135e Seltenere hämatologische Malignome
Die Fortschritte der Zelltypisierung mit histologischen Methoden und der durchflusszytometrischen Methode hat zur Charakterisierung neuer Zelltypen geführt, die inzwischen als Ursprung neoplastischer Erkrankungen identifiziert wurden. Einige davon wurden früher fälschlicherweise als „histiozytäre Erkrankungen“ eingestuft.
Aus Eosinophilen, Basophilen, Mastzellen und den vor wenigen Jahren noch unbekannten dendritischen Zellen können seltene Tumorerkrankungen hervorgehen, Neoplasien von NK-Zellen können Krankheitsbilder mit ganz eigenartigen Lokalisationen verursachen, wie das „Mittelliniengranulom“ früherer Tage.
Die Erkennung dieser Entitäten ist oft eine differenzialdiagnostische Herausforderung (man denke nur an die schwierige Differenzialdiagnose der Eosinophilien).
In dem Kapitel werden diese seltenen Entitäten dargestellt, anhand einiger Tabellen sogar die diagnostischen Schritte aufgezeichnet, die der Kliniker im Alltag anwenden kann, um zur richtigen Diagnose zu gelangen.
Für die deutsche Ausgabe Antonio Pezzutto
Die häufigsten lymphatischen Neoplasien werden in Kapitel 134 besprochen, die myeloischen Leukämien in Kapitel 132 und Kapitel 133, die myelodysplastischen Syndrome in Kapitel 130 und die myeloproliferativen Syndrome in Kapitel 131. Dieses Kapitel befasst sich mit einigen seltenen hämatologischen Tumoren. Die hier besprochenen Krankheitsbilder sind in Tabelle 135e-1 zusammengefasst und machen jeweils weniger als 1 % der hämatologischen Neoplasien aus.
Lymphatische Neoplasien
Die Vorläufer-B-Zell und -T-Zell-Neoplasien sind im Kapitel 134 beschrieben. Alle hier beschriebenen Entitäten sind Tumoren von reifen B-, T- oder NK-Zellen.
Reife B-Zell-Neoplasien
Prolymphozytenleukämie vom B-Zell-Typ (B-PLL)
Die Tumorzellen bei dieser Erkrankung sind rund, mittelgroß (etwa doppelt so groß wie ein kleiner, normaler Lymphozyt), haben einen prominenten Nukleolus und ein hellblaues Zytoplasma. Die Krankheit zeigt sich im peripheren Blut, im Knochenmark und in der Milz. Eine periphere Lymphadenopathie ist eher selten. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 70 Jahren, Männer erkranken doppelt so häufig wie Frauen (Männer : Frauen = 1,6). Die Prolymphozytenleukämie ist eine selbstständige Entität und entwickelt sich nicht als Transformation aus einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL).
Bei Diagnose besteht üblicherweise eine symptomatische Splenomegalie, einige Patienten fallen zufällig durch eine Leukozytose auf. Die Krankheit verläuft oft sehr rasch progredient. Mittels Durchflusszytometrie lassen sich die Zellen durch die Oberflächenexpression von IgM (isoliert oder mit IgD) sowie durch die Expression von typischen B-Zell Antigenen, wie CD19, CD20 und CD22, charakterisieren. Typisch im Vergleich zur CLL ist die fehlende Expression von CD23. Bei etwa einem Drittel der Patienten exprimieren die Zellen CD5. In 20 % der Fälle findet man eine t(11:14)-Translokation. Beide Merkmale können die Unterscheidung zwischen B-PLL und einem leukämisch verlaufenden Mantelzell-Lymphom erschweren. In diesen Fällen gibt es keine sichere Möglichkeit zur Differenzierung dieser beiden Entitäten.
Etwa die Hälfte der Patienten weist Mutationen oder den Verlust des Tumorsuppressorgens p53 auf, auch Deletionen von 11q23 und 13q14 werden beobachtet. Nukleosidanaloga, wie Fludarabin, Cladribin, oder das klassische Lymphomschema CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison) sind wirksam. Eine kombinierte Chemoimmuntherapie aus CHOP und dem Antikörper Rituximab scheint die Wirksamkeit gegenüber alleiniger Chemotherapie zu erhöhen, wegen der Seltenheit der Erkrankung fehlen aber größere Studien. Eine Splenektomie kann zur Palliation der Symptome führen, hat aber keinen wesentlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Splenisches Marginalzonenlymphom (SMZL)
Dieser Tumor entspringt aus den kleinen Lymphozyten der Marginalzonen der weißen Milzpulpa, breitet sich in die Keimzentren und in die Mantelzone aus und infiltriert schließlich auch die rote Pulpa. Die Lymphknoten des Milzhilus, das Knochenmark und das periphere Blut können beteiligt sein. Die zirkulierenden Tumorzellen sind an typischen kurzen Ausläufern der Zellmembran erkennbar (sog. villöse Lymphozyten). Tabelle 135e-2 zeigt differenzialdiagnostisch relevante Unterschiede zwischen den Tumorzellen verschiedener kleinzelliger Neoplasien. So exprimieren z. B. Zellen des splenischen Marginalzonenlymphoms (SMZL) Oberflächenimmunglobuline und CD20, sind aber negativ für CD5, CD10 und CD103. Durch das Fehlen von CD5 unterscheidet sich das SMZL von der CLL und durch das Fehlen von CD103 von der Haarzell-Leukämie.
Das mittlere Alter von Patienten mit SMZL liegt bei etwa 55 Jahren, Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Die Patienten fallen durch eine zufällig entdeckte oder symptomatische Splenomegalie auf oder es wird per Zufall eine Lymphozytose im peripheren Blut festgestellt, wobei die Zellen wegen der typischen villösen Morphologie auffallen. Nicht selten treten auch eine Autoimmunhämolyse oder eine Autoimmunthrombopenie auf. Die Immunglobuline der Tumorzellen zeigen somatische Mutationen, die den Post-Keimzentrum-Reifezustand der Zellen belegen, die Mutationsmaschinerie ist in den Zellen noch aktiv. Etwa 40 % der Patienten haben entweder Deletionen oder Translokationen mit Beteiligung des Chromosoms 7q21, auf dem das FLNC-Gen (Filamin Cγ, an der Quervernetzung von Aktinfilamenten im Zytoplasma beteiligt) residiert. Bei 25 % der Patienten finden sich NOTCH2-Mutationen. Auch Deletionen von Chromosom 8p sind möglich. Die typischen genetischen Läsionen des extranodalen Marginalzonenlymphoms (z. B. Trisomie 3 und t(11;18)) sind in SMZL-Zellen selten.
Der klinische Verlauf ist typischerweise indolent. Das mediane Überleben liegt bei über 10 Jahren. Schlechter ist die Prognose allgemein bei Patienten mit erhöhten Werten der Laktatdehydrogenase (LDH), einer Anämie und einer Hypalbuminämie. Nach Splenektomie kommt es zu Langzeitremissionen. In einer vergleichsweise großen Studie an 227 Patienten konnte gezeigt werden, dass eine Monotherapie mit dem Antikörper Rituximab fast genauso wirksam war wie eine kombinierte Chemoimmuntherapie oder eine Splenektomie. Ein Teil der Patienten entwickelt allerdings eine Transformation in ein diffus-großzelliges Lymphom mit dann aggressivem Tumorverhalten.
Lymphatische Erkrankungen |
Myeloische Erkrankungen |
Histiozytäre und dendritische Zell-Neoplasien |
Mastzellerkrankungen |
Haarzell-Leukämie
Die Tumorzellen der Haarzell-Leukämie sind kleine Lymphozyten mit ovalärer Kernstruktur, reichlich Zytoplasma und typischen Membranausläufern (Haarzellen). Die Patienten haben eine Splenomegalie und in der Regel einen diffusen Knochenmarkbefall. Im peripheren Blut sind oft einzelne Haarzellen sichtbar, das klinische Bild ist aber in erster Linie durch Symptome aufgrund der Splenomegalie oder durch die Panzytopenie geprägt. Letztere entsteht vermutlich durch die Knochenmarkverdrängung durch Tumorzellen und durch die Sekretion inhibitorischer Zytokine. Im Knochenmark sind die Retikulinfasern deutlich erhöht (Knochenmarkfibrose): In der Regel gelingt die Knochenmarkaspiration nicht (sog. „Punctio sicca“) (Tab. 135e-3). Häufig findet man bei der Haarzell-Leukämie eine schwere Monozytopenie, die möglicherweise Ursache der erhöhten Inzidenz von atypischen mykobakteriellen Infektionen ist. Die Tumorzellen zeigen eine starke Expression der Antigene CD22, CD25 und CD103; lösliches CD25 im Serum ist ein zuverlässiger Indikator von Krankheitsaktivität. Die Zellen exprimieren im Zytoplasma saure Phosphatase, deren Färbung sich durch Tartrat nicht hemmen lässt. Die Immunglobulingene sind rearrangiert und mutiert, was eine Entstehung dieser Erkrankung aus Post-Keimzentrum-Zellen annehmen lässt. In den letzten Jahren konnte nachgewiesen werden, dass 80–90 % der Patienten eine Mutation in Position V600E des aktivierenden BRAF-Gens aufweisen.
Es gibt eine Variante der Haarzell-Leukämie (HZL-V, ca. 10 % der Fälle) bei der im Gegensatz zur klassischen Form die Leukozytenzahl teilweise sehr stark erhöht ist, die Morphologie aufgrund der teilweise sehr prominenten Nukleolen an die Prolymphozytenleukämie erinnert und das CD25-Antigen auf der Zelloberfläche fehlt. Die Patienten sind häufig älter, die anderen Zelltypen (Monozyten, Erythrozyten und Thrombozyten) sind meistens bei Diagnosestellung nicht wesentlich vermindert. Diese Fälle zeigen keine Mutationen des BRAF-Gens. Klinisch ist der Verlauf wesentlich aggressiver.
Das mediane Alter der Patienten liegt bei etwa 55 Jahren. Männer erkranken 5-mal häufiger als Frauen. Es gibt sehr viele Therapiemöglichkeiten, u. a. führt die Splenektomie häufig zur kompletten Krankheitsremission, die allerdings meistens nur temporär ist. Nukleosidanaloga, wie Cladribin und Deoxycoformycin, sind sehr wirksam, können allerdings die bereits vorhandene Immunsuppression der Patienten vorübergehend noch verstärken und das Risiko opportunistischer Infektionen erhöhen. Nach einer kurzen Behandlung mit diesen Substanzen werden häufig lang anhaltende Remissionen erreicht und der Immunstatus der Patienten normalisiert sich zunehmend. Auch Alpha-Interferon ist wirksam, wenn auch nicht so effektiv wie die Nukleosidanaloga. Rituximab wird meistens im Rezidiv mit einer Chemotherapie kombiniert. Chemotherapie-refraktäre Patienten haben auf den BRAF-Inhibitor Vemurafenib angesprochen.
