14 Jahre unter derjenigen weißer Amerikaner. Bis ins frühe 21. Jahrhundert hatte sich die Lebenserwartung in den USA dramatisch für alle verbessert, wobei die Geschlechtsunterschiede zu Beginn des Jahrhunderts stärker und die ethnischen Unterschiede geringer waren: 76 Jahre für weiße Männer, 81 Jahre für weiße Frauen und 70 und 76 Jahre für schwarze Männer und Frauen im Jahr 2006. Die USA hatten noch 1980 eine verglichen mit anderen Ländern mit hohem Einkommen hohe Lebenserwartung, inzwischen haben aber alle derartigen Länder die USA hinsichtlich der Lebenserwartung überholt. Besonders schlecht hat sich in den USA die Lebenserwartung von Frauen und insbesondere von Kaukasierinnen entwickelt, was auf die relativ hohe Anzahl von Raucherinnen zurückgeführt wird.
In späteren Stadien des demografischen Übergangs nahm die Mortalität der ältesten Menschen ab, sodass der Anteil der über 65-Jährigen und der über 85-Jährigen anstieg. Auch die Migration kann sich auf die Bevölkerungsalterung auswirken. Der Einfluss junger Migranten mit höherer Geburtenrate kann den Prozess verlangsamen (aber nicht aufhalten) wie in den USA und Kanada. Aber auch eine Auswanderung der Jungen, sodass die Alten zurückbleiben, kann die Alterung der Bevölkerung beschleunigen, wie es in vielen ländlichen Regionen weltweit zu beobachten ist.
Regionale Alterung – Anzahl und Anteil der über 60-Jährigen
Die einzelnen Regionen der Welt befinden sich in sehr unterschiedlichen Stadien des demografischen Übergangs (Abb. 93e-1). Bei einer Weltbevölkerung von 6,8 Mrd. im Jahre 2012 waren etwa 11 % über 60 Jahre alt, wobei Japan (32 %) und Europa (22 %) am ältesten waren (Deutschland und Italien jeweils 27 %), in den USA waren es 19 %. In den USA ist der Anteil der mindestens 60-Jährigen wegen der etwas höheren Fertilitätsrate und höheren Immigrationsrate weiterhin niedriger als in Europa. In Asien sind etwa 10 % älter als 60 Jahre, wobei sich die Staaten mit den weltweit größten Populationen im Mittelfeld bewegen – China (12 %), Indonesien (9 %) und Indien (7 %). In den Staaten des Mittleren Ostens und Afrikas liegt der Anteil älterer Menschen am niedrigsten (≤ 5 %).
Anhand von Schätzungen der United Nations Population Division waren im Jahre 2012 809 Mio. Menschen älter als 60 Jahre. Davon lebten 279 Mio. in den weiter entwickelten Ländern, 530 Mio. in den weniger entwickelten Ländern (gemäß der UN-Definition). Die Länder mit den größten Bevölkerungszahlen der über 60-Jährigen waren China (181 Mio.), Indien (100 Mio.) und die USA (60 Mio.).
Zahlen – Extrapolation der Populationsgröße
Populationsschätzungen verwenden die erwartete Fertilität, Mortalität und die Migrationsraten und sind bei Schätzungen von mehr als 40 Jahren in die Zukunft unzuverlässig. Allerdings wurden all jene, die im Jahre 2050 mindestens 60 Jahre alt sein werden, im Jahre 2014 geboren und haben die Kindheit überlebt, sodass die Unsicherheit über ihre Anzahl nicht groß ist (im Gegensatz zu ihrem Anteil an der Gesamtpopulation). Der Vergleich der Weltkarten von 2010 (Abb. 93e-1) und 2050 (Abb. 93e-2) zeigt, dass die Länder Lateinamerikas, Asiens und großer Teile Afrikas mit mittlerem und geringem Einkommen ebenfalls zur „ältesten“ Kategorie gehören werden. In weniger als 40 Jahren zwischen 2012 und 2050 geht die United Nations Population Division davon aus, dass sich die Weltbevölkerung ≥ 60 Jahre auf 2,03 Mrd. nahezu verdreifachen und in den am geringsten entwickelten Ländern sogar mindestens vervierfachen wird. Für China wird die Bevölkerung ≥ 60 Jahre auf 439 Mio. geschätzt, für Indien auf 323 Mio. und für die USA auf 107 Mio. Im Laufe der nächsten 40 Jahre nimmt das mittlere Alter der Weltbevölkerung voraussichtlich um 10 Jahre zu.
