14e Komplementäre und alternative Heilverfahren
Komplementäre und alternative Heilverfahren (KAH) sind Behandlungsmethoden, die komplementär zu den schulmedizinischen, so genannten „konventionellen“ medizinischen Verfahren verwendet werden.
Es gehören dazu überlieferte pflanzenheilkundliche Rezepturen sowie manuelle Verfahren, wie z. B. Massage-, Wasser- oder Wärmeanwendungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Medizinische Heillehren wie die Traditionelle Chinesische Medizin, Ayurveda, tibetische oder anthroposophische Medizin, aber auch die Osteopathie liefern hierzu das Grundgerüst der Behandlungskonzepte.
Ernährungsheilkunde, Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Vielstoffrezepturen, z. B. von Tabletten oder Teesorten, oder auch Aromastoffe gehören ebenso zu den KAH wie bestimmte Körper-Geist-Verfahren zur Entspannung oder begleitende Therapien wie Tai Chi oder Yoga. Die Akzeptanz und Anwendung solcher Therapiemethoden wächst immer mehr in der Bevölkerung und Kosten werden zunehmend von Krankenkassen übernommen, aber auch von den Patienten selbst getragen.
Auch wenn KAH generell als Behandlungsmethoden mit wenig oder keinen Nebenwirkungen gelten, müssen diese dennoch mit Vorsicht angewendet werden: Auch bei pflanzlichen Arzneimitteln kann es zu Überdosierungen kommen. Wechselwirkungen mit klassischen Medikamenten können auftreten. Der behandelnde Arzt sollte über komplementäre Zusatzmedikationen oder sonstige Therapiemaßnahmen informiert sein.
Die Evidenz von KAH ist vor allem empirisch, es gibt nicht viele methodologisch gute Studien, die ihre Wirkung beweisen.
Einige Internet-Quellen ermöglichen qualitativ gute Informationsmöglichkeiten über KAH.
Für die deutsche Ausgabe Dietrich H. W. Grönemeyer und Yvonne Kalliope Maratos
Das Streben nach Gesundheit umfasst viele Glaubenseinstellungen und Praktiken, die sich außerhalb der Schulmedizin befinden. Ärzte sind für Patienten zwar eine wichtige Informationsquelle in gesundheitlichen Fragen, daneben bedienen sich die Patienten aber noch zahlreicher anderer Quellen. Dazu gehören Familie und Freunde, kulturelle Traditionen, andere Ärzte und in immer größerem Umfang auch das Internet, Massenmedien und Werbung. Der Arzt muss verstehen, was Patienten bei ihrem Streben nach Gesundheit sich selbst verordnen, weil er nur so den möglichen Nutzen erkennen kann und den Patienten dabei helfen kann, Schäden zu vermeiden, beispielsweise Interaktionen mit verordneter Medikation. Komplementäre Behandlungsverfahren werden außerdem zur Verbesserung der Lebensqualität vermehrt eingesetzt und sind weit verbreitet und bei Jung und Alt beliebt.
Definitionen
Die komplementären oder alternativen Heilverfahren (KAH) sind Behandlungsmethoden, die nicht zur konventionellen oder allopathischen Medizin gehören und sich außerhalb, parallel und teilweise lange vor der Schulmedizin entwickelt haben. Da sie meistens gemeinsam mit konventionellen Verfahren eingesetzt werden, wurden sie als komplementär bezeichnet, um sie von den alternativen Behandlungsmethoden abzugrenzen, welche anstelle der Standardbehandlung durchgeführt werden. Beispiele für KAH sind die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, wie Phytopharmaka, Körper-Geist-Techniken, wie Akupunktur, Massage, Meditation und Hypnose, sowie die Behandlung durch traditionelle Heiler (bzw. Heilpraktiker).Tabelle 14e-1 gibt kurze Definitionen von einigen der häufiger eingesetzten KAH. Obwohl KAH meist von einem alternativen Gesundheitsdienstleister durchgeführt werden, wie einem Chiropraktiker, einem Akupunkteur oder einem Naturheilkundler, erfolgen sie meist als „Selbstindikation“ und werden vom Patienten selbst bezahlt. Private sowie zahlreiche gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten von einzelnen KAH, z. B. Akupunktur, entsprechend dem Versicherungsvertrag und den damit vereinbarten Leistungen. Akupunktur zur Behandlung von unspezifischen Rückenschmerzen ist mittlerweile eine anerkannte Behandlungsmethode.
In den letzten etwa 10 Jahren wurden als neue Begriffe die integrative Pflege und die integrative Medizin eingeführt. Eine nationale Umfrage des National Center for Health Statistics der Centers for Disease Control and Prevention aus dem Jahr 2007 stellte fest, dass 42 % der Hospize komplementäre Verfahren in ihr Behandlungsangebot aufgenommen hatten. Auch in den Einrichtungen der Veterans Administration und des Verteidigungsministeriums werden komplementäre Verfahren insbesondere zur Behandlung von Schmerzen und dem posttraumatischen Stresssyndrom eingesetzt.