Nodales Marginalzonen-B-Zell-Lymphom
Diese seltene Lymphdrüsenneoplasie hat eine gewisse Verwandtschaft mit den extranodalen Marginalzonenlymphomen, die typischerweise Mukosa-assoziiert sind und als Lymphome des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes oder MALT-Lymphome bezeichnet werden, und mit den splenischen Marginalzonenlymphomen. Die Patienten haben eine lokalisierte oder generalisierte Lymphadenopathie. Die Tumoren entstehen aus B-Lymphozyten der Marginalzone des Lymphknotens mit den morphologischen Merkmalen monozytoider Zellen, sodass die Lymphome früher als monozytoide B-Zell-Lymphome bezeichnet wurden. Bis zu ein Drittel der Patienten hat extranodale Manifestationen, der Lymphknotenbefall kann allerdings auch sekundär sein, wenn die Krankheit aus einer primären Schleimhautläsion fortschreitet. Bei echten primär-nodalen Lymphomen findet man sehr selten die typischen zytogenetischen Anomalien der MALT-Lymphome (Trisomie 3 und t(11;18)). Der klinische Verlauf ist indolent, die Krankheit spricht auf Kombinationschemotherapien gut an, im deutschsprachigen Raum orientiert sich die Therapie an der des follikulären Lymphoms (kombinierte Chemoimmuntherapie mit dem Antikörper Rituximab).
(Primäres) mediastinales großzelliges B-Zell-Lymphom
Dieses Lymphom wurde zunächst als eine Variante des diffus-großzelligen B-Zell-Lymphoms eingestuft, inzwischen gilt es aber als eigenständige Entität mit besonderen klinischen, genetischen und immunphänotypischen Merkmalen. Die Krankheit tritt häufig mit einer großen Masse (Bulk) im Mediastinum auf, wo sie meistens lokalisiert bleibt. Der Tumor kann lokal sehr aggressiv wachsen und zum Verschluss der oberen Hohlvene (Cava-superior-Syndrom) oder zu einem gefährlichen Perikarderguss führen. Etwa ein Drittel der Patienten entwickelt Pleuraergüsse, in 5–10 % der Fälle breitet sich die Erkrankung in Nieren, Nebennieren, Leber, Haut und ZNS aus. Die Erkrankung kommt vorwiegend bei jungen Frauen vor, das Verhältnis Männer : Frauen liegt bei 1 : 2–3, das mediane Alter bei 35–40 Jahren.
Der Tumor besteht aus Schichten von großen Zellen mit breitem Zytoplasmasaum, vermischt mit reichlich fibrosiertem Gewebe. Oft ist die Fibrose so ausgeprägt, dass gewisse Ähnlichkeiten mit der nodulär-sklerosierenden Variante des Hodgkin-Lymphoms bestehen. Allerdings ist die Zahl der infiltrierenden normalen Lymphozyten viel geringer, auch die typischen Reed-Sternberg-Zellen fehlen. Weitere Ähnlichkeiten zwischen den beiden Entitäten gibt es auf genetischer Ebene: Ein Drittel der Gene, die beim primär mediastinalen großzelligen Lymphom überexprimiert sind, zeigen eine ähnliche Überexpression beim Hodgkin-Lymphom. Dies und die ähnliche anatomische Prädilektion für das Mediastinum lässt ähnliche pathogenetische Mechanismen vermuten. Die Tumorzellen können das MAL-Gen (Myelin und Lymphozyten Protein) überexprimieren, ein Protein, das normalerweise nur im endoplasmatischen Retikulum von T-Zellen vorkommt. Die Tumorzellen zeigen häufig Verluste oder Gewinn verschiedener Chromosomen, sie exprimieren CD20, aber Oberflächenimmunglobuline sowie HLA-Klasse-I- und -Klasse-II-Moleküle können fehlen oder unvollständig exprimiert sein. Der Verlust der HLA-Klasse-II-Moleküle geht mit einer schlechten Prognose einher. Die Zellen sind CD5- und CD10-negativ, zeigen eine schwache Positivität für das CD30-Antigen und exprimieren häufig das immuninhibitorische Checkpoint-Protein PD-L1. Außerdem sind sie im Gegensatz zu den Zellen des klassischen Hodgkin-Lymphoms CD45-positiv.
Effektive Behandlungsansätze sind die Kombination aus Methotrexat, Leukovorin, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Prednison und Bleomycin (MACOP-B) sowie aus Rituximab plus CHOP. Sie erreichen jeweils eine 5-Jahres-Überlebensrate von 75–87 %. Die dosisangepasste Therapie mit Prednison, Etoposid, Vincristin, Cyclophosphamid und Doxorubicin (EPOCH) plus Rituximab führte zu einer 5-Jahres-Überlebensrate von 97 %. Die Bedeutung der mediastinalen Strahlentherapie ist noch nicht abschließend geklärt. Sie wird jedoch oft und insbesondere bei Patienten, deren Mediastinalbereich auch nach 4–6 Zyklen Chemotherapie in der Positronen-Emissionstomografie auffällig ist, angewandt. Patienten, die eine metabolische Remission anhand der PET-CT-Untersuchung erreichen, scheinen eine Bestrahlung nicht zu benötigen. Dies ist in Anbetracht des Mammakarzinomrisikos bei den meisten weiblichen Patienten klinisch relevant.
In Deutschland wurde in vielen Zentren das zur Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie etablierte B-ALL-Protokoll mit Erfolg eingesetzt, möglicherweise ist diese aggressive Therapie jedoch nur für die Patienten sinnvoll, die einen extrathorakalen Befall zeigen, da viele Patienten auf eine R-CHOP-Therapie gut ansprechen.
Intravaskuläres großzelliges B-Zell-Lymphom
Diese extrem seltene Variante des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms ist durch den Nachweis von Lymphomzellen im Lumen von kleinen Gefäßen charakterisiert, insbesondere von Kapillaren. Das Lymphom wurde auch als maligne Angioendotheliomatose oder als angiotropes großzelliges Lymphom bezeichnet. Da die Entität so selten ist, gibt es noch kein einheitliches klinisches Bild und auch keine klaren epidemiologischen oder genetischen Merkmale. Es wird postuliert, dass die Lymphomzellen in den Gefäßen verbleiben, weil sie Defekte in der Expression von Adhäsionsmolekülen und im Homing-Verhalten haben, möglicherweise wegen fehlender Expression von β1-Integrin und ICAM-1. In Analogie zu den primären Lymphomen des ZNS und den testikulären Lymphomen sind Mutationen des MYD88-Gens häufig. Die Patienten haben häufig Symptome durch Verschluss kleiner Gefäße, Hautläsionen oder neurologische Symptome. Die Tumorzellen können Aggregate bilden und die Thrombenbildung begünstigen. Der klinische Verlauf ist aggressiv, die Erkrankung spricht schlecht auf Therapiemaßnahmen an, wobei sich die Prognose seit der Einführung der kombininierten Chemoimmuntherapie gebessert hat. Häufig wird die Erkrankung erst im Spätstadium erkannt und behandelt.
Primäres Ergusslymphom
Dieses Lymphom ist eine weitere Variante der diffus großzelligen B-Zell-Lymphome, sie ist charakterisiert durch Pleuraergüsse, typischerweise ohne erkennbare lymphomatöse Läsionen. Das Lymphom tritt am häufigsten bei Immundefekten auf, insbesondere bei der AIDS-Erkrankung. Das humane Herpesvirus 8 (HHV-8)/Kaposi-Sarkom-Herpesvirus (KSHV) ist an der Entstehung dieses Lymphoms beteiligt, das auch als Körperhöhlenlymphom bezeichnet wird. Früher wurden einige Fälle als Kaposi-Sarkom fehldiagnostiziert. Ähnlich wie das Kaposi-Sarkom, jedoch noch seltener, kann die Erkrankung auch ohne eine HIV-Infektion bei älteren Männern im Mittelmeerraum auftreten. Die Ergusszellen sind HHV-8/KSHV-positiv, viele sind zusätzlich mit Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert. Die Zellen sind sehr groß und haben große Kerne mit prominentem Nukleolus, sie können daher leicht mit Reed-Sternberg-Zellen verwechselt werden. Die Lymphomzellen exprimieren CD20 und CD79a (ein signalübertragender Partner des Immunglobulinrezeptors), aber keine Oberflächenimmunglobuline. Manchmal werden aberrant T-Zell-Antigene exprimiert, wie CD3 oder T-Zell-Rezeptorgene. Es sind keine typischen genetischen Läsionen bekannt, gelegentlich wurde aber ebenso wie bei anderen HIV-assoziierten Lymphomen ein Gewinn von DNS an den Chromosomen 12 oder X beobachtet. Der klinische Verlauf ist rasch progredient, die meisten Patienten sterben innerhalb von 6 Monaten.
Lymphomatoide Granulomatose
Dies ist eine angiozentrische, angiodestruktive lymphoproliferative Erkrankung, bestehend aus neoplastischen monoklonalen B-Zellen, infiziert mit dem Epstein-Barr Virus, vermischt mit einem reichlichen Infiltrat von polyklonalen reaktiven T-Zellen. Auf der Basis von Zahl und Atypien der B-Zellen in den Läsionen wird die Erkrankung in verschiedene Grade eingestuft, wobei Erkrankungen vom Grad III oft nicht von einem hochmalignen B-Zell Lymphom zu unterscheiden sind. Die Differenzialdiagnose zum extranodalen NK-T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ (ebenfalls angiodestruktiv wachsend und EBV-assoziiert) kann schwierig sein. Typischerweise sind Erwachsene (Männer häufiger als Frauen) betroffen, klinisch zeigt sich ein pulmonales Infiltrat. Häufig werden andere extranodale Manifestationen beobachtet, z. B. an den Nieren (32 %), der Leber (29 %), an der Haut (25 %) und im Gehirn (25 %). Dieses Lymphom tritt häufig, aber keinesfalls ausschließlich, im Rahmen von Immundefekten auf. Der Verlauf ist charakterisiert durch Remissionen und Rezidive, kann aber auch rasch progredient sein, vor allem im Grad III. Das klinische Grading ist prognostisch wichtig: Erkrankungen niedrigen Malignitätsgrads (Grad I und II) sprechen häufig auf Interferon α an, eine Polychemotherapie kann in den meisten Fällen kurativ sein.
Reife T-Zell- und NK-Zell-Neoplasien
T-Zell-Prolymphozytenleukämie
Das ist eine aggressive Leukämie, bestehend aus mittelgroßen Prolymphozyten, welche sich im peripheren Blut, im Knochenmark, in den Lymphknoten, der Leber, der Milz und der Haut vermehren. Sie macht 1–2 % der reifzelligen Leukämien aus. Die meisten Patienten fallen mit hoher Leukozytenzahl (oft > 100.000/µl), Hepatosplenomegalie und Lymphadenopathie auf. Hautinfiltrate finden sich bei 20 % der Patienten. Die Diagnose wird am peripheren Blutausstrich gestellt, der typischerweise mittelgroße Zellen zeigt, die etwa 25 % größer als üblich sind. Diese Zellen haben rundliche zytoplasmatische Ausstülpungen und oft gelappte Zellkerne. Die Zellen exprimieren T-Zell-Antigene, wie CD2, CD3 und CD7. In zwei Drittel der Fälle sind die Zellen CD4+ und CD8–, während bei einem Viertel der Patienten die Zellen sowohl CD4 als auch CD8 exprimieren. Die β-Ketten des T-Zell-Rezeptors sind klonal rearrangiert. Bei 80 % der Patienten lässt sich eine Inversion von Chromosom 14 zwischen den Bereichen q11 und q32.1 nachweisen und bei etwa 10 % der Patienten liegt eine t(14;14)-Translokation vor, welche die Gene des T-Zell-Rezeptors alpha und beta in die Nähe der Onkogene TCL und TCL1b in Position 14q32.1 bringt. Anomalien von Chromosom 8 sind ebenfalls häufig und auch Deletionen des ATM-Gens wurden beschrieben. Auch aktivierende JAK3-Mutationen sind beschrieben.