Derzeit liegt die Lebenserwartung bei der Geburt weltweit bei schätzungsweise 65,4 Jahren für Männer und 69,8 Jahren für Frauen, wobei die Zahlen für die besser entwickelten Regionen auf 73,6 bzw. 80,5 Jahre geschätzt werden. Die Lebenserwartung der am geringsten entwickelten Länder liegt hingegen im Schnitt nur bei 57,2 Jahren für Frauen und 54,7 Jahren für Männer. Die Lebenserwartung bei der Geburt hängt stark von der Säuglings- und Kindersterblichkeit ab, die in armen Ländern erheblich höher ist. In höheren Altersgruppen ist die Schere zwischen reichen und armen Ländern kleiner, sodass Frauen im Alter von 60 Jahren in wohlhabenden Ländern mit durchschnittlich 23,7 weiteren Lebensjahren rechnen können und in ärmeren Ländern mit 16,8 Jahren – ein signifikanter Unterschied, der aber nicht so ausgeprägt ist wie die Lebenserwartung bei der Geburt. Bei dem geringsten Bruttosozialprodukt pro Kopf zeigt die Lebenserwartung einen starken positiven Zusammenhang mit der ökonomischen Entwicklung, anschließend nähert sich dieser Zusammenhang jedoch null. Für Länder mit einem Durchschnittseinkommen von mehr als etwa 20.000 US-Dollar jährlich besteht kein enger Zusammenhang mehr zwischen der Lebenserwartung und dem Einkommen. Auf jedem ökonomischen Entwicklungsniveau bestehen signifikante Unterschiede der Lebenserwartung, sodass diese vermutlich noch von anderen Faktoren beeinflusst wird.
Derzeit haben Japan, Frankreich, Italien und Australien mit die höchste Lebenserwartung weltweit, während die USA hinter den anderen Ländern mit hohem Einkommen seit etwa 1980 hinterherhinken, vor allem bei weißen Frauen. Die Ursachen für diesen Rückstand werden derzeit untersucht, der Tabakkonsum über die Jahre (Päckchen pro Jahr) und die Prävalenz der Adipositas scheinen aber eine wichtige Rolle zu spielen.
Zunahme der ältesten Populationsanteile – die über 85-Jährigen
Ein moderner Aspekt der Bevölkerungsalterung ist die nahezu explosive Zunahme der ältesten Altersgruppe, womit entweder die über 80-Jährigen oder die über 85-Jährigen gemeint sind. Dies ist die Altersgruppe mit der höchsten Rate nicht übertragbarer degenerativer Krankheiten und verwandter Erkrankungen. Vor 30 Jahren erweckte diese Gruppe nur geringe Aufmerksamkeit, da sie bei den meisten Statistiken in der allgemeinen älteren Population verborgen war, so zählte das U.S. Census Bureau sie zur Gruppe der mindestens 65-Jährigen. Die Reduktion der Mortalität im höheren Alter sowie der höhere Anteil der Neugeborenen, die ein hohes Alter erreichen, führte zum raschen Anstieg der Anzahl der sehr alten Menschen. Diese Altersgruppe wird signifikant schneller wachsen, als die Population der mindestens 60-Jährigen, und man schätzt, dass die Zahl der derzeit 102 Mio. über 80-Jährigen bis 2050 auf fast 400 Mio. zunehmen wird (Tab. 93e-2). Die vorhergesagten Zuwächse sind erstaunlich: Die über 80-jährige Bevölkerung nimmt in China vermutlich von 20 Mio. auf 96 Mio. zu, in Indien von 8 Mio. auf 43 Mio., in den USA von 12 Mio. auf 32 Mio. und in Japan von 9 Mio. auf 16 Mio. Die Anzahl der über 100-Jährigen nimmt sogar noch schneller zu.