Als „integrative Medizin“ wird eine ganzheitliche Behandlungsform bezeichnet, die einen ganzheitlichen Therapieansatz hat und möglichst wenige technische Therapieverfahren einsetzt. Ärzte, die dieses Vorgehen bevorzugen, bieten ihren Patienten in der Regel ausgewählte komplementäre Verfahren an oder arbeiten in der Praxis mit einem Komplementärmediziner zusammen. Dieser Ansatz ist für viele Patienten wesentlich attraktiver als die klassische Schulmedizin. Aufgrund des vermehrten Einsatzes von Nahrungsergänzungsmitteln und der nur schwachen Evidenz der angebotenen integrativen Behandlungsmethoden bestehen ärztlicherseits starke Bedenken. Die integrative Medizin ist Gegenstand einer kontrovers geführten Diskussion.
Bis vor etwa 10 Jahren umfasste die komplementäre und alternative Medizin Verfahren, die weder im Medizinstudium gelehrt werden, noch von den Krankenkassen erstattet wurden. Inzwischen wird die Komplementärmedizin auch an den Universitäten berücksichtigt und manche Verfahren werden erstattet. Auch die Argumentation, dass die komplementären oder alternativen Heilverfahren keinen Nachweis für ihre Wirkung und Behandlungserfolge hätten, trifft nicht mehr zu, weil immer mehr Verfahren stark erforscht werden und einige Behandlungsmethoden der Schulmedizin eine nur schmale Evidenzbasis haben.
Die Grenze zwischen der Schulmedizin und der Komplementärmedizin ist von Natur aus porös und hängt von den kulturellen Gegebenheiten einer Gesellschaft ab. Sie verändert sich auch im Laufe der Zeit. Die traditionelle chinesische Medizin und die indische Ayurveda-Medizin waren lange in asiatischen Kulturen die vorherrschenden Gesundheitslehren. Manche Verfahren, welche die Schulmedizin infrage stellte, wurden im Laufe der Zeit von dieser akquiriert und integriert. Beispiele dafür sind die Lehren von Fernand Lamaze, die zum weit verbreiteten Einsatz von Entspannungstechniken während der Entbindung führten, die Förderung der Stillberatung der La Leche League und die Lehren von Cicely Saunders und Elizabeth Kübler-Ross, welche die Hospizbewegung ins Leben riefen.
Am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten mehrere Ärzte, die der Medizin jener Zeit kritisch gegenüberstanden, neue Gesundheitslehren. Von diesen haben die Naturopathie und die Homöopathie, die in Deutschland aufkamen, und die Chiropraktik und Osteopathie, die in den USA entwickelt wurden, bis heute überdauert. Die osteopathische Medizin ist in den USA in die traditionelle Schulmedizin eingebunden, obwohl die American Medical Association (AMA) sie noch 1960 als Kult-Bewegung eingestuft hatte. Die anderen drei Traditionen sind auch weiterhin strikt von der Schulmedizin getrennt, obwohl manche Ärzte auch chiropraktische Techniken anbieten.
Anwendungsgebiete
Eine der ersten großen Umfragen von Eisenberg und Kollegen aus dem Jahr 1993 hat die amerikanische Ärzteschaft damit überrascht, dass mehr als 30 % der Amerikaner KAH anwenden. Seither haben zahlreiche Studien diese Schlussfolgerung bestätigt. Anschließend widmete sich das National Health Interview Survey (NHIS), eine große nationale Umfrage des National Center for Health Statistics, einer Abteilung der Centers for Disease Control and Prevention, der KAH-Anwendung und bestätigte diese Ergebnisse. Das NHIS ist eine Haushaltsumfrage über zahlreiche Gesundheitspraktiken in der Allgemeinbevölkerung. Es verwendet bestimmte Verfahren zur Erzeugung einer national repräsentativen Population und erreicht Probengrößen ausreichender Größe, um valide Aussagen über Untergruppen zu treffen. In den Jahren 2002, 2007 und erneut 2012 enthielt die Umfrage einen Fragensatz zum KAH-Gebrauch. Die Informationen stammten im Jahre 2002 von 31.000 Erwachsenen und im Jahre 2007 von 23.300 Erwachsenen und 9400 Kindern. Von der Befragung aus dem Jahr 2012 stehen nur vorläufige Daten zur Verfügung. In allen drei Umfragen nutzten etwa 40 % der Erwachsenen eine Form der KAH. In der Umfrage von 2007 nutzen 38 % der Erwachsenen und 12 % der Kinder eines oder mehrere KAH-Verfahren. Diese Erhebungen ergaben, dass etwa 18 % der Bevölkerung Nahrungsergänzungsmittel ohne Vitamine und Mineralstoffe einnehmen. Die am häufigsten eingesetzten Körper-Geist-Techniken sind Entspannungsverfahren und Meditation, Chiropraktik und Massage. Die US-Amerikaner sind bereit, für diese Leistungen Geld auszugeben: Im Jahre 2007 waren es schätzungsweise 34 Mrd. US-Dollar, das sind 1,5 % der Gesamtausgaben des Gesundheitssystems und 11 % der Eigenbeteiligung der Patienten. Für Deutschland liegen keine genauen Zahlen vor. Allerdings besteht von Seiten der Patienten eine große Nachfrage für alternative Heilverfahren. Die Ärzte absolvieren immer mehr gezielte Fortbildungen, die auch von den Ärztekammern angeboten bzw. anerkannt werden, die es ihnen erlauben, neben den medizinischen Leistungen Zusatzbehandlungen abzurechnen, sogenannte „Igelleistungen“.