Die Krankheit verläuft meistens rasch progredient mit einer medianen Lebenserwartung von etwa 12 Monaten. Eingesetzt werden die klassische CHOP-Therapie, Nukleosidanaloga und der Anti-CD52-Antikörper Alemtuzumab. Bei ausgewählten Patienten kann eine Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgender allogener Knochenmarktransplantation erfolgen, insbesondere nachdem mit konventioneller Chemotherapie, kombiniert mit Alemtuzumab, eine Remission induziert wurde. Langzeitüberleben wird nur nach allogener Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation beobachtet.
T-Zell-Leukämie von großen granulierten Lymphozyten (T-LGL-Leukämie)
Die T-LGL-Leukämie ist definiert durch eine Erhöhung der Zahl zirkulierender großer granulierter Lymphozyten (LGL) im peripheren Blut (meistens 2000–20.000/µl), die in der Regel mit einer schweren Neutropenie und gelegentlich auch mit einer Anämie einhergeht. Oft besteht eine Splenomegalie und oft haben die Patienten Zeichen einer Autoimmunopathie, wie rheumatoide Arthritis, Hypergammaglobulinämie, Autoantikörper und zirkulierende Immunkomplexe. Das Knochenmark zeigt ein interstitielles Infiltrat, wobei die Lymphozyten aber meistens weniger als 50 % des Zellanteils ausmachen. Die Tumorzellen exprimieren CD3, CD8 und den T-Zell-Rezeptor, es gibt aber NK-Zell-Varianten, die CD3– sind und typische NK-Zell-Marker exprimieren (wie CD56). Auch die Moleküle Fas und Fas-Ligand, welche Zytotoxizität vermitteln, sind häufig auf den Leukämiezellen nachweisbar. Die Erkrankung hat einen indolenten, langen Verlauf. Im Vordergrund steht die Neutropenie. Paradoxerweise kann eine immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin, Methotrexat oder Cyclophosphamid plus Glukokortikoiden die Granulozytopenie verbessern. Zur Wirksamkeit von Nukleosidanaloga gibt es wenige Berichte. Selten kommt es zur „Akzeleration“ der Erkrankung mit aggressiverem Verlauf.
Aggressive NK-Zell-Leukämie
NK-Zell-Neoplasien sind sehr selten und können ein ganzes Spektrum an klinischen Verläufen zeigen, von sehr indolent bis zu hochaggressiv. Sie sind in Asien häufiger. Die Zellen tragen Virusmaterial des Epstein-Barr-Virus (episomal gelagert). Eine Leukozytose im peripheren Blut ist selten, oft findet man abnorme, große LGL-Zellen mit granuliertem Zytoplasma im Blut. Bei der aggressiven Variante der Leukämie bestehen oft Fieber und eine Verminderung aller Zellreihen (Panzytopenie). Eine Hepatosplenomegalie ist häufig, eine Lymphadenopathie selten. Klinisch können eine Hämophagozytose, eine Koagulopathie und ein Multiorganversagen vorliegen. Im Serum finden sich hohe Spiegel von Fas-Ligand. Die Tumorzellen exprimieren CD2 und CD56, die T-Zell-Rezeptorgene sind nicht rearrangiert. Deletionen am Chromosom 6 sind häufig. Die Erkrankung kann rasch progredient verlaufen, gelegentlich aber auch über lange Zeit indolent sein. Letztere werden häufig per Zufall aufgrund der auffälligen LGL-Lymphozytose entdeckt, Hepatosplenomegalie und Fieber fehlen. Die Zellen sind CD2+ und CD56+. Es findet sich kein Hinweis auf eine EBV-Infektion; eine Panzytopenie und Autoimmunopathien fehlen.
Extranodales NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ
Wie die lymphomatoide Granulomatose ist das extranodale NK/T-Zell-Lymphom durch ein angiozentrisches und angiodestruktives Wachstum charakterisiert, mit dem Unterschied, dass die Tumorzellen nicht B-Lymphozyten, sondern in den meisten Fällen CD56+, Epstein-Barr-Virus-infizierte NK-Zellen oder – seltener – CD56–-zytotoxische T-Zellen sind. Hauptlokalisation sind Nase und Nebenhöhlen, der obere Aerodigestivtrakt und gelegentlich Orbita und okuläre Adnexe, die auch primär beteiligt sein können. Früher wurden viele Fälle als „letales Mittelliniengranulom“ bezeichnet, manchmal auch als polymorphe Retikulose oder als angiozentrische immunoproliferative Läsion. Dieses Lymphom ist häufiger in Asien, Mittel- und Südamerika als in Europa, Männer sind häufiger betroffen. Die Krankheit kann sich im Verlauf ausbreiten, insbesondere in die Weichteilgewebe, den Gastrointestinaltrakt und die Hoden. Auch ein ZNS-Befall ist im Rezidiv möglich. Komplizierend kann ein Hämophagozytosesyndrom auftreten. Die Patienten können über B-Symptome klagen. Viele der systemischen Manifestationen der Erkrankung sind auf die Produktion von Zytokinen durch die Tumorzellen zurückzuführen. Zytogenetische Untersuchungen zeigen häufig Deletionen und Inversionen von Teilen von Chromosom 6.
Viele Patienten mit extranodalen NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ sprechen sehr gut auf Kombinationschemotherapien an, insbesondere wenn die Erkrankung einen limitierten initialen Befall zeigt. Eine Bestrahlung nach Therapieende wird standardmäßig durchgeführt. Vier Risikofaktoren sind: Anwesenheit von B-Symptomen, fortgeschrittenes Stadium, hohe LDH und Beteiligung regionaler Lymphknoten. Das Überleben der Patienten hängt von der Anzahl der vorhandenen Risikofaktoren ab: Ohne Risikofaktoren beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 81 %, bei einem Risikofaktor 64 %, bei zwei Risikofaktoren 32 % und bei drei oder vier Risikofaktoren nur 7 %. Chemotherapieschemata ohne Anthrazykline scheinen dem CHOP-Schema überlegen zu sein, allerdings gibt es dazu nur wenige Daten. Neuere Therapieprotokolle aus Japan und Korea, wo die Erkrankung wesentlich häufiger ist, zeigen hohe Überlebensraten bei einer kombinierten Radiochemotherapie, wobei Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid ein wesentlicher Bestandteil der Chemotherapie sind. Dieses Schema findet auch in Deutschland hohe Akzeptanz. Bei lokalisierter Erkrankung ist sogar die alleinige Radiotherapie hochwirksam und wahrscheinlich ausreichend. Die Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation wurde eingesetzt, in den meisten Fällen ist sie jedoch laut neuesten Publikationen, die die Wirksamkeit der Bestrahlung mit Platin oder Asparaginase-haltigen Therapien bestätigen, nur selten notwendig.
Entheropathie-assoziiertes T-Zell-Lymphom
Das Enteropathie-typische T-Zell-Lymphom (EATL) kommt häufiger in Europa vor, anfänglich wurde es als eine seltene Komplikation (etwa 2–3 % der Zöliakie-Patienten) einer lang bestehenden Zöliakie eingestuft, heute ist aber klar, dass weniger als die Hälfte der Patienten eine Zöliakie-typische Anamnese haben. Man unterscheidet heute das EATL vom klassischen Typ, das typischerweise mit Zöliakie assoziiert ist (und mit einer refraktären Zöliakie einhergeht), vom monomorphischen Typ-II-EATL. Dieses kann zwar auch mit einer Zöliakie assoziiert sein, tritt aber meistens sporadisch, ohne Zeichen einer bevorstehenden Darmerkrankung auf. Auch die genetischen Veränderungen der zwei Typen unterscheiden sich, wobei im Typ II häufig c-myc-Alterationen beschrieben sind, während beim klassischen Typ Veränderungen am Chromosom 1q oder 5q vorkommen.Beim klassischen Typ kann man häufig im Laufe der Erkrankung die Zunahme von intraepithelialen T-Zellen mit atypischem Phänotyp beobachten, die neoplastischen Zellen sind umgeben von einem entzündlichen Infiltrat. Die Tumorzellen des Typs II führen zu einem monomorphischen transmuralen Infiltrat, sie tragen typischerweise CD56 und in der Mehrheit der Fälle exprimieren sie einen T-Zell-Rezeptor vom Gamma-delta-Typ (γδ). Das EATL-Lymphom kommt typischerweise im Jejunum oder im Ileum vor. Beim Erwachsenen können Lymphom und Zöliakie gleichzeitig diagnostiziert werden, vermutlich bestand die Zöliakie dann aber bereits über längere Zeit unerkannt. Meistens finden sich multiple schleimhautulzerierende polypöse Tumoren, seltener auch ein großes Tumorkonglomerat oder multiple Schleimhautulzerationen. Die Tumorzellen exprimieren fast immer CD3 und CD7, während CD8 unterschiedlich exprimiert sein kann. Die normal aussehenden Lymphozyten in der benachbarten Mukosa haben häufig denselben Phänotyp wie die Tumorzellen. Die meisten Patienten mit dem klassischen EATL-Typ haben die HLA-Genotypen HLA DQA1*0501 oder DQB1*0201, die typischerweise mit der Zöliakie assoziiert sind. Die Prognose dieses Tumors ist in der Regel mit einer medianen Überlebenszeit von 7 Monaten sehr schlecht, allerdings sprechen einzelne Patienten gut auf eine CHOP-Therapie an, wobei in Deutschland bei allen T-Zell-Lymphomentitäten grundsätzlich bei jüngeren Patienten das CHOEP-Schema favorisiert wird, da in einer retrospektiven Analyse signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zu einer historischen CHOP-Kontrollgruppe erreicht wurden (Schmitz et al. 2010). Rezidive können überall im von der Zöliakie betroffenen Darm auftreten. Wenn der Tumor gut und schnell auf die Therapie anspricht, kann es zu einer Darmperforation kommen, wobei Darmperforationen auch spontan vor Therapieeinleitung auftreten können, diese machen dann die Einleitung einer Therapie problematisch, da oft die Patienten aufgrund der häufig vorhandenen Malabsorption im schlechten Allgemeinzustand sind.