Entwicklung der Lebenserwartung
Die Mitglieder der Bevölkerung, die im Jahre 2050 mindestens 80 Jahre alt sein könnten, leben heute schon. Daher hängt die tatsächliche Anzahl der mindestens 80-Jährigen im Jahre 2050 fast ausschließlich von der Mortalität der Erwachsenen und Älteren in den nächsten 35 Jahren ab. Die bereits erfolgte Abnahme der Mortalität und die Zunahme der Lebenserwartung legen nahe, dass die Verbesserung des Lebensstandards (z. B. die vermehrte und bessere Bildung und die bessere Ernährungssituation) sowie die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit (z. B. durch die Keimtheorie von Krankheiten und Entwicklung von Antibiotika, durch das Verständnis von Risikofaktoren für kardiovaskuläre und Kreislauferkrankungen) erst nach dem 2. Weltkrieg zu wichtigen Faktoren wurden, wobei die größten Fortschritte für kardiovaskuläre Erkrankungen erst in den letzten Jahrzehnten erfolgt sind. Die Reduktion der Kindersterblichkeit im letzten Jahrhundert wurde überwiegend auf die bessere Bildung der nachfolgenden Generationen zurückgeführt, da gebildete Mütter die Bedeutung und die Maßnahmen zur Infektionskontrolle besser verstehen und umsetzen können. Die Auswirkungen des anhaltenden Fortschritts werden in den kommenden Jahrzehnten sichtbar werden, da der Bildungsfortschritt mit einem besseren Gesundheitszustand und Überleben im Alter zusammenhängt. Die Bildung der „künftigen Älteren“ unterscheidet sich in den einzelnen Ländern. In China wird die ältere Population im Jahre 2050 deutlich besser gebildet sein (wobei mehr als zwei Drittel der mindestens 65-Jährigen eine weiterführende Schule besucht haben) als im Jahre 2000 (als nur 10 % der Älteren eine weiterführende Ausbildung hatten). In den USA und anderen Industrienationen hat sich diese Änderung bereits fast vollständig vollzogen, hier werden künftige Änderungen der Bildung der älteren Bevölkerung weniger dramatische Auswirkungen haben.
Abgesehen von der Möglichkeit neuer Infektionskrankheiten, die Populationen reduzieren, wie AIDS in einigen afrikanischen Ländern, drehen sich die Diskussionen über die künftige Lebenserwartung um das Gleichgewicht und den Einfluss von Risikofaktoren wie Adipositas, die Möglichkeit der Reduktion von Todesfällen durch derzeitige Killer wie Krebs, Herzkrankheiten und Diabetes, eine eventuelle natürliche Begrenzung der Lebenserwartung und die vage, aber nicht ganz zu verneinende Möglichkeit, dass die Wissenschaft einen Weg finden wird, den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Vermutete Grenzen der menschlichen Lebenserwartung wurden mit einer gewissen Regelmäßigkeit überschritten und werden von den Ältesten der Länder mit der höchsten Lebenserwartung übertroffen. Derzeit gibt es kaum Hinweise auf eine Annäherung an eine Asymptote. Überraschend war, dass die Lebenserwartung im führenden Land, wobei dies in verschiedenen Epochen jeweils ein anderes Land war, in den letzten eineinhalb Jahrhunderten nahezu perfekt durch eine gerade Linie dargestellt werden konnte. Der Anstieg bei den Frauen entspricht einer stetigen und erstaunlichen Zunahme von 3 Monaten pro Jahr oder 2,5 Jahren pro Jahrzehnt (Abb. 93e-3). Kein einzelnes Land behielt das Tempo der Verbesserung über die gesamte Zeit bei. Allerdings stellt dieser Trend die Vorstellung infrage, dass sich dieser Anstieg verringern muss, zumindest in der nahen Zukunft.