Die Anziehungskraft der nicht in ihrer Wirkung belegten KAH ist auch weiterhin für viele Ärzte überraschend. Zu dieser Tendenz tragen viele Faktoren bei. Manche Patienten wenden sich an KAH-Praktiker, weil diese den Patienten mit mehr Optimismus und Aufmerksamkeit gegenübertreten. Andere sehen in alternativen Verfahren eine Möglichkeit zur „Selbsthilfe“, um Gesundheit und Wohlbefinden zu erzielen, oder sie befriedigen damit ihren Wunsch einer „natürlicheren“, weniger invasiven Behandlungsoption, da Massagen, Akupunktur, Diätetik, Physiotherapie oder Nahrungsergänzungsmittel und andere Naturprodukte – korrekterweise oder nicht – als grundsätzlich gesünder und sicherer eingestuft werden als klassische schulmedizinische Medikamente. In NHIS-Umfragen setzen die meisten Patienten KAH wegen Gesundheitsstörungen ein, die sich schulmedizinisch weniger oder nur schlecht beeinflussen lassen, wie unspezifische Rückenschmerzen, andere Schmerzformen, Angst und Schlaflosigkeit. Oder der Wert einer additiven Behandlung wie zum Beispiel beim Morbus Parkinson mit Ayurveda wird als vielversprechend eingeschätzt.
Arztbasierte Verfahren
Ausbildung und Zulassung
Derzeit gibt es in den USA für sechs komplementärmedizinische Verfahren (Osteopathie, Chiropraktik, Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin [TCM], therapeutische Massage, Naturopathie und Homöopathie) Ausbildungsangebote und staatliche Zulassungen. Die Ausbildungsgänge werden von Fachverbänden, die unter behördlicher Aufsicht stehen, angeboten. Die Zulassung hingegen ist Sache des jeweiligen US-Bundesstaates und verschafft der Öffentlichkeit Zugang auch zu Therapien, über deren klinischen Wert kein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens besteht. Auch in Deutschland werden von den jeweiligen Ärztekammern anerkannte Fortbildungen und Zusatzbezeichnungen auf den Gebieten der TCM, Akupunktur, Naturheilverfahren, Homöopathie und Chirotherapie angeboten.
Osteopathie
Sie wurde 1892 von dem Arzt Andrew Still begründet. Die Grundidee der osteopathischen Medizin besteht darin, dass Manipulationen von Bindegewebe, Muskel und Knochen zahlreiche Erkrankungen des Bewegungsapparats und innerer Organsysteme beeinflussen und auch heilen können. Während des folgenden Jahrhunderts entwickelte sich die Osteopathie in Richtung der konventionellen (allopathischen) Medizin. In Deutschland, außer im Bundesland Hessen, sind der osteopathische Beruf und dessen Ausbildung nicht staatlich geregelt und unterstehen dem Heilpraktikergesetz. Da Osteopathie nach derzeitiger Rechtslage eine Heilkunde ist, darf sie nur vom Arzt bzw. Heilpraktiker ausgeübt werden. Physiotherapeuten dürfen nach einer vier- bis sechsjährigen Zusatzausbildung auf Verordnung eines Arztes (so genanntes Delegationsverfahren) tätig werden. Der Verband der Osteopathen Deutschland e. V. empfiehlt deshalb zurzeit den Physiotherapeuten, die Heilpraktikerprüfung abzulegen, um selbstständig arbeiten zu können.
In Hessen gibt es seit November 2008 die WPO-Osteo (Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich Osteopathie), die die Ausbildung staatlich regelt. Nach der entsprechenden Prüfung erhalten die Therapeuten die Bezeichnung „staatlich anerkannte/er Osteopath/in“. Die Ausbildung zum Osteopathen wird von verschiedenen Schulen in einer vier- bis sechsjährigen Ausbildung berufsbegleitend oder jetzt auch als Bachelor-Studiengang in einem vierjährigen Vollzeitstudium für Abiturienten und andere Hochschulberechtigte an der Hochschule Fresenius in Idstein angeboten. Am Steinbeis-Institut in Berlin gibt es seit 2011 einen dreijährigen berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang, der entsprechend den Bologna-Richtlinien und den Vorschriften des Bundeshochschulrahmengesetzes Osteopathen die Möglichkeit gibt, einen akademischen Abschluss als „Bachelor of Science in Manual Medicine & Osteopathy“ zu absolvieren und ebenfalls einen akademischen Doktor-Titel zu erlangen. Ansonsten können in Deutschland Ärzte, Krankengymnasten und Heilpraktiker Zusatzausbildungen an verschiedenen Schulen absolvieren. Die Stundenzahl und der Ausbildungsplan variieren allerdings erheblich.
Anerkannt wird die Osteopathie in Europa in England, Holland, Frankreich und Belgien. In anderen europäischen Ländern, wie Frankreich, werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um die Ausbildung zum Osteopathen zu standardisieren und die Zulassung besser zu reglementieren. Für Nichtmediziner wird eine fünfjährige Vollzeitausbildung angeboten, die während des Grundstudiums die präklinischen und klinischen Fächer abdeckt und mit einer Doktorarbeit abgeschlossen wird. Diese Ausbildung ermächtigt zur selbstständigen Ausübung der Osteopathie als DO (Doctor of Osteopathy), ähnlich dem amerikanischen Ausbildungssystems. Dabei ist allerdings zu betonen, dass sich die „europäische“ Osteopathie wesentlich von der amerikanischen unterscheidet. In Letzterer werden nicht die „viszerale“ und „kraniofasziale“ Osteopathie integriert, die in Europa weit vertreten sind. Bei der viszeralen Osteopathie wird davon ausgegangen, dass eine Wechselwirkung zwischen inneren Organen und deren Erkrankungen auf den gesamten Körper bzw. Bewegungsapparat vorhanden ist.
Chiropraktik (Manuelle Medizin)
Die Chiropraktik wurde 1895 von David Palmer begründet und ist das in den USA im ambulanten Bereich am weitesten verbreitete KAH. Die Chiropraktik behandelt Beschwerden des Bewegungsapparates manuell. Obwohl die Chiropraktik grundsätzlich manuelle Therapien zur Behandlung des Bewegungsapparates beinhaltet, wird erstaunlicherweise in einigen ländlichen Gegenden der USA die medizinische Grundversorgung von Chiropraktikern gesichert, da keine andere ärztliche Versorgung zur Verfügung steht. Gemäß der NHIS werden jährlich etwa 8 % der US-Amerikaner chiropraktisch behandelt.
In Deutschland kann man als Arzt die Zusatzbezeichnung Chirotherapie (Manuelle Medizin) bei den jeweiligen Ärztekammern erwerben. Der Weiterbildungsinhalt und die Weiterbildungsdauer sind, wie bei den anderen Zusatzbezeichnungen, entsprechend dem Bundesland unterschiedlich. Viele Orthopäden und Allgemeinmediziner haben diese Zusatzbezeichnung inzwischen erworben. Im Oktober 2011 wurde die erste Professur des Lehrstuhles für Manuelle Medizin (Chirotherapie und Osteopathie) im Rahmen des 2008 neu gegründeten Studiengangs Komplementärmedizin der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin vergeben.
Die Bedeutung der osteopathischen und chiropraktischen manipulativen Wirbelsäulentherapie bei der Behandlung von Rückenschmerzen wurde in mehreren gut angelegten Studien und vielen systematischen Reviews untersucht. Die Ergebnisse sind zwar nicht eindeutig, aber die aktuellen Leitlinien des American College of Physicians und der American Pain Society gehen bei einer Schmerzdauer von unter vier Wochen von einem geringen bis mäßigen Nutzen aus (Evidenzniveau B/C) sowie von einem mäßigen Nutzen (Evidenzniveau B) bei subakuten oder chronischen Rückenschmerzen. Für den Nutzen bei Nackenschmerzen existiert weniger Evidenz; es bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich möglicher Gefäßschäden bei zervikalen Manipulationen und der Sachverhalt wird weiterhin kontrovers diskutiert.
„Naturopathische“ Medizin/Naturheilverfahren
Diese Disziplin stammt aus dem Mitteleuropa des 18. Jahrhunderts. Der Begriff „Naturopathische Medizin“ ist nicht mit dem deutschen Begriff Naturheilverfahren synonym zu verwenden. Naturheilverfahren beinhalten zahlreiche Heilverfahren, die der Autor dieses Kapitels einzeln beschreibt, wie Akupunktur. Zusätzlich umfassen Naturheilverfahren, entsprechend dem in Deutschland verwendeten Terminus, ausleitende Verfahren, Eigenbluttherapie, Heilfasten, Neuraltherapie, Reflexzonentherapie, Homöopathie, anthroposophische Medizin, orthomolekulare Medizin (Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitaminen, Mineralstoffen, Fetten, Aminosäuren zur Prävention und Therapie von Erkrankungen) und andere Heilmethoden.
Es werden konventionelle und nicht konventionelle diagnostische Verfahren und Medikamente angewandt, wobei auf eher geringe Dosen der Substanzen und Pflanzenextrakte, eine gesunde Ernährung und ausreichend körperliche Bewegung oder auch Balneotherapie wie bei der Kneipp-Methode geachtet wird. Der Erfolg einzelner Methoden der Naturheilkunde und bei einigen manuellen Therapietechniken, Massagen oder Akupunktur bei der Förderung eines gesundheitlich vorteilhaften Verhaltens wird zwar anerkannt, in der Kritik stehen aber der Mangel an evidenzbasierten Studien, wie zum Beispiel bei Nahrungsergänzungsmitteln, Homöopathie oder anderen Medikamenten mit oft geringer oder fehlender Evidenz.
Die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren kann man als Arzt nach Absolvierung einer bestimmten Anzahl von Stunden (vier einwöchige Kurse) und einem sechsmonatigen Praktikum bei einem Arzt, der bereits die Zusatzbezeichnung für Naturheilverfahren hat, bei der jeweiligen Ärztekammer beantragen. Dabei bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, wie dies auch bei anderen Zusatzbezeichnungen der Fall ist.
Homöopathie
Die Homöopathie war am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA weit verbreitet und wird in vielen Ländern Europas auch weiterhin als alternativmedizinisches Verfahren eingesetzt. Nach Schätzungen des NHIS suchen weniger als 1,5 % der US-Amerikaner jährlich einen Homöopathen auf. In Deutschland hat die Homöopathie eine lange Tradition. Als Arzt kann die Zusatzbezeichnung Homöopathie bei den jeweiligen Ärztekammern beantragt werden. Nach den neuen Richtlinien (ab Ende 2004 in Bayern gültig) ist die Erlangung der Zusatzbezeichnung an den Facharztstatus gebunden. Das heißt, dass man als Facharzt nach zwei Jahren und 100 Stunden Weiterbildung unter Anleitung eines ermächtigten Arztes einen Antrag auf Erlangung dieser Zusatzbezeichnung bei der Ärztekammer einreichen kann. Bei den Landesärztekammern erfolgt dann eine zentrale Prüfung. Bei Heilpraktikern bestehen nicht so strenge Regulationen wie bei Ärzten.