Hepatosplenisches T-Zell-Lymphom (auch hepatosplenisches γδT-Zell-Lymphom)
Das hepatosplenische T-Zell-Lymphom stammt aus T-Zellen, die den γδ-T-Zell-Rezeptor exprimieren, und befällt vorwiegend die Leber, deren Sinusoide typischerweise mit mittelgroßen lymphatischen Zellen gefüllt sind. Die Infiltration der Milz betrifft vorwiegend die rote Pulpa. Die Krankheit kommt vor allem bei jungen Menschen vor, häufig in Rahmen eines Immundefektes oder einer immunsuppressiven Therapie, insbesondere mit Thiopurinen (Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder Thioguanin) oder mit dem Antikörper Infliximab. Eine Reduktion der Immunsuppression scheint aber keine positive Auswirkung auf das Lymphom zu haben. Die Tumorzellen sind CD3+ und in der Regel sowohl für CD4 als auch für CD8 negativ. Relativ typisch ist das Vorliegen eines Isochromosoms 7q, häufig mit einer Trisomie 8. Das Lymphom verläuft sehr aggressiv. Selbst wenn Remissionen erreicht werden, kommt es fast immer zu Rezidiven, sodass das mediane Überleben etwa 2 Jahre beträgt.
Subkutanes Pannikulitis-ähnliches T-Zell-Lymphom
Das subkutane Pannikulitis-ähnliche T-Zell-Lymphom ist durch multiple kleine subkutane Ansammlungen neoplastischer T-Zellen charakterisiert, die üblicherweise CD3 und CD8 exprimieren und einen zytotoxischen Phänotyp besitzen (sie enthalten Perforin und Granzyme-B). Meistens wird ein αβ-T-Zell-Rezeptor exprimiert, gelegentlich aber auch γδ-T-Zell-Rezeptoren, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten. Die Zellen sind EBV-negativ, oft tritt jedoch ein Hämophagozytosesyndrom auf, insbesondere bei Fieber und Hepatosplenomegalie. Eine Lymphadenopathie gehört nicht zum typischen Krankheitsbild. Die meisten Patienten sprechen auf eine Chemotherapie, wie CHOP, an, Rezidive sind aber häufig. Wenn ein Hämophagozytosesyndrom vorliegt, verschlechtert sich das Krankheitsbild rasant.
Blastäres NK-Zell-Lymphom/blastische plasmazytoide dendritische Zell-Neoplasie
Die neoplastischen Zellen bei dieser Krankheit exprimieren NK-Zell-Marker, insbesondere CD56, während CD3 negativ ist, daher wurde die Krankheit ursprünglich als eine NK-Zell-Neoplasie eingeschätzt, heute wird sie als Erkrankung der plasmozytoiden dendritischen Zellen bezeichnet (Riaz et al. 2014) und als eine Variante der akuten myeloischen Leukämien eingestuft. Die Zellen haben eine blastäre Morphologie und der Blutausstrich ähnelt dem einer akuten lymphatischen oder myeloischen Leukämie, obwohl die Hauptmanifestationen die Haut betreffen. Die häufigsten chromosomalen Aberrationen betreffen die Gene: 9p21.3 (CDKN2A/CDKN2B), 13q13.1-q14.3 (RB1), 12p13.2-p13.1 (CDKN1B), und 13q11-q12 (LATS2). Der Verlauf ist rasch progredient, die typischen Lymphomtherapien sind nicht wirksam. DieseErkrankung wird inzwischen wie eine akute Leukämie behandeltmit anschließender – insbesondere bei jungen Patienten –allogener Stammzelltransplantation, da die Prognose ohne diese Maßnahme äußerst ungünstig ist.
Primäres kutanes CD30+-T-Zell-Lymphom
Dieser Tumor befällt die Haut (etwa ein Viertel der von den T-Zellen ausgehenden Hautlymphome). Die Tumorzellen haben starke Ähnlichkeit mit denen des anaplastischen großzelligen T-Zell-Lymphoms, dennoch sind die zwei Erkrankungen völlig unterschiedlich: Wenn die Erkrankung auf die Haut beschränkt ist (primäres kutanes Lymphom), hat sie eine sehr gute Prognose, bei diffusem Befall (anaplastisches systemisches T-Zell-Lymphom) ist die Prognose schlecht, eine aggressive Chemotherapie ist notwendig und auch nur in ca. 50 % der Fälle erfolgreich. Bei Lymphknotenbeteiligung ist die Unterscheidung zwischen der kutanen und der systemischen Form der Erkrankung schwierig, da eine reaktive Vergrößerung regionaler Lymphknoten durchaus vorkommt. Die Tumorzellen sind oft CD4+ und weisen Granula auf, die meistens Granzyme-B und Perforin enthalten. Eine t(2;5)-Translokation, wie sie beim anaplastischen T-Zell-Lymphom vorhanden ist, ist nicht nachweisbar; sollte sie doch vorliegen, ist eine Überprüfung der Diagnose angezeigt. Das Lymphom wurde gelegentlich nach Ruptur von Silikonimplantaten beschrieben. Das rein kutane CD30+-T-Zell-Lymphom spricht gut auf die Chemotherapie an, auch eine Bestrahlung oder eine Tumorexzision ist effektiv. Das 5-Jahres-Überleben liegt bei etwa 90 %.
Angioimmunblastisches T-Zell-Lymphom
Das angioimmunblastische T-Zell-Lymphom macht etwa 15 % aller T-Zell-Lymphome aus. Es ist eine (hoch) fieberhafte systemische Erkrankung, die bei Diagnose meistens bereits im fortgeschrittenen Stadium vorliegt. Außerdem finden sich oft eine Lymphadenopathie, eine Hepatosplenomegalie, ein Exanthem und eine polyklonale Hypergammaglobulinämie. Auch Erkrankungen, die mit unterschiedlichen Autoantikörpern einhergehen, wie Kälteagglutininen, Rheumafaktor oder zirkulierenden Immunkomplexen, können gut ansprechen. Die Patienten klagen häufig über Ödeme, Arthritiden, Pleuraergüsse und Aszites. Die Lymphknoten zeigen ein polymorphes Infiltrat aus neoplastischen T-Zellen und nicht neoplastischen Entzündungszellen, häufig mit Proliferation von hochendothelialen Venolen und follikulären dendritischen Zellen. Auch blastäre B-Zellen werden in der Regel nachgewiesen. Der Epstein-Barr-Virus lässt sich sowohl in den atypischen B-Lymphozyten als auch in den T-Zellen nachweisen. Die häufigsten chromosomalen Veränderungen sind Trisomie 3, Trisomie 5 und ein Extra-Chromosom X. Eine aggressive Chemotherapie (in Deutschland wird am häufigsten das CHOEP-Protokoll verwendet, jüngere Patienten – die aber selten sind- werden anschließend häufig mit einer Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation konsolidiert) kann zu lang anhaltenden Remissionen führen, der zugrunde liegende Immundefekt erhöht aber das Infektionsrisiko.
Myeloische Malignome
Das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt die myeloischen Malignome anhand der Zellzahlen im peripheren Blut und dem Ausstrich, der Knochenmarkmorphologie sowie zytogenetischer und genetischer Tests in fünf Kategorien ein (Tab. 135e-4). Dieses Kapitel befasst sich mit der chronischen Neutrophilenleukämie, der atypischen chronischen myeloischen Leukämie, der BCR-ABL1-negativen Leukämie, der chronischen myelomonozytären Leukämie, der juvenilen myelomonozytären Leukämie, der chronischen eosinophilen Leukämie ohne weitere Spezifikationen, der Mastozytose, der myeloproliferativen Neoplasie (MPN), der unklassifizierbar myeloproliferativen Neoplasie (MPN-U), dem myelodysplastischen Syndrom (MDS)/MPN, unklassifizierbar (MDS/MPN-U), der refraktären Anämie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (RARS-T) sowie mit myeloischen und lymphoiden Neoplasien mit Eosinophilie und Anomalien von PDGFRA, PDGFRB oder FGFR1. Außerdem wird auf histiozytäre Neoplasien und Neoplasien der dendritischen Zellen und transiente myeloproliferative Erkrankungen eingegangen und es folgt eine umfassende Besprechung der primär eosinophilen Erkrankungen, einschließlich des Hypereosinophiliesyndroms (HES).
Chronische Neutrophilenleukämie
Bei der chronischen Neutrophilenleukämie (CNL) finden sich eine Leukozytose von reifen Neutrophilen, im Vergleich zur klassischen CML (chronische myeloische Leukämie), aber kaum zirkulierende unreife Granulozyten. Sie geht mit aktivierenden Mutationen des für den Rezeptor des Granulocyte Colony-stimulating Factor (G-CSF), der auch als Colony-stimulating Factor 3 (CSF3) bezeichnet wird, kodierenden Gens (CSF3R) einher. Die Patienten sind bei Erstvorstellung meist asymptomatisch, können aber auch Allgemeinsymptome, eine Splenomegalie, eine Anämie und eine Thrombozytopenie aufweisen. Das mediane Überleben beträgt etwa 2 Jahre. Todesursachen sind eine Transformation in eine akute Leukämie, eine progressive Erkrankung mit schweren Zytopenien und deutlicher therapierefraktärer Leukozytose. Die CNL ist mit weniger als 200 bisher beschriebenen Fällen selten. Das mediane Erkrankungsalter beträgt etwa 67 Jahre. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen.
Pathogenese
Der für die Proliferation und Differenzierung der Granulozyten wichtigste Wachstumsfaktor ist CSF3. Dementsprechend wird rekombinanter CSF3 zur Behandlung sowohl der schweren Neutropenie als auch der schweren kongenitalen Neutropenie (SCN) eingesetzt. Manche Patienten mit SCN erwerben CSF3R-Mutationen, die bei Patienten mit leukämischer Transformation deutlich häufiger (~80 %) sind. Die SCN-assoziierten CSF3R-Mutationen betreffen die Region des für die zytoplasmatische Domäne von CSF3R kodierenden Gens und führen zur Trunkierung der C-terminal-negativen regulatorischen Domäne. Bei etwa 90 % der CNL-Patienten finden sich aber andere CSF3R-Mutationen. Sie sind meistens Membran-proximal. Am häufigsten ist die C-zu-T-Substitution des Nukleotids 1853 (T618I). Etwa 40 % der Patienten mit der T618I-Mutation weisen auch SETBP1-Mutationen auf. CSF3R-T618I löst im Mausmodell eine letale myeloproliferative Erkrankung aus und ist in vitro mit einer Sensitivität gegenüber einer JAK-Inhibition assoziiert.
Diagnostik
Die Diagnose der CNL setzt den Ausschluss häufigerer Ursachen der Neutrophilie, wie Infektionen und Entzündungen, voraus. Außerdem muss an eine sekundäre Neutrophilie bei bestimmten metastasierten Krebserkrankungen oder Plasmazellneoplasien gedacht werden. Eine tumorassoziierte Neutrophilie findet sich auch bei anderen myeloischen Neoplasien, wie der atypischen chronischen myeloischen Leukämie und der chronischen myelomonozytären Leukämie. Dementsprechend wurden die WHO-Diagnosekriterien der CNL so festgelegt, dass sie eine sekundäre bzw. reaktive Neutrophilie und eine Leukozytose durch andere myeloische Malignome als die CNL ausschließen (Tab. 135e-5): Leukozytose (≥ 25 × 109/l), > 80 % segmentierte/stabkernige Neutrophile, < 10 % unreife myeloische Zellen, < 1 % zirkulierende Blasten und keine Dysgranulopoese oder Monozytose. Bei der CNL ist das Knochenmark hyperzellulär und weist eine erhöhte Anzahl und einen vermehrten Anteil von Neutrophilen mit hohem M/E-Quotienten und minimaler Linksverschiebung, myeloischer Dysplasie und Retikulinfibrose auf.
Behandlung
Derzeit ist die Behandlung der CNL nur suboptimal wirksam und daher überwiegend palliativ. Mehrere Substanzen wurden allein und in Kombination getestet, zeigten aber keine gute Wirksamkeit. Daher ist die allogene Stammzelltransplantation (ASCT) bei symptomatischer Krankheit und insbesondere bei jüngeren Patienten eine sinnvolle Option. Ansonsten ist eine zytoreduktive Behandlung mit Hydroxyurea vermutlich die gängigste Option. Eine intensivere Chemotherapie ist nicht von zusätzlichem Nutzen. Allerdings sprechen die Patienten oft nur vorübergehend auf Hydroxyurea an. In Einzelfällen wurde erfolgreich Interferon α eingesetzt. Ein Ansprechen auf Ruxolitinib (ein JAK1- und JAK2-Hemmer) wurde beschrieben, ist aber bislang unbestätigt.
Atypische chronische myeloische Leukämie
Die atypische chronische myeloische Leukämie, BCR-ABL1-negativ (aCML), wurde früher in die MDS/MPN-Kategorie der myeloischen Malignome eingestuft und ist durch eine Granulozytose mit Linksverschiebung und eine Dysgranulopoese gekennzeichnet. Zu den Differenzialdiagnosen gehören die chronische myeloische Leukämie (CML), die durch das Vorhandensein von BCR-ABL1 abgegrenzt werden kann, die chronische Neutrophilenleukämie, bei der keine Dysgranulopoese, aber CSF3R-Mutationen vorliegen, und die chronische myelomonozytäre Leukämie, die mit einer Monozytose einhergeht (absolute Monozytenzahl > 1 × 109/l). Die WHO-Diagnosekriterien der aCML sind in Tabelle 135e-5 aufgeführt und umfassen eine Granulozytose (WBC ≥ 13 × 109/l), Neutrophilie mit Dysgranulopoese, ≥ 10 % unreife Granulozyten, < 20 % Myeloblasten im peripheren Blut, < 10 % Monozyten im peripheren Blut, < 2 % Basophile und keine für andere Krankheiten spezifischen Mutationen, wie BCR-ABL1. Das Knochenmark ist hyperzellulär mit Granulozytenproliferation und -dysplasie mit oder ohne eine Dysplasie der erythrozytären oder megakaryozytären Linie.
Die molekulare Pathogenese der aCML ist unvollständig verstanden. Etwa ein Viertel der Patienten weist SETBP1-Mutationen auf, die sich allerdings auch bei anderen myeloischen Neoplasien, wie der chronischen Neutrophilenleukämie und der chronischen myelomonozytären Leukämie, finden. SETBP1-Mutationen befinden sich überwiegend zwischen den Codons 858 und 871 und sind bei der aCML prognostisch ungünstig. Ähnliche Mutationen lassen sich beim Schinzel-Giedion-Syndrom (einer kongenitalen Erkrankung mit schweren Entwicklungsstörungen und verschiedenen Malformationen, wie Mittelgesichtshypoplasie, prominenter Stirn und Makroglossie) nachweisen.
In einer Serie von 55 Patienten mit aCML gemäß den WHO-Kriterien betrug das mittlere Erkrankungsalter 62 Jahre mit Überwiegen des weiblichen Geschlechts (57 %). Bei 54 % der Patienten fand sich eine Splenomegalie, bei 65 % lag eine transfusionspflichtige Anämie vor, 20 % wiesen einen anormalen Karyotyp auf (meistens 20q– und Trisomie 8) und 40 % eine leukämische Transformation. Das mediane Überleben betrug 25 Monate, wobei eine deutliche Leukozytose, Transfusionsbedarf und Ausschwemmung unreifer Zellen im peripheren Blut mit kürzerer Lebenserwartung einhergingen. Die konventionelle Chemotherapie ist bei der aCML nahezu ineffektiv. Allerdings wurde bei neun Patienten über gute Erfolge mit der allogenen SCT berichtet, von denen sich nach einer mittleren Beobachtungszeit von 55 Monaten die meisten weiterhin in kompletter Remission befanden.
Chronische myelomonozytäre Leukämie
Die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) wird der WHO-Kategorie myelodysplastische/myeloproliferative Neoplasien zugeordnet und wird definiert durch eine absolute Monozytenzahl (AMC) im peripheren Blut von > 1 × 109/l. Das mediane Alter bei Diagnose beträgt 65–75 Jahre, Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Das klinische Bild ist variabel und hängt davon ab, ob ein MDS-ähnlicher oder MPN-ähnlicher Phänotyp vorliegt. Ersterer geht mit Zytopenien (Anämie, Granulozytopenie und Thrombopenie) einher, letzterer mit einer Splenomegalie und Zeichen der Myeloproliferation, wie höhere Leukozytenzahl, Müdigkeit, Nachtschweißigkeit, Gewichtsverlust und Kachexie. Etwa 20 % der Patienten mit CMML entwickeln eine Polyserositis mit möglicher Arthritis, Perikarderguss, Pleuraerguss oder Aszites.
Pathogenese
Bei einem Drittel der Patienten mit CMML finden sich klonale zytogenetische Anomalien, wie die Trisomie 8 und Veränderungen am Chromosom 7. Fast alle Patienten mit CMML weisen somatische Mutationen von epigenetischen Regulatoren (z. B. ASXL1, TET2), von Spliceosomgenen (z. B. SRSF2), von DNS-Reparaturgenen (z. B. TP53) und von Tyrosinkinasen/Transkriptionsfaktoren (z. B. KRAS, NRAS, CBL und RUNX1) auf. Allerdings ist keine dieser Mutationen für die CMML spezifisch und der genaue pathogenetische Beitrag der einzelnen Mutationen ist unbekannt.
Diagnostik
Eine reaktive Monozytose ist selten, kommt aber im Rahmen bestimmter Infektionen und entzündlicher Reaktionen vor. Eine klonale (d. h. neoplastische) Monozytose ist zwar ein Definitionskriterium der CMML, kommt aber auch bei der juvenilen myelomonozytären Leukämie und der akuten myeloischen Leukämie mit monozytärer Differenzierung vor. Die WHO-Diagnosekriterien der CMML sind in Tabelle 135e-5 aufgeführt und umfassen eine persistierende absolute Monozytenzahl > 1 × 109/l, das Fehlen von BCR-ABL1, das Fehlen von PDGFRA- und PDGFRB-Mutationen, einen Anteil von < 20 % Blasten und Promonozyten in peripherem Blut und Knochenmark sowie eine Dysplasie von mindestens einer myeloischen Linie.
Bei CMML ist das Knochenmark hyperzellulär mit granulozytärer und monozytärer Proliferation. Oft findet sich eine Dysplasie von einer, zwei oder allen myeloischen Linien. Bei der Immuntypisierung exprimieren die Tumorzellen oft myelomonozytäre Antigene, wie CD13 und CD33, sowie variabel CD14, CD68, CD64 und CD163, sie zeigen in der Zytochemie eine Positivität für unspezifische Esterasen (z. B. Butyratesterase), während die normalen granulozytären Vorläuferzellen positiv für Lysozym und Chloroacetatesterase sind. Bei CMML findet sich oft ein zytochemisches Hybridfärbemuster, weil die Zellen Chloroacetat und Butyratesterasen gleichzeitig exprimieren (duale Esterasefärbung).
Prognose
Eine Metaanalyse ermittelte ein medianes Überleben von 1,5 Jahren. Mithilfe zahlreicher prognostischer Systeme wurde versucht, den natürlichen Verlauf der CMML besser zu definieren und zu stratifizieren. Eines davon, der prognostische Mayo-Score, vergibt für die folgenden vier unabhängigen prognostischen Variablen jeweils einen Punkt: absolute Monozytenzahl > 10 × 109/l, Vorhandensein unreifer zirkulierender Zellen, Hämoglobin < 10 g/dl und Thrombozytenzahl < 100.000/ml. Dieses Modell stratifizierte die Patienten in drei Risikogruppen: niedrig (0 Punkte), intermediär (1 Punkt) und hoch (≥ 2 Punkte) mit einem medianen Überleben von 32 Monaten, 18 Monaten bzw. 10 Monaten.
In einer französischen Studie wurde bei 312 CMML-Patienten auch der ASXL1-Mutationsstatus berücksichtigt. In einem multivariablen Modell fanden sich als unabhängige Vorhersagefaktoren eines schlechten Überlebens eine Leukozytenzahl > 15 × 109/l (3 Punkte), ASXL1-Mutationen (2 Punkte), ein Alter > 65 Jahre (2 Punkte), eine Thrombozytenzahl < 100.000/ml (2 Punkte) und ein Hämoglobinspiegel < 10 g/dl bei Frauen und < 11 g/dl bei Männern (2 Punkte). Dieses Modell stratifizierte die Patienten in drei Risikogruppen: niedrig (0–4 Punkte), intermediär (5–7 Punkte) und hoch (8–12 Punkte): Das mediane Überleben war noch nicht erreicht in der Niedrigrisikogruppe und lag bei 38,5 Monaten bzw. 14,4 Monaten für die anderen zwei Gruppen.
Behandlung
Derzeit erfolgt die zytoreduktive Behandlung mit Hydroxyurea und begleitend mit supportiver Therapie, wie der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten und der Gabe von Erythropoese-stimulierenden Faktoren (ESAs). Der Nutzen von Hydroxyurea wurde durch eine randomisierte Vergleichsstudie mit Etoposid gestützt, keine andere Einzelsubstanz oder Kombinationstherapie hat sich bislang überlegen erwiesen. Die allogene SCT ist für geeignete Patienten mit schlechten prognostischen Merkmalen eine gute Option. Aufgrund des myelodysplastisch/myeloproliferativen Phänotyps und des Vorhandenseins von Myelodysplasie-typischen genetischen Anomalien und/oder Methylierungsanomalien wurden bei der CMML hypomethylierende Substanzen, wie 5-Azacitidin und Decitabin, eingesetzt, jedoch mit begrenztem Erfolg.
Juvenile myelomonozytäre Leukämie
Die juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML) ist eine Erkrankung des Kleinkindalters und gehört gemeinsam mit der chronischen myelomonozytären Leukämie (CMML) zur WHO-Kategorie der myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasien. Beide Krankheiten gehen mit einer Leukozytose, einer Monozytose und einer Hepatosplenomegalie einher. Weitere typische Merkmale der JMML sind eine Thrombozytopenie und ein erhöhtes fetales Hämoglobin. Die myeloischen Vorläuferzellen sind wegen einer Störung der RAS/MAPK-Signalweges hypersensitiv gegenüber Granulocyte-macrophage Colony-stimulating Factor (GM-CSF). Diese Störung beruht vermutlich auf einander ausschließenden Mutationen von RAS, PTPN11 und NF1. Ein Drittel der Patienten mit einer JMML, die nicht mit dem Noonan-Syndrom assoziiert ist, weisen PTPN11-Mutationen auf, während die Inzidenz von NF1 bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 und RAS-Mutationen bei jeweils etwa 15 % liegt. Die medikamentöse Behandlung ist bei der JMML eher wirkungslos. Therapie der Wahl ist eine allogene SCT, die zu einem 5-Jahres-Überleben von etwa 50 % führt.
Myelodysplastische/myeloproliferative Neoplasien, unklassifizierbar
Die WHO klassifiziert Patienten mit morphologischen Befunden und Laborbefunden, die sowohl zu einem MDS als auch zu einem MPN passen, als myelodysplastische/myeloproliferative Neoplasien zusammen. Zu dieser Kategorie gehören die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML), die atypische chronische myeloische Leukämie (aCML) und die juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML), die weiter oben beschrieben wurden. Außerdem gehört dazu eine vierte Kategorie, die myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasien, unklassifizierbar (MDS/MPN-U). Ihre Diagnose setzt das Vorhandensein von Merkmalen des myelodysplastischen Syndroms und der myeloproliferativen Neoplasien voraus, die nicht für eine Zuordnung zur CMML, aCML oder JMML ausreichen. Die Kategorie MDS/MPN enthält außerdem die provisorische Kategorie RARS-T.
Die refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (RARS-T) wird der MDS/MPN-Kategorie zugeordnet, weil sie dysplastische Eigenschaften mit der RARS gemein hat und myeloproliferative Eigenschaften mit der essenziellen Thrombozythämie (ET). In einer Studie wurden 111 Patienten mit RARS-T mit 33 Patienten mit RARS verglichen. Die SF3B1-Mutationen waren bei RARS-T (87 %) ähnlich häufig wie bei RARS (85 %). JAK2-V617F-Mutationen fanden sich bei 49 % der RARS-T-Patienten (einschließlich 48 % derjenigen mit SF3B1-Mutation) und bei keinem der RARS-Patienten. Bei der RARS-T waren SF3B1-Mutationen bei Frauen deutlich häufiger (95 %) als bei Männern (77 %), und die Patienten mit SF3B1-Mutation wiesen im Mittel eine höhere Anzahl von Ringsideroblasten auf. Das mediane Überleben betrug bei den Patienten mit SF3B1-Mutation 6,9 Jahre und bei den Patienten ohne diese Mutation 3,3 Jahre. Bei den Patienten mit JAK2-Mutation erreichte die 6-Jahres-Überlebensrate 67 % im Vergleich zu 32 % bei den Patienten ohne diese Mutation. Die multivariable Analyse ergab als günstige Vorhersagefaktoren ein jüngeres Alter und JAK2- sowie SF3B1-Mutationen.
In einer Serie aus 85 Patienten mit non-RARS-T-MDS/MPN betrug das mediane Alter 70 Jahre; 72 % der Patienten waren Männer. Bei 33 % der Patienten bestand bei Diagnosestellung eine Splenomegalie, bei 13 % eine Thrombozytose, bei 18 % eine Leukozytose, bei 30 % JAK2-Mutationen und bei 51 % ein anormaler Karyotyp. Die häufigste zytogenetische Veränderung war die Trisomie 8. Das mediane Überleben erreichte 12,4 Monate und wurde günstig durch eine Thrombozytose beeinflusst. Weder die Behandlung mit hypomethylierenden Substanzen noch die Gabe von Immunmodulatoren oder die allogene SCT wirkten sich positiv auf das Überleben aus.
Myeloproliferative Neoplasie, unklassifizierbar (MPN-U)
Zur Kategorie myeloproliferative Neoplasie, unklassifizierbar (MPN-U), gehören MPN-artige Neoplasien, die nicht eindeutig einer der anderen sieben Unterkategorien der MPN zugeordnet werden können (Tab. 135e-4). Beispiele sind Patienten mit einer ungewöhnlichen Thrombose oder einer nicht erklärbaren Organomegalie mit normalen Blutzellzahlen, aber für die MPN typischen Mutationen, wie JAK2 und CALR, oder einer Knochenmarkmorphologie im Sinne einer MPN. Möglicherweise entsprechen einige der MPN-U-Fälle einem Frühstadium der Polycythaemia vera oder essenziellen Thrombozythämie ohne Überschreiten der Schwellenwerte von Hämoglobin (18,5 g/dl bei Männern bzw. 16,5 g/dl bei Frauen) oder der Thrombozytenzahl (450 × 109/l), wie es die diagnostischen WHO-Kriterien für die zwei Erkrankungen fordern. Bei asymptomatischen Patienten mit MPN-U sind oft keine therapeutischen Interventionen erforderlich. Bei arteriellen thrombotischen Komplikationen sind oft eine zytoreduktive Therapie und die Gabe von Acetylsalicylsäure indiziert und bei venöser Thrombose eine systemische Antikoagulation.
Transiente myeloproliferative Störung (TMD)
Die transiente myeloproliferative Störung (TMD) ist ein meistens, aber nicht immer vorübergehendes Phänomen mit anormaler Proliferation der Megakaryoblasten, das bei etwa 10 % der Säuglinge mit Down-Syndrom auftritt. Es wird in der Regel bei der Geburt erkannt und bildet sich entweder spontan zurück (75 % der Fälle) oder geht in eine akute Megakaryoblastenleukämie (AMKL) über (25 % der Fälle). Fast alle Patienten mit TMD und einer aus einer TMD hervorgegangenen AMKL weisen somatische GATA1-Mutationen auf. Dabei handelt es sich um Exon-2-Insertionen, -Deletionen oder Missense-Mutationen der N-terminalen transaktivierenden Domäne von GATA-1 mit Verlust der vollen Länge (50 kDa) von GATA-1 und Ersatz durch eine kürzere Isoform (40 kDa), welche das Friend-of-GATA-1-Gen (FOG-1) bindet. Im Gegensatz zu diesen kongenitalen Anomalien führen erworbene Exon-2-GATA-1-Mutationen zu einem Phänotyp mit Anämie, während Exon-4-Mutationen der N-terminalen, FOG-1-interaktiven Domäne eine familiäre dyserythropoietische Anämie mit Thrombozytopenie oder eine X-chromosomale Makrothrombozytopenie auslösen.
Eosinophile Erkrankungen
Als Eosinophilie wird eine absolute Eosinophilenzahl im peripheren Blut bezeichnet, die über dem oberen Normalwert des Referenzbereiches liegt. Diese Referenzbereiche können regional unterschiedlich sein. Von einer Hypereosinophilie spricht man, wenn die absolute Eosinophilenzahl im peripheren Blut > 1500 × 109/l liegt. Die Eosinophilie wird aus praktischen Gründen in eine sekundäre (nicht neoplastische Vermehrung der eosinophilen) und eine primäre Proliferation (neoplastisch oder ungeklärter Ursache) eingeteilt (Tab. 135e-6). Die sekundäre Eosinophilie ist die bei Weitem häufigere Form und findet sich oft bei Infektionen, insbesondere durch invasive Parasitosen, bei Allergien und Vaskulitiden sowie bei metastasierten Krebserkrankungen oder arzneimittelbedingt. Dieses Kapitel befasst sich mit der primären Eosinophilie, von der ausgegangen wird, wenn keine manifeste Ursache für eine sekundäre Eosinophilie vorliegt. In Deutschland wird für diese Erkrankungen, bei denen die Differenzialdiagnose häufig schwierig ist, ein Register geführt: http://www.kompetenznetz-leukaemie.de/trial/detail.html?id=452.
Primäre Eosinophilie
Die primäre Eosinophilie wird als klonal oder idiopathisch eingestuft. Die Diagnose einer klonalen Eosinophilie setzt morphologische, zytogenetische oder molekulare Belege für eine myeloische Neoplasie voraus. Eine idiopathische Eosinophilie liegt vor, wenn eine sekundäre und eine klonale Eosinophilie ausgeschlossen wurden. Das Hypereosinophiliesyndrom (HES) ist eine Sonderform der Eosinophilie mit einer persistierenden absoluten Eosinophilenzahl im Blut von ≥ 1,5 × 109/l und einer Organschädigung durch die Eosinophilen (Tab. 135e-7). Eine HES-ähnliche Erkrankung, die mit dem Nachweis klonaler oder phänotypisch anormaler T-Zellen einhergeht, wird als lymphozytäre Variante der Hypereosinophilie bezeichnet (Tab. 135e-7).
Klonale Eosinophilie
Zu den Beispielen für eine klonale Eosinophilie gehören die Eosinophilie bei akuter myeloischer Leukämie (AML), MDS, CML, Mastozytose und MDS/MPN. Zur Eosinophilie bei myeloischen Neoplasien gehören auch die WHO-MPN-Unterkategorie der chronischen eosinophilen Leukämie, nicht anders spezifiziert (CEL-NOS) und die WHO-MPN-Unterkategorien myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und Mutationen des Platelet-derived-growth-factor-Rezeptors (PDGFR) α/β oder des Fibroblast-growth-factor-Rezeptors 1 (FGFR19) (MLN-Eo).
Die diagnostische Abklärung der klonalen Eosinophilie, die nicht mit einem morphologisch offensichtlichen myeloischen Malignom assoziiert ist, beginnt mit einem Screening auf FIP1L1-, PDGFRA und PDGFRB-Mutationen im peripheren Blut mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) oder Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR). Dies ist wichtig, weil sich eine derartige Eosinophilie gut mit Imatinib behandeln lässt. Sofern das Mutations-Screening negativ ausfällt, ist eine zytogenetische Knochenmarkuntersuchung indiziert. Dabei wird auf das Vorhandensein oder Fehlen von 5q33-, 4q12- oder 8p11.2-Translokationen geachtet, die auf eine klonale Eosinophilie mit Rearrangement von PDGFRB, PDGFRA oder FGFR1 hinweisen würden. Das Vorhandensein von 5q33- oder 4q12-Translokationen sagt ein gutes Ansprechen auf die Therapie mit Imatinib voraus, während 8p11.2-Translokationen mit einem aggressiven, therapierefraktären Verlauf assoziiert sind.
