205e Antimykobakterielle Substanzen
Die Tuberkulose ist noch immer die weltweit am meisten zum Tode führende behandelbare bakterielle Infektionskrankheit. In Deutschland ist sie selten, allerdings ist die Zahl der Neuerkrankungen, insbesondere der durch multiresistenten Erreger verursachten Tuberkulose seit einigen Jahren ansteigend. Umso wichtiger erscheint die intensive Auseinandersetzung mit derzeitig empfohlenen Therapieregimes sowie aktueller klinischer Studien, die eine Optimierung von Wirkung und Dauer der bisherigen Therapieschemata untersuchen.
Dieses Kapitel befasst sich mit den unterschiedlichen Regimes der Chemoprophylaxe einer latenten Tuberkulose-Infektion, der standardisierten Vierfachtherapie mit Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid eines sensiblen M.-tuberculosis-Erregers sowie dem individualisierten Ansatz, der notwendig ist um eine multiresistente oder extensiv resistente Tuberkulose in einem dafür spezialisierten Zentrum zu behandeln. Des Weiteren wird auf die Therapie der atypischen Mykobakterien eingegangen.
Unter der Behandlung ist auf die unterschiedlichen Nebenwirkungen und Arzneimittelwechselwirkungen, insbesondere bei unter ART-stehender HIV-Patienten, zu achten und entsprechende Kontrolluntersuchungen zu berücksichtigen.
Zusätzlich wird auf die Unterschiede in den amerikanischen und deutschen Zulassungsbestimmungen sowie auf die deutschen Therapieempfehlungen durch das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose und die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin eingegangen.
Für die deutsche Ausgabe Marie Charlotte von Heinz und Norbert Suttorp
Medikamente zur Behandlung mykobakterieller Infektionen, wie Tuberkulose, Lepra und Infektionen durch nicht tuberkulöse Mykobakterien, werden als längerfristige Kombinationstherapie verordnet. Derzeit sind mehr als 160 Mykobakterien-Spezies bekannt, von denen die meisten nicht humanpathogen sind. Während die Inzidenz von Infektionen mit M. tuberculosis in den USA abgenommen hat, ist die Tuberkulose weiterhin eine Hauptursache von Morbidität und Mortalität in Entwicklungsländern – insbesondere in Afrika südlich der Sahara, wo sich die HIV-Epidemie besonders stark ausgebreitet hat.
In Deutschland hat sich der langjährige Abwärtstrend der Tuberkuloseinzidenz in den letzten 3 Jahren umgekehrt. Hierbei ist ein zunehmender Anteil der Tuberkuloseerkrankten (62,4 % der Betroffenen) im Ausland geboren, sodass im Rahmen der zunehmenden Migration und Flüchtlingsbewegung ein weiterer Zuwachs wahrscheinlich ist.
Effektive Therapieregime zur Bekämpfung der Tuberkulose sind allein nicht ausreichend; ohne eine gut organisierte Infrastruktur zur Diagnose und Behandlung sind alle Bemühungen hinsichtlich Therapie und Infektionskontrolle deutlich erschwert (Kap. 2 und Kap. 13e).
Infektionen mit nicht tuberkulösen Mykobakterien kommen zunehmend in den USA und anderen entwickelten Ländern vor. Diese größtenteils in der Umwelt vorkommenden Organismen führen oft zu Infektionen bei immunkompromittierten Patienten oder bei Patienten mit struktureller Lungenerkrankung.
Tuberkulose
Allgemeine Prinzipien bei Tuberkulose
Der erste dokumentierte Fall einer Tuberkulose beim Menschen liegt 9000 Jahre zurück. Frühere Therapiemaßnahmen, wie der Aderlass, wurden im späten 19. Jahrhundert durch die Behandlung in Sanatorien abgelöst. Mit der Entdeckung des Streptomycins im Jahr 1943 begann das Zeitalter der antibiotischen Tuberkulosebehandlung. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Substanzen entdeckt und Kombinationstherapien etabliert, sodass sich die Behandlungsdauer bei einer antibiotikasensitiven Tuberkulose von einigen Jahren auf nur noch 6 Monate verkürzt hat. Fälle einer latenten oder aktiven Tuberkulose können anhand von Anamnese, klinischer Untersuchung, Tuberkulin-Hauttest, Interferon-γ-Release-Assay, bildgebenden Verfahren, Anfärbungen auf säurefeste Stäbchen, Mykobakterienkulturen und/oder neuen molekularen Techniken diagnostiziert werden. Eine latente Tuberkulose wird entweder mit Isoniazid (optimalerweise täglich oder zweimal wöchentlich über 9 Monate) oder Rifampicin (täglich über 4 Monate) behandelt bzw. mit Isoniazid und Rifampicin für 3–4 Monate (Tab. 205e-1). In Deutschland wird eine intermittierende Gabe von Isoniazid nicht empfohlen. Die Zweifachtherapie mit Isoniazid und Rifampicin über 3–4 Monate gilt als primäre Alternative zur täglichen Monotherapie mit Isoniazid über 9 Monate.
Bei aktiver oder Verdacht auf eine aktive Tuberkulose werden sowohl Diagnostik als auch Behandlung von klinischen Faktoren wie der HIV-Koinfektion, der Symptomdauer, dem radiologischen Erscheinungsbild sowie Überlegungen zur öffentlichen Gesundheitsfürsorge hinsichtlich einer Übertragung der Infektion bestimmt. Zur Behandlung der Tuberkulose werden Kombinationstherapien aus mehreren Wirkstoffen eingesetzt (Tab. 205e-2). Zu Beginn wird eine intensive medikamentöse Therapie in Form einer Vierfachkombination – Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol – für 2 Monate verabreicht (Initialphase). In der Kontinuitätsphase erfolgt anschließend eine Behandlung mit Isoniazid und Rifampicin für 4 Monate, d. h., die gesamte Behandlungsdauer beträgt 6 Monate. Die Kontinuitätsphase wird auf 7 Monate ausgedehnt (Gesamtdauer der Behandlung 9 Monate), wenn die 2-monatige Behandlung mit Pyrazinamid vorzeitig abgebrochen wird oder wenn bei Patienten mit kavernöser Lungentuberkulose die Sputumkulturen nach 2 Monaten Behandlungsdauer weiterhin positiv sind (verzögerte Konversion der Kultur). Die deutschen Empfehlungen sehen bei kavernöser Lungentuberkulose und/oder mikroskopischem Erregernachweis nach mehr als 2 Monaten eine Therapieerweiterung voneinemzusätzlichen Monat mit Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid vor, danacheine Kontinuitätstherapie über 6 Monate mit Isoniazid und Rifampicin.