Massagebehandlung
In Deutschland gibt es die Zusatzbezeichnung Massage nicht. Massagen werden beispielsweise auf Verordnung eines Arztes von Physiotherapeuten oder medizinischen Bademeistern durchgeführt. Kenntnisse bezüglich der therapeutischen Anwendung von Massage sind bei den ärztlichen Zusatzbezeichnungen „Physikalische Therapie“ und „Naturheilverfahren“ enthalten. In den USA findet das Gebiet der therapeutischen Massage einen schnellen Zuwachs, und die Anzahl der entsprechend ausgebildeten Therapeuten wächst ständig an. Die Ausbildung beinhaltet 500 Stunden und eine an den jeweiligen Bundesstaat gebundene Abschlussprüfung.
Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin
Die Akupunktur ist ein wertvoller Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin und wird seit mindestens 2000 Jahren durchgeführt. In den USA erlangte sie 1971 eine gewisse Bekanntheit, als James Reston, ein Reporter der New York Times, darüber schrieb, wie Ärzte in China seine postoperativen Schmerzen mit Nadeln linderten. In den USA gehen mehr als 3 Millionen Erwachsene jährlich zur Akupunktur (NHIS-Daten). In mehreren europäischen Ländern wird die Akupunktur überwiegend von Ärzten durchgeführt. Dabei unterscheiden sich die Ausbildungswege für Ärzte und andere Therapeuten. Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin umfassen neben den Akupunkturpunkten auch andere Disziplinen, wie Ernährung, Pflanzenheilkunde, Massagetechniken und weitere. Nach Beschluss der Bundesärztekammer in Deutschland vom 23. Mai 2003 umfasst die Zusatzbezeichnung Akupunktur eine 200-stündige Ausbildung. Sie berechtigt die Ärzte, Akupunktur auf ihrem Praxisschild zu führen und Akupunktur über die Krankenkassen abzurechnen. Diese Zusatzbezeichnung umfasst 120 Unterrichtstunden à 45 Minuten und anschließend unter Leitung eines Weiterbildungsbefugten 60 Stunden praktische Akupunkturbehandlungen und 20 Stunden Fallseminare innerhalb von zwei Jahren. Die Zusatzbezeichnung ist allerdings an eine Facharztanerkennung gebunden, ohne die sie nicht beantragt werden kann (da dies früher nicht der Fall war, gibt es vorübergehend Übergangslösungen). Für die Abrechnung über die Krankenkassen werden neben der Zusatzbezeichnung Akupunktur jeweils 80 Unterrichtsstunden in psychosomatischer Grundversorgung und spezieller Schmerztherapie benötigt. Zum Erhalt dieser Zusatzbezeichnung muss des Weiteren an der Ärztekammer eine Prüfung abgelegt werden. Für weitere Informationen wird die Website der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur e. V. empfohlen (www.daegfa.de).
In Deutschland wird Akupunktur von gesetzlichen Krankenkassen seit 2007 bei Kreuz- und Knieschmerzen übernommen. Die Techniker Krankenkasse hat im Vorfeld der Zulassung eine große Studie mit ca. 360.000 Patienten und rund 13.000 Ärzten in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Berliner Charité durchgeführt. Die Wirkung und die Verbesserung der Lebensqualität durch Akupunktur konnte bewiesen werden. Im Rahmen der GERAC-Studie der Allgemeinen Ortskrankenkassen zur Wirksamkeit der Akupunktur wurde konstatiert, dass durch Scheinnadelung an einem Nichtakupunkturpunkt (Sham) in Nachbarschaft zu einem definierten Akupunkturpunkt (Verum) gleiche Effekte erzielt würden (Haake et al. 2007). Die Existenz eines Akupunkturpunktes wurde in Frage gestellt. Eine Studie der Universität Witten/Herdecke dokumentierte die Lage der Akupunktur-Nadelspitzen, die durch zwei unterschiedliche Akupunkturpunkte (Verum) an der Hautoberfläche hindurch gestochen wurden, in der Muskulatur der Lendenwirbelsäule durch Darstellung im Computertomografen (Grönemeyer et al. 2009). Eine Akupunkturzone von mehreren Millimetern an einer reproduzierbaren Stelle in der autochthonen Rückenmuskulatur wurde nachgewiesen. Damit wurde die Existenz eines Akupunkturpunktes erstmals sicher verworfen. Es ist dementsprechend zu vermuten, dass die Interpretation der Sham-Nadelung im Rahmen der GERAC-Studie und anderen Studien, die sich in der Vergangenheit kritisch mit der Existenz eines Akupunkturpunktes auseinandergesetzt haben, korrigiert werden könnte. Zumindest sollte die Diskussion neu geführt und neue Studien diesbezüglich sollten realisiert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Nadelung an der Hautoberfläche in unmittelbarer Nachbarschaft eines Akupunkturpunktes sehr wohl in der Tiefe dieselbe Akupunkturzone stimulieren kann.
Traditionelle pflanzliche Vielstoffrezepturen
Bestandteil der meisten traditionellen Medizinsysteme sind pflanzliche Wirkstoffe, worunter ganze Pflanzen oder Teile davon in frischer oder getrockneter Form verstanden werden. Auch Zubereitungen aus Pflanzendrogen, z. B. Extrakte, Destillate oder Säfte, Kombinationspräparate aus verschiedenen Pflanzendrogen sowie Algen, Pilze, Flechten und Harze werden zu den pflanzlichen Wirkstoffen gezählt.
Den meisten solcher pflanzlicher Wirkstoffe ist eine Fülle von Inhaltsstoffen eigen, die sich chemisch und therapeutisch nur schwer charakterisieren lassen. Dies gilt umso mehr für Kombinationspräparate aus mehreren pflanzlichen Komponenten. Solche Vielstoffrezepturen werden teilweise in der europäischen Naturheilkunde, jedoch in viel stärkerem Ausmaß in verschiedenen asiatischen Medizinsystemen verwendet, z. B. in der japanischen Kampo-Medizin, dem indischen Ayurveda sowie in der chinesischen und der tibetischen Medizin. Teils werden die Pflanzen individuell für den Patienten zusammengestellt, teils werden fixe Pflanzenkombinationen verwendet. Ziel der Kombination ist es, ein auf den Patienten bzw. ein Beschwerdebild abgestimmtes Präparat zu erhalten, bei dem mögliche unerwünschte Wirkungen durch niedrige Dosierung im Pflanzengemisch oder durch Kombination mit spezifischen antagonistischen Pflanzenwirkstoffen vermieden werden. Einige fixe Pflanzenrezepturen sind in europäischen Ländern als reguläre Arzneimittel oder unter dem Status „traditionelles Arzneimittel“ erhältlich.
Geist-Körper-Interventionen
Es gibt sehr viele Geist-Körper-Techniken, die durch einen entsprechend geschulten Therapeuten angewandt oder gelehrt werden. Zu den Beispielen gehören Heilansätze aus traditionellen Behandlungsverfahren wie dem Ayurveda und der traditionellenchinesischen oder japanischen Medizin, die Massageverfahren, die Meditation, Entspannungstechniken, spinale Manipulation und Yoga. Diese Therapieansätze werden auch in der Schulmedizin immer häufiger angewandt.
US-Amerikaner wenden sich immer öfter wegen körperlicher und seelischer Schmerzen an die Komplementärmedizin, insbesondere bei Rücken-, Kopfschmerzen, Schmerzen des Bewegungsapparates und funktionellen Schmerzsyndromen. Chronische Schmerzen sind oft refraktär bei konventionellen Verfahren und haben außerdem oft erhebliche Nebenwirkungen. Die Leitlinien der American Pain Society und anderer Fachverbände erkennen den Wert bestimmter KAH als Adjuvans in der Schmerztherapie an.
Die Evidenzbasis für die Effektivität dieser Verfahren ist weiterhin unvollständig. Zu den eindeutigen Beispielen, bei denen von einem Nutzen und einem sicheren Einsatz ausgegangen werden kann, gehören die therapeutische Wirkung von Akupunktur bei arthrotischen Schmerzen, Tai-Chi bei Fibromyalgie und Massage, Yoga und spinale Manipulation bei chronischen Rückenschmerzen. Außerdem werfen aktuelle Studien neues Licht auf die Effekte von Meditation und Akupunktur auf zentrale Mechanismen der Schmerzverarbeitung und -wahrnehmung sowie auf die Steuerung von Emotionen und Aufmerksamkeit. Trotz der noch zahlreichen offenen Fragen weisen die Ergebnisse auf wissenschaftlich plausible Mechanismen hin, die den Nutzen erklären.
Nahrungsergänzungsmittel
Gesetzliche Vorgaben
In der Bundesrepublik Deutschland ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Zulassung von Medikamenten zuständig. Seit 1978 erhalten nur solche Medikamente und Phytopharmaka eine Zulassung, deren Qualität, Wirkung und Unbedenklichkeit von den Herstellern durch klinische Prüfungen entsprechend den Arzneimittelprüfrichtlinien (§ 26 AMG) auch unter Berücksichtigung ärztlichen Erfahrungswissens bewiesen wurden. Diese Präparate erhalten eine Zulassungsnummer. Die vor 1978 auf den Markt gekommenen Mittel, darunter viele Homöopathika und Phytopharmaka, wurden lediglich registriert und sollten nachträglich einen Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis erbringen, um zugelassen zu werden. Im Zuge der EU müssen Medikamente in allen EU-Ländern konform geprüft werden. Bei Phytopharmaka wird zwischen „traditionellen“ und „rationalen“ unterschieden. Die traditionellen erfüllen die Unbedenklichkeit durch Erfahrungswerte. Es darf allerdings keine genaue Indikation angegeben werden, sondern Umschreibungen wie „zur Unterstützung der Organfunktion“ oder zur „Stärkung“.
Bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel sind die Regelungen anders. Sie sind frei erhältlich (z. B. Vitamine im Supermarkt). Sie unterliegen dem Lebensmittelgesetz und dem Verbraucherschutz. Hier darf keine genaue Indikation ihrer Anwendung angegeben werden. Sie müssen in ihrer Wirkungsweise unbedenklich und dürfen nicht irreführend sein. Der Hersteller haftet für eventuelle Folgen.
Tierische oder hormonhaltige Produkte können nicht ohne ärztliche Verordnung verkauft werden und unterliegen den Richtlinien und der Kontrolle des BfArM.
Inhärente (unbekannte) Toxizität
Während die Öffentlichkeit „natürlich“ synonym mit „sicher“ verwendet, ist offensichtlich, dass natürliche Produkte toxisch sein können. Die fehlerhafte Identifizierung von medizinischen Pilzen hat bereits zu Leberversagen geführt. Die Kontamination mit tryptophanhaltigen Medikamenten kann zum Eosinophilie-Myalgie-Syndrom führen. Pflanzliche Produkte der Spezies Aristolochia wurden mit urogenitalen Tumoren und interstitieller Nephritis in Verbindung gebracht, Produkte der chinesischen Goji-Frucht mit der Verlängerung der Gesinnungszeit bei Einnahme von Gerinnungshemmern. Im Jahr 2013 führten Nahrungsergänzungsmittel, die 1,3-Dimethylamylamin (DMAA) enthielten und oft als „natürliche“ Stimulanzien angepriesen wurden, zu kardiovaskulären Störungen – einschließlich Myokardinfarkten. Zu den am kontroversesten beurteilten Phytotherapeutika gehört Ephedra sinica oder „ma huang“, das in der traditionellen chinesischen Medizin für die akute Behandlung von Asthma bronchiale und Bronchitis benutzt wird. Die wissenschaftliche Grundlage für diese Indikationen wurde durch den Beweis geliefert, dass Ephedrakraut adrenalinhaltige Alkaloide enthält (Adrenalin und Pseudoadrenalin). Mit der Verbreitung der DSHEA-Richtlinien haben Ephedrakraut und koffeinhaltige Pflanzen den US-Markt überflutet, indem sie Gewichtsverlust und erhöhte sportliche Leistungen versprachen. Berichte über schwere und tödliche Nebenwirkungen bei der Verwendung von ephedrahaltigen Produkten haben dazu geführt, dass ein Evidence-based Review der bekannten Daten durchgeführt wurde. Dies führte schließlich 2004 dazu, dass die FDA den Verkauf ephedrahaltiger Produkte in den USA verboten hat.
Eine weitere wichtige Sorge bei Nahrungsergänzungsmitteln sind Wechselwirkungen mit Arzneimitteln. Dies gilt insbesondere für Mischpräparate zur Gewichtsabnahme, zum Muskelaufbau, zur sexuellen Gesundheit und körperlichen Leistungssteigerung. Kürzlich erfolgten Rückrufe durch die FDA wegen Wechselwirkungen mit Steroiden, Diuretika, Stimulanzien und Phosphodiesterase-5-Hemmern. Ein weiteres Problem ist der in vielen Ländern nicht überwachte und zertifizierte Prozess des Anbaus und Konservierens von Heilpflanzen. Über eine Verunreinigung bzw. Kontamination von Pflanzenprodukten mit chemischen Rückständen von Düngemitteln, Herbiziden oder Radioaktivität wird immer wieder berichtet.
http://www.medscape.com/druginfo/druginterchecker?cid=med Diese Website wird von WebMD unterhalten und enthält eine frei zugängliche Datenbank zur Überprüfung von Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehr Medikamenten, Pflanzenextrakten und/oder Nahrungsergänzungsmitteln. |
Natural Medicine Comprehensive Database http://naturaldatabase.therapeuticresearch.com Diese Website enthält ein interaktives Tool zur Überprüfung der Wechselwirkungen zwischen natürlichen Produkten und Medikamenten, einschließlich Pflanzenextrakten und Nahrungsergänzungsmitteln. Die Nutzung ist kostenpflichtig und es gibt eine PDA-Version. |
http://www.naturalstandard.com/tools Diese Website enthält ein interaktives Tool zur Überprüfung von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Pflanzenextrakten und/oder Nahrungsergänzungsmitteln. Die Nutzung ist kostenpflichtig und es gibt eine PDA-Version. |
Wechselwirkungen von Heilpflanzen
Zahlreiche pflanzliche Produkte beeinflussen den Stoffwechsel von Medikamenten. Diese Wirkung wurde im Jahr 2000 besonders deutlich, als bewiesen wurde, dass die Einnahme von Johanniskraut die Bioverfügbarkeit des bei HIV-Erkrankten verwendeten Proteaseinhibitors Indinavir verändert. Spätere Studien haben ähnliche Wechselwirkungen mit dem Metabolismus von Topoisomeraseinhibitoren, wie Irinotecan, mit Ciclosporin und mit vielen anderen Medikamenten gezeigt. Die starken Wechselwirkungen von Johanniskraut sind auf den Inhaltsstoff Hyperforin zurückzuführen, da dieser die Expression des Pregnan-X-Rezeptors erhöht. Dieser Faktor reguliert die Kernexpression von vielen oxidativen, konjugierenden und von Ausscheidungsenzymen, die in der Leber vorhanden sind und maßgeblich am Metabolismus von Medikamenten und Nahrungsmitteln beteiligt sind. Es handelt sich um Medikamente, die über Cytochrom-P450-3A4 metabolisiert werden.
Aufgrund der großen Menge von Substanzen, die den Medikamentenstoffwechsel beeinflussen, und der großen Anzahl von Substanzen, die viele Patienten einnehmen, ist die Identifikation aller möglichen Wechselwirkungen kaum möglich. Es gibt mehrere hilfreiche Quellen im Internet, die dabei behilflich sein können (Tab. 14e-2). Am wichtigsten sind derartige Wechselwirkungen bei Medikamenten mit engem therapeutischem Bereich, wie Antikoagulanzien, Antiepileptika, Antibiotika, Immunsuppressiva und Chemotherapeutika. Eine Wirkungsveränderung von Medikamenten bei gleichzeitigem Genuss bestimmter Obstsorten wie von Grapefruit, beispielsweise bei der Behandlung von Herz-/Kreislauferkrankungen, ist bekannt.
Quellen für Patienten und Gesundheitsdienstleister
Regelmäßig sehen sich Ärzte mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Patienten über den Einsatz von KAH aufzuklären. Von besonderer Bedeutung sind dabei unsichere Verfahren und Techniken, die zu falscher Hoffnung verleiten. Krebstherapien, Antiaging-Konzepte, Programme zur Gewichtsreduktion, Optimierung sexueller Funktionen oder sportlicher Leistungsfähigkeit sind oft Gegenstand von unverantwortlichem Marketing und unrealistischen Heilversprechen. Im Internet finden sich zahlreiche Quellen mit wichtigen Instrumenten zur Patientenaufklärung (Tab. 14e-3). Da sich immer mehr Menschen KAH-Produkte und -Techniken selbst verordnen und viele Patienten vorher eine umfassende Internetrecherche darüber durchführen, hilft es oft, wenn man ihnen verlässliche Quellen nennen kann. Sie ersetzen aber in vielen Vorsorge-, Therapie- und Nachsorgefällen nicht die Einbeziehung eines erfahrenen Arztes.
Die wissenschaftliche Evidenz für KAH ist unvollständig. Insbesondere bei der Schmerztherapie können jedoch inzwischen gute systematische Reviews, als Eckpfeiler der evidenzbasierten Medizin, durchgeführt werden. Eine besonders wertvolle Quelle ist in dieser Hinsicht die Cochrane Collaboration, die mehr als 300 systematische Reviews zu KAH durchgeführt hat. Dort finden sich viele Antworten auf die Fragen der Patienten. Außerdem bieten mehrere Fachverbände insbesondere für die Schmerztherapie Praxisleitlinien an. Einige besonders nützliche Seiten fasst Tabelle 14e-3 zusammen.
The Cochrane Collaboration Complementary Medicine Reviews Diese Website liefert exakte systematische Reviews von schulmedizinischen und KAH mit standardisierten Methoden. Sie umfasst mehr als 300 Reviews von KAH. Die Einsicht kompletter Reviews ist kostenpflichtig, die Zusammenfassungen sind jedoch öffentlich zugängig. |
NLM FAQ: Dietary Supplements, Complementary or Alternative Medicines |
Diese Websites der National Library of Medicine liefern eine alphabetisch geordnete Datenbank der wissenschaftlichen Informationen über pflanzliche Produkte und Nahrungsergänzungsmittel, Grundlagen der KAH sowie Regierungsquellen mit Informationen über die Verwendung von natürlichen Produkten, Nahrungsergänzungsmitteln, Heilpflanzen und anderen KAH-Therapien. http://www.nlm.nih.gov/medlineplus/druginfo/herb_All.html |
NIH National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) |
Diese Website der National Institutes of Health NCCAM enthält Informationen für Verbraucher und Gesundheitsdienstleister zu vielen Aspekten der KAH. Es können Informationsblätter mit kurzen Übersichten des jeweiligen KAH, Indikationen und Risiken von Pflanzenprodukten sowie Ratschlägen zum vernünftigen Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln heruntergeladen werden. Quellen für Ärzte: http://www.nccam.nih.gov/health/providers NCCAM Clinical Digest e-Newsletter: http://www.nccam.nih.gov/health/providers/digest Medizinische Vortragsreihe: http://www.nccam.nih.gov/training/videolectures |
Zusammenfassung
Der Einsatz von komplementären oder alternativen Heilverfahren (KAH) spiegelt ein aktives und weltweit zunehmendes Interesse der Menschen an einer besseren Gesundheit und der Patienten an umfassender Genesung wider. Die von einem Arzt behandelten Patienten werden immer wieder auch zusätzlich verschiedene bis heute unbewiesene Therapiemethoden aus der sogenannten Erfahrungsheilkunde anwenden. Von einigen Therapiemaßnahmen sollte man den Patienten maßgeblich abraten, viele sind jedoch harmlos und können im Rahmen der Optimierung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen gesehen werden. Manche, wie z. B. Wärmebehandlungen, Balneotherapie oder Massagen oder andere manuelle Techniken, sind insbesondere bei sehr störenden Symptomen wie Schmerzen sehr hilfreich. Ärzte müssen das Patientengespräch intensiv nutzen, um die individuelle Leidens- und Erkrankungsgeschichte sowie das persönliche Anliegen zu erfassen, die Überzeugungen und Erwartungen zu verstehen und dies als eine Möglichkeit zu nutzen, um dem Patienten zu helfen, seine Entscheidungen konstruktiv zu beeinflussen. Das Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis wird hierdurch eine höhere Stufe der Qualität erreichen.
Danksagung
Der verstorbene Dr. Stephen Straus hat in früheren Ausgaben an diesem Kapitel mitgewirkt und einige seiner Inhalte sind auch in diesem Kapitel enthalten.
Weiterführende Literatur
Dar NJ, Hamid A, Ahmad M: Pharmacologic overview of Withania somnifera, the Indian Ginseng. Cell Mol Life Sci 72(23):4445–60, 2015
Grönemeyer DHW, Zhang L, Schirp S, Baier J: Localization of acupuncture points BL25 and BL26 using computed tomography. Journal of alternative and complementary medicine 15(12):1285–91, 2009
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