Der Verdacht auf eine chronische eosinophile Leukämie, nicht weiter spezifiziert (CEL-NOS), besteht bei zytogenetischen/morphologischen Hinweisen auf eine myeloische Neoplasie, die nicht anders klassifizierbar ist. Sie unterscheidet sich vom Hypereosinophiliesyndrom durch den Nachweis zytogenetischer Veränderungen oder von > 2 % Blasten im peripheren Blut oder > 5 % Blasten im Knochenmark (Tab. 135e-7). Ein Hypereosinophiliesyndrom oder eine idiopathische Eosinophilie wird bei fehlenden morphologischen und molekularen Belegen für eine klonale Eosinophilie erwogen. Bevor die Arbeitsdiagnose eines Hypereosinophiliesyndroms gestellt wird, muss noch die lymphozytäre Variante der Hypereosinophilie ausgeschlossen werden, indem das Fehlen von T-Zellen mit anormalem Phänotyp (mittels Flusszytometrie) und von klonalen T-Zell-Gen-Rearrangements belegt wird.
Chronische eosinophile Leukämie, nicht weiter spezifiziert (CEL-NOS)
Die chronische eosinophile Leukämie, nicht weiter spezifiziert (CEL-NOS), ist eine Sonderform der klonalen Eosinophilie, die molekular nicht als eine der anderen infrage kommenden myeloischen Erkrankungen definiert oder klassifiziert ist. Der Begriff wird verwendet ausschließlich für Patienten mit Merkmalen eines Hypereosinophiliesyndroms, bei denen jedoch klonale zytogenetische/molekulare Veränderungen oder übermäßig viele Blasten im Knochenmark oder peripheren Blut nachgewiesen werden können. Die WHO definiert die CEL-NOS durch eine absolute Eosinophilenzahl im peripheren Blut von ≥ 1,5 × 109/l mit Myeloblastenexzess (> 2 % im peripheren Blut oder 5–19 % im Knochenmark) oder Belegen für eine myeloische Klonalität. Zu den zytogenetischen Anomalien bei CEL gehören die Trisomie 8 (am häufigsten), t(10;11)(p14;q21) und t(7;12)(q11;p11). Die CEL-NOS spricht nicht auf Imatinib an. Die Behandlungsansätze ähneln denen der anderen MPN und umfassen z. B. eine allogene SCT bei transplantatfähigen Patienten mit schlechten Risikofaktoren und die Teilnahme an experimentellen Behandlungsprotokollen.
PDGFR-mutierte Eosinophilie
An den MPN-relevanten aktivierenden Mutationen sind die beiden Platelet-derived-growth-factor-Rezeptoren α (PDGFRA auf Chromosom 4q12) und β (PDGFRB auf Chromosom 5q31-q32) beteiligt. Zu den klinischen Merkmalen gehören in beiden Fällen eine deutliche Eosinophilie im peripheren Blut und ein ausgezeichnetes Ansprechen auf Imatinib. Die häufigste PDGFRA-Mutation ist FIP1L1-PDGFRA, eine karyotypisch okkulte del(4)(q12), die im Jahr 2003 als Imatinib-sensitive aktivierende Mutation beschrieben wurde. Funktionelle Studien zeigen, dass diese Mutation Zelllinien in vitro transformieren kann und im Mausmodell eine Myeloproliferation induziert. Durch die Klonierung des FIP1L1-PDGFRA-Fusionsgens wurde ein neuartiger Mechanismus zur Erzeugung einer konstitutiv aktiven Fusionstyrosinkinase entdeckt, bei der eine etwa 800 kb große interstitielle Deletion in 4q12 mit dem 5’-Anteil von FIP1L1 am 3’-Anteil von PDGFRA fusioniert. Die FIP1L1-PDGFRA-Mutation tritt zwar nur bei wenigen Patienten auf, die phänotypisch eine systemische Mastozytose oder ein HES aufweisen, sagt aber zuverlässig ein komplettes hämatologisches und molekulares Ansprechen auf Imatinib voraus. Da Imatinib für das FIP1L1-PDGFRA-Fusionsprotein eine 100-fach niedrigere IC50-Dosis als für das CML-typische BCR-ABL hat, reicht eine deutlich geringere Imatinib-Dosierung als bei der CML: In Deutschland werden Patienten oft mit nur 100 mg/Tag behandelt und nach Erreichen der molekularen Remission wird die Imatinib-Dosis auf 100 mg jeden zweiten Tag oder sogar nur einmal pro Woche reduziert.
Der Zusammenhang zwischen eosinophilen myeloischen Neoplasien und dem PDGFRB-Rearrangement wurde erstmals 1994 beschrieben, als die Fusion der für die Tyrosinkinase kodierenden Region von PDGFRB mit dem ets-like Gen, ETV6 (ETV6-PDGFRB, t[5;12][q33;p13]) nachgewiesen wurde. Das Fusionsprotein hat transformierende Eigenschaften in Zelllinien und führt zur konstitutiven Aktivierung des PDGFRB-Signalweges. Seitdem wurden mehrere andere PDGFRB-Fusionstranskripte mit ähnlichen Eigenschaften beschrieben. Eine Behandlung mit Imatinib ist erfolgreich. Auch hier werden Dosierungen von 100 mg/Tag verwendet.
FGFR1-mutierte Eosinophilie
Das klinische Bild des 8p11-myeloproliferativen Syndroms (EMS) (auch bekannt als Stammzell-Lymphom/-Leukämie) besitzt Merkmale eines malignen Lymphoms und einer eosinophilen myeloproliferativen Neoplasie. Diese Erkrankung ist durch eine Fusionsmutation charakterisiert, die das für den Fibroblast-growth-factor-Rezeptor 1 (FGFR1) kodierende Gen auf Chromosom 8p11 betrifft. Beim EMS exprimieren sowohl die myeloische als auch die lymphatische Zelllinie als Zeichen des Stammzellursprungs der Krankheit die 8p11-Translokation. Mehrere Gene können als Translokationspartner mit 8p11 verknüpft sein: So können z. B. die Gene ZNF198 oder BCR eine EMS- oder CML-ähnliche Krankheit verursachen. Dementsprechend haben manche Patienten mit der BCR-FGFR1-Mutation eine indolente, CML-ähnliche Erkrankung. Die FGFR1-Aktivierung bei EMS hingegen führt zu einem der PDGFRB-assoziierten myeloproliferativen Erkrankungähnlichen, aggressiven Krankheitsbild, das mit Kombinationschemotherapie behandelt werdenmuss und sogar eine allogene SCT erforderlich macht. Hier kommt es zur Juxtaposition der Tyrosinkinase-Domäne von FGFR1 an eine dimerisierende Domäne des Partnergens ZNF198.
Hypereosinophiliesyndrom (HES)
Eine Eosinophilie im peripheren Blut, die weder sekundär noch klonal ist, wird als idiopathisch bezeichnet. Das HES ist eine Sonderform der idiopathischen Eosinophilie mit einer persistierenden Erhöhung der absoluten Eosinophilenzahl im Blut auf ≥ 1,5 × 109/l und Organschäden durch die Eosinophilen. Dazu gehören eine Kardiomyopathie, eine Gastroenteritis, Hautläsionen, eine Sinusitis, eine Pneumonitis, eine Neuritis und eine Vaskulitis. Außerdem entwickeln einige Patienten thromboembolische Komplikationen, eine Hepatosplenomegalie und eine Zytopenie oder Zytose.
Bei Verdacht auf ein HES sollte das Knochenmark histologisch und zytogenetisch/molekular untersucht werden. Weitere Blutuntersuchungen, die derzeit zur Evaluation des HES empfohlen werden, sind die Bestimmung der Serumtryptase (bei einem erhöhten Spiegel besteht der Verdacht auf eine Mastozytose und es sollten molekulare Untersuchungen zum Nachweis von FIP1L1-PDGFRA durchgeführt werden), eine Immuntypisierung der T-Zellen und eine Analyse der Gen-Rearrangements des T-Zell-Rezeptor-Antigens (bei positivem Test besteht der Verdacht auf eine zugrunde liegende klonale oder abnorme T-Zell-Proliferation). Zur initialen Evaluation eines Patienten mit Eosinophilie sollten Untersuchungen gehören, mit denen Schäden an den Zielorganen erfasst werden können, wie ein Differenzialblutbild, eine Röntgenaufnahme des Thorax, eine Echokardiografie und der Serumspiegel von Troponin. Ein erhöhter Serumspiegel des kardialen Troponins ist bei HES Zeichen einer Kardiomyopathie. Typische echokardiografische Befunde bei HES sind ein apikaler Ventrikelthrombus, eine Fehlbildung des posterioren Mitralsegels oder der Trikuspidalklappe, eine Endokardverdickung, ein dilatierter linker Ventrikel und ein Perikarderguss. Das ist besonders wichtig, da die kardiale Beteiligung lebensbedrohlich ist und die sofortige Einleitung therapeutischer Maßnahmen erfordert.
Eckpfeiler der HES-Therapie sind Glukokortikoide. Die Behandlung mit Prednison erfolgt in der Regel mit einer Anfangsdosis von 1 mg/kg/d für 1–2 Wochen. Anschließend wird die Dosis langsam über die folgenden 2–3 Monate ausgeschlichen. Sofern die Symptome bei einer Prednisondosis von > 10 mg/d rezidivieren, wird Hydroxyurea oder Interferon α zugegeben, um Steroide zu sparen. Patienten, die auf diese Therapie nicht ansprechen, erhalten Mepolizumab oder Alemtuzumab. Mepolizumab greift Interleukin 5 (IL-5) an, einen allgemein bekannten Überlebensfaktor für Eosinophile. Alemtuzumab greift das CD52-Antigen an, das zwar von eosinophilen, nicht aber von Neutrophilen exprimiert wird. In Deutschland wird häufig bei Prednison-resistenten Fällen auch Azathioprin oder Cyclophosphamid eingesetzt (www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines).
Mastozytose
Die Mastozytose ist definiert als eine Gewebeinfiltration durch morphologisch und immunphänotypisch anormale Mastzellen. Sie wird grob in zwei Kategorien eingeteilt: die kutane und die systemische Mastozytose. Bei Erwachsenen tritt sie für gewöhnlich systemisch auf und verläuft abhängig von einer Organbeteiligung klinisch indolent oder aggressiv. Beschwerden treten in Form einer Urticaria pigmentosa auf oder durch die Freisetzung von Mediatoren aus den Mastzellen (z. B. Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Schwindelgefühl, Synkope, Anaphylaxie, Pruritus, Urtikaria, Angioödem, Übelkeit, Diarrhö, Bauchkrämpfe) und Organschäden (lytische Knochenläsionen oder eine diffuse Osteoporose, Hepatosplenomegalie, Zytopenien). Die aggressive systemische Mastozytose kann mit anderen myeloischen Neoplasien, wie MPN, MDS oder MDS/MPN (insbesondere CMML) assoziiert sein oder sich als Mastzell-Leukämie manifestieren. Bei indolentem Verlauf ist die Lebenserwartung bei systemischer Mastozytose allgemein normal, während sie bei aggressivem Verlauf deutlich verkürzt ist.