Eine Auflistung der wichtigsten Therapieregime unter Berücksichtigung der aktuellen deutschen Empfehlungen findet sich in Kapitel 202 und in Tabelle 202-3.
HRZE über 2 Monate, täglich oder intermittierend (ggf. mit Dosisanpassungen) | HR über 4 Monate, täglich oder für 5 Tage/Woche oder HR über 4 Monate, intermittierend (ggf. mit Dosisanpassungen) | Bis zu 9 Monaten, wenn Z nicht über 2 Monate gegeben wurde oder bei verspäteter Kulturkonversion und Kavernenbildung im Thorax-Röntgenbilda | |
Bis zu 9–12 Monaten bei tuberkulöser Meningitis. Einige Experten empfehlen 9 Monate bei Knochen-/Gelenktuberkulose | |||
Bei verspäteter Kulturkonversion, bei verzögertem Ansprechen | |||
a Verspätete Kulturkonversion bedeutet ein Auftreten nach mehr als 2 Monaten. Einige Experten verlängern die Kontinuitätsphase auf 7 Monate, wenn entweder die Kulturkonversion verspätet eintritt oder Kavernen auftreten. b Viele Experten empfehlen eine Kontinuitätsphase von 7 Monaten bei jeder extrapulmonalen Tuberkulose, einschließlich Miliartuberkulose. Bei tuberkulöser Perikarditis und Meningitis wird die adjuvante Gabe von Glukokortikoiden empfohlen. c Levofloxacin und Moxifloxacin sind die bevorzugten Fluorchinolone. Gatifloxacin geht mit Glukosestoffwechselstörungen einher, könnte aber eine akzeptable Alternative darstellen: In einer aktuellen Studie verursachte Gatifloxacin bei dreimal wöchentlicher Gabe über 4 Monate keine Dysglykämien. Ofloxacin und Ciprofloxacin sollten generell wegen der Gefahr der Resistenzentwicklung vermieden werden. d Injizierbare Substanzen: Streptomycin, Amikacin, Kanamycin, Capreomycin. e Die Behandlung der mehrfachresistenten Tuberkulose sollte durch einen damit erfahrenen Kliniker erfolgen (oder nach entsprechender Konsultation). Ein chirurgisches Vorgehen sollte erwogen werden. f Alternative Substanzen: Cycloserin, Ethionamid, Paraaminosalizylsäure, Clarithromycin, Linezolid, Amoxicillin-Clavulansäure. Abkürzungen: E = Ethambutol; H = Isoniazid; IA = injizierbares Medikament; Q = Fluorchinolon; R = Rifampicin; S = Streptomycin; Z = Pyrazinamid. Quellen: American Thoracic Society/Centers for Disease Control and Prevention/Infectious Diseases Society of America: Am J Respir Crit Care Med 167:603, 2003; C Mitnick et al: N Engl J Med 359:563, 2008; World Health Organization 2011 update: Guidelines for the programmatic management of drug-resistant tuberculosis (www.who.int/tb/challenges/mdr/programmatic_guidelines_for_mdrtb/en/index.html). |
Die Behandlung der Tuberkulose bei Patienten mit HIV-Koinfektion stellt eine große Herausforderung dar, es gibt aber einige Fortschritte. Aktuelle Daten zeigen eine bessere Überlebensrate, wenn während der Tuberkulosebehandlung frühzeitig mit einer antiretroviralen Therapie begonnen wird. Hierbei kann es zu signifikanten Interaktionen zwischen Rifampicin und Proteaseinhibitoren bzw. nicht nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren kommen, die eine engmaschige Überwachung sowie Dosisanpassungen erfordern.
Schon eine Woche nach Beginn einer antiretroviralen Therapie kann es zu einem Tuberkulose-IRIS (Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome) mit einer paradoxen klinischen Verschlechterung oder der Demaskierung einer bestehenden, bislang nicht erkannten Tuberkulose kommen. Die konservative Behandlung besteht in einer Fortsetzung der Therapie mit antiretroviralen Wirkstoffen und Tuberkulosemedikamenten. Bei einem schweren IRIS gibt es Einzelberichte zur Behandlung mit Glukokortikoiden. Gemäß den deutschen Empfehlungen ist in schweren Fällen eine adjuvante Steroidtherapie indiziert. Hinsichtlich der antituberkulösen Therapie hat eine intermittierende Medikation bei Patienten mit gleichzeitiger HIV-Infektion und Tuberkulose niedrige Plasmaspiegel einiger wichtiger Tuberkulosemedikamente zur Folge und führt zu höheren Raten an Therapieversagen oder Rezidiven. Daher wird die intermittierende, 2-mal wöchentliche Medikamentengabe bei HIV-Patienten mit Tuberkulose nicht empfohlen. In Deutschland wird eine intermittierende Gabe aus den genannten Gründen grundsätzlich nicht empfohlen. Für den Fall, dass sich diese nicht vermeiden lässt, ist sie nur bei HIV-negativen Patienten und auch dann nur in der Kontinuitätsphase und unter direkter Überwachung der Therapie akzeptabel. Eine konsequente Einnahme der Medikamente ist für den Heilungserfolg einer antimykobakteriellen Therapie von entscheidender Bedeutung. Um die Therapieadhärenz sicherzustellen, wird daher eine direkte Überwachung der Therapie (DOT; directly observed therapy) durch ausgebildetes Personal sowohl bei der ambulanten als auch bei der stationären Behandlung empfohlen. Zusätzlich empfiehlt sich eine nur jeweils monatliche Verordnung der Tuberkulostatika, da bei allen Patienten eine monatliche klinische Überwachung hepatotoxischer Medikamentennebenwirkungen wichtig ist. Das Absetzen der mutmaßlich auslösenden Substanzen bereits bei Symptombeginn reduziert das Risiko einer tödlichen Hepatitis. Die klinische Überwachung umfasst zumindest einmal monatlich eine Untersuchung auf Symptome (Übelkeit, Erbrechen, abdominale Beschwerden, unerklärliche Erschöpfung) und Anzeichen einer Hepatotoxizität (Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl, generalisierter Juckreiz), wobei die letztgenannten Befunde relativ späte Manifestationen darstellen (Tab. 205e-3). Bei entsprechenden Symptomen und Untersuchungsbefunden müssen potenziell hepatotoxische Substanzen bis auf Weiteres abgesetzt werden. Auch eine Laboruntersuchung mit Bestimmung von zumindest Alanin-Aminotransferase und Gesamtbilirubin im Serum sowie der Ausschluss anderer Ursachen für diese pathologischen Veränderungen sind unter der Behandlung von Patienten mit Risiko für das Auftreten einer Hepatotoxizität indiziert (Tab. 205e-3). In Deutschland wird neben der klinischen für alle Patienten unter Therapie auch eine regelmäßige laborchemische Kontrolluntersuchung (Blutbild, Leber- und Nierenfunktionswerte) empfohlen, die bei unauffälligen Laborparametern monatlich, bei besonderen Risiken, Vorerkrankungen oder Veränderungen unter Therapie auch kurzfristiger erfolgen sollte. Bei Patienten mit aktiver Tuberkulose sollten so lange monatliche Sputumkulturen gewonnen werden, bis mit Sicherheit keine Erreger mehr nachweisbar sind und der Patient auf die Behandlung angesprochen hat oder bis kein Sputum mehr gewonnen werden kann.