Der Gesundheitszustand unterscheidet sich innerhalb und zwischen nationalen Bevölkerungen stark. Die Veränderung der Mortalität ist nicht unumkehrbar; in mehreren afrikanischen Ländern war die AIDS-Prävalenz hoch genug, um die Lebenserwartung unter das Niveau von 1980 abzusenken. Obwohl die Größenordnung der AIDS-Epidemie bislang nicht wieder erreicht wurde, erinnern uns periodische Ausbrüche von neuen Influenzaviren oder „neu aufgetretenen“ Infektionen daran, dass Infektionskrankheiten wieder in den Vordergrund treten könnten. Auch der Fortschritt im Kampf gegen chronische Erkrankungen ist umkehrbar: In Russland und einigen anderen ehemaligen Mitgliedsländern der Sowjetunion vor 1992 ist die Lebenserwartung von Männern rückläufig und erreicht nun Werte unter denen der Männer in Südasien. Ein großer Teil der Abweichung zwischen russischen und westeuropäischen Männern wird durch häufigere Herzerkrankungen und Verletzungen bei Ersteren erklärt.
Abhängigkeits- und Pflegequotienten
Die Quotienten der verschiedenen Altersgruppen sind nützliche, wenn auch grobe Indikatoren des potenziellen Bedarfs und der Verfügbarkeit von Ressourcen. Quotienten, die oft als Abhängigkeits- oder Pflegeverhältnisse bezeichnet werden, vergleichen den Anteil der Erwerbstätigen mit dem der abhängigen Altersgruppen – also den Jungen und Alten oder nur den Alten. Ein häufig verwendeter Quotient setzt die Anzahl der Menschen im Alter von 15–64 Jahren ins Verhältnis mit den mindestens 65-Jährigen. Obwohl in manchen Ländern viele Menschen erst berufstätig werden, wenn sie deutlich älter als 15 Jahre sind, sich zur Ruhe setzen, bevor sie 65 Jahre alt sind, oder noch arbeiten, obwohl sie schon älter als 65 Jahre sind, lassen diese Quotienten wichtige Zusammenhänge erkennen. Dies gilt vor allem für Länder, wo die finanzielle Unterstützung der Ruheständler zum Teil oder überwiegend von den noch Berufstätigen stammt – entweder durch ein staatliches Rentensystem oder durch intrafamiliäre Unterstützung. Während viele Länder kein allgemeines staatliches, sondern nur ein auf bestimmte Sektoren beschränktes Rentensystem besitzen (z. B. für Regierungsangestellte), sind die öffentlichen Rentenkassen in Europa recht großzügig, durchlaufen jedoch durch die Veränderung der Abhängigkeitsquotienten derzeit einen dramatischen Wandel. In den nächsten 40 Jahren wird dieser Quotient in Westeuropa von 4 auf 2 absinken. Während also heute grob betrachtet 4 Arbeitnehmer für die Pension und andere Kosten jeder alten Person aufkommen, werden dies im Jahre 2050 nur noch 2 sein. In China nimmt der Quotient sogar noch stärker ab, von 9 Arbeitnehmern auf nur 3 und in Japan von 3 auf nur noch 1. Selbst in Indien, dem Land mit der größten Bevölkerung, ist die Abnahme recht steil von 13 auf 5.
Die dramatisch sinkende Anzahl der Berufstätigen, die (unabhängig von der Berechnung) auf eine ältere Person kommen, ist der Kernpunkt der ökonomischen Herausforderung durch die Bevölkerungsalterung. Die zusätzlichen Lebensjahre, die als krönende Errungenschaft der Medizin und öffentlichen Gesundheit der letzten 150 Jahre betrachtet werden können, müssen finanziert werden. Das ökonomische Modell des Lebenszyklus geht davon aus, dass Menschen nur für eine begrenzte Anzahl an Jahren produktiv sind und dass die während dieser Zeit erwirtschafteten Einnahmen geglättet werden müssen, um den Konsum während der ökonomisch weniger produktiven Jahre auszugleichen. Diese Unterstützung der Jungen, Alten und Schwachen muss entweder innerhalb der Familien erfolgen oder durch staatliche Einrichtungen. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten, um der verlängerten Phase der Abhängigkeit zu begegnen, wie die Erhöhung der Produktivität der Berufstätigen, die Erhöhung der Sparrücklagen, die Senkung des Konsums, die Erhöhung der Arbeitsjahre (durch Heraufsetzung des Rentenalters), die Anhebung der freiwilligen nicht monetären Beiträge der Ruheständler und die Immigration zahlreicher junger Arbeitnehmer in den „alten“ Ländern. Der Druck auf die Industrienationen zur Heraufsetzung des Rentenalters und zur Senkung der Leistungen nimmt zu. Keine dieser Maßnahmen kann jedoch die Anpassung an die Bevölkerungsalterung alleine meistern, da die Veränderungen dafür so nachhaltig sein müssten, dass dies politisch nicht vertretbar wäre. Wahrscheinlicher ist demnach eine Kombination dieser Maßnahmen.
Die Populationsgesundheit und die Fähigkeit zur Teilnahme am Arbeits- und Alltagsleben beeinflussen diese Bevölkerungsquotienten signifikant. Die physische und kognitive Fähigkeit zur Arbeit im höheren Alter ist entscheidend, wenn das Ruhestandsalter heraufgesetzt wird. Auch Pflege erfordert oft erhebliches körperliches und emotionales Durchhaltevermögen. Außerdem benötigen gesunde ältere Menschen weniger Pflege und medizinische Versorgung. Nur vor zwei Jahrzehnten wurde Altern überwiegend pessimistisch betrachtet. Die Epidemiologen behaupteten, dass die moderne Medizin ältere Menschen zwar am Leben erhalten, die degenerativen chronischen Alterskrankheiten aber weder verhindern noch hinauszögern oder gar behandeln könne. Dadurch würden immer mehr chronisch kranke ältere Menschen nicht sterben, sodass es immer mehr ältere Menschen gäbe, die durch chronische Krankheiten gebrechlich seien. Überraschend war, dass die Prävalenz der Gebrechlichkeit bei den mindestens 65-Jährigen in den USA zwischen 1984 und etwa 2000 um etwa 25 % abnahm, sodass Altern wohl formbarer war als bislang angenommen (Abb. 93e-4). Nicht alle Ursachen dieser signifikanten Verschiebung der Pflegebedürftigkeit sind bislang verstanden, einen Beitrag leisten aber vermutlich die bessere Bildung, die bessere Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten und Katarakte, die bessere Verfügbarkeit von Hilfsmitteln und die körperlich weniger anstrengenden Berufe. Eine Berechnung zeigte, dass die Besserungsrate in den USA bis ins Jahr 2050 aufrechterhalten werden könnte, dass die Anzahl der Behinderten unter der älteren Bevölkerung trotz der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge und der Alterung der älteren Population konstant gehalten werden könnte. Leider wird befürchtet, dass die rasch zunehmende Häufigkeit der Adipositas diesen sehr positiven Trend negieren oder sogar umkehren wird. Da in anderen Ländern vergleichbare Daten fehlen, ist unklar, ob sich diese Gebrechlichkeitsraten außerhalb der USA genauso verlangsamen (oder abnehmen). Schätzungen und Extrapolationen der Krankheitsprävalenz, basierend auf Daten der Global Burden of Disease Study, ergeben, dass die weltweite Population der „abhängigen und pflegebedürftigen“ Menschen von etwa 350 Millionen im Jahr 2010 bis zum Jahr 2050 auf mehr als 600 Millionen ansteigen wird. Weltweit leidet etwa die Hälfte der älteren pflegebedürftigen Menschen (zwei Drittel der abhängigen Population ≥ 90 Jahren) unter einer Demenz oder kognitiven Einschränkung. Inzwischen liefert ein globales Netzwerk aus longitudinalen Studien über Alterung, Gesundheit und Ruhestand Daten, die in der Zukunft zuverlässige Extrapolationen über Krankheits- und Behinderungstrends ermöglichen dürften. Eine Schätzung (World Alzheimer’s Report 2010) errechnete, dass die Anzahl von weltweit 36 Millionen Menschen mit Alzheimer-Krankheit im Jahr 2010 bis zum Jahr 2050 auf 115 Millionen ansteigen wird. Die stärkste Zunahme fände sich demnach in den Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen, wo bereits jetzt zwei Drittel der Betroffenen leben. Die geschätzten Kosten betrugen im Jahr 2010 insgesamt 604 Milliarden US-Dollar, davon entfielen 70 % auf Nordamerika und Westeuropa. Eine Studie aus 2013 ermittelte anhand von nationalen repräsentativen Daten aus den USA, dass sich die jährlichen Demenzkosten auf bis zu 215 Milliarden US-Dollar belaufen. Die direkten Kosten der Demenzpflege übersteigen die direkten Kosten für Herz- und Krebserkrankungen. Angesichts der altersassoziierten Prävalenz der Demenz und der erwarteten Zunahme in der älteren Bevölkerung sowie der Abnahme der zur Pflege fähigen Familienmitglieder müssen sich die Länder auf eine Pandemie von Menschen vorbereiten, bei denen eine Langzeitbehandlung erforderlich ist.
Die Bevölkerungsalterung und die damit einhergehenden demografischen Änderungen, wie Änderungen der Familienstruktur, könnten nachhaltige, indirekte Effekte seitens der „Versorgerseite“ und Finanzierung der Gesundheitsversorgung haben. In jedem Land beruht die Langzeitpflege der Behinderten und chronisch Kranken stark auf inoffiziellen, meist unbezahlten Pflegepersonen – meistens Ehegatten und Kinder. Mit steigender Tendenz sind in den stärker entwickelten Ländern dabei die Pflegepersonen der ältesten Menschen selbst bereits 60 bis Anfang 70. Obwohl sich darunter viele Männer befinden, erfolgt die Pflege, auf die Bevölkerung bezogen, weiterhin überwiegend durch Frauen. Da Frauen jedoch länger leben als Männer, ist der fehlende pflegende Ehegatte überwiegend ein Problem der älteren Frauen. Sowohl Männer als auch Frauen haben aufgrund der weltweiten Abnahme der Geburten weniger Kinder, auf die sie zur Pflege zurückgreifen können. Immer mehr der älteren Männer in Europa und Nordamerika haben einen Großteil oder fast ihr gesamtes erwachsenes Leben getrennt von ihren biologischen Kindern verbracht. Niedrigere Geburtenraten, höheres Heiratsalter und zunehmende Scheidungsraten bedeuten, dass die älter werdenden Menschen mit geringerer Wahrscheinlichkeit engere Bindungen zu ihren Töchtern oder Schwiegertöchtern entwickeln – den Erwachsenen, die nach den Ehegatten die wahrscheinlichsten Pflegepersonen sind. Erwachsene Frauen, die in der Vergangenheit unentgeltlich Angehörige gepflegt haben (und andere freiwillige Arbeiten verrichtet haben), gehen heute mit höherer Wahrscheinlichkeit einer bezahlten Tätigkeit nach und haben dadurch nur noch wenige Stunden für unbezahlte Tätigkeiten zur Verfügung.
Diese demografischen und ökonomischen Trends erfordern natürlich besondere soziale und politische Anpassungen. Man kann sich leicht vorstellen, dass es verschiedene Möglichkeiten zur Pflege der Gebrechlichen gibt, wie den stärkeren Verlass auf Heimpflegedienste und betreutes Wohnen, „Alten-WGs“, in denen die Nachbarn viele der Rollen übernehmen, die früher engen Angehörigen vorbehalten waren, oder privat oder öffentlich finanzierte Direktleistungen zur Kompensation bislang unbezahlter familiärer Pflegepersonen (was sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreut). Diese und andere Reaktionen auf die Herausforderung durch die Langzeitpflege werden in alternden Ländern getestet und sicher sind weitere Studien erforderlich.
Der epidemiologische Übergang – Veränderungen von Krankheitslast und Risikofaktoren
Die allgemeine Erhöhung des Alters bei Todeseintritt wurde von Veränderungen der Todesursachen begleitet. Grob betrachtet hat der Anteil der Todesfälle aufgrund von Infektionskrankheiten und Krankheiten im Rahmen von Schwangerschaft und Entbindung abgenommen, während der Anteil chronischer, nicht übertragbarer Krankheiten, wie Herzkrankheiten, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen und altersabhängige neurodegenerative Krankheiten wie die Alzheimer-Krankheit und die Parkinson-Krankheit, stetig zugenommen hat und wohl weiter zunehmen wird. Abbildung 93e-5 zeigt die Ergebnisse eines internationalen Vergleichsprojekts, das anhand zahlreicher verschiedener Datenquellen die globale Krankheitslast zu Beginn dieses Jahrhunderts berechnet sowie anhand der Krankheitsprävalenz und der demografischen Entwicklung Schätzungen für künftige Jahre aufgestellt hat. In diesem Tortendiagramm ist die Krankheitslast ein zusammengesetzter Wert, der die Anzahl und den Zeitpunkt der Todesfälle an einer bestimmten Krankheit berücksichtigt. Durch den Tod eines Säuglings gehen mehr potenzielle Lebensjahre verloren als durch den Tod eines sehr alten Menschen. Allerdings ist der Tod nicht der einzige wichtige Faktor; die meisten nicht tödlichen Krankheiten führen zu erheblichen Behinderungen und Leid, sodass dieses Maß durch statistische Abwägung die Belastung durch nicht tödliche Faktoren erfasst. Wie Tabelle 93e-3 zeigt, gehören die „modernen Seuchen“ der chronischen, nicht übertragbaren Krankheiten selbst in den Ländern mit niedrigem Einkommen bereits zu den führenden Ursachen für vorzeitige Todesfälle und Behinderungen. Die Ursachen dafür sind vielfach: Die niedrigere Fertilitätsrate bedeutet, dass sich weniger Säuglinge und Kinder im infektionsgefährdeten Alter befinden, es erreichen mehr Menschen ein hohes Alter, in dem chronische Krankheiten häufiger sind, und oft verändert sich die Inzidenz durch den erhöhten Tabakkonsum, die westliche Ernährung und Bewegungsmangel. In den Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommen werden die einst als „Wohlstandskrankheiten” bezeichneten nicht übertragbaren Krankheiten im Jahr 2030 vermutlich für mehr als die Hälfte der Krankheitslast verantwortlich sein (Abb. 93e-5).
Zusammenfassung Bevölkerungsalterung
Bevölkerungsalterung ist ein globales Phänomen mit erheblichen kurz- und langfristigen Auswirkungen auf die Ressourcen der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sowie auf die ökonomische und soziale Gesundheit der Nationen. Ablauf und Kontext der Alterung unterscheiden sich zwischen den Ländern und Anteilen der Welt. Die Industrienationen erreichten vor der deutlichen Bevölkerungsalterung Wohlstand, während viele der Regionen mit geringen Ressourcen altern werden, bevor die Industrialisierung vollzogen wurde. Die Unterschiede auf Populationsebene und individueller Ebene belegen eine erhebliche Flexibilität der erfolgreichen Alterung, die jedoch eine vorausgehende Planung erfordert. Der Umgang der Länder mit dieser fundamentalen Veränderung wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es der Forschung gelingt, die körperlichen und geistigen Einschränkungen des hohen Alters abzuschwächen.
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