Die Diagnose der systemischen Mastozytose basiert auf einer Knochenmarkuntersuchung, bei der Cluster aus morphologisch veränderten, spindelförmigen Mastzellen nachgewiesen werden, die sich am besten mittels immunhistochemischer Färbungen, die für Mastzellen spezifisch sind (Tryptase, CD117) weiter evaluieren lassen. Außerdem ergibt die Immunphänotypisierung eine aberrante CD25-Expression auf den neoplastischen Mastzellen. Weitere Laborbefunde bei systemischer Mastozytose sind erhöhte Werte der Serumtryptase, von Histamin und von Urinhistaminmetaboliten sowie Prostaglandinen. Die meisten Patienten mit systemischer Mastozytose weisen KIT-Mutationen, meist KIT D816V, auf. Das KIT-Protein (proto-oncogen c-Kit oder auch tyrosine-protein kinase Kit) ist ein Oberflächenrezeptor für den sog. „Stammzellfaktor“, der auf hämatopoetischen Stammzellen exprimiert ist und Überleben, Proliferation und Differenzierung der Stammzellen ins Zellinnere überträgt. Ein Mutationsscreening auf KIT D816V ist für die Mastozytose von diagnostischem Nutzen. Allerdings hängt der Nachweis von KIT D816V von der Sensitivität des Assays sowie vom Mastzellgehalt der Probe ab.
Sowohl bei indolenter als auch bei aggressiver systemischer Mastozytose kann es zu Symptomen durch die Freisetzung von Mediatoren aus den Mastzellen kommen. Sie werden in der Regel mit H1- und H2-Antihistaminika sowie mit Chromoglycinsäure behandelt. Patienten, die zu einem vasodilatatorischen Schock neigen, sollten ein medizinisches Notfallarmband tragen und einen Adrenalin-Pen zur subkutanen Selbstapplikation von Adrenalin mitführen. Die Urticaria pigmentosa spricht unterschiedlich gut auf die topische und systemische Gabe von Glukokortikoiden an. Eine zytoreduktive Therapie wird bei indolenter systemischer Mastozytose nicht empfohlen. Bei der aggressiven Form sollte zur Erstlinientherapie Interferon α oder Cladribin erwogen werden, von denen die meisten Patienten profitieren. In den wenigen Fällen ohne D816V-KIT-Mutation kann Imatinib-Mesylat oder Masitinib angewendet werden, da sie das nicht mutierte KIT-Protein hemmen.
Neoplasien der histiozytären und dendritischen Zellen
Tumoren der Histiozyten oder der dendritischen Zellen sind absolute Raritäten. Die dendritischen Zellen sind antigenpräsentierende Zellen, während die Hauptfunktion der Histiozyten/Makrophagen die Antigenaufnahme (Phagozytose) und Prozessierung ist. Aus den myeloischen Stammzellen des Knochenmarks (CD34+) gehen die Vorläuferzellen von Monozyten (CD14+, CD68+, CD11c+, CD1a–) und dendritischen Zellen (CD14–, CD11c+/–, CD1a+/c) hervor. Aus den Monozyten-Vorläuferzellen werden Makrophagen (CD14+, CD68+, CD11c+, CD163+, Lysozyme+) und interstitielle dendritische Zellen (CD68+, CD1a–). Aus den Vorläuferzellen der dendritischen Zellen werden Langerhans-Zellen (Birbeck-Granula, CD1a+, S100+, Langerin+) und plasmazytoide dendritische Zellen (CD68+, CD123+). Follikuläre dendritische Zellen (CD21+, CD23+, CD35+) gehen aus den mesenchymalen Stammzellen hervor. Dendritische und histiozytäre Neoplasien werden in solche der Makrophagen/Histiozyten (histiozytäres Sarkom/maligne Histiozytose) und solche der dendritischen Zellen (Langerhans-Zell-Histiozytose, Langerhans-Zell-Sarkom, interdigitierendes dendritisches Zell-Sarkom und follikuläre dendritische Neoplasie) unterteilt.
Histiozytäres Sarkom/maligne Histiozytose
Das histiozytäre Sarkom entsteht durch die maligne Proliferation von reifen Gewegebehistiozyten und ist oft lokal begrenzt. Es ist eine extrem seltene Erkrankung, das mediane Alter bei Diagnose beträgt 46 Jahre, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Bei manchen Patienten tritt die Erkrankung gleichzeitig mit einem malignen Lymphom, einem MDS oder einem Keimzelltumor auf. Die drei typischen Manifestationsorte sind Lymphknoten, Haut und Gastrointestinaltrakt. Allgemeinsymptome sind möglich und umfassen Fieber und Gewichtsverlust. Weitere Symptome sind eine Hepatosplenomegalie, lytische Knochenläsionen und eine Panzytopenie. Zum Immunphänotyp gehören histiozytäre Marker (CD68, Lysozym, CD11c, CD14) und das Fehlen von myeloischen oder lymphatischen Markern. Die Prognose ist schlecht und die Behandlung oft ineffektiv. Der Begriff maligne Histiozytose bezeichnet eine disseminierte Erkrankung mit systemischen Symptomen. Manche Patienten erreichen durch eine lymphomspezifische Behandlung eine komplette Remission; das mediane Überleben beträgt 2 Jahre. Bei einem signifikanten Prozentsatz der Patienten mit neoplastischen Proliferationen von Histiozyten (Langerhans-Zell-Histiozytose, Langerhans-Zell-Sarkom, histiozytisches Sarkom) findet man Mutationen in Position 600 (V600E) des BRAF-Proteins (serine/threonine-protein kinase B-Raf). Die Identifikation solcher Fälle ist wichtig, da der BRAF-Inhibitor Vemurafenib hier eine gute klinische Aktivität zeigt.
Langerhans-Zell-Histiozytose
Die Langerhans-Zellen sind spezialisierte dendritische Zellen des mukokutanen Gewebes, die nach Aktivierung aufgenommene und prozessierte Antigene den T-Zellen präsentieren, um eine spezifische Immunantwort zu initiieren. Die Langerhans-Zell-Histiozytose (auch als Histiozytosis X bezeichnet) ist eine neoplastische Proliferation von Langerhans-Zellen (S-100+, CD1a+ und Birbeck-Granula in der Elektronenmikroskopie). Die Inzidenz der Langerhans-Zell-Histiozytose wird auf 5 Erkrankungen auf 5 Millionen Menschen geschätzt. Betroffen sind vor allem männliche Kinder. Die Krankheit manifestiert sich unifokal (eosinophiles Granulom) oder multifokal. Erstere betrifft in der Regel vor allem die Knochen sowie seltener Lymphknoten, Haut und Lunge, letztere verläuft disseminiert. Die unifokale Erkrankung betrifft oft ältere Kinder und Erwachsene, während die multisystemische Form (auch Letterer-Siwe genannt) vor allem bei Säuglingen auftritt. Die pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose des Erwachsenen geht mit nodulären Lungeninfiltraten einher, sie tritt vorwiegend bei Rauchern auf. Die Prognose hängt von den beteiligten Organen ab. Nur 10 % der Patienten entwickeln letztendlich eine Multiorganerkrankung. Die pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose bessert sich oft, wenn mit dem Rauchen aufgehört wird.
Langerhans-Zell-Sarkom
Das Langerhans-Zell-Sarkom ist ebenfalls eine neoplastische Proliferation von Langerhans-Zellen mit eindeutig maligner Morphologie. Es kann de novo auftreten oder aus einer Langerhans-Zell-Histiozytose hervorgehen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 41 Jahren. Der Immunphänotyp ähnelt dem der Langerhans-Zell-Histiozytose. Betroffen sind meistens Leber, Milz, Lunge und Knochen. Die Prognose ist schlecht und die Behandlung in der Regel ineffektiv.
Interdigitierendes dendritisches Zellsarkom
Das interdigitierende dendritische Zellsarkom, das auch als Retikulumzellsarkom oder Retothelsarkom bezeichnet wird, ist eine neoplastische Proliferation der interdigitierenden dendritischen Zellen. Die Krankheit ist äußerst selten und betrifft ältere Erwachsene ohne Geschlechtsbevorzugung. Typischer Befund ist eine asymptomatische solitäre Lymphadenopathie. Der Immunphänotyp ist positiv für S-100 und negativ für Vimentin und CD1a. Die Prognose reicht von einer benignen lokalen Form bis zu einer ausgedehnten letal verlaufenden Form.
Follikuläre dendritische Neoplasie
Follikuläre dendritische Zellen finden sich in den B-Zell-Follikeln des lymphatischen Gewebes und präsentieren den B-Zellen prozessierte Antigene. Die Neoplasien der follikulären dendritischen Zellen sind in der Regel lokal begrenzt und betreffen oft Erwachsene. In 10–20 % der Fälle sind sie mit der Castleman-Krankheit assoziiert, eine erhöhte Inzidenz wurde bei Schizophrenie beobachtet. Meistens sind die zervikalen Lymphknoten betroffen, seltener die maxillären, mediastinalen und retroperitonealen Lymphknoten, die Mundhöhle, der Gastrointestinaltrakt, die Haut und die Mamma. Die Metastasierung erfolgt in Lunge und Leber. Der Immunphänotyp umfasst CD21, CD35 und CD23. Die Krankheit verläuft in der Regel klinisch indolent. Die Behandlung erfolgt mittels operativer Exzision mit anschließender Strahlentherapie sowie gelegentlich systemischer Chemotherapie.
Hämophagozytäres Syndrom
Das hämophagozytäre Syndrom, auch hemophagocytic lymphohistiocytosis (HLH), entsteht durch eine nicht neoplastische Proliferation und Aktivierung von Makrophagen: Sie geht mit einer zytokininduzierten schweren Knochenmarksuppression und Zeichen einer intensiven Phagozytose in Knochenmark und Leber einher (Zhang et al. 2014). Das Bild ähnelt einem schweren septischen Krankheitsbild, es kommt zu einer massiven Erhöhung von Zytokinen (IL-6, IL-8, IL-10, IL-12, IL-18, macrophage colony-stimulating factor, IFN-γ und TNF-α) sowie von löslichem IL-2-Rezeptor (CD25), sCD95-Ligand und sCD163. Eine starke Erhöhung des Ferritins und eine Hypertriglyceridämie sind ebenfalls typisch. Die Ursache sind genetische oder erworbene Erkrankungen der Makrophagen. Zu ersteren gehört die genetisch festgelegte Unfähigkeit zur Steuerung der Makrophagenproliferation und -aktivierung. Dem erworbenen hämophagozytären Syndrom gehen oft Virusinfektionen insbesondere mit dem Epstein-Barr-Virus voraus. Außerdem kann es begleitend bei bestimmten Malignomen, wie T-Zell-Lymphomen, auftreten. Das hämophagozytäre Syndrom verläuft oft fulminant und letal. Die Therapie der Grunderkrankung kann beim tumorassoziierten HLH wirksam sein, in refraktären Fällen ist eine allogene SCT erfolgversprechend.
Weiterführende Literatur
German Study Group MPN (GSG-MPN): Deutsches MPN-Register und Biomaterialbank für BCR-ABL1-negative myeloische Neoplasien der German Study Group MPN (GSG-MPN), https://www.cto-im3.de/gsgmpn/
Riaz W et al: Blastic Plasmacytoid Dendritic Cell Neoplasm: Update on Molecular Biology, Diagnosis, and Therapy. Cancer Control 21:279–89, 2014
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