95e Nährstoffbedarf und Beurteilung des Ernährungszustandes
Nährstoffe dienen als Energielieferanten und Bausteine für die Entwicklung undAufrechterhaltung des Organismus und werden physiologischerweise mit der Nahrung aufgenommen.
Die erforderliche Substratzufuhr hängt dabei von der Körpermasse und der jeweiligen Aktivität ab. Hierbei sind Formeln zur Bedarfsabschätzung hilfreich.
Dabei sollte die Energiezufuhr durch Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett etwa in einem Verhältnis von 55 : 15 : 30 erfolgen. Zufuhrempfehlungen einzelner Nährstoffe und Spurenelemente sind durch die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ernährungsgesellschaften hinterlegt (DACH-Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE). Eine Anleitung zur ausgewogenen Ernährung kann außerdem die Verwendung einer Ernährungspyramide sowie die individuelle computergestützte Bedarfsberechnung geben.
Krankheitsbedingt kann es zu Veränderungen der Nahrungszufuhr, der Resorption und der stoffwechselbedingten Nährstoffverwertung kommen. Folgen sind eine relevante Inzidenz und Prävalenz von Mangelernährung in Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen. Daher ist ein besonderes Augenmerk auf die Beurteilung des Ernährungszustandes und die Versorgungsbedingungen in der Klinik zu richten. Hier stehen verschiedene Screeningverfahren zur Erfassung des Ernährungszustandes und des Risikos von Mangelernährung zur Verfügung (NRS-2002, SGA, MUST).
Zahlreiche Ergänzungen für den deutschsprachigen Raum wurden vorgenommen. Insbesondere werden europäische Referenzwerte, Leitlinien und deutschsprachige Quellenverweise angegeben.
Für die deutsche Ausgabe Matthias Pirlich
Nährstoffe sind Substanzen, die mit der Nahrung zugeführt werden müssen, da der Körper sie nicht in ausreichenden Mengen synthetisiert. Der Nährstoffbedarf gesunder Personen wurde experimentell bestimmt. Wenn essenzielle Nährstoffe fehlen, kommt es zu Wachstumsstörungen, Organfunktionsstörungen und der Körper ist nicht mehr in der Lage, seine normale Stickstoffbalance oder einen adäquaten Status der anderen Nährstoffe aufrechtzuerhalten. Zur Gesunderhaltung sind energiehaltige Nährstoffe (Proteine, Fette und Kohlenhydrate), Vitamine, Mineralstoffe und Wasser erforderlich. Ein spezifischer Bedarf besteht für 9 essenzielle Aminosäuren, einige Fettsäuren, 4 fettlösliche und 10 wasserlösliche Vitamine sowie für Cholin und Ballaststoffe. Mit der Nahrung müssen auch einige anorganische Substanzen zugeführt werden: darunter 4 Mineralstoffe, 7 Spurenelemente, 3 Elektrolyte und die Ultra-Spurenelemente.
Alter und physiologischer Zustand bestimmen die erforderliche Menge der essenziellen Nährstoffe. Bedingt essenzielle Nährstoffe müssen nicht zwingend zugeführt werden, ausgenommen bei Personen, die diese Elemente nicht in adäquater Menge synthetisieren können. Dazu zählen Menschen mit genetischen Defekten, pathologischen Störungen, wie Infektionen oder Traumen mit Auswirkungen auf die Ernährung, oder auch unreife Neugeborene. So benötigen unreife Neugeborene oft Inositol, Taurin, Arginin und Glutamin. Viele andere organische und anorganische Inhaltsstoffe von Lebensmitteln beeinflussen die Gesundheit. So wirken sich Blei und Pestizidrückstände auf die Gesundheit aus.
Bedarf an essenziellen Nährstoffen
Energie
Zur Aufrechterhaltung eines stabilen Körpergewichts müssen sich Energieaufnahme und Energieabgabe decken. Den wesentlichen Beitrag zum Energieverbrauch liefern der Ruheenergiebedarf (REE – Resting Energy Expenditure) und die körperliche Aktivität. Ein weitaus geringerer Anteil an Energie wird für die Metabolisierung der Nahrung (thermogener Effekt der Nahrung oder spezifisch dynamische Wirkung) und die mit Zittern verbundene Thermogenese (d. h. durch Kälte ausgelöste Wärmebildung) aufgewandt. Die durchschnittliche Energieaufnahme liegt bei etwa 2600 kcal/d für US-amerikanische Männer (2700 kcal/d in Deutschland) und etwa 1800 kcal/d für US-amerikanische Frauen (2100 kcal/d in Deutschland), wobei diese Werte von der Körpergröße und dem jeweiligen Ausmaß an körperlicher Aktivität abhängen (Quelle für Deutschland: Gesundheitsbericht für Deutschland 1998,www.gbe-bund.de). Um den Energiebedarf gewichtsstabiler Personen zu bestimmen, nutzt man Formeln zur Abschätzung des REE. Für Männer gilt REE = 900 + 10 W und für Frauen REE = 700 + 7 W, wobei W dem Gewicht in Kilogramm entspricht. Der berechnete REE-Wert wird je nach dem Grad an körperlicher Aktivität multipliziert mit: 1,2 bei vorwiegend sitzender Betätigung, 1,4 bei mäßiger körperlicher Aktivität oder 1,8 für sehr aktive Personen. Das Ergebnis liefert einen ungefähren Schätzwert des totalen Kalorienbedarfs im Zustand des Energiegleichgewichts für eine Person mit einem bestimmten Alter, Geschlecht, Gewicht, Körpergröße und körperlichem Aktivitätsniveau. Die weitere Besprechung des Energiegleichgewichts bei gesunden und kranken Menschen erfolgt in Kapitel 97.
Protein
Nahrungseiweiß besteht aus essenziellen und nicht essenziellen Aminosäuren, die für die Proteinsynthese benötigt werden. Die neun essenziellen Aminosäuren sind Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin/Cystin, Phenylalanin/Tyrosin, Threonin, Tryptophan und Valin. Bestimmte Aminosäuren (wie Alanin) können auch zur Energiegewinnung und Glukoneogenese genutzt werden. Bei unzureichender Energieaufnahme muss die Proteinzufuhr erhöht werden, weil die zugeführten Aminosäuren in die Glukosesynthese und Oxidation umgeleitet werden. Bei extremem Energiemangel kann es zu einer Protein-Energie-Mangelernährung kommen (Kap. 97).
Die empfohlene tägliche Zufuhr (RDA = Recommended Dietary Allowance) für Protein liegt für gesunde Erwachsene bei etwa 0,6 g/kg des optimalen Körpergewichts. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Energiebedarf gedeckt und das Protein von relativ hoher biologischer Wertigkeit ist. Für eine gesunde Ernährung ist eine Eiweißzufuhr von 10–14 % der Gesamtenergieaufnahme zu empfehlen. Die durchschnittliche US-amerikanische Ernährung erreicht diesen Wert. (Der Proteinanteil an der mittleren täglichen Energiezufuhr in Deutschland lag 1998 bei knapp 16 %.) Die biologische Wertigkeit erreicht bei tierischem Eiweiß höhere Werte, gefolgt von Proteinen aus Hülsenfrüchten (Bohnen), Getreide (Reis, Weizen, Mais) und Knollenfrüchten. Kombinationen aus Pflanzenproteinen, die einander in ihrer biologischen Wertigkeit ergänzen, oder Kombinationen aus tierischen und pflanzlichen Proteinen können die biologische Wertigkeit steigern und den Gesamteiweißbedarf senken. Bei gesunden Menschen mit ausgewogener Ernährung hat der Zeitpunkt der Proteinzufuhr im Laufe des Tages kaum Auswirkungen.
Der Proteinbedarf steigt während des Wachstums, der Schwangerschaft, in der Stillzeit und in der Rehabilitation nach Verletzungen oder Mangelernährung. Die Eiweißverträglichkeit ist bei Niereninsuffizienz (verursacht eine Urämie) vermindert. Eine übermäßige Eiweißaufnahme kann bei Patienten mit Leberzirrhose sehr selten eine Enzephalopathie auslösen. Patienten mit Leberzirrhose haben bereits in frühen Erkrankungsstadien ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung, da krankheitsbedingt eine katabole Stoffwechselneigung und Inappetenz bestehen sowie Fehlernährung bei chronischem Alkoholabusus. Für Patienten mit Leberzirrhose gilt daher gemäß den deutschen und europäischen Leitlinien von DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) und ESPEN (European Society of Parenteral and Enteral Nutrition) eine erhöhte tägliche Gesamtkalorienzufuhr von 30–35 kcal/kg (147–168 kJ/kg) und eine tägliche Eiweißzufuhr von 1,2–1,5 g/kg, um einer Mangelernährung vorzubeugen. Eine Proteinrestriktion bei Leberzirrhose sollte nur kurzfristig in Fällen therapierefraktärer chronischer Enzephalopathie und im Einzelfall erfolgen. Die Empfehlungen zu Energie- und Eiweißbedarf sind in den DGEM-Leitlinien ausführlich dargelegt und begründet.
Fette und Kohlenhydrate
Fette stellen eine konzentrierte Energiequelle dar und machen in der Ernährung der US-Bevölkerung durchschnittlich 34 % der Kalorien aus. Von der deutschen Bevölkerung werden etwa 33 % der Energie in Form von Nahrungsfett aufgenommen. Allerdings sollte der Fettanteil der Nahrung aus gesundheitlichen Aspekten auf < 30 % beschränkt werden. Gesättigte Fettsäuren und Trans-Fettsäuren sollten < 10 % ausmachen, ebenso mehrfach ungesättigte Fettsäuren, sodass die überwiegende Fettzufuhr aus einfach ungesättigten Fettsäuren bestehen sollte. Mindestens 45–55 % der Gesamtenergieaufnahme sollten aus Kohlenhydraten bestehen. Das Gehirn benötigt etwa 100 g Glukose am Tag als Energiequelle, andere Gewebe benötigen zudem etwa 50 g/d. Allerdings sind einige Gewebe (z. B. Gehirn und Erythrozyten) auf die Zufuhr von Glukose angewiesen, sowohl aus exogenen Quellen oder durch Muskelproteolyse. Über längere Zeiträume kann sich der Kohlenhydratbedarf in einigen Geweben an einen hypokalorischen Zustand anpassen. Ebenso wie Fett (9 kcal/g), Kohlenhydrat (4 kcal/g) und Protein (4 kcal/g) ist auch Alkohol (Ethanol) ein Energielieferant (7 kcal/g). Allerdings ist er kein Nährstoff.
Wasser
Für Erwachsene genügen im Rahmen der üblichen Schwankungen von körperlicher Aktivität, Schwitzen und osmotischer Last der Nahrung 1–1,5 ml Wasser pro Kilokalorie abgegebener Energie. Wasserverluste verteilen sich mit 50–100 ml/d auf den Stuhl, 500–1000 ml/d auf Verdunstung oder Ausatmung und, je nach osmotischer Belastung der Nieren, ≥ 1000 ml/d auf den Urin. Steigen die Verluste, muss die Flüssigkeitsaufnahme entsprechend zunehmen, um eine Dehydratation zu vermeiden. Fieber erhöht die Flüssigkeitsverluste um etwa 200 ml/d/°C. Verluste wegen Durchfalls variieren und können in schwerwiegenden Fällen die Menge von 5 Litern am Tag erreichen. Übermäßiges Schwitzen, körperliche Anstrengung und Erbrechen steigern die Flüssigkeitsverluste ebenfalls. Bei normaler Nierenfunktion und adäquater Mineralstoffzufuhr können sich die Nieren auf eine gesteigerte Wasserzufuhr einstellen und bis zu 18 Liter überschüssiges Wasser am Tag ausscheiden (Kap. 404). Jedoch kann die obligatorische Urinexkretion den Hydratationsstatus gefährden, wenn etwa eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme besteht oder höhere Flüssigkeitsverluste durch Nierenschädigung auftreten.
Säuglinge haben aufgrund der im Verhältnis zum Volumen großen Körperoberfläche, der beschränkten Kapazität der noch unreifen Nieren, hohe osmotische Belastungen zu bewältigen, und ihrer Unfähigkeit, das Durstgefühl einzuordnen oder zu äußern, einen hohen Flüssigkeitsbedarf. Während der Schwangerschaft ist der Wasserbedarf nur mäßig um zusätzlich etwa 30 ml/d erhöht. Während der Stillphase steigt der Bedarf durch die Milchproduktion erheblich, sodass etwa 1000 ml/d zusätzlicher Flüssigkeit erforderlich sind: Jeder Milliliter Milch benötigt einen Milliliter zugeführten Wassers. Besondere Aufmerksamkeit hat dem Wasserbedarf älterer Menschen zu gelten, da ihr totales Körperwasser reduziert und die Durstempfindung vermindert ist. Viele von ihnen nehmen zudem Diuretika.
Referenzaufnahme und Zufuhrempfehlungen
Glücklicherweise sind menschliches Leben und Wohlbefinden innerhalb ziemlich weiter Bereiche der Nährstoffzufuhr gewährleistet. Allerdings ist die Anpassungskapazität nicht unbeschränkt – sowohl ein Übermaß als auch der Mangel eines Nährstoffs kann direkt ungünstige Wirkungen haben oder sich nachteilig auf andere Nährstoffe auswirken. Für die klinische Praxis wurden daher Referenzwerte zur Nährstoffaufnahme entwickelt. Diese quantitativen Richtwerte für die Nährstoffaufnahme werden als Referenzwerte für die Nährstoffaufnahme (Dietary Reference Intakes = DRI) bezeichnet. Die DRI lösen die RDA (Recommended Dietary Allowances) ab, die seit 1989 als einzige Referenzwerte in den USA verwendet wurden und nun in den DRI enthalten sind. Die DRI schließen den durchschnittlichen geschätzten Bedarf an Nährstoffen ein (Estimated Average Requirement = EAR) sowie drei weitere Referenzwerte, die für die individuelle Ernährungsplanung wichtig sind: die empfohlene Aufnahme (RDA), oder wenn diese nicht einwandfrei festgelegt werden kann, die adäquate Aufnahme (Adequate Intake = AI) und die tolerable Obergrenze (Upper Level = UL). Außerdem enthalten die DRI die Acceptable Macronutrient Distribution Ranges (AMDR) für Proteine, Fette und Kohlenhydrate.
Für den deutschsprachigen Raum gelten derzeit die im Jahre 2015 von den Ernährungsgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz aktualisierten DACH-Referenzwerte, an deren Erarbeitung auch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke beteiligt war. Darunter werden – mit Ausnahme der Richtwerte für die Energiezufuhr – jene Mengen verstanden, von denen anzunehmen ist, dass sie nahezu alle Personen der jeweils angegebenen Bevölkerungsgruppe vor ernährungsbedingten Gesundheitsschäden schützen und bei ihnen für eine volle Leistungsfähigkeit sorgen. Darüber hinaus sollen sie für eine gewisse Körperreserve sorgen, die bei plötzlichen Bedarfssteigerungen rasch und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen verfügbar ist. Diese Referenzwerte werden aufgeteilt in Empfehlungen, Schätzwerte und Richtwerte. Empfohlene Verzehrmengen sollen allen physiologischen individuellen Schwankungen gerecht werden und einen ausreichenden Vorrat an Nährstoffen im Körper garantieren. Schätzwerte werden angegeben, wenn sich der Bedarf des Menschen nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmen lässt. Richtwerte sind Orientierungshilfen für Nährstoffe, deren Zufuhr zwar nicht innerhalb scharfer Grenzen, aber in gewissen Bereichen notwendig ist (Tab. 95e-1). EERs werden in Kap. 97 bei der Energiebilanz in Gesundheit und Krankheit besprochen.
Geschätzter durchschnittlicher Bedarf
Als Mangelernährungskrankheiten wie Rachitis (Mangel von Vitamin D und Kalzium), Skorbut (Vitamin-C-Mangel), Xerophthalmie (Vitamin-A-Mangel) und Protein-Energie-Mangel noch verbreitet auftraten, wurde der allgemeine Bedarf an Nährstoffen am Fehlen klinischer Symptome für den jeweiligen Mangelzustand gemessen. Später zeigte sich, dass biochemische und andere Änderungen bereits auftreten, bevor ein klinischer Mangel offensichtlich wird. Folgerichtig orientiert man sich nunmehr an Kriterien, die auf biologische Marker zurückgreifen, insofern solche verfügbar sind. Vorrang besitzen empfindliche biochemische oder physiologische Parameter sowie Verhaltenstests, die frühe Änderungen in den Regulationsprozessen oder in der Konstanthaltung der Körperspeicher widerspiegeln. Derzeit richtet sich das Interesse auf diese letzte Variable, wobei dafür oft keine relevanten Marker zur Verfügung stehen.
Der geschätzte durchschnittliche Bedarf (Estimated Average Requirement, EAR) ist die Menge eines Nährstoffs, die für die Hälfte einer gesunden Population bestimmten Alters und Geschlechts ausreichend ist. Evidenz und Kriterien, die zur Beurteilung des Bedarfs verwendet werden, variieren mit dem Nährstoff, dem Alter und der physiologischen Gruppe. Das EAR ist kein für das Individuum relevanter Wert, sondern der erforderliche Medianwert einer Personengruppe. Es bezeichnet also jene Nährstoffmenge, die für 50 % der Personen in der Gruppe einen Wert unterhalb, für die anderen 50 % einen Wert oberhalb des individuellen Bedarfs darstellt. Somit hat eine Person, deren übliche Aufnahme beim EAR liegt, ein 50%iges Risiko für eine unzureichende Aufnahme. Deshalb sind für klinische Zwecke andere, nachfolgend beschriebene Standards vorzuziehen. Die EAR-Werte sind aber geeignet, um z. B. Berechnungen für größere Bevölkerungsgruppen und Populationen durchzuführen. Bei den DACH-Werten wird das EAR nicht angegeben.
Empfohlene Nährstoffaufnahme
Das RDA bezeichnet die Menge der täglichen Aufnahme eines Nährstoffs, die dem Bedarf nahezu aller gesunden Personen mit bestimmtem Geschlecht, Alter, Lebensweise oder physiologischem Zustand (wie Schwangerschaft oder Stillzeit) entspricht. Das RDA (Recommended Dietary Allowance) ist die anzustrebende Nährstoffaufnahme bei der Ernährungsplanung und entspricht den DACH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr. Das RDA wird statistisch als zwei Standardabweichungen (SD) oberhalb des EAR liegend definiert, um den Bedarf weitgehend aller Personen der Zielpopulation sicherzustellen. Die Empfehlungen berücksichtigen das Alter, das Geschlecht und das Körpergewicht und lassen sich leicht durch einen im Internet verfügbaren Rechner ermitteln (http://fnic.nal.usda.gov/interactiveDRI;Universität Hohenheim,https://www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/sonstiges/zufuhr/uebersicht.htm). Durch dieses Online-Tool kann der Arzt die Empfehlungen für die RDA-basierte Ernährungsplanung berechnen. Die RDAs werden zur Aufstellung von Ernährungsrichtlinien herangezogen, wie der MyPyramid Food Guide des US-amerikanischen Department of Agriculture (USDA), für therapeutische Diäten sowie zur Beschreibung des Nährstoffgehalts bei prozessierten Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln verwendet (www.supertracker.usda.gov/default.aspx). In Deutschland sind diese Richtlinien z. B. in Form der aid-Ernährungspyramide dargestellt (www.aid.de/ernaehrung/ernaehrungspyramide.php).
Das Risiko eines Ernährungsdefizits steigt umso mehr, je weiter die Aufnahme eines Nährstoffs unter das RDA fällt. Allerdings ist das RDA ein sehr großzügiges Kriterium zur Beurteilung des Nährstoffbedarfs, denn per definitionem übersteigt das RDA den tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung um etwa 2–3 %. Deshalb dürften die meisten Menschen, deren Aufnahme zwar unterhalb des RDA fällt, dennoch ausreichende Nährstoffmengen aufnehmen. Die für die Ermittlung des RDA dargestellte Vorgehensweise liegt auch den Empfehlungen zugrunde, die in den DACH-Referenzwerten wiedergegeben sind. Der Nährstoffgehalt einer Speise wird als gewichts- oder prozentualer Anteil der empfohlenen täglichen Zufuhr angegeben, einer Form des RDA, der dem höchsten RDA eines Erwachsenen entspricht, der täglich 2000 kcal benötigt
Adäquate Aufnahme
Es ist nicht möglich, RDAs für solche Nährstoffe anzugeben, von denen kein geschätzter Durchschnittsbedarf (EAR) bekannt ist. In diesen Fällen basiert die adäquate Aufnahme (AI = „adequate intake“) auf beobachteten oder experimentell bestimmten Approximationen zur Nährstoffzufuhr bei Gesunden. In den derzeit geltenden Referenzwerten (Dietary Reference Intakes, DRI) wird vorgeschlagen, bei Säuglingen im Alter bis zu 1 Jahr sowie bei allen anderen Personen für Chrom, Fluor, Mangan, Natrium, Kalium, Pantothensäure, Biotin, Cholin und Wasser die adäquate Aufnahme (AI) der empfohlenen Nährstoffaufnahme (RDA) vorzuziehen. Vitamin D und Kalzium werden derzeit reevaluiert, sodass bald präzisere Werte zur Verfügung stehen.
Verträgliche Obergrenze der Nährstoffaufnahme
Für gesunde Personen lässt sich kein Nutzen feststellen, wenn ein Nährstoff über die empfohlene oder adäquate Aufnahme hinaus konsumiert wird. Übermäßige Nährstoffaufnahme kann Körperfunktionen stören und akute, fortschreitende oder dauerhafte Störungen verursachen. Die verträgliche Obergrenze (UL = Tolerable Upper Limit) stellt jene beständig täglich aufgenommene Nährstoffmenge dar, bei der ein Risiko ungünstiger gesundheitlicher Effekte beim Großteil der Bevölkerung unwahrscheinlich ist. Für zahlreiche Nährstoffe gibt es nur unzureichende oder sehr begrenzte Daten über ihre ungünstigen Wirkungen bei überhöhter Aufnahme. Deshalb bedeutet das Fehlen einer solchen Obergrenze keineswegs, dass ein Risiko ungünstiger Wirkungen bei hohen Dosierungen auszuschließen ist. Nährstoffe in häufig konsumierten Lebensmitteln erreichen nur selten Werte oberhalb der tolerablen Obergrenze. Aber angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel liefern hoch dosierte Nährstoffmengen und bedeuten somit ein größeres Toxizitätsrisiko. Nahrungsergänzungsmittel werden mit zusätzlichen Informationen gekennzeichnet, die die enthaltenen Nährstoffmengen in absoluten Mengeneinheiten oder als Prozent des Tagesbedarfs pro Portion angeben. Grundsätzlich sollte die Summe der mit der Nahrung, über Supplemente und über frei verkäufliche Medikamente wie Antazida aufgenommenen Nährstoffmenge die RDA-Werte nicht übersteigen. Mehr Informationen und die Adaptation an die Europäischen Richtlinien sind online über die Seiten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verfügbar (www.dge.de).
Geeignete Verteilungsbereiche von Makronährstoffen
Der AMDR (Acceptable Macronutrient Distribution Range) wird nicht experimentell bestimmt, sondern ist ein grober Schätzwert für die Aufnahme energiereicher Makronährstoffe (Protein, Kohlenhydrat und Fett), den das Food and Nutrition Board als für Makronährstoffe gesund einstuft. Diese Bereiche sind: 10–35 % der Kalorien aus Eiweißen, 20–35 % der Kalorien aus Fetten und 45–65 % der Kalorien aus Kohlenhydraten. Alkohol, der ebenfalls eine Energiequelle ist, ist kein Nährstoff, sodass dafür keine Empfehlungen gegeben werden. Die europäischen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erstellt (European Food Safety Authority EFSA; www.efsa.europa.eu). Die empfohlene Gesamtkohlenhydratzufuhr sollte bei 45–60 %, die Aufnahme von Fetten im Bereich von 20–35 % der Gesamtenergieaufnahme liegen.
Faktoren, die den Nährstoffbedarf verändern
Die DRIs sind abhängig von Alter, Geschlecht, Wachstumstempo, Schwangerschaft, Stillperiode, körperlicher Aktivität, Zusammensetzung der Nahrung, Begleitkrankheiten und Medikamenten. Wenn erforderliche Zufuhr und Übermaß nur geringfügig differieren, gestaltet sich eine Ernährungsplanung schwieriger.
Physiologische Faktoren
Wachstum, intensive körperliche Aktivität, Schwangerschaft und Stillzeit bedeuten einen erhöhten Bedarf an Energie und verschiedenen essenziellen Nährstoffen, einschließlich Wasser. Während der Schwangerschaft besteht aufgrund des fetalen Wachstums ein erhöhter Energiebedarf und während der Stillzeit wegen der Energie verbrauchenden Milchproduktion. Der Energiebedarf vermindert sich mit dem Verlust an aktiver Körpermasse, der wesentlichen Komponente des Ruheenergiebedarfs. Weil beide Faktoren – Gesundheit und körperliche Aktivität – im Alter gleichermaßen nachlassen, besonders bei den über 70-Jährigen, vermindert sich der Energiebedarf verglichen mit dem jüngerer Erwachsener.
Nahrungszusammensetzung
Die Nahrungszusammensetzung beeinflusst die biologische Verfügbarkeit und die Verwertung von Nährstoffen. So kann zum Beispiel die Eisenresorption durch Zufuhr großer Mengen an Kalzium oder Blei beeinträchtigt werden. Die Resorption von Nicht-Häm-Eisen kann bei einem Mangel an Ascorbinsäure und Aminosäuren in der Nahrung reduziert sein. Die Proteinverwertung im Körper kann sich verschlechtern, wenn nicht in ausreichender Menge essenzielle Aminosäuren vorhanden sind, was bei der in den USA üblichen Ernährung selten ist. Tierische Lebensmittel wie Milch, Eier und Fleisch besitzen eine hohe biologische Wertigkeit und enthalten die meisten erforderlichen Aminosäuren in ausreichender Menge. Pflanzliche Proteine in Mais, Soja, Reis und Weizen haben eine niedrigere biologische Wertigkeit und müssen daher für eine optimale Verwertung im Körper mit anderen pflanzlichen oder tierischen Eiweißen kombiniert oder mit den fehlenden Aminosäuren angereichert werden, um eine optimale Verwertung zu erreichen.
Wege der Nährstoffzufuhr
Die RDAs sind nur für die orale Aufnahme anzuwenden. Werden Nährstoffe parenteral verabreicht, können durchaus ähnliche Werte für Aminosäuren, Kohlenhydrate (Glukose), Fette, Natrium, Chlorid, Kalium und für die meisten Vitamine angesetzt werden, da ihre Absorption im Darm nahe bei 100 % liegt. Allerdings ist die orale Bioverfügbarkeit der meisten Mineralstoffe nur halb so groß wie bei parenteraler Applikation. Für einige Nährstoffe, die gar nicht oder nicht in ausreichenden Mengen im Körper gespeichert werden, kann der Zeitpunkt der Zufuhr ebenfalls von Bedeutung sein. So werden Aminosäuren nur dann vom Körper zur Proteinsynthese eingesetzt, wenn sie zeitnah miteinander zugeführt werden, andernfalls werden sie energetisch verwertet. Beim Gesunden mit einer ausgewogenen Ernährung hat die Art der Verteilung der Proteinzufuhr über den Tag keine Auswirkungen auf den Gesundheitszustand.
Krankheit
Zu den Ernährungsmangelkrankheiten gehören die Protein-Energie-Unterernährung, die Eisenmangelanämie, die Struma (durch Iodmangel), die durch Vitamin-D-Mangel bedingte Rachitis und Osteomalazie, die Xerophthalmie bei Vitamin-A-Mangel, die megaloblastäre Anämie durch Vitamin-B12- oder Folsäuremangel, Skorbut durch Vitamin-C-Mangel, Beriberi und Wernicke-Enzephalopathie durch Thiaminmangel und Pellagra durch Niacin- und Tryptophanmangel (Kap. 96e) und (Kap. 97). Bei jeder Mangelkrankheit besteht auf zellulärer Ebene ein Ungleichgewicht zwischen der Zufuhr von Nährstoffen oder Energie und dem Bedarf des Körpers für Wachstum, Erhaltungsstoffwechsel und andere Funktionen. Ungleichgewichte und Übermaß in der Nährstoffaufnahme sind als Risikofaktoren auch für bestimmte chronisch degenerative Erkrankungen erkannt worden wie die Zufuhr gesättigter Fette und Cholesterin für die koronare Herzkrankheit, Natrium für die Hypertonie, Fettleibigkeit für hormonbedingte Endometrium- und Mammakarzinome sowie Ethanol für die Fettleberhepatitis und Leberzirrhose. Da die Ätiologie und Pathogenese dieser Störungen multifaktoriell sind, stellt die Ernährung nur einen von vielen Risikofaktoren dar. So ist die Osteoporose sowohl mit Kalziummangel als auch mit einem Vitamin-D-Mangel und Risikofaktoren assoziiert, die das Umfeld (z. B. Rauchen, inaktiver Lebensstil), die Physiologie (z. B. Östrogenmangel), genetische Faktoren (z. B. Defekte im Kollagenstoffwechsel) und Medikamenteneinnahme (chronische Einnahme von Glukokortikoiden und Aromatasehemmern) betreffen (Kap. 425).
Beurteilung der Ernährungssituation
Unter klinischen Bedingungen ist die Beurteilung der Ernährungssituation ein iterativer Prozess, der folgende Parameter einschließt: (1) Prüfung auf Mangelernährung, (2) Erfassung der Nahrungsaufnahme sowie von Supplementen, um das Vorliegen einer Unterernährung und ihrer möglichen Ursachen zu ermitteln, (3) Planung und Umsetzung einer entsprechenden Ernährungstherapie und (4) erneute Überprüfung der Nahrungsaufnahme. Manche Krankheiten beeinflussen die Bioverfügbarkeit, den Bedarf, die Verwertung oder die Ausscheidung bestimmter Nährstoffe. Unter diesen Umständen können gezielte Untersuchungen zu verschiedenen Nährstoffen oder ihrer Biomarker notwendig werden, um eine adäquate Supplementierung vorzunehmen (Kap. 96e).
Die meisten Gesundheitseinrichtungen verfügen über ein Screening-Programm zur Ernährungssituation, um eine mögliche Unterernährung bereits bei der Krankenhauseinweisung zu identifizieren. Eine solche Prüfung der Ernährungssituation wird von der Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO) gefordert, aber es gibt keine allgemein anerkannten oder validierten Standards. Zu den Faktoren, die normalerweise beurteilt werden, zählen: abnormes größenbezogenes Gewicht oder abnormer Body-Mass-Index (z. B. BMI unter 18,5 oder über 25), vom Patienten angegebene Gewichtsänderung (unfreiwilliger Verlust oder Zuwachs von mehr als 5 kg in den vergangenen 6 Monaten; Kap. 56), eine Diagnose mit bekannten Auswirkungen auf den Ernährungszustand (z. B. Stoffwechselkrankheiten, gastrointestinale Erkrankungen, Alkoholismus), Vorliegen einer Ernährungstherapie, chronisch verminderter Appetit, Probleme beim Kauen und Schlucken oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Unterstützungsbedarf bei der Nahrungszubereitung oder beim Lebensmitteleinkauf, beim Essen oder andere Aspekte eingeschränkter Selbstständigkeit sowie soziale Isolierung. Eine Reevaluation der Ernährungssituation sollte bei Krankenhauspatienten regelmäßig wenigstens einmal pro Woche durchgeführt werden. In Deutschland ist die Verbesserung der ernährungsmedizinischen Versorgung in Krankenhäusern und Pflegeheimen Zielsetzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Hierfür wurden verschiedene Screening-Programme auf Mangelernährung validiert wie Subjective Global Assessment (SGA), Nutritional Risk Screening (NRS-2002) und Malnutrition Universal Screening Tool (MUST). Die entsprechenden Arbeitsblätter und Anleitungen werden über die DGEM zur Verfügung gestellt (www.dgem.de/materialien.htm).
Eine detaillierte Erfassung des Ernährungszustandes ist bei Patienten indiziert, die gemäß Screening ein hohes Risiko der Unterernährung aufweisen. Die Art und Weise der Erhebung variiert, abhängig von der klinischen Situation, dem Schweregrad der Krankheit und der Stabilität des Zustandes des Patienten.
Versorgungsbedingungen in der Klinik
In der Akutpflege können Anorexie, verschiedene Krankheiten, Untersuchungsverfahren und medikamentöse Behandlungen die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen. Unter solchen Umständen gilt es, eine unzulängliche Nahrungsaufnahme zu identifizieren und zu vermeiden sowie eine adäquate Ernährung sicherzustellen. Eine Ernährungserhebung konzentriert sich darauf, was die Patienten gegenwärtig verzehren, ob sie essen können und wollen und ob sie mit der Nahrungsaufnahme Probleme haben. Die Beurteilung der Nahrungsaufnahme basiert auf Informationen zur beobachteten Nahrungszufuhr, aus Krankenakten, der Anamnese, klinischen Untersuchungen sowie anthropometrischen, biochemischen und funktionellen Daten. Das Ziel ist, ausreichende Informationen über das Risiko einer Unterernährung durch verminderte Nahrungsaufnahme oder andere Ursachen zu sammeln, um schließlich festzulegen, ob eine Ernährungstherapie angezeigt ist (Kap. 98e).
Häufig liefern bereits einfache Beobachtungen Hinweise auf eine unzulängliche orale Nahrungszufuhr. Dazu gehören die Notizen der Diätassistenz und des Pflegepersonals über die Nahrungsverweigerung durch den Patienten oder die Menge der unverzehrten Nahrung auf den Tabletts, eine Häufung medizinischer Untersuchungen, die zum Auslassen von Mahlzeiten führen kann, nutritiv inadäquate Diätanordnungen (z. B. klare Flüssigkeiten oder Flüssigkost) für mehr als einige Tage, Fieber, gastrointestinale Beschwerden, Erbrechen, Durchfall, Koma sowie Krankheiten oder Behandlungen, die irgendeinen Abschnitt des Verdauungstrakts betreffen. Bei akut erkrankten Patienten mit diätetischen Besonderheiten wie Diabetes ist eine Beurteilung des Ernährungszustandes erforderlich, weil eine ungeeignete Diät den Zustand verschlimmern und andere Therapien nachteilig beeinflussen kann. Pathologische biochemische Werte (Serumalbumin < 35 g/l; Serumcholesterin < 3,9 mmol/l bzw. 150 mg/dl) sind unspezifisch, können aber auch die Notwendigkeit einer genaueren Ernährungserhebung anzeigen.
Die meisten Kostformen/Diätprogramme, die in Krankenhäusern angeboten werden, sind so berechnet, dass sie dem individuellen Nährstoffbedarf bzw. den Ernährungsempfehlungen (RDA) gerecht werden, sofern sie denn verzehrt werden. Ausnahmen bestehen für klare Flüssigkeiten, einige Flüssignahrungen und Testdiäten (z. B. für Untersuchungen des Gastrointestinaltrakts), die für verschiedene Nährstoffe unzureichend bilanziert sind und daher nicht länger als 24 Stunden verwendet werden sollten. Etwa die Hälfte des im Krankenhaus an stationäre Patienten ausgeteilten Essens wird nicht verzehrt. Man kann also nicht davon ausgehen, dass die Nährstoffaufnahme stationärer Patienten adäquat ist. Eine Ernährungserhebung sollte deshalb bewerten, wie viele und welche Lebensmittel der Patient von der angebotenen Krankenhauskost zu sich genommen hat. Größere Abweichungen bei der Aufnahme von Energie, Protein, Flüssigkeiten oder anderen Nährstoffen, die für die jeweilige Erkrankung des Patienten relevant sind, sollten beachtet und korrigiert werden. Ein pragmatisches Werkzeug zur Erfassung der tatsächlichen Nahrungsaufnahme am Krankenbett ist das Tellerdiagramm, mit dem nach jeder Hauptmahlzeit die verzehrte Essensmenge auf ein Viertel Teller genau erfasst werden kann. Der seit 2006 unter der Schirmherrschaft von ESPEN jährlich stattfindende NutritionDay hat an über 40.000 Patienten eindrucksvoll gezeigt, dass die Daten, die mit Tellerdiagrammen erhoben werden, eine hohe prognostische Aussagekraft für den Verlauf einer Klinikbehandlung haben.
Eine Überwachung der Ernährung ist besonders wichtig für solche Patienten, die schwer krank sind und einem langen Krankenhausaufenthalt unterliegen. Auch Patienten, die durch spezielle enterale und parenterale Kost ernährt werden, bedürfen einer Beurteilung und Überwachung des Ernährungszustands von ernährungsmedizinisch ausgebildeten Ärzten und/oder ausgebildeten Diätberatern (Kap. 98e).
Ambulanter Bereich
Unter ambulanten Versorgungsbedingungen richtet sich eine Erfassung der Ernährungssituation darauf, ob die habituelle Ernährung des Patienten bereits ein Gesundheitsrisiko darstellt oder eine vorhandene chronische Erkrankung verstärkt. Dies ist auch die Basis jeglicher Diätplanung, die therapeutische Ziele erfüllen soll und vom Patienten auch befolgt wird. Eine ambulante Ernährungsbewertung hat die ausreichende Menge der gegenwärtigen und der habituellen Ernährung zu prüfen sowie etwaiger Ergänzungen durch Vitamine und Mineralstoffe, orale Nährstoffergänzungsmittel, medizinische Diäten, andere Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente und Alkohol, da all dies den Ernährungsstatus des Patienten zu beeinflussen vermag. Die Ernährungserhebung sollte sich auf solche Nahrungsbestandteile konzentrieren, die unter der spezifischen Diagnose am ehesten betroffen sind, sowie auf vorliegende Begleiterkrankungen. Dabei sollte sich die Erhebung auf mehr als einen Tag erstrecken, um ein besseres Bild von der üblichen Ernährung zu gewinnen.
Es gibt verschiedene Arten, die Ausgewogenheit der habituellen Ernährung des Patienten zu beurteilen. Dazu gehören Ernährungsrichtlinien, eine Lebensmittelaustauschliste, eine Ernährungsanamnese oder auch ein Fragebogen zur Verzehrshäufigkeit. Ein häufig genutztes Hilfsmittel für gesunde Personen ist die Choose My Plate des USDA, mit der sich eine unzureichende Aufnahme essenzieller Nährstoffe ebenso einfach wie eine deutlich übermäßige Aufnahme von Gesamtfett, gesättigten Fettsäuren, Natrium, Zucker und Alkohol erkennen lässt. Die Grafik von Choose My Plate betont eine ausgewogene Verteilung der Kalorien und der Nährstoffbedürfnisse und befürwortet den vermehrten Verzehr von Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und fettarmer Milch sowie eine reduzierte Zufuhr von Natrium und hochkalorischen zuckerhaltigen Getränken. Das Programm ist online verfügbar (http://www.supertracker.usda.gov/default.aspx und www.ChooseMyPlate.gov, in Deutschland: www.aid.de/ernaehrung/ernaehrungspyramide.php,Tab. 95e-2) und berechnet die Anzahl der Portionen für gesunde Patienten abhängig von Alter, Geschlecht und Lebensführung. Patienten, die bestimmte religiöse oder ideologische Diäten bevorzugen, benötigen oft besondere Anweisungen. Dieser Prozess, gemeinsam mit dem Patienten seine Ernährung zu überprüfen, hilft bereits den Wechsel zu gesünderer Ernährungsweise zu beginnen und Lebensmittel herauszufinden, die übermäßig bzw. unzureichend konsumiert werden. Wer einer Ernährungstherapie unterliegt, dem können Lebensmittelaustauschlisten nützen. Darunter fallen zum Beispiel die Ernährungsaustauschlisten für Diabetes der American Diabetes Association oder die für Nierenkrankheiten der American Dietetic Association.
Brot (1 Scheibe), Getreide, Kartoffeln, Nudeln, Reis – je eine Handvoll | |||
Mageres Fleisch, Geflügel oder Fisch (1 Handteller); Ei (1–2 Stück/Portion) | |||
Quelle:www.dge.de, www.aid.de/downloads/pyramide_tabelle_portionsgroessen.pdf. |
Beurteilung des Ernährungszustands
Eine umfassende Beurteilung des Ernährungszustands sollte zunächst schwerkranken Patienten vorbehalten sein sowie solchen mit einem sehr hohen Fehlernährungsrisiko, wenn etwa die Ursache einer Mangelernährung trotz Auswertung der klinischen Aufnahmebefunde und der Verzehrserhebung immer noch unsicher ist. Eine derartige umfassende Beurteilung des Ernährungszustandes schließt zahlreiche Bereiche mit ein, so unter anderem die Dokumentation der Nahrungsaufnahme, anthropometrische sowie biochemische Messungen in Blut und Urin, eingehende klinische Untersuchung, die Anamnese und Funktionsprüfungen. In den meisten Krankenhäusern existieren Empfehlungen zur Ernährungstherapie und Kostformkataloge für die meisten Krankheiten, ebenso von der Academy of Nutrition and Dietetics. Empfehlungen zur Ernährungstherapie in Deutschland können auf den Internetseiten der DGEM (www.dgem.de)und der ESPEN (Europäischen Gesellschaft für parenterale und enterale Ernährung,www.espen.org) sowie über verschiedene Fachkreise und Selbsthilfegruppen, z. B. Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (www.dzg-online.de) oder Deutsche Diabetes Gesellschaft(www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de), abgerufen werden.Die weiterführende Erörterung erfolgt in Kapitel 97.
Internationale Aspekte
DRI wie die EAR, UL und der Energiebedarf sind Schätzwerte des physiologischen Bedarfs anhand von experimentellen Belegen. Sofern eine entsprechende Anpassung an Alter, Geschlecht, Körpergröße und körperliche Aktivität erfolgt, lassen sie sich weltweit bei fast allen Menschen anwenden. Die AI beruhen auf der üblichen und ausreichenden Zufuhr in den US-amerikanischen und kanadischen Populationen, die offensichtlich einen guten Gesundheitszustand aufweisen, und nicht auf zahlreichen direkten experimentellen Beweisen. Auch die AMDR entsprechen einer Expertenmeinung zur angemessenen Energieaufnahme und Zufuhr von Nährstoffen, die für diese nordamerikanischen Populationen gesund sind. Daher lassen sie sich nur bedingt auf andere Gegebenheiten übertragen. Nährstoffbasierte Terminologien mit Referenzwerten zur empfohlenen Aufnahme wurden auch von der World Health Organization/Food and Agricultural Organization of the United Nations (WHO/FAO) entwickelt und auf ihrer Webseite veröffentlicht (http://www.who.int/nutrition/topics/nutrecomm/en/index.html). Der European Food Safety Authority (EFSA) Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies veröffentlicht seine Empfehlungen regelmäßig im EFSA Journal. Andere Länder haben ähnliche Empfehlungen herausgegeben. Diese verschiedenen Standards haben viele Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer Grundkonzeption, Definitionen und der Ernährungsempfehlungen. Es gibt jedoch auch einige Abweichungen durch unterschiedliche Voraussetzungen, die jeweils gewählten funktionellen Kriterien, Umwelteinflüsse, die Aktualität der geprüften Beweise sowie die jeweilige Expertenmeinung.
Weiterführende Literatur
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmittelbedingter Krankheiten – Evidenzbasierte Leitlinie. Bonn, 2011.www.dge.de/leitlinie
Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Aufl., 1. Ausgabe. Umschau-Verlag Frankfurt a. M., 2015
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