Wenn keine deutliche klinische Besserung eintritt oder der Zustand des Patienten sich im Laufe der Behandlung verschlechtert, kommen als Ursache ein Therapieversagen infolge fehlender Compliance, eine schlechte Medikamentenabsorption oder eine Resistenzentwicklung infrage. Bei Patienten mit gleichzeitiger M.-tuberculosis- und HIV-Infektion muss auch an ein IRIS (Ausschlussdiagnose) gedacht werden. In jedem Fall sollte eine erneute Resistenztestung erfolgen. Bei nachgewiesener Resistenz oder starkem Verdacht sollten dem Therapieschema mindestens 2 Substanzen hinzugefügt werden, auf die das Isolat empfindlich ist oder die der Patient noch nicht erhalten hat.
Eine multiresistente (MDR-)Tuberkulose ist definiert als Infektion durch M.-tuberculosis-Stämme, die sowohl gegenüber Isoniazid als auch gegenüber Rifampicin, der effektivsten Substanz der ersten Wahl, resistent sind. Das Risiko einer multiresistenten Tuberkulose ist in geografischen Regionen mit einem Anteil an multiresistenten Infektionen von mehr als 5 % und bei bereits wegen Tuberkulose behandelten Patienten erhöht. Zur Behandlung der MDR-Tuberkulose werden im Allgemeinen ein Fluorchinolon der neueren Generation und eine injizierbare Substanz der zweiten Wahl (z. B. Capreomycin, Amikacin oder Kanamycin) eingesetzt. Es werden Regime aus mindestens 5 Medikamenten empfohlen. Weltweit werden sowohl Standardschemata als auch optimierte/individualisierte Therapieregime verwendet. Eine Tuberkulose mit extensiver Medikamentenresistenz ist definiert als multiresistente Tuberkulose mit zusätzlicher Resistenz gegen ein Fluorchinolon und mindestens eine injizierbare Substanz der zweiten Wahl. Die Behandlung einer Tuberkulose mit extensiver Resistenz erfolgt individualisiert auf Basis einer vollständigen phänotypischen und, wenn möglich, genotypischen Resistenztestung. Bei Tuberkulosefällen mit Multiresistenz bzw. extensiver Resistenz sollte ein erfahrener Tuberkuloseexperte hinzugezogen werden.
Antituberkulotika der ersten Wahl
Die folgende Besprechung der einzelnen Antituberkulotika konzentriert sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Behandlung der Tuberkulose bei Erwachsenen. Derzeit werden mehrere verschiedene, neu entwickelte Substanzen aktiv geprüft.
Isoniazid
Isoniazid ist ein wichtiges Medikament sowohl zur Behandlung einer aktiven Tuberkulose als auch einer latenten Infektion. Es hat eine ausgezeichnete bakterizide Wirksamkeit gegen intra- und extrazelluläre, teilungsaktive tuberkulöse Mykobakterien. Auf sich langsam teilende Erreger wirkt das Medikament bakteriostatisch. Bei der Behandlung der latenten Tuberkulose wird Isoniazid als Mittel der ersten Wahl angesehen, weil es meistens gut vertragen wird, eine nachgewiesene Wirksamkeit besitzt und kostengünstig ist. In diesem Fall wird das Medikament 9 Monate lang täglich oder intermittierend (d. h. 2-mal wöchentlich) unter Aufsicht (DOT) eingenommen. Die intermittierende Therapie wird in Deutschland nicht empfohlen. Die 9-monatige Behandlung ist effektiver als eine 6-monatige Behandlung (75–90 % bzw. ≤ 65 %), eine Ausweitung auf 12 Monate bietet wahrscheinlich keine weiteren Vorteile. Eine Behandlung mit Isoniazid täglich oder intermittierend für 6 Monate gilt als akzeptable Therapie der zweiten Wahl. Eine große multizentrische, randomisierte offene Studie hat vor kurzem gezeigt, dass die wöchentliche überwachte Einnahme von Isoniazid und Rifapentin über 3 Monate der täglichen Gabe von Isoniazid über 9 Monate nicht unterlegen war und dass dabei mehr Patienten die Therapie abgeschlossen haben als bei der Monotherapie. In Deutschland steht Rifapentin derzeit nicht zur Verfügung. Als adäquate Alternative zur Isoniazid-Monotherapie über 9 Monate wird eine tägliche Einnahme von Rifampicin und Isoniazid über 3–4 Monate empfohlen.
Zur Behandlung der Tuberkulose wird Isoniazid in Kombination mit anderen Substanzen verabreicht, um eine Abtötung von sich schnell teilenden M. tuberculosis und langsam wachsenden „persistierenden“ Organismen zu ermöglichen. Wenn keine Resistenzen vorliegen, besteht das Standardregime aus Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid (Tab. 205e-3). Zusätzlich zu Isoniazid werden oft 25–50 mg/d Pyridoxin gegeben, um einer medikamentenassoziierten peripheren Neuropathie vorzubeugen. Nach deutscher Empfehlung entspricht die Dosierung von Pyridoxin 50 mg/d und ist bei Risiko für eine periphere Neuropathie, bei vorbestehender Polyneuropathie, bei perniziöser Anämie und während der Schwangerschaft therapiebegleitend indiziert.
Wirkungsmechanismus
Isoniazid ist ein Prodrug, das durch die mykobakterielle KatG-Katalase/Peroxidase aktiviert wird. Es geht eine Verbindung mit reduziertem Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NADH) ein. Der entstehende Isonicotinsäure-NADH-Komplex blockiert die mykobakterielle Ketoenoylreduktase InhA, indem er deren Substrat bindet und so die Fettsäuresynthese und schließlich die Mykolsäuresynthese hemmt. Mykolsäuren sind essenzielle Bestandteile der mykobakteriellen Zellwand. Die Aktivierung von Isoniazid durch KatG führt auch zur Entstehung freier Radikale mit antimykobakterieller Aktivität wie Stickstoffmonoxid. Die minimale Hemmkonzentration (MHK) von Isoniazid liegt für sensible Wildtyp-Stämme (keine Vorbehandlung) von M. tuberculosis bei unter 0,1 µg/ml, und von M. kansasii bei 0,5–2 µg/ml.
Pharmakologie
Isoniazid ist das Hydrazid der Isonicotinsäure, eines kleinen wasserlöslichen Moleküls. Eine orale Dosis von 300 mg/d führt beim Erwachsenen innerhalb von 30–120 Minuten zu einem Spitzenserumspiegel von 3–5 µg/ml, der damit weit über der MHK empfindlicher M.-tuberculosis-Stämme liegt. Sowohl orale als auch intramuskuläre Zubereitungen von Isoniazid führen zu einer ausreichenden Konzentration im Körper, wobei allerdings Antazida und eine kohlenhydratreiche Ernährung die Absorption nach oraler Einnahme beeinträchtigen können. Isoniazid kann gut in alle Kompartimente des Körpers diffundieren und erreicht therapeutische Konzentrationen in Körperhöhlen und -flüssigkeiten. Die Konzentration im Liquor ist mit der im Serum vergleichbar.
Isoniazid wird in der Leber durch die N-Acetyltransferase 2 (NAT2) acetyliert und hydrolysiert. Es gibt „Langsam-“ und „Schnell-Acetylierer“. Schnell-Acetylierer können niedrigere Isoniazid-Serumspiegel aufweisen, wohingegen bei Langsam-Acetylierern die Spiegel höher sein können und häufiger toxische Nebenwirkungen auftreten können. Zufriedenstellende Isoniazidspiegel werden bei der Mehrzahl der homozygoten NAT2-Schnell-Acetylierer mit einer Dosis von 6 mg/kg erreicht und bei den meisten homozygoten Langsam-Acetylierern mit nur 3 mg/kg. Eine Genotypisierung wird bei Isoniazid zunehmend zur Charakterisierung des pharmakogenomischen Typs eingesetzt.
Die Wechselwirkungen von Isoniazid mit anderen Medikamenten beruhen vor allem auf der Hemmung der Cytochrom-P450-Oxidase. Zu den Substanzen, bei denen relevante Wechselwirkungen mit Isoniazid auftreten, zählen Warfarin, Carbamazepin, Benzodiazepine, Paracetamol, Clopidogrel, Maraviroc, Dronedaron, Salmeterol, Tamoxifen, Eplerenon und Phenytoin.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt in den USA 5 mg/kg/d bei Erwachsenen und 10–20 mg/kg/d bei Kindern (in Deutschland bei Kindern täglich 200 mg/m2 Körperoberfläche). Die Maximaldosis beträgt in beiden Fällen 300 mg/d. Bei einer intermittierenden Gabe (normalerweise 2-mal wöchentlich) liegt die Dosis bei 15 mg/kg und maximal 900 mg/d (in Deutschland wird eine intermittierende Gabe nicht empfohlen). Die Dosierung von Isoniazid muss bei Patienten mit Nierenerkrankungen nicht angepasst werden. Bei Gabe von 12 Dosen, jeweils einmal pro Woche über 3 Monate zur Behandlung der latenten Tuberkulose, beträgt die Dosis 15 mg/kg, maximal 900 mg und wird zusammen mit Rifapentin verabreicht.
Resistenz
Isoniazid stellt zwar gemeinsam mit Rifampicin eine tragende Säule der Tuberkulosetherapie dar, in den USA sind jedoch ca. 7 % der M. -tuberculosis-Isolate resistent. Bei vielen Patientengruppen, die außerhalb der USA geboren wurden, ist der Anteil primärer Isoniazidresistenzen bedeutend höher. In Deutschland wurde für INH eine Resistenzrate von 6,9–9,1 % dokumentiert. Unter den Erstlinienmedikamenten nimmt dies den höchsten Anteil ein.
Es sind fünf unterschiedliche Mechanismen einer Resistenz gegen Isoniazid bekannt. Die meisten Stämme haben Aminosäureveränderungen im Katalase-Peroxidase-Gen (katG) oder im Gen für die mykobakterielle Ketoenoylreduktase (inhA). Seltener entsteht eine Resistenz durch Veränderungen von kasA, dem Gen für ein Enzym, das an der Verlängerung von Mykolsäuren beteiligt ist, oder durch einen Verlust der NADH-Dehydrogenase-2-Aktivität. Bei 20–30 % der isoniazidresistenten Isolate von Mycobacterium tuberculosis wurde die vermehrte Expression von Genen, die für eine Effluxpumpe kodieren, wie efpA, mmpL7, mmr, p55 und das Tap-like-Gen Rv1258c, als zugrunde liegender Resistenzmechanismus verantwortlich gemacht.
Nebenwirkungen
Obwohl Isoniazid im Allgemeinen gut vertragen wird, können ein medikamenteninduzierter Leberschaden und eine periphere Neuropathie als relevante Nebenwirkungen der Substanz vorkommen. Isoniazid führt bei bis zu 20 % der Patienten zu einem asymptomatischen Anstieg der Transaminasen (sog. hepatische Adaptation). Weitere Nebenwirkungen sind Exantheme (2 %), Fieber (1,2 %), Anämie, Akne, arthritische Symptome, ein dem systemischen Lupus erythematodes ähnliches Syndrom, eine Optikusatrophie, Krampfanfälle und psychische Symptome. Bei weniger als 0,1 % der Patienten, die eine Isoniazid-Monotherapie bei latenter Tuberkulose erhalten, kommt es zu einer symptomatischen Hepatitis, und eine fulminante Hepatitis mit Leberversagen tritt bei weniger als 0,01 % auf. Bei der Isoniazid-assoziierten Hepatitis handelt es sich um eine idiosynkratische Reaktion, aber die Inzidenz nimmt mit dem Alter, der täglich konsumierten Alkoholmenge und bei Frauen innerhalb der ersten 3 Monate post partum zu.
Die Vor- und Nachteile der Behandlung einer latenten Tuberkulose müssen abgewogen werden. Frauen während der Schwangerschaft oder bis 3 Monate post partum, Patienten mit Leberfunktionsstörungen, HIV-Infektion, anamnestisch bekannten Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis B oder C, alkoholische Hepatitis oder Leberzirrhose), regelmäßigem Alkoholkonsum, multiplen Komorbiditäten oder anderen Risikofaktoren für eine chronische Lebererkrankung haben ein erhöhtes Risikoprofil für medikamententoxische Nebenwirkungen. Entscheidet man sich für eine Behandlung, sollte initial eine Spiegelbestimmung der Alanin-Aminotransferase (ALT) erfolgen. Eine Routinebestimmung der ALT allein aufgrund eines Alters von über 35 Jahren ist optional und hängt von individuellen Faktoren ab. Eine monatliche laborchemische Kontrolle während der Behandlung mit Isoniazid ist indiziert, falls die Befunde der initialen Untersuchung auffällig sind oder bei Patienten mit Risiko für eine Lebererkrankung, einschließlich der eben genannten Personenkreise. Laut Leitlinien sollte Isoniazid abgesetzt werden, wenn Symptome einer Hepatitis oder ein Ikterus auftreten und die ALT auf das 3-Fache des oberen Normwerts erhöht ist, oder wenn die ALT bei asymptomatischen Patienten auf das 5-Fache des oberen Normwerts erhöht ist (Tab. 205e-3).
Eine periphere Neuropathie bei Gabe von Isoniazid kommt bei ungefähr 2 % der Patienten, die 5 mg/kg erhalten, vor. Isoniazid scheint mit dem Metabolismus von Pyridoxin (Vitamin B6) zu interferieren. Am größten ist das Risiko einer Isoniazid-assoziierten Neurotoxizität bei Patienten mit Erkrankungen, die für eine Neuropathie prädisponieren, wie eine HIV-Infektion, ein Diabetes mellitus, Alkoholabusus oder Mangelernährung und die Einnahme weiterer potenziell neurotoxischer Medikamente wie Stavudin. Diese Patienten sollten prophylaktisch 25–50 mg/d Pyridoxin (in Deutschland 50 mg/d) erhalten.
Rifampicin
Rifampicin ist ein semisynthetisches Derivat von Amycolatopsis rifamycinica (ehemals Streptomyces mediterranei). Rifampicin ist die Substanz mit der größten antimykobakteriellen Wirksamkeit und stellt den Eckpfeiler der Erstlinienbehandlung der Tuberkulose dar. Die Substanz wurde 1968 eingeführt und ermöglichte eine drastische Verkürzung der Tuberkulosebehandlung. Rifampicin zeigt eine bakterizide und eine sterilisierende Wirkung sowohl gegen sich teilende als auch gegen sich nicht vermehrende M. tuberculosis. Das Medikament ist auch gegen einige andere Organismen wirksam, darunter einige grampositive und gramnegative Bakterien sowie Legionella, M. kansasii und M. marinum.
Die Rifampicin-Gabe über 4 Monate eignet sich auch als Alternative zu Isoniazid für die Behandlung der latenten Tuberkulose, obwohl hierzu nur spärliche Daten vorliegen. Die Gabe von Rifampicin über 3 Monate ist einer Gabe von Isoniazid über 6 Monate ebenbürtig.
Obwohl die Wirksamkeit des 4-Monats-Regimes von Rifampicin noch untersucht wird, legen randomisierte Studien zur Sicherheit und Verträglichkeit, die dieses Regime mit der Gabe von Isoniazid über 9 Monate verglichen haben, nahe, dass damit weniger unerwünschte Wirkungen, einschließlich Hepatotoxizität auftreten, weniger Therapieunterbrechungen und höhere Therapieabschlussraten zu verzeichnen sind und die Kosteneffizienz besser ausfällt.
Wirkungsmechanismus
Rifampicin wirkt intra- und extrazellulär bakterizid. Wie andere Rifamycine bindet Rifampicin spezifisch an die mykobakterielle DNS-abhängige RNS-Polymerase und blockiert so die RNS-Synthese. Eine Inhibition tritt bei empfindlichen Stämmen von M. tuberculosis sowie M. kansasii und M. marinum bei einer Rifampicinkonzentration von 1 µg/ml auf.
Pharmakologie
Rifampicin ist ein fettlösliches, komplexes makrozyklisches Molekül, das unmittelbar nach der oralen Aufnahme resorbiert wird. Ein Serumspiegel von 10–20 µg/ml wird 2,5 Stunden nach Einnahme der üblichen Erwachsenendosis von 10 mg/kg (ohne gleichzeitige Mahlzeit) erreicht. Rifampicin hat eine Halbwertszeit von 1,5–5 Stunden. Das Medikament verteilt sich gut in den meisten Geweben des Körpers und im Liquor. Rifampicin führt zu einer rötlich-orangen Verfärbung von Körperflüssigkeiten, wie Urin, Speichel, Sputum und Tränenflüssigkeit. Dadurch kann die Compliance des Patienten leicht überprüft werden. Rifampicin wird vor allem biliär ausgeschieden und zirkuliert enterohepatisch. Weniger als 30 % einer Dosis werden renal ausgeschieden.
Rifampicin führt zu einer ausgeprägten Induktion der Cytochrom-P450-Oxidase und kann die Halbwertszeit einiger Medikamente verkürzen, z. B. von Digoxin, Warfarin, Phenytoin, Prednison, Ciclosporin, Methadon, oralen Kontrazeptiva, Clarithromycin, Azol-Antimykotika, Chinidin, antiretroviralen Proteaseinhibitoren und nicht nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren. Die Centers for Disease Control and Prevention haben Leitlinien für das Management von Medikamenteninteraktionen bei der Behandlung einer gleichzeitigen Infektion mit HIV und M. tuberculosis veröffentlicht (www.cdc.gov/tb/publications/guidelines/TB_HIV_Drugs/default.htm).
Dosierung
Die Dosierung von Rifampicin beträgt 10 mg/kg/d beim Erwachsenen und 10–20 mg/kg/d bei Kindern (Empfehlung in Deutschland bei Kindern 350 mg/m2 Körperoberfläche). Die Maximaldosis beträgt in beiden Fällen 600 mg/d. Das Medikament wird 1-mal täglich oder 2- bzw. 3-mal wöchentlich eingenommen. Eine intermittierende Therapie wird in Deutschland nicht empfohlen. Bei Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung nötig.
Resistenz
Resistenzen von M. tuberculosis, M. leprae und anderen Organismen gegenüber Rifampicin sind die Folge spontaner Mutationen (meistens Missense-Punktmutationen) in einer Core-Region des bakteriellen Gens, das für die β-Untereinheit der RNS-Polymerase (rpoB) kodiert. Eine auf diese Weise veränderte RNS-Polymerase wird nicht mehr durch Rifampicin gehemmt. Die meisten rasch oder langsam wachsenden nicht tuberkulösen Mykobakterien besitzen eine intrinsische Resistenz gegen Rifampicin, deren Mechanismus noch nicht geklärt ist. Die Resistenzrate gegen Rifampicin liegt in Deutschland bei 1,9–3,9 %.
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen unter Rifampicin sind selten und meistens leichtgradig. Eine Hepatotoxizität durch die alleinige Gabe von Rifampicin ist ohne vorbestehende Lebererkrankung ungewöhnlich und zeigt sich meist eher in Form einer isolierten Hyperbilirubinämie als in einer Transaminasenerhöhung. Weitere unerwünschte Nebenwirkungen sind Exantheme, Pruritus, gastrointestinale Symptome und eine Panzytopenie. Selten kann es bei der intermittierenden Gabe zu einer Hypersensitivitätsreaktion kommen, die sich mit Fieber, Schüttelfrost, reduziertem Allgemeinzustand, einem Exanthem und – in manchen Fällen – einem Nieren- und Leberversagen manifestieren kann.
Ethambutol
Ethambutol ist eine bakteriostatische antimykobakterielle Substanz, die 1961 zum ersten Mal synthetisiert wurde. Als Bestandteil der Standard-Erstlinientherapie wirkt Ethambutol synergistisch mit anderen Substanzen und wird meist gut vertragen. Zu den empfindlichen Spezies zählen M. tuberculosis, M. marinum, M. kansasii und Organismen des M.-avium-Komplexes (MAC). Obwohl es zu den Medikamenten der ersten Wahl zählt, besitzt Ethambutol die geringste Wirksamkeit gegen M. tuberculosis. Die Substanz wird auch in Kombination mit anderen Medikamenten in der Kontinuitätsphase der Behandlung eingesetzt, wenn Isoniazid oder Rifampicin nicht vertragen werden oder Resistenzen gegen diese Medikamente bestehen.
Wirkungsmechanismus
Ethambutol wirkt bakteriostatisch gegen M. tuberculosis. Der Hauptmechanismus ist die Inhibition der Arabinosyltransferase, die an der Zellwandsynthese beteiligt ist, wodurch wahrscheinlich die Synthese von Arabinogalactan und Lipoarabinomannan gehemmt wird. Die MHK von Ethambutol beträgt bei empfindlichen M.-tuberculosis-Stämmen 0,5–2 μg/ml.
Pharmakologie und Dosierung
Eine Einzeldosis Ethambutol wird innerhalb von 2–4 Stunden zu 75–80 % resorbiert. Der Serumspiegel erreicht einen Spitzenwert von 2–4 µg/ml nach einer Erwachsenen-Standarddosis von 15 mg/kg. Ethambutol verteilt sich gut im ganzen Körper mit Ausnahme des Liquors. Um den halben Serumspiegel im Liquor zu erreichen, ist eine Dosis von 25 mg/kg notwendig. Bei intermittierender Gabe (in Deutschland nicht empfohlen) beträgt die Dosis 50 mg/kg 2-mal wöchentlich. Während in den USA bei täglicher Gabe eine Dosis von initial 25 mg/kg mit Dosisreduktion auf 15 mg/kg nach 8 Wochen Therapie empfohlen wird, sieht die deutsche Empfehlung (nach Richtlinien der WHO und NICE/UK) von Therapiebeginn an eine Dosis von 15 mg/kg täglich vor. Die tägliche Maximaldosis beträgt 1600 mg. Aufgrund einer vorwiegend renalen Elimination müssen, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden, Dosis und Häufigkeit der Einnahme bei Niereninsuffizienz reduziert werden.
Nebenwirkungen
Ethambutol wird normalerweise gut toleriert und hat keine relevanten Interaktionen mit anderen Medikamenten. Die schwerwiegendste Nebenwirkung, die Neuritis n. optici, manifestiert sich typischerweise mit einer Visusverschlechterung, einem Zentralskotom und einer Schwäche des Grünsehens (seltener des Rotsehens). Die Ursache der Neuritis ist nicht bekannt, es könnte sich aber um einen Effekt von Ethambutol auf die amakrinen und bipolaren Zellen der Retina handeln. Die Symptome entwickeln sich typischerweise einige Monate nach Beginn der Therapie, es ist aber auch eine okuläre Toxizität kurz nach Therapiebeginn beschrieben. Toxische okuläre Nebenwirkungen treten dosisabhängig bei 1–5 % der Patienten auf, das Risiko ist bei Niereninsuffizienz höher. Der routinemäßige Einsatz von Ethambutol bei jüngeren Kindern wird nicht empfohlen, da die Überprüfung einer Visusverschlechterung schwierig sein kann. Bei einer Tuberkulose durch resistente Erreger kann Ethambutol bei Kindern eingesetzt werden.
Bei allen Patienten, die Ethambutol erhalten sollen, sollten vor Beginn der Behandlung der Visus, das Gesichtsfeld und das Farbsehen untersucht sowie der Augenhintergrund gespiegelt werden. Der Visus und das Farbsehen sollten je nach Bedarf monatlich oder in größeren Abständen kontrolliert werden. Ein Absetzen von Ethambutol beim Auftreten erster ophthalmologischer Symptome führt üblicherweise zur Rückbildung der Sehstörung innerhalb einiger Monate. Das Wiedererlangen der vollen Sehleistung kann bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Bei älteren Patienten und bei Patienten, deren Symptome nicht frühzeitig erkannt werden, kann die Sehstörung permanent sein. Manche Experten empfehlen bei einer okulären Toxizität im Zusammenhang mit Ethambutol eine Supplementierung mit Hydroxocobalamin (Vitamin B12).
Andere unerwünschte Nebenwirkungen von Ethambutol sind selten. In seltenen Fällen tritt eine periphere sensorische Neuropathie auf.
Resistenz
Eine Resistenz von M. tuberculosis oder nicht tuberkulösen Mykobakterien gegenüber Ethambutol ist primär mit Missense-Mutationen des embB-Gens, das für die Arabinosyltransferase kodiert, assoziiert. Mutationen im Codon 306 wurden bei 50–70 % aller resistenten Stämme nachgewiesen. embB306-Mutationen können zu einem ausgeprägten Anstieg der MHK und einer klinischen Resistenz führen. Die Resistenzrate von Ethambutol liegt in Deutschland lediglich bei 0,9–2,3 %.
Pyrazinamid
Pyrazinamid, ein Nicotinamid-Analogon, ist ein wichtiges bakterizides Medikament, das in der Initialphase der Tuberkulosebehandlung eingesetzt wird. Durch eine Kombinationstherapie mit Rifampicin und Isoniazid kann die Behandlungsdauer von 9 Monaten auf 6 Monate verkürzt und die Rezidivrate reduziert werden.
Wirkungsmechanismus
Die antibakterielle Wirksamkeit von Pyrazinamid ist im Wesentlichen auf M. tuberculosis begrenzt. Die Substanz ist bei sich langsam replizierenden Erregern besser wirksam als bei schnell wachsenden Organismen. Pyrazinamid ist ein Prodrug, das durch die mykobakterielle Pyrimidase in seine aktive Form, Pyrazinsäure, umgewandelt wird. Diese Substanz ist nur in einem sauren Milieu (pH < 6,0), wie man es in Phagozyten und Granulomen findet, aktiv. Der exakte Wirkungsmechanismus von Pyrazinsäure ist nicht geklärt, möglicherweise ist bei M. tuberculosis die Fettsäuresynthetase I der primäre Angriffspunkt. Die MHK für Pyrazinamid beträgt bei einem pH-Wert von 5,5 für empfindliche Stämme von M. tuberculosis 16–50 μg/ml.
Pharmakologie und Dosierung
Pyrazinamid wird bei oraler Einnahme gut resorbiert. 1–2 Stunden nach der für Erwachsene empfohlenen Tagesdosis von 15–30 mg/kg (maximal 2 g/d) wird im Serum ein Spitzenspiegel von 20–60 µg/ml erreicht. Die deutsche Empfehlung liegt bei täglicher Gabe bei 25 mg/kg, Dosisbereich 20–30 mg/kg, maximal 2500 mg/d. Pyrazinamid verteilt sich gut in alle Kompartimente einschließlich des Liquors und spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung der tuberkulösen Meningitis. Die Plasmahalbwertszeit des Medikaments beträgt bei normaler Nieren- und Leberfunktion 9–11 Stunden. Pyrazinamid wird in der Leber zu Pyrazinsäure, 5-Hydroxypyrazinamid und 5-Hydroxypyrazinsäure metabolisiert. Pyrazinamid und seine Metaboliten werden zu einem Großteil (ca. 70 %) mit dem Urin ausgeschieden. Bei Patienten mit reduzierter Kreatinin-Clearance muss die Dosierung entsprechend der Einschränkung der Nierenfunktion reduziert werden.
Nebenwirkungen
Unter den früher üblichen höheren Dosierungen kam es bei bis zu 15 % der mit Pyrazinamid behandelten Patienten zu toxischen Leberschäden. Bei den derzeit empfohlenen Dosierungen tritt eine Hepatotoxizität seltener auf, wenn die Substanz zur Behandlung der Tuberkulose in Kombination mit Isoniazid und Rifampicin verabreicht wird. Das Risiko einer Leberschädigung nimmt allerdings bei höherem Alter, aktiver Lebererkrankung, HIV-Infektion und niedrigem Albuminspiegel zu. Der Gebrauch von Pyrazinamid in Kombination mit Rifampicin zur Behandlung einer latenten Tuberkulose wird mittlerweile nicht mehr empfohlen, da es in diesem Zusammenhang zu einer ausgeprägten Hepatotoxizität und vielen Todesfällen kam. Eine Hyperurikämie ist ein häufiger Nebeneffekt einer Behandlung mit Pyrazinamid und kann meist konservativ therapiert werden. Zu einer klinisch manifesten Gicht kommt es selten.
Obwohl Pyrazinamid von internationalen Tuberkuloseorganisationen (und auch in Deutschland) für den routinemäßigen Einsatz während der Schwangerschaft empfohlen wird, gibt es in den USA aufgrund unzureichender Daten zur Teratogenität keine diesbezügliche Empfehlung.
Resistenz
Die Resistenz von M. tuberculosis gegenüber Pyrazinamid basiert auf einer Mutation des pncA-Gens, das für die Pyrazinamidase kodiert, die wiederum für die Umwandlung des Prodrugs in die aktive Pyrazinsäure verantwortlich ist. Die Resistenz gegen Pyrazinamid geht mit einem Verlust der Aktivität der Pyrazinamidase einher, wodurch die Umwandlung von Pyrazinamid in Pyrazinsäure verhindert wird. Eine Mutation von pncA kommt bei 72–98 % der Pyrazinamid-resistenten M.-tuberculosis-Isolate vor. Bei einer konventionellen Resistenztestung können falsch negative und falsch positive Befunde vorkommen, weil das saure Milieu, das zur Aktivierung der Substanz nötig ist, auch das Wachstum von M. tuberculosis hemmt. Die Bedeutung einer In-vitro-Resistenz gegen Pyrazinamid wird kontrovers beurteilt. In Deutschland sind 2,3–4,1 % der untersuchten Erreger gegen Pyrazinamid resistent.
Weitere Medikamente der ersten Wahl bei Tuberkulose
Rifabutin
Rifabutin, ein semisynthetisches Derivat von Rifamycin S, hemmt die mykobakterielle DNS-abhängige RNS-Polymerase. Rifabutin wird laut deutschen Empfehlungen als zweitrangiges Medikament eingestuft.
Allerdings wird es anstelle von Rifampicin zur Behandlung bei HIV-Patienten empfohlen, die Proteaseinhibitoren oder nicht nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, insbesondere Nevirapin, einnehmen. Die hepatische Enzyminduktion ist bei Rifabutin weniger ausgeprägt als bei Rifampicin. Proteaseinhibitoren können über eine Hemmung des hepatischen Metabolismus zu einer deutlichen Spiegelerhöhung von Rifabutin führen. Rifabutin zeigt in vitro gegen MAC-Organismen und andere nicht tuberkulöse Mykobakterien (NTM) eine höhere Aktivität als Rifampicin, eine klinische Überlegenheit wurde aber bisher nicht gesichert.
Pharmakologie
Wie bei Rifampicin handelt es sich bei Rifabutin um eine lipophile Substanz, die rasch nach oraler Aufnahme resorbiert wird und ihren Spitzenspiegel nach 2–4 Stunden erreicht. Rifabutin ist sehr gut gewebegängig und die Spiegel im Gewebe sind 5- bis 10-mal höher als im Plasma. Anders als Rifampicin werden Rifabutin und seine Metaboliten teilweise vom mikrosomalen System in der Leber abgebaut. Die langsame Elimination von Rifabutin führt zu einer Halbwertszeit, die mit 45 Stunden deutlich länger ist als jene von Rifampicin (3–5 Stunden). Clarithromycin (aber nicht Azithromycin) und Fluconazol scheinen den Rifabutinspiegel durch eine Hemmung des hepatischen Stoffwechsels anzuheben.
Nebenwirkungen
Rifabutin wird generell gut toleriert und unerwünschte Nebenwirkungen kommen vor allem bei höheren Dosen vor. Die häufigsten Nebenwirkungen sind gastrointestinale Symptome; daneben können auch Exantheme, Kopfschmerzen, Kraftlosigkeit, Brustschmerzen, Myalgien und Schlafstörungen auftreten. Zu den selteneren Nebenwirkungen zählen Fieber, Schüttelfrost, grippeartige Symptome, eine anteriore Uveitis, eine Hepatitis, eine Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö, ein generalisiertes Polymyalgie-Syndrom und eine gelbliche Hautverfärbung („Pseudo-Ikterus“). Labordiagnostisch können eine Neutropenie, Leukopenie, Thrombozytopenie und erhöhte Leberenzymwerte auffällig werden. Etwa 80 % der Patienten, bei denen Rifampicin zu unerwünschten Wirkungen führt, können die Tuberkulosetherapie mit Rifabutin als Alternativmedikation abschließen.
Rifapentin
Rifapentin ist ein semisynthetisches Cyclopentin-Rifamycin, das den gleichen Wirkungsmechanismus wie Rifampicin besitzt. Rifapentin ist lipophil und hat eine lange Halbwertszeit, die eine 1- oder 2-mal wöchentliche Dosierung ermöglicht. Daher wird das Medikament gegenwärtig intensiv klinisch geprüft, um die optimale Dosierung und Häufigkeit der Verabreichung zu bestimmen. Derzeit ist Rifapentin in der Kontinuitätsphase bei nicht kavernöser, medikamentenempfindlicher Lungentuberkulose bei HIV-negativen Patienten mit negativem Sputumausstrich nach Abschluss der Initialphase der Therapie eine Alternative zu Rifampicin. Rifapentin (10 mg/kg, bis zu 600 mg) wird dann einmal pro Woche zusammen mit Isoniazid gegeben. Wegen der höheren Rezidivraten wird dieses Regime bei Patienten mi HIV-Koinfektion nicht empfohlen. Eine große, randomisierte kontrollierte Studie hat vor kurzem gezeigt, dass bei latenter Tuberkulose die überwachte Gabe von insgesamt zwölf Dosen Isoniazid und Rifapentin (einmal pro Woche über 3 Monate mit Adaptation der Dosierung an das Körpergewicht) der täglichen Gabe von Isoniazid über 9 Monate nicht unterlegen war. Obwohl die Rate von Studienabbrüchen wegen unerwünschter Wirkungen unter der Rifapentin-Isoniazid-Kombination höher war, schlossen mehr Patienten dieses Regime ab als die Isoniazid-Monotherapie. Die Wirksamkeit der Kombinationstherapie bei HIV-infizierten Patienten, die keine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten, und bei Kindern vor dem 12. Lebensjahr wird derzeit untersucht. Das Regime wird nicht empfohlen bei Schwangeren, bei Patienten mit Isoniazid- oder Rifampicin-Allergie und bei HIV-Infizierten unter ART.
Rifapentin ist in Deutschland nicht erhältlich.
Pharmakologie
Die Resorption von Rifapentin nimmt durch die Einnahme mit einer Mahlzeit zu. Nach oraler Einnahme erreicht Rifapentin nach 5–6 Stunden seine Spitzenkonzentration im Serum. Innerhalb von 10 Tagen wird ein Fließgleichgewicht (steady state) erreicht. Die Halbwertszeit von Rifapentin und seinem aktiven Metaboliten 25-Desacetyl-Rifapentin beträgt ungefähr 13 Stunden. Die Substanz wird vorwiegend über die Leber ausgeschieden (70 %).
Streptomycin
Streptomycin war das erste antimykobakterielle Medikament, das zur Behandlung der Tuberkulose eingesetzt wurde. Die Substanz ist ein Derivat von Streptomyces griseus und wirkt bakterizid, besonders gegen schnell wachsende extrazellulär gelegene Erreger.
Die Substanz wird nur intravenös oder intramuskulär verabreicht. In Industrienationen wird Streptomycin aufgrund seiner Toxizität, der Unannehmlichkeiten der parenteralen Gabe und vorhandener Resistenzen nur selten verwendet. In Entwicklungsländern wird Streptomycin aufgrund seiner geringen Kosten eingesetzt.
Wirkungsmechanismus
Streptomycin hemmt die Proteinsynthese durch Bindung an die ribosomale 30S-Untereinheit der Mykobakterien.
Pharmakologie und Dosierung
Die höchste Konzentration im Serum liegt nach Gabe von 1 g Streptomycin bei 25–45 µg/ml. Die Substanz ist nur schlecht liquorgängig, die Konzentration im Liquor macht nur 20 % der Plasmakonzentration aus. Die übliche Dosierung von Streptomycin beