98e Enterale und parenterale Ernährungstherapie
Künstliche Ernährung kann erforderlich sein, wenn eine ausreichende Nahrungszufuhr auf natürlichem Weg nicht sicherzustellen ist. Ursachen hierfür können Schluckstörungen, Resorptionsstörungen bei chronischen Darmerkrankungen, das Kurzdarmsyndrom, aber auch Therapienebenwirkungen, zum Beispiel im Rahmen einer Chemotherapie bei onkologischen Patienten, sein.
Enterale Ernährung erfolgt mit flüssigen Formuladiäten meist über eine Sonde, die im Magen-Darm-Trakt platziert wird. Parenteral bedeutet die Infusion von Ernährungslösungen in eine periphere Vene oder einen zentralen Venenzugang. Eine enterale Ernährung ist als Applikationsweg grundsätzlich zu bevorzugen, da sie die physiologische Form der Nahrungsaufnahme darstellt und in Studien gezeigt werden konnte, dass sie im Gegensatz zur intravenösen Ernährung das immunologische und resorptive Gleichgewicht der Darmbarriere des Gastrointestinaltrakts aufrechterhält.
Die parenterale Ernährung weist insgesamt ein höheres infektiologisches und metabolisches Komplikationsrisiko auf. Ein entsprechendes engmaschiges Monitoring der Kathetersysteme und Stoffwechselsituation ist daher erforderlich.
Im Gegensatz zur komplikationsarmen enteralen Ernährung, die problemlos durch Pflegekräfte eingeleitet und umgesetzt werden kann, kann die Initiierung und Betreuung einer parenteralen Ernährung durch ein spezialisiertes Ernährungsteam ihre Sicherheit und Effektivität optimieren.
In diesem Kapitel werden Algorithmen zur Einleitung einer Ernährungstherapie dargestellt, es finden sich Referenzwerte für Nährstoff-, Spurenelement- und Vitaminbedarf bei künstlicher Ernährung sowie Hinweise zur Überwachung und zum Komplikationsmanagement von enteraler und parenteraler Ernährung.
Für die deutsche Ausgabe Matthias Pirlich
Bei korrekter Durchführung spielt die spezialisierte Ernährungstherapie eine wichtige und oft lebensrettende Rolle in der Medizin. Eine Ernährungstherapie wird bei zwei Indikationen angewandt: (1) um eine ausreichende Nahrungszufuhr während der Erholungsphase nach einer Krankheit oder Verletzung sicherzustellen, wenn der Patient nur eingeschränkt Nährstoffe aufzunehmen vermag; und (2) um den Patienten während der systemischen hyperkatabolen Reaktion auf Entzündung, Verletzung oder Infektion im Rahmen einer persistierenden schweren Erkrankung zu ernähren. Bei Patienten mit permanentem Verlust von Darmfläche wird lebenslang eine Ernährungstherapie eingesetzt. Zusätzlich erhält eine steigende Zahl von älteren Patienten in Pflegeheimen eine enterale Ernährung, meist wegen unzureichender Nahrungsaufnahme oder wegen des erhöhten Risikos für eine Aspirationspneumonie durch Kau- und Schluckstörungen.
Enteral bedeutet, dass über eine Sonde, die im Magen-Darm-Trakt platziert wird, flüssige Formuladiäten verabreicht werden. Parenteral bedeutet die Infusion von kompletten Mischungen aus kristallinen Aminosäuren, Glukose, Triglyzeridlösungen und Mikronährstoffen über einen zentralen Venenzugang direkt in den Blutkreislauf oder (bei Erwachsenen selten) über eine periphere Vene. Die enterale Applikation sollte grundsätzlich bevorzugt werden, da sie einfach und sicher ist, wenige Kosten verursacht und günstige Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung der digestiven, resorptiven und immunologischen Funktion des Gastrointestinaltrakts hat. Schmalkalibrige, flexible Sonden sind einfach zu legen und werden vom Patienten gut toleriert. Infusionspumpen verbessern die Zuverlässigkeit der Nährstoffgaben. Der wichtigste Nachteil der enteralen Ernährungstherapie ist, dass es oft mehrere Tage dauert, bis die Nährstoffbedürfnisse des Patienten erfüllt werden.
Für den kurzzeitigen Gebrauch können enterale Sonden transnasal in Magen, Duodenum oder Jejunum platziert werden. Für den langfristigen Gebrauch werden Sonden mittels endoskopischer oder chirurgischer Verfahren perkutan durch die Bauchdecke angelegt. Der wichtigste Nachteil der Sondenernährung bei akuten Krankheiten ist die Unverträglichkeit durch eine Retention im Magen sowie ein erhöhtes Risiko für Erbrechen und Durchfall. Eine schwere Gerinnungsstörung ist eine relative Kontraindikation für eine Ernährungssonde. Bei Erwachsenen muss für eine parenterale Ernährungstherapie fast immer aseptisch ein zentraler Venenweg mit entsprechendem Port gelegt werden. Viele Umstände können den Fortschritt der enteralen Ernährungstherapie hinauszögern oder verlangsamen, während die parenterale Ernährungstherapie leicht und rasch einen kompletten Substratmix zur Verfügung stellt. Dieser praktische Vorteil wird jedoch dadurch abgeschwächt, dass relativ große Flüssigkeitsmengen infundiert werden müssen und das reale Risiko einer toxischen Überversorgung besteht.
Zugang zum Patienten: Voraussetzungen für eine Ernährungstherapie
Indikationen
Etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Patienten in Akutkrankenhäusern leidet unter einer zumindest leichten Protein-Energie-Mangelernährung, die durch einen Gewichtsverlust und eine Muskelatrophie durch die Unterernährung definiert ist. Meistens gibt es andere Aspekte, die das klinische Ansprechen beeinträchtigen, wie eine zu geringe Fettgewebemasse mit einer daraus folgenden Schwäche, Atrophie der Haut und Hautschäden, ein reduzierter Atemantrieb, ein ineffektiver Hustenstoß, eine Immunschwäche und ein gestörter Wärmehaushalt. Oft ist die Protein-Energie-Mangelernährung bereits bei der Krankenhausaufnahme vorhanden und bessert sich während des Krankenhausaufenthaltes nicht oder verschlechtert sich. Häufige Gründe für eine derartige Verschlechterung sind Nahrungsverweigerung (wegen Anorexie, Übelkeit, Schmerzen oder Delir), Kommunikationsbarrieren, mangelnde Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme bei Patienten mit körperlichen oder sensorischen Störungen, Kau- und Schluckstörungen sowie längere, ärztlich angeordnete Fastenphasen. Diese Aspekte können jeweils vom Pflegepersonal übersehen oder nicht beachtet werden. Die meisten Patienten, die bei einem stationären Aufenthalt unter einer Protein-Energie-Mangelernährung leiden, benötigen keine Ernährungstherapie oder sollten sie zumindest nicht benötigen. Die meisten von ihnen bessern sich bei entsprechendem Management der Grunderkrankung. Andere haben eine terminale Erkrankung, deren Verlauf durch eine Ernährungstherapie nicht geändert werden kann. In wieder anderen Fällen ist die Protein-Energie-Mangelernährung so gering ausgeprägt, dass die Risiken der Ernährungstherapie ihren Nutzen überwiegen. Bei Patienten, die zu dieser letztgenannten Gruppe gehören, sollte die orale Nahrungsaufnahme nach den Vorgaben eines Ernährungsberaters verstärkt und/oder verändert werden.
Die Protein-Energie-Mangelernährung wird oft anhand des Gewichts bezogen auf die Körpergröße (Body-Mass-Index, BMI) und dem Anteil des vor kurzem verloren Körpergewichts als minimal, moderat oder schwer eingestuft. Wie Tabelle 98e-1 zeigt, ist der BMI (nach der Korrektur für anormale extrazelluläre Flüssigkeitsansammlungen) ein grober, aber nützlicher Indikator der Schwere. Wichtig ist, dass eine Adipositas, insbesondere bei älteren oder bettlägerigen Patienten, eine moderate oder schwere Protein-Energie-Mangelernährung nicht ausschließt. Sie kann die Protein-Energie-Mangelernährung sogar maskieren, wenn die Muskelmasse des Patienten nicht gesondert beurteilt wird. Das Phänomen des Muskelmassenabbaus bei gleichzeitigem Übergewicht wird auch als sarkopene Adipositas bezeichnet und ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert.
Die Entscheidung für eine Ernährungstherapie hängt davon ab, (1) ob die intensivierte oder modifizierte orale Ernährung versagt hat oder nicht möglich, unpraktisch oder nicht wünschenswert ist und (2) ob durch die Ernährungstherapie die Wahrscheinlichkeit einer Genesung gesteigert, die Infektionsrate gesenkt, die Heilung beschleunigt bzw. der Krankenhausaufenthalt verkürzt werden kann. Bei chronisch kranken Patienten hängt die Entscheidung für eine Ernährungstherapie davon ab, ob sie die Lebenserwartung und -qualität steigern kann. Der Entscheidungsprozess für die Einleitung einer Ernährungstherapie ist in Abbildung 98e-1 dargestellt.
Die Entscheidung für eine Steigerung der oralen Ernährung oder, sofern dies nicht geht, für eine Ernährungstherapie basiert auf den zu erwartenden Folgen ohne diese Intervention. Die Merkhilfe „in-in-in“ (inanition [Entkräftung] – inflammation [Entzündung] – inactivity [Inaktivität]) erinnert an die drei wichtigsten Faktoren bei der Entscheidung, ob bei einem Patienten mit einer Protein-Energie-Mangelernährung eine Ernährungstherapie unterbleiben kann oder nicht.
Entkräftung
Die zentralen Fragen sind, ob eine normale Nahrungsaufnahme vermutlich über einen längeren Zeitraum nicht möglich sein wird und ob der Patient eine längere Fastenphase tolerieren kann. Ein zuvor gut ernährter Patient kann problemlos für 7 Tage fasten, selbst wenn eine moderate systemische Entzündungsreaktion vorhanden ist. Im Gegensatz dazu ist die Fastentoleranz bei einem Patienten mit bereits reduzierter Skelettmuskelmasse geringer, und zwar unabhängig davon, ob der Muskelverlust auf eine Protein-Energie-Mangelernährung, auf eine altersbedingte Muskelatrophie (Sarkopenie) oder auf eine neuromuskuläre Krankheit zurückzuführen ist. Übermäßiges Körperfett schließt eine gleichzeitige Muskelatrophie durch diese Faktoren nicht aus. Ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als 10 % in den vorangegangenen 6 Monaten oder ein Gewichts-Größen-Verhältnis von unter 90 % der Normalwerte weisen, wenn sie zusammen mit physiologischen Einschränkungen auftreten, auf eine signifikante Energie- und Eiweißmangelernährung hin. Ein Gewichtsverlust von mehr als 20 % des üblichen Gewichts oder weniger als 80 % des Normalgewichts spricht für eine schwere Energie- und Eiweißmangelernährung.
Entzündung
Die grundsätzlich mit einer systemischen Entzündungsreaktion einhergehende Anorexie reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Ernährungszustand eines Patienten alleine durch eine vermehrte oder veränderte Nahrungsaufnahme, eine Ernährungsberatung oder Assistenz beim Essen verändern wird. Außerdem beschleunigen die proteinkatabolischen Effekte der systemischen Entzündungsreaktion den Abbau der Skelettmuskulatur und blockieren die normale proteinerhaltende Adaptation bei einem Mangel an Proteinen und Energie.
Inaktivität
Bei jedem akut kranken Patienten, der für eine längere Zeit bettlägerig oder inaktiv ist, sollte aus ernährungsmedizinischer Sicht eine rote Flagge gehisst werden. Diese Patienten entwickeln bei unzureichender freiwilliger Nahrungsaufnahme meistens eine Muskelatrophie (durch Nährstoffmangel und Inaktivität) und eine Anorexie.
Sobald bestätigt wurde, dass ein Patient eine signifikante oder insbesondere eine progressive Protein-Energie-Mangelernährung aufweist, obwohl alles versucht wurde, um sie durch eine Umstellung der Ernährung oder der Nahrungsaufnahme rückgängig zu machen, wird im nächsten Schritt entschieden, ob die Ernährungstherapie einen positiven Effekt auf das Behandlungsergebnis hat. Im finalen Stadium verschiedener chronischer Erkrankungen, die mit einer Energie- und Eiweißmangelernährung einhergehen, kann die Ernährung weder die Energie- und Eiweißmangelernährung rückgängig machen noch die Lebensqualität verbessern. Während die Versorgung mit Nahrung und Wasser grundsätzlicher Bestandteil der Pflege ist, bestehen bei der Ernährung über eine Sonde oder einen Katheter, ob enteral oder parenteral, Risiken und Unannehmlichkeiten. Wie bei anderen lebensunterstützenden Maßnahmen, ist es für die Patienten, ihre Angehörigen und ihre Pflegepersonen oft aus psychischen Gründen schwierig, die enterale und/oder parenterale Therapie wieder abzubrechen, nachdem sie einmal begonnen wurde. Dies kann sogar bei der Ernährungstherapie schwieriger sein als bei anderen lebenserhaltenden Maßnahmen, da die Versorgung mit Wasser und Nahrung oft mit Comfort Terminal Care gleichgesetzt wird. In diesen schwierigen Situationen am Lebensende sollte zu Beginn der Ernährungstherapie ausdrücklich auf ihre Ziele hingewiesen werden. Dies ebnet oft den Weg für eine später gegebenenfalls angebrachte Beendigung bei Patienten mit inzwischen hoffnungsloser Prognose.
Nachdem entschieden wurde, dass eine Ernährungstherapie angebracht ist, müssen als Nächstes die Applikationsroute (enteral oder parenteral), der zeitliche Verlauf und die Ernährungsziele des Patienten festgelegt werden. Obwohl die enterale Ernährungstherapie die Standardmethode ist, hängt die optimale Applikationsform von der Darmfunktion und den verfügbaren technischen Ressourcen ab.
Die Applikationsroute und der zeitliche Verlauf der Ernährungstherapie hängen vom Ernährungsstatus des Patienten, dem Vorhandensein und Ausmaß einer systemischen Entzündungsreaktion und dem erwarteten klinischen Verlauf ab. Eine schwere systemische Entzündungsreaktion manifestiert sich mit Leukozytose, Tachykardie, Tachypnoe und einem Anstieg oder einer Abnahme der Körpertemperatur. Das Serumalbumin ist ein negatives Akutphaseprotein und damit ebenfalls ein Marker. Die Schwere der Hypalbuminämie lässt grobe Rückschlüsse auf die Schwere der systemischen Entzündungsreaktion zu, wobei sie fast immer durch die begleitende Reduktion der Proteinzufuhr mit der Nahrung verschlechtert wird. Trotz der Bedeutung einer ausreichenden Proteinversorgung bei Patienten mit systemischen Entzündungsreaktionen, wird keine noch so gute Ernährungstherapie den Albuminspiegel in den Normalbereich anheben können, solange die systemische Entzündungsreaktion persistiert.
Ein SIRS kann als schwer-, mittel- oder leichtgradig eingestuft werden. Beispiele für ein schweres SIRS sind (1) eine Sepsis oder andere systemische Entzündungsreaktionen, wie eine schwere Pankreatitis, die intensivmedizinisch behandelt werden muss, (2) ein Polytrauma mit einem Injury Severity Score (ISS) von mehr als 20–25 oder einem APACHE-II-Score von mehr als 25, (3) ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma mit einem Glasgow Coma Scale unter 8 oder (4) großflächige drittgradige Verbrennungen von mehr als 40 % der Körperoberfläche. Ein mittelgradiges SIRS kommt bei weniger schweren Infektionen, Verletzungen oder Entzündungen vor, z. B. bei einer Pneumonie, bei größeren Operationen, bei einem akuten Leber- oder Nierenversagen sowie bei Exazerbationen einer Colitis ulcerosa oder einer Crohn-Krankheit, die eine stationäre Behandlung erforderlich machen.
Ein Patient mit einem schweren SIRS benötigt eine frühe enterale Ernährungstherapie innerhalb der ersten Tage, da es wahrscheinlich ist, dass die Nahrungszufuhr innerhalb der nächsten 7 Tage nicht ausreichend sein wird. Bei moderatem SIRS, das meist während einer postoperativen Nüchternphase von mehr als 5 Tagen auftritt, ist eine ausreichende Ernährung von Tag 5–7 von Nutzen, wenn der Patient initial in einem guten Ernährungszustand war. Bei schwerer Mangelernährung profitieren die Patienten vor einem großen chirurgischen Eingriff von einer präoperativen Ernährungstherapie über 5–7 Tage. Oft ist dieses jedoch nicht möglich; dann ist eine frühzeitige postoperative Ernährungstherapie indiziert. Patienten mit mittelschwerem SIRS und moderater Eiweißmangelernährung profitieren ebenfalls von einer frühen Ernährung innerhalb der ersten Tage.
Nutzen und Risiken einer Ernährungstherapie
Die Risiken sind vor allem von patientenspezifischen Faktoren (Bewusstseinszustand, Schluckvermögen, Anatomie und Funktion des Gastrointestinaltrakts) und der Erfahrung des betreuenden Klinikteams abhängig. Am sichersten und kostengünstigsten ist es, eine Ernährungstherapie zu vermeiden, indem der oralen Nahrungszufuhr eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet wird, der Patient durch das Personal zum Essen aufgefordert wird, die Ernährung verändert wird, dem Patienten beim Essen assistiert wird und oft, indem orale Flüssignahrung ergänzt wird. Daher sollten alle Patienten mit einem Risiko für eine Mangelernährung von einem Diätassistenten betreut werden. Zur Appetitsteigerung und Förderung des Muskelanabolismus werden in ausgewählten Fällen und sofern keine Kontraindikationen bestehen immer häufiger Anabolika in pharmakologischer Dosis gegeben.
Die Anlage einer nasogastralen Sonde ist eine einfache Maßnahme am Krankenbett, aber viele Intensivpatienten haben eine verzögerte Magenentleerung, durch die das Aspirationsrisiko steigt. Dieses Risiko kann durch eine direkte Nahrungszufuhr ins Jejunum (distal des Treitz-Bands) reduziert werden. Die Anlage einer solchen Sonde erfordert eine Kontrolle mittels Durchleuchtung oder die endoskopische Platzierung. Patienten, bei denen eine Laparotomie geplant ist oder bei denen andere Ursachen längerfristig eine Ernährungstherapie erforderlich machen, erhalten vorzugsweise bereits im Rahmen des chirurgischen Eingriffs eine jejunale Ernährungssonde (FKJ = Feinnadelkatheterjejunostomie).
Ein potenzieller Nachteil der enteralen Ernährungstherapie ist, dass die verabreichten Mengen an Protein und Kalorien in den ersten 14 Tagen nicht immer den Bedarf von schwerkranken Patienten decken können. Dieses Problem wird noch dadurch verstärkt, dass es wenige enterale Produkte gibt, mit denen sich die empfohlene Menge von 1,5–2,0 g/kg Protein ohne eine potenziell gefährliche Kalorienüberladung erreichen lässt. In Deutschland stehen jedoch proteinreiche Produkte (Proteingehalt > 20 Energieprozent) zur Verfügung, die auch für Intensivpatienten gut geeignet sind.
Enterale Sondenernährung wird oft bei Patienten mit Anorexie, beeinträchtigtem Schluckakt oder bei Dünndarmerkrankungen eingesetzt. Der Darm sowie die übrigen Verdauungsorgane rekrutieren 70 % ihrer benötigten Nährstoffe direkt aus der intraluminalen Nahrung. Die enterale Ernährung unterstützt außerdem die Darmfunktion durch Verbesserung der splanchnischen Durchblutung, der neuronalen Aktivität, der IgA-Produktion und der Sekretion von gastrointestinalen Hormonen, die die trophische Aktivität des Darmes stimulieren. Diese Faktoren unterstützen den Darm als immunologische Barriere gegen enterische Pathogene. Aus diesen Gründen ist eine luminale Nährstoffzufuhr unbedingt anzustreben, auch wenn der Großteil der Nahrungszufuhr über eine parenterale Ernährung sichergestellt werden muss. Die nicht essenziellen Aminosäuren Arginin, Glutamin kurzkettige Fettsäuren, langkettige Omega-3-Fettsäuren und Nukleotide sind in einigen speziellen enteralen Formuladiäten verfügbar und für die Aufrechterhaltung der Immunabwehr von großer Bedeutung. Die Kombination einer teilweisen enteralen Ernährung (oral oder über Sonde) mit einer parenteralen Ernährung verkürzt meist den Übergang auf eine vollenterale Ernährung, die grundsätzlich dann verabreicht werden kann, wenn mehr als 50 % des Nährstoffbedarfs enteral zugeführt werden können. Die Ernährungstherapie hat positive Auswirkungen, wenn für einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen etwa 50 % des Energiebedarfs verabreicht werden, sofern der Protein- und essenzielle Nährstoffbedarf gedeckt sind. Als Daumenregel sollte die Proteinzufuhr um 25–50 % erhöht werden, wenn die Energieaufnahme um dieselbe Menge reduziert wird, da eine negative Energiebilanz die Effizienz der Proteinretention in der Nahrung reduziert. Über längere Zeit sowie bei Patienten mit normalem oder erhöhtem Körperfettanteil ist eine Zufuhr von 75–80 % des Energiebedarfs einer vollen Ernährung (mit erhöhtem Proteinanteil) vorzuziehen, da ein leichtes Energiedefizit die gastrointestinale Toleranz und die Steuerbarkeit des Blutzuckerspiegels verbessert und eine exzessive Flüssigkeitszufuhr vermeidet.
Die wichtigsten Risiken einer parenteralen Ernährungstherapie hängen mit der Lage eines zentralen Venenwegs und dessen Komplikationen, wie Thrombose und Infektion, sowie mit dem relativ großen infundierten Volumen zusammen. Seltener bedacht werden die Risiken durch die versehentliche Infusion von zu viel Kohlenhydraten und Fetten direkt in das Blut. Dadurch kommt es zu einer Hyperglykämie, einer unzureichenden Lipid-Clearance aus dem Blut, einer Steatosis hepatis und Leberentzündung sowie bei bereits beeinträchtigter Lungenfunktion zum respiratorischen Versagen. Andererseits reduziert eine Nierenfunktionsstörung den Bedarf an Aminosäuren und Proteinen nicht. Sofern die Nierenfunktion der limitierende Faktor ist, muss parallel zur Ernährungstherapie eine Dialyse erfolgen.
In der Vergangenheit wurde die Ruhigstellung des Darmes durch eine parenterale Ernährung als Eckpfeiler in der Behandlung verschiedener schwerer gastrointestinaler Erkrankungen angesehen. Inzwischen ist aber die Bedeutung einer, wenn auch nur geringen Zufuhr enteraler Ernährung weitgehend akzeptiert („Zottenfütterung“). Die Entwicklung von Protokollen, die den Einsatz einer enteralen Ernährung ausweiten sollen, beinhaltet auch eine Therapieeinleitung innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme auf der Intensivstation, eine konsequente Oberkörperhochlagerung, postpylorische und nasojejunale Sonden, Einsatz von Prokinetika, schnellere Steigerung der Zufuhrraten, Tolerierung auch von höheren Magenrückflussraten sowie Pflegealgorithmen. Parenterale Ernährung alleine ist im Allgemeinen notwendig bei schweren Störungen der Darmfunktion infolge eines prolongierten Ileus, einer Obstruktion oder bei schwerer hämorrhagischer Pankreatitis.
Beim Patienten auf der Intensivstation kann eine parenterale Ernährung innerhalb der ersten 24 Stunden begonnen werden, wenn dadurch eine Absenkung der Mortalität gegenüber einer verspätet begonnenen enteralen Ernährung zu erwarten ist, wobei dieser Punkt kontrovers beurteilt wird. Es gibt zwar Belege dafür, dass eine frühzeitige Ernährung auf der Intensivstation die Sterblichkeit reduziert, gleichzeitig steigt aber das Risiko für schwere Infektionen. Aktuelle Daten aus Studien an moderat schwerkranken Patienten zeigen, dass eine frühzeitige hypokalorische parenterale Ernährungstherapie die Morbidität senkt und die Muskelatrophie abschwächt, ohne das Infektionsrisiko zu erhöhen, aber auch ohne das Mortalitätsrisiko zu senken. Leider deckt die derzeit verfügbare klinische Evidenz einige wichtige noch unbekannte Aspekte nicht ab. Außerdem liegt die in den veröffentlichten klinischen Studien verabreichte Proteinmenge selbst in Studien zur supplementären parenteralen Ernährungstherapie allgemein unter den aktuellen Empfehlungen. Die Erhöhung der Morbidität bei parenteraler und enteraler Ernährungstherapie beruht überwiegend auf Hyperglykämien, die allerdings durch eine intensivierte Insulintherapie reduziert werden können. Ob der anzustrebende Blutzuckerspiegel bei weniger als 110 mg/dl oder lediglich bei weniger als 150 mg/dl liegen sollte, ist weiterhin nicht definiert. Chirurgische Patienten mit adäquater Ernährungstherapie profitieren möglicherweise von niedrigeren Blutglukosewerten, jedoch zeigen Studien bei Patienten ohne komplette Ernährungstherapie eine niedrigere Mortalität und Morbidität bei weniger strikt eingestelltem Blutzucker (Zielwert < 180 mg/dl).
In ihren Anfängen war die parenterale Ernährung relativ teuer, inzwischen ist sie häufig weniger kostenintensiv als spezielle enterale Formuladiäten. Diese Aussage trifft allerdings für Deutschland nicht zu. Hier ist vor allem im ambulanten Bereich die parenterale Ernährung deutlich kostenintensiver als die Ernährung über einen enteralen Zugangsweg. Die perkutane Anlage von zentralen Venenkathetern, die über die V. subclavia oder (weniger wünschenswert) die V. jugularis interna in die V. cava superior vorgeschoben werden, kann durch geübtes Personal in steriler Technik am Krankenbett durchgeführt werden. Peripher angelegte zentrale Venenkatheter können ebenfalls bis in die V. cava vorgeschoben werden, diese Technik ist aber bei Nichtintensivpatienten gebräuchlicher. Subclavia- oder Jugularis-Katheter bergen ein höheres Risiko eines Pneumothorax oder einer Gefäßschädigung, werden aber gut toleriert und können über Draht gewechselt werden, wenn eine Katheterinfektion vermutet wird.
Obwohl ein Großteil der Ernährungstherapien im Krankenhaus durchgeführt wird, benötigen einige Patienten eine ambulante Langzeitversorgung. Wenn sie in einem stabilen Umfeld leben und bereit und in der Lage sind, Techniken zur Selbstversorgung zu erlernen, kann eine Ernährungstherapie auch zu Hause durchgeführt werden. Eine weitere wichtige Bedeutung bei der Verordnung einer heimenteralen oder -parenteralen Therapie kommt der Prognose des Patienten zu; die Lebenserwartung sollte länger als einige Monate sein. Außerdem muss sich durch die Therapie eine Verbesserung der Lebensqualität ergeben.
Erkrankungsspezifische Ernährungstherapie
Ziel der Ernährungstherapie ist die Behandlung oder Prävention einer Mangelernährung. Bestimmte Umstände erfordern eine Modifikation der Ernährungstherapie. Bei vielen stabilen Patienten mit Niereninsuffizienz muss die Proteinzufuhr eingeschränkt werden. Bei Nierenerkrankungen sollte die Proteinaufnahme, außer für einige wenige Tage, den erforderlichen Mengen von wenigstens 0,8 g/kg/d oder höher (bis zu 1,2 g/kg/d) entsprechen, solange keine Azotämie auftritt. Wenn bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz eine Ernährungstherapie erforderlich ist, muss gleichzeitig eine Dialyse erfolgen. Bei Leberversagen sollte eine Zufuhr von 1,2–1,4 g/kg/d (bis höchstens 1,5 g/kg/d) angestrebt werden, solange keine durch Proteinintoleranz induzierte Enzephalopathie auftritt. Bei Proteinintoleranz sind spezielle Zusammensetzungen mit 33–50 % verzweigtkettigen Aminosäuren erhältlich, diese sollten mit 1,2–1,4 g/kg/d zugeführt werden. Kardiologische Patienten und andere, krankheitsbedingt starkem Stress ausgesetzte Patienten profitieren oft von einer Natrium- und Flüssigkeitsrestriktion mit 1000 ml einer total-parenteralen Ernährung und 5–20 mval/d Natrium. Bei Patienten mit schwerer chronischer Energie- und Eiweißmangelernährung, die durch starken Gewichtsverlust und Gewebeabbau gekennzeichnet sind, muss aufgrund der schweren Antinatriurese, Antidiurese und intrazellulären Akkumulation (als Folge hoher Insulinspiegel) von Kalium, Magnesium und Phosphat die total-parenterale Ernährung schrittweise aufgebaut werden. Dieses wird üblicherweise durch eine beschränkte Volumenzufuhr von 1000 ml mit moderatem Kohlenhydratanteil (10–20 % Glukose), niedrigem Natriumgehalt und ausreichend Kalium, Magnesium und Phosphat unter sorgfältiger und täglicher Flüssigkeits- und Elektrolytkontrolle gewährleistet. Die Proteinzufuhr muss dabei nicht eingeschränkt werden.
Abbildung 98e-1Entscheidungsfindung für die Durchführung einer Ernährungstherapie. ZVK = zentraler Venenkatheter. (Nach Lyn Howard, MD, 16. Auflage.)Die individuelle Abwägung, eine perkutane Sonde (PEG-Sonde) anzulegen, wird in Deutschland bereits bei einer anzunehmenden enteralen Ernährungsdauer von mehr als 2–3 Wochen empfohlen (Leitlinien der DGVS und DGEM). Nach den Leitlinien der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI, www.divi-org.de) sollte ein ZVK bevorzugt über die V. jugularis interna und nicht über die V. subclavia angelegt werden. Auch hier sollte eine individuelle Abwägung erfolgen.
Individuelle Ernährungspläne
Flüssigkeitsbedarf
Der normale tägliche Flüssigkeitsbedarf eines Erwachsenen beträgt etwa 30 ml/kg Körpergewicht und umfasst alle Flüssigkeitsquellen. Hinzu kommt der Ersatz anormaler Verluste durch Diuretikagabe, eine Drainage durch Magensonden, Wundsekretion, starkes Schwitzen (das bei extremer Hitze mehrere Liter pro Tag betragen kann) und Diarrhö oder über einen Anus praeter. Die Elektrolyt- und Mineralstoffverluste können abgeschätzt oder gemessen werden und müssen ebenfalls ersetzt werden (Tab. 98e-2). Eine Flüssigkeitsrestriktion kann bei Patienten erforderlich sein, die eine Volumenüberladung aufweisen. Hier kann die Flüssigkeitszufuhr auf 1200 ml/d reduziert werden, sofern Flüssigkeitsverluste hauptsächlich über den Urin erfolgen. Bei schwerer Überwässerung besteht die optimale parenterale Nährlösung zur Verabreichung über einen zentralen Zugang aus einer konzentrierten 1-l-Lösung mit 7 % kristallinen Aminosäuren (70 g) und 21 % Glukose (210 g); damit wird eine ausreichende Menge an Glukose und Proteinen zugeführt, sofern keine Katabolie vorliegt.
Patienten, die eine parenterale oder enterale Ernährung in einer Akutsituation erhalten, weisen Anpassungen des Hormonhaushalts an die Krankheit auf (z. B. eine gesteigerte Sekretion von antidiuretischen Hormonen, Aldosteron, Insulin, Glukagon oder Cortisol); das Resultat sind eine Flüssigkeitsretention und hyperglykämische Blutzuckerwerte. Die Gewichtszunahme beim intensivmedizinischen Patienten ist unabhängig von einer Ernährungstherapie ausnahmslos die Konsequenz einer Flüssigkeitsretention, da es in einer Akutsituation auch unter Ernährungstherapie keine Zunahme der Körpermagermasse gibt. Da sich eine forcierte Diurese schwierig gestalten kann, ist eine Zufuhrbeschränkung mit Ein- und Ausfuhrbilanzierung effektiver.
Energiebedarf
Der Gesamtenergiebedarf ergibt sich aus dem Ruhebedarf, dem Bedarf durch Aktivität und dem Bedarf für die Thermogenese (Kap. 97). Der Ruheenergiebedarf (= Grundumsatz) macht zwei Drittel des Gesamtbedarfs aus, der Aktivitätsbedarf ein Viertel bis ein Fünftel und die Thermogenese etwa 10 %. Für normal ernährte, gesunde Individuen beträgt der tägliche Gesamtenergiebedarf etwa 30–35 kcal/kg Körpergewicht. Obwohl schwere Erkrankungen den Ruheenergiebedarf steigern, erreicht der Gesamtenergiebedarf nur bei initial gut ernährten Menschen mit robustem SRS, z. B. nach schwerem Polytrauma, großflächigen Verbrennungen, Sepsis, dauerhaft hohem Fieber oder Schädel-Hirn-Trauma, bis zu 40–45 kcal/kg. Chronisch kranke Patienten mit reduzierter Körpermagermasse haben einen reduzierten Grundbedarf und sind meist körperlich inaktiv, woraus ein Gesamtenergiebedarf von 20–25 kcal/kg resultiert. Etwa 95 % dieser Patienten benötigen weniger als 30 kcal/kg Energiezufuhr, um eine ausgeglichene Energiebilanz zu erreichen. Da in den ersten 10 Tagen einer schweren Erkrankung eine Ernährungstherapie mit nur etwa 50 % des gemessenen Energiebedarfs mindestens gleich wirksam ist wie die Gabe von 100 %, ist eine aktuelle Messung des Energiebedarfs in der frühen Phase einer Ernährungstherapie nicht zwingend notwendig. Bei einer über Wochen bestehenden schweren Erkrankung, bei hochgradig Mangelernährten, bei denen eine Schätzung des Energiebedarfs unzuverlässig ist, oder bei Patienten, die nur schwer von der Beatmung zu entwöhnen sind, ist es sinnvoll, Messungen des Energiebedarfs durchzuführen und eine Energiezufuhr anzustreben, die 100–120 % des gemessenen Bedarfs entspricht.
Die Insulinresistenz bei einer systemischen Entzündungsreaktion ist mit einer gesteigerten Glukoneogenese und einer reduzierten peripheren Glukoseausschöpfung assoziiert, was zur Hyperglykämie prädisponiert. Diese ist zusätzlich verstärkt bei Patienten, die exogene Kohlenhydrate durch eine Ernährungstherapie erhalten. Die Normalisierung der Blutzuckerspiegel durch Insulingabe bei Patienten auf der Intensivstation, die eine Ernährungstherapie erhalten, reduziert Morbidität und Mortalität. Bei leicht oder mittelgradig Mangelernährten ist das Ziel, durch eine metabolische Unterstützung die Eiweißsynthese zu verbessern und das metabolische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Eine hypokalorische Ernährung mit etwa 1000 kcal/d und 70 g Eiweiß für bis zu 10 Tage ermöglicht eine beschränkte Flüssigkeitszufuhr (mit entsprechend geringem Risiko einer Volumenüberladung) und vermindert das Risiko einer unzureichenden Zuckerkontrolle. Der Energiegehalt kann auf 20–25 kcal/kg mit 1,5 g/kg Protein gesteigert werden, wenn es die Stoffwechselsituation zulässt, spätestens aber während der zweiten Woche der Ernährungstherapie. Patienten mit Polytrauma, Schädel-Hirn-Trauma und schweren Verbrennungen haben meist einen höheren Energiebedarf, es gibt aber keinen Anhalt dafür, dass eine Zufuhr von mehr als 30 kcal/kg einen zusätzlichen Effekt bringt; das Risiko für eine Hyperglykämie steigt aber signifikant.
Als Daumenregel gilt, dass Glukose und Aminosäuren so lange in ansteigender Dosis gegeben werden, bis der geschätzte Ruheenergiebedarf gedeckt ist. An diesem Punkt ist eine Ergänzung mit Fett von Vorteil, da eine weitere Steigerung der parenteralen Glukosezufuhr die De-novo-Lipogenese in der Leber, einen energieineffizienten Prozess, stimuliert. Mehrfach ungesättigte langkettige Triglyzeride (z. B. in Sojaöl) sind der Hauptbestandteil der meisten parenteralen Fettemulsionen und der Großteil des Fetts in enteralen Ernährungslösungen. Diese auf pflanzlichem Öl basierenden Emulsionen stellen essenzielle Fettsäuren bereit. Enterale Formuladiäten haben einen Fettgehalt von 3 % bis hin zu 50 % der Gesamtenergie, während parenterale Fette als 20- und 30%ige Emulsionen separat oder in Mischbeuteln infundiert werden. Letztere werden unter sterilen Bedingungen als „All-in-one-“ oder Komplettlösungen mit Glukose, Aminosäuren, Fett, Elektrolyten, Vitaminen und Mineralstoffen in Apotheken zusammengestellt. Obwohl bereits ein ungefähr 3%iger Fettanteil in einer parenteralen Komplettlösung mit Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß den Bedarf an essenziellen Fettsäuren deckt, enthalten total-parenterale Ernährungslösungen 2–3 % Fett (20–30 % der Gesamtenergie), um die Stabilität der Emulsion zu gewährleisten. Wenn Fett separat parenteral infundiert wird, sollte eine Dosierung von 0,11 g/kg/h bzw. 100 g/12 h (entspricht 1000 ml 10%iger oder 500 ml 20%iger Fettlösung) nicht überschritten werden.
Mittelkettige Triglyzeride, die gesättigte Fettsäuren mit Kettenlängen von sechs, acht, zehn oder zwölf C-Atomen enthalten (davon > 95 % C8 und C10), werden in großen Anteilen in enteralen Formuladiäten verwendet, da sie gut resorbiert werden. Fischöl enthält mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, für die gezeigt wurde, dass sie die Immunfunktion verbessern und die inflammatorische Antwort reduzieren können. Inzwischen stehen in den USA als experimentelle neue Substanz Fischölemulsionen zur Injektion zur Verfügung.
Kohlenhydrate werden als Glukoselösung verabreicht und ergeben eine Zufuhr von 3,4 kcal/g in der parenteralen Ernährungslösung. In enteralen Nährlösungen ist Glukose die Kohlenhydratquelle bei sogenannten Elementardiäten. Diese Diäten bieten Eiweiß in Form von Aminosäuren dar und enthalten in geringen Mengen (3 %) Fett, um den Bedarf an essenziellen Fettsäuren zu decken. Elementardiäten wurden entwickelt, um die Resorption im geschädigten Darm zu optimieren. Sie sind ebenso wie immunstärkende Diäten sehr kostspielig. Bei nährstoffdefinierten Diäten besteht demgegenüber die Kohlenhydratquelle gewöhnlich aus osmotisch nur wenig aktiven Polysacchariden; Protein wird in Form von Soja- oder Kaseineiweiß bereitgestellt, und Fett stellt einen Anteil von 25–50 %. Diese Diätlösungen werden von Patienten mit normaler Darmlänge meistens gut toleriert, einige sind auch für eine orale Einnahme geeignet.
Protein- oder Aminosäurebedarf
Obwohl die empfohlene Proteinzufuhr bei 0,8 g/kg/d liegt, können beim Mangelernährten bis zu 1,5 g/kg/d gegeben werden. Bei schwerkranken Patienten wird der Proteinkatabolismus reduziert, wenn 1,5–2,0 g/kg gegeben werden. Bei nicht schwerkranken Patienten, die eine Ernährungstherapie in einer Akutsituation erhalten, werden mindestens 1 g/kg empfohlen, bei höherem Bedarf bis zu 1,5 g/kg unter Kontrolle der Flüssigkeits-, der renalen und der hepatischen Toleranz. Die parenteralen und enteralen Standardlösungen enthalten Proteine mit hoher biologischer Wertigkeit und erfüllen den Bedarf der acht essenziellen Aminosäuren, wenn die Stickstoffzufuhr adäquat ist. Parenterale Mischungen von Aminosäuren und Elementardiäten zur enteralen Gabe enthalten hydrierte Aminosäuren. Da sie hydriert sind, liefern sie 17 % weniger Proteinsubstrate als intakte Proteine. In Situationen mit geringer Eiweißtoleranz, wie Nieren- oder Leberversagen, kann die Gabe von modifizierten Aminosäuren erwogen werden. Bei Leberversagen scheinen mit verzweigtkettigen Aminosäuren angereicherte Formuladiäten den Verlauf positiv zu beeinflussen. Bedingt essenzielle Aminosäuren wie Arginin und Glutamin können als Supplementierung ebenfalls einen Nutzen bringen.
Die Protein-(Stickstoff-)Bilanz ist ein Maß für eine adäquate parenterale oder enterale Ernährung. Sie wird berechnet als Proteinaufnahme/6,25 (da Proteine im Durchschnitt 16 % Stickstoff [N] enthalten) minus dem Harnstoff-Stickstoff im 24-h-Urin plus 4 g Stickstoff (sonstige Stickstoffverluste). Bei Intensivpatienten ist eine geringe Negativbilanz von 2–4 g/d Stickstoff normal und tolerabel, da sich in der Erholungsphase des Patienten eine ähnlich geringe positive Bilanz ergibt. Jedes Gramm Stickstoff entspricht etwa 30 g Körpermagermasse.
Mineralstoff- und Vitaminbedarf
Der parenterale Elektrolyt-, Vitamin- und Spurenelementbedarf ist in Tabelle 98e-3, Tabelle 98e-4 und Tabelle 98e-5 zusammengefasst. Elektrolytanpassungen sind bei gastrointestinalen Verlusten über nasogastrale Sonden, bei Verlusten über Fisteln, bei Diarrhö oder bei hohen Verlusten über ein Stoma notwendig. Solche Defizite schließen zusätzliche Kalzium-, Magnesium- und Zinkverluste ein. Hohe Zinkverluste gibt es bei sekretorischen Diarrhöen, die etwa 12 mg/l Zink enthalten. Patienten mit intestinalen Fisteln oder chronischer Diarrhö benötigen durchschnittlich etwa 12 mg/d Zink (entspricht 30 mg elementarem Zink zur oralen Zufuhr), um keinen Zinkmangel zu entwickeln. Ein exzessiver renaler Kaliumverlust durch Amphotericin oder Magnesiumverlust durch Cisplatin sowie bei Nierenversagen machen eine Substitution von Natrium, Magnesium, Phosphat und eine Regulation des Säure-Basen-Haushalts notwendig. Der Spurenelement- und Vitaminbedarf wird durch die tägliche Gabe einer kompletten Multivitaminsupplementierung und Zugabe von Spurenelementen zur parenteralen Ernährung erreicht bzw. durch die Gabe ausreichender Mengen von enteralen Formuladiäten, die diese Mikronährstoffe enthalten. Die Werte für die parenterale Vitamin- und Spurenelementzufuhr stammen aus den Leitlinien der American Gastroenterological Association (AGA),an der sich auch die Empfehlungen in den Leitlinien der DGEM zur parenteralen Ernährung (2009) orientieren. Sie entsprechen nicht vollständig den Referenzwerten für eine orale Ernährung der D-A-CH Fachgesellschaften.
Eisen ist ein hochreaktiver Katalyt oxidativer Reaktionen und daher nicht in Ernährungslösungen enthalten. Der parenterale Eisenbedarf beträgt in der Regel nur etwa 1 mg/d. Ein Eisenmangel ist bei akut kranken hospitalisierten Patienten recht häufig, insbesondere bei einer Protein-Energie-Mangelernährung, gastrointestinalen Krankheiten und häufigen Blutentnahmen. Er wird bei stationären Patienten oft nicht genug in Erwägung gezogen, weil es häufigere Ursachen gibt: die entzündungsbedingte Anämie bei chronischen Krankheiten (mit Anstieg von Serumferritin, einem Akutphaseprotein) und die Umverteilung des intravaskulären Flüssigkeitsvolumens bei längerer Bettlägerigkeit. Ein Eisenmangel sollte bei jedem Patienten unter Ernährungstherapie in Betracht gezogen werden. Ein absinkender MCV, auch wenn er im Normalbereich bleibt, und eine intermediäre Konzentration des Serumferritins weisen auf einen Eisenmangel hin. Die intravenöse Eisengabe folgt den Standardleitlinien. Sie wird immer einzeln verordnet und nicht dauerverordnet, weil sonst das Risiko einer Eisenüberladung besteht. Ein Eisenersatz in größerem Umfang bei schwerkranken Patienten ist nicht unproblematisch, weil durch den erheblichen Anstieg des Serumeisens die Suszeptibilität gegenüber einigen bakteriellen Infektionen erhöht wird.
Parenterale Ernährung
Infusionstechniken und Patientenüberwachung bei parenteraler Ernährung
Eine parenterale Ernährung über eine periphere Vene ist limitiert durch die Osmolarität der Lösung und durch Volumenobergrenzen. Lösungen mit einer Osmolarität von > 900 mOsm/l (die > 3 % Aminosäuren und > 5 % Glukose bzw. 290 kcal enthalten) werden peripher nur schlecht toleriert. Parenterale Fettemulsionen (20 %) können gegeben werden, um die Kalorienzufuhr zu steigern. Das Gesamtvolumen, das benötigt wird, um eine grenzwertige Proteinzufuhr von 60 g und insgesamt 1680 kcal zu erreichen, beträgt 2,5 l. Das Risiko für eine Zunahme von Morbidität und Mortalität, bedingt durch Inkompatibilitäten von Kalzium- und Phosphatsalzen, ist bei niedrig osmolaren, glukosearmen Ernährungslösungen am größten. Bei kurzzeitigen Infusionen kann die Kalziumdosis vorübergehend reduziert oder weggelassen werden. Eine parenterale Ernährung über eine periphere Vene eignet sich zumeist als Ergänzung einer oralen Ernährung und ist bei Intensivpatienten ungünstig. Die periphere parenterale Ernährung kann durch die Zugabe geringer Heparinmengen (etwa 1000 U/l) verbessert werden und eine gleichzeitige Infusion von Fetten kann die Osmolarität verringern, die Bedeutung dieser Option wird aber insbesondere bei schwerkranken Patienten durch die Volumenbegrenzung eingeschränkt.
Peripher gelegte zentrale Venenkatheter können für die kurzzeitige Ernährung mit 20- bis 25%iger Glukose und 4- bis 7%igen Aminosäuren verwendet werden; einige der Komplikationen, die bei der Anlage über eine große zentrale Vene auftreten können, werden so vermieden. Bei peripheren ZVK kann aber der Fluss lageabhängig sein, und der Katheter kann zur Infektionskontrolle nicht über einen Draht gewechselt werden. Wichtig ist, dass Blutentnahmen vorsichtig aus dem Dualport entnommen werden, da die Mischung der Blutprobe, selbst mit einer geringen Infusatmenge, eine Hyperglykämie und Hyperkaliämie vortäuscht. Daher wird beim schwer kranken Patienten ein Zugang über eine zentrale Vene bevorzugt. Die V. subclavia stellt dabei den vom Patienten am besten tolerierten Zugang dar, und die Anlage eines Verbands ist am einfachsten. Der jugulare Zugangsweg bietet ein geringeres Risiko für einen Pneumothorax. Eine Punktion der V. femoralis ist aufgrund eines höheren Risikos für eine Katheterinfektion nicht empfehlenswert. Für den Langzeitgebrauch zu Hause senken getunnelte Katheter und implantierte Port-Systeme das Infektionsrisiko und werden vom Patienten meist besser toleriert. Getunnelte Katheter müssen unter sterilen Bedingungen im OP gelegt werden.
Die Katheter bestehen aus Silikon, Polyurethan oder PVC. Silikonkatheter sind weniger thrombogen und eignen sich am besten. Polyurethan ist gut geeignet für temporäre Katheter. Verbandswechsel mit trockener Gaze in regelmäßigen Abständen sollten durch geschultes Pflegepersonal erfolgen, um Infektionen zu vermeiden. Chlorhexidinlösung ist zur Hautdesinfektion effektiver als Alkohol oder iodhaltige Lösungen. Empfohlene Maßnahmen zur Überwachung von Patienten, die eine parenterale Ernährung erhalten, sind in Tabelle 98e-6 zusammengefasst.
Standardisierte versus individualisierte Nährstoffversorgung
Obwohl allgemein Fertigmischungen aus kristallinen Aminosäuren und Glukose eingesetzt werden, liegt die Zukunft der evidenzbasierten Ernährungstherapie in computergesteuerten sterilen Compoundern, die rasch und preiswert individualisierte Lösungen anfertigen, die den Bedarf an Proteinen und die katabolischen Ziele von Patienten in unterschiedlichen klinischen Situationen decken. So enthält 1 l einer Standardmischung aus 5 % Aminosäuren/25 % Glukose insgesamt 50 mg Aminosäuren (41,5 g Proteinsubstrat) und 1000 kcal. Damit mit dieser Lösung der Bedarf von 1,5–2,0 g/kg Protein bei einem akut kranken 70 kg schweren Patienten erfüllt werden kann, müssen 2,5–3,4 l Flüssigkeit und eine potenziell zu hohe Energiedosis von 2500–3300 kcal infundiert werden. Bei einem ausreichenden Körperfettspeicher weisen immer mehr klinische Belege darauf hin, dass eine moderat hypokalorische Ernährungstherapie mit hohem Proteingehalt bei derartigen Patienten sicherer und effizienter ist. Ein steriler Compounder kann für diese Patienten ein individualisiertes Rezept zusammenstellen. So enthält z. B. 1 l einer Lösung aus 600 ml mit 15 % Aminosäuren, 300 ml mit 50 % Glukose und 100 ml einer Mischung aus Elektrolyten/Mikronährstoffen 75 g Proteinsubstrat und 800 kcal. Damit decken 1,4–1,9 l der Lösung mit einem angemesseneren Kaloriengehalt von 1100–1520 kcal den Proteinbedarf des Patienten. Die kleine Lücke in der Energieversorgung lässt sich leicht durch die intravenöse Gabe von Lipiden decken.
Komplikationen bei parenteraler Ernährung
Mechanische Komplikationen bei parenteraler Ernährung
Die Anlage eines zentralen Venenkatheters sollte von geschultem und erfahrenem Personal in aseptischer Technik durchgeführt werden, um schwerwiegende Komplikationen wie einen Pneumothorax oder eine versehentliche Punktion oder Verletzung arterieller Gefäße einzuschränken. Die Katheterlage muss radiologisch kontrolliert werden, um eine Position in der oberen V. cava, distal der Einmündung der V. jugularis oder der V. subclavia und nicht direkt der Gefäßwand anliegend, sicherzustellen. Katheterassoziierte Thrombosen können an der Stelle des Kathetereintritts ins Gefäß auftreten und sich ausdehnen und den Katheter ummauern. Katheterinfektionen prädisponieren, ebenso wie eine systemische Entzündungsreaktion, zu Thrombosen. Die Zugabe von 6000 IE Heparin in die tägliche Infusionslösung bei stationären Patienten mit temporären Kathetern reduziert das Risiko einer Fibrinbildung und von Katheterinfektionen. Temporäre Katheter, die eine Thrombose verursacht haben, sollten entfernt werden und je nach klinischer Situation sollte eine Antikoagulation durchgeführt werden. Bei Patienten mit Dauerkathetern kann eine Thrombolyse erwogen werden, je nach Vorhandensein von alternativen venösen Zugangsstellen und sonstigen Schwierigkeiten, einen neuen Zugang anzulegen. Eine niedrig dosierte Therapie mit Cumarinen senkt das Risiko einer Thrombose bei venösen Dauerkathetern, die für eine heimparenterale Ernährung benutzt werden. Eine volle Antikoagulation ist bei Patienten erforderlich, die rezidivierende katheterassoziierte Thrombosen erleiden. In einer Stellungnahme der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) wird bei parenteraler Multivitamingabe eine Vitamin-K-Dosis von 150 μg/d empfohlen; diese kann auch die Wirksamkeit einer niedrig dosierten Therapie mit Cumarinen beeinflussen. Daher gibt es auch Vitamin-K-freie Multivitaminpräparate für Patienten, die mit Antikoagulanzien behandelt werden. Katheter können aufgrund mechanischer Ursachen okkludieren, können sich aber auch durch Fibrinablagerungen, Fettlösungen, Mineralien oder Medikamente an der Katheterspitze verschließen. Bei Verschlüssen durch Fibrin kann niedrig dosierte Alteplase eingesetzt werden; bei Verschlüssen durch Fett kann man 70%igen Alkohol instillieren; bei ausfallenden Elektrolyten kann man 0,1 N Salzsäure verwenden, und bei Okklusionen durch Medikamente nimmt man 0,1 N Salzsäure oder 0,1 N Natriumhydroxid, je nach pH der Substanz.
Die Gabe von Antikoagulanzien zur Prophylaxe von Katheter-assoziierten Thrombosen und Okklusionen wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Laut Leitlinie „Künstliche Ernährung im ambulanten Bereich“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM, 2013) wird eine Spülung nicht benutzter Katheter- oder Portsysteme mit isotoner NaCl-Lösung empfohlen, von der Verwendung heparinhaltiger Lösungen wird jedoch abgeraten. Diese Empfehlung basiert auf einer europaweiten Studie, die für Heparin keinen Vorteil zeigen konnte, sowie auf der Tatsache, dass langfristige Heparingaben mit einem erhöhten Risiko für heparininduzierte Thrombozytopathien, Osteoporose und Inkompatibilitäten einhergehen. Die niedrig dosierte Gabe einer oralen Antikoagulation, z. B. Warfarin, kann jedoch bei heimparenteraler Ernährung zur Prävention von Katheterthrombosen durchgeführt werden. Auch bei onkologischen Patienten kann die orale Therapie mit Warfarin (1 mg/Tag) die Häufigkeit katheterbedingter Thrombosen signifikant senken. Zu den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) liegen keine Empfehlungen vor.
Metabolische Komplikationen bei parenteraler Ernährung
Die häufigsten Probleme, die bei einer parenteralen Ernährung auftreten, sind Volumenüberladung und Hyperglykämie (Tab. 98e-7). Hypertone Glukose benötigt sehr viel höhere Insulinspiegel als eine normale Nahrungsaufnahme. Da Insulin ein potentes antinatriuretisches Hormon ist, führt eine Hyperinsulinämie zu einer Natrium- und Wasserretention. Ohne dass gesteigerte gastrointestinale Verluste oder renale Dysfunktion bestehen, ist eine Flüssigkeitsüberladung wahrscheinlich, wenn die zugeführte Flüssigkeitsmenge 2000 ml/d übersteigt. Engmaschige Kontrollen des Körpergewichts sowie Ein- und Ausfuhrprotokolle sind notwendig, um dieser Komplikation vorzubeugen. Wenn keine wesentliche Verschlechterung der Nierenfunktion vorliegt, beträgt der Natriumgehalt des Urins wahrscheinlich weniger als 10 mval/l. Ein begrenztes Angebot von Natrium in kleinen Mengen von 40 mval/d und der kombinierte Einsatz von Glukose und Fett in parenteralen Ernährungslösungen, um die Glukose- und Natriumzufuhr zu vermindern, reduzieren auch die Flüssigkeitsretention. Ein erhöhter Insulinspiegel steigert außerdem den Transport von Kalium, Magnesium und Phosphat nach intrazellulär, was zu einem gefährlichen Refeeding-Syndrom führen kann, wenn der Glukoseanteil der parenteralen Lösung bei mangelernährten Patienten zu schnell gesteigert wurde. Am besten ist es in der Regel, wenn die parenterale Ernährung mit weniger als 200 g/d Glukose gestartet wird, um die Toleranz abzuschätzen. Insulin kann der parenteralen Ernährungslösung zugesetzt werden, um die Kontrolle des Blutzuckers zu unterstützen; die Insulinmenge kann dann proportional zur Glukosezufuhr angepasst werden. Als allgemeine Regel sollten Patienten mit einem insulinpflichtigen Diabetes, die eine total-parenterale Ernährung mit 20–25 kcal/kg erhalten, ihre zu Hause übliche Insulindosis etwa verdoppeln, vor allem aufgrund der parenteralen Glukosezufuhr und auch geringer Insulinverluste in das Ernährungsbehältnis. Als grobe Schätzung kann die Menge Insulin gewählt werden, die dem Anteil der Energiezufuhr durch parenterale Ernährung in Relation zu einer Vollernährung entspricht; diese Insulindosis wird der Ernährungslösung zugesetzt. Subkutan kann Insulin zur Blutzuckerkontrolle weiter gegeben werden, es sollten aber alle 6 Stunden Blutzuckermessungen erfolgen. Etwa zwei Drittel der gesamten 24-h-Insulindosis kann für den nächsten Tag verordnet werden, subkutane Insulininjektionen sollten nach Bedarf erfolgen. Eine Steigerung der Konzentration der Ernährungslösung kann erfolgen, wenn der Blutzucker ausreichend unter Kontrolle ist und die Insulingabe der in Form von Glukose und Aminosäuren zugeführten Energie angepasst ist. Die genannten Maßnahmen stellen ein sehr konservatives Regime dar. In Hinblick auf die schlechte Prognose bei Hyperglykämie kann es notwendig sein, eine intensivierte Insulintherapie als separate Infusion nach Standardprotokoll durchzuführen, um eine Kontrolle des Blutzuckers zu erzielen. Ist dann eine feste Insulindosis ermittelt, kann sie der parenteralen Ernährungslösung zugesetzt werden. Verschiebungen im Säure-Basen-Haushalt sind unter einer parenteralen Ernährungstherapie ebenfalls häufig. Aminosäurelösungen sind gepuffert, aber Patienten auf der Intensivstation sind für eine metabolische Azidose prädisponiert, die meist durch ein tubuläres Nierenversagen bedingt ist. Die Verwendung von Natrium- und Kaliumsalzen in der parenteralen Ernährung kann dieses Problem beheben. Bikarbonatsalze sollten nicht verwendet werden, da sie meist nicht mit parenteralen Nährlösungen kompatibel sind. Nasogastrale Sonden verursachen eine hypochlorämische Alkalose, die durch Kontrollen des Chloridspiegels gehandhabt werden kann. Gelegentlich kann Salzsäure zur schnellen Korrektur oder bei einer Einschränkung der möglichen Natriumzufuhr im Rahmen einer diuretischen Therapie nötig sein. Bis zu 100 mval/l/d Natriumchlorid und bis zu 150 mval/d Salzsäure können fettfreien parenteralen Ernährungslösungen zugesetzt werden.
Infektionen als Komplikation bei parenteraler Ernährung
Infektionen des zentralen Venenkatheters treten nur äußerst selten innerhalb der ersten 72 Stunden auf. Fieber in diesem Zeitraum hat meistens eine andere Ursache. Bei Fieber, das unter parenteraler Ernährung auftritt, sollte die Kathetereinstichstelle untersucht werden; ist diese unauffällig, sollten der ZVK über einen Draht gewechselt, Blutkulturen über den Katheter entnommen und die Spitze mikrobiologisch untersucht werden. Wenn die Kulturen negativ sind, was meist der Fall ist, kann der neue Katheter weiterbenutzt werden. Ist die Kultur positiv für einen relativ apathogenen Erreger, wie Staphylococcus epidermidis, sollte ein weiterer Katheterwechsel über Draht erwogen werden, mit erneuter Abnahme von Kulturen, oder eine Neuanlage des Katheters in Abhängigkeit von den klinischen Umständen. Wenn die Kulturen für pathogene Bakterien oder Pilze, wie Candida albicans, positiv sind, ist es grundsätzlich empfehlenswert, den Katheter zu erneuern. Ob eine Antibiose erforderlich ist, muss klinisch entschieden werden. Allerdings sollte eine auf Candida albicans positive Blutkultur bei Patienten, die parenteral ernährt werden, immer Anlass für eine antimykotische Behandlung sein, da die Folgen einer unterlassenen Therapie schwerwiegend sein können.
Die DGEM empfiehlt in ihrer Leitlinie zur ambulanten künstlichen Ernährung (2013) bei Verdacht aufeine Katheterinfektion die Entnahme von Blutkulturen aus einer peripheren Vene und aus den einzelnen Katheterlumina. Unter Beachtung der klinischen Situation sollte eine systemische und intraluminale Antibiotikatherapie möglichst nach Antibiogramm versucht werden. Bei ausgeprägten lokalen oder systemischen Zeichen eines Infektes (beginnendes Organversagen) und/oder bei Nachweis von katheterinduzierter Bakteriämie mit Problemkeimen, sollte der ZVK entfernt werden. Bei Problempatienten kann eine Infektionsprophylaxe mit antimikrobiellen Substanzen (Lock-Therapie) erwogen werden.
Katheterinfektionen können minimiert werden, wenn der ZVK nur für die total-parenterale Ernährung und nicht für Blutabnahmen oder Medikamentengaben genutzt wird. Die Infektion eines zentralen Venenkatheters ist eine ernsthafte Komplikation, mit einer Letalität von 12–25 %. Bei Kathetern, die nur in der Ernährungstherapie eingesetzt werden, ist mit weniger als 3 Infektionen pro 1000 Kathetertage zu rechnen. Infizierte Katheter für eine heimparenterale Ernährung können zunächst über den Katheter ohne dessen Entfernung behandelt werden, insbesondere bei Nachweis von Staphylococcus epidermidis. Die lokale Applikation von Alteplase, um den Katheter von Biofilm und Fibrinbelägen zu reinigen, erleichtert möglicherweise die Elimination von Pathogenen. Eine antibiotische Versiegelung des Katheters mit hochkonzentriertem Antibiotikum mit oder ohne Heparin in Ergänzung zur systemischen Therapie kann die Effizienz verbessern. Bei Sepsis mit Hypotension sollte umgehend eine Entfernung des Katheters erfolgen, unabhängig davon, ob es sich um einen temporären oder einen Dauerkatheter handelt.
Enterale Ernährung
Sondenanlage und Patientenmonitoring
Die verschiedenen Typen von enteralen Ernährungssonden, die Methoden zur Anlage, der klinische Einsatz und potenzielle Komplikationen sind in Tabelle 98e-8 dargestellt. Die verschiedenen Arten von Sonden- und Trinknahrungen sind in Tabelle 98e-9 aufgelistet. Patienten, die eine enterale Ernährung erhalten, haben ein Risiko für viele metabolische Komplikationen, die auch unter parenteraler Ernährung auftreten, und sollten daher in der gleichen Weise überwacht werden. Eine enterale Ernährung kann zwar ähnliche Probleme verursachen, meist aber nicht im selben Ausmaß, da die Insulinantwort auf die enterale Ernährung nur etwa halb so hoch ist wie bei parenteraler Ernährung. Sondennahrungen haben eine feste Elektrolytzusammensetzung, meist mit einer niedrigen Natriumkonzentration und einer etwas höheren Kaliumkonzentration. Verschiebungen des Säure-Basen-Haushalts müssen unter einer enteralen Ernährung nur selten behandelt werden. Acetatsalze können der Nahrung zugegeben werden, um eine chronische Azidose zu behandeln. Kalziumchlorid kann zur Therapie einer leichten Alkalose eingesetzt werden. Medikamente und andere Zusätze zur Sondennahrung können die Ernährungssonde verstopfen (z. B. kann Kalziumchlorid mit kaseinbasierten Formuladiäten interagieren und es entstehen unlösliche Kalzium-Kaseinat-Komplexe). Außerdem kann die Wirksamkeit von Medikamenten reduziert sein (z. B. Phenytoin). Da schmallumige Sonden leicht dislozieren, sollte die Sondenlage durch Aspiration und Messung des pH-Werts des Aspirats (normal < 4 im Magen, > 6 im Jejunum) in Intervallen geprüft werden.
Komplikationen bei enteraler Ernährung
Aspiration als Komplikation bei enteraler Ernährung
Ein entkräfteter Patient mit Magenentleerungsstörung, Schluckstörung sowie unzureichendem Hustenreflex hat ein erhöhtes Aspirationsrisiko; besonders gefährdet sind mechanisch beatmete Patienten. Tracheale Reizungen verursachen Husten und gastrale Regurgitation und der Cuff des Endotrachealtubus oder des Tracheostomietubus schützen selten sicher vor einer Aspiration. Zu den präventiven Maßnahmen zählen eine 30°-Oberkörperhochlagerung, der Einsatz von Pflegealgorithmen bei der Gabe von Sondennahrung, kombinierte enterale und parenterale Ernährungsstrategien und eine Nahrungsapplikation jenseits des Treitz-Bandes. Die Sondenernährung sollte bei Magenrückflüssen von weniger als 300 ml nicht unterbrochen werden, sofern keine anderen Symptome einer gastrointestinalen Intoleranz auftreten, z. B. Übelkeit, Erbrechen oder abdominale Überblähung. Die kontinuierliche Nahrungszufuhr über eine Pumpe wird intragastral meist besser toleriert als die Bolusgabe und ist bei einer Sondenernährung im Jejunum zwingend notwendig. Bei Nahrungszufuhr in den Dünndarm kann die Rückflussmenge nicht bestimmt werden, hier sollte aber auf das Auftreten abdominaler Schmerzen oder Überblähung geachtet werden.
Diarrhö als Komplikation bei enteraler Ernährung
Enterale Ernährung führt häufig zu Diarrhö, speziell bei Patienten, deren Darmfunktion durch die Krankheit oder durch Medikamente, insbesondere Breitspektrumantibiotika, gestört ist. Das in manchen Medikamenten als Süßmittel enthaltene Sorbitol kann ebenfalls zur Diarrhö führen. Die Diarrhö kann durch die Verwendung einer kontinuierlichen Tropfenzufuhr einer faserhaltigen (mit löslichen Ballaststoffen) Formuladiät oder durch Zugabe von Antidiarrhoika in die Nährlösung behandelt werden. Laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) sollte die Zugabe von Medikamenten in die Sondennahrung unbedingt unterbleiben, u. a. aufgrund unklarer Kompatibilitäten und veränderter Pharmakodynamik in Nährlösungen. Medikamente, die über die Sonde verabreicht werden sollen, also auch. Antidiarrhoika, werden einzeln gemörsert, gelöst und suspendiert und dann nacheinander über die Sonde appliziert. Clostridium difficile, ein häufiger Erreger von Durchfällen bei sondenernährten Patienten, sollte vor dem Einsatz von Antidiarrhoika ausgeschlossen werden. H2-Blocker können ebenfalls dazu führen, dass eine geringere Flüssigkeitsmenge das Kolon erreicht. Durchfall unter enteraler Ernährung impliziert nicht notwendigerweise eine unzureichende Nährstoffresorption. Aminosäuren und Glukose werden vorzugsweise im oberen Dünndarm resorbiert, außer bei schwerstentzündetem Darm und beim Kurzdarmsyndrom. Da luminale Nährstoffe einen trophischen Effekt auf die Darmmukosa aufweisen, ist es meistens zweckmäßig, die Sondenernährung fortzusetzen, auch wenn durch die Diarrhö ein parenteraler Flüssigkeitsersatz notwendig wird. Abgesehen von Krankheiten mit dramatisch reduzierter Resorption im Dünndarm gibt es keine etablierten Indikationen für die Kurzzeitgabe von peptidhaltigen Lösungen oder Elementarlösungen.
Internationale Aspekte enteraler und parenteraler Ernährung
In den USA sind ausschließlich parenterale Lipidlösungen auf Sojabasis erhältlich. Es gibt Hinweise, dass die darin befindlichen Fettsäuren unter bestimmten Umständen immunsuppressiv wirken können. In Europa und Japan stehen auch Lipidemulsionen anderer Herkunft zur Verfügung; diese enthalten z. B.: Fischöl; eine Kombination von Fischöl sowie mittel- und langkettigen Triglyzeriden aus Olivenöl oder Sojaöl; eine Kombination mittel- und langkettiger Triglyzeride aus Sojaöl; oder Mischungen langkettiger Triglyzeride aus Olivenöl und Sojaöl. Diese Formulierungen haben möglicherweise Vorteile, was den Stoffwechsel, die Leberfunktion und das Immunsystem betrifft. Außerdem gibt es in Europa glutaminhaltige Dipeptide, die parenteralen Ernährungslösungen zugesetzt werden und bei Intensivpatienten positive Effekte auf den Immunstatus, die Infektabwehr und die Beatmungszeit gezeigt haben, wobei eine aktuelle Studie mit einer über den Empfehlungen liegenden Dosis mit einem ungünstigen Verlauf einherging.
Danksagung
Die Autoren danken Lyn Howard, Autorin dieses Kapitels in den vorangegangenen Ausgaben von Harrisons Innerer Medizin, für ihre Beiträge zu diesem Kapitel.
Weiterführende Literatur
Biesalski HK et al: Water, electrolytes, vitamins and trace elements – Guidelines on Parenteral Nutrition Chapter 7. GMS Ger Med Sci 7:Doc21, 2009
Bischoff SC et al: S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin in Zusammenarbeit mit GESKES und der AKE. Künstliche Ernährung im ambulanten Bereich. Aktuel Ernahrungsmed 38:e101–e154, 2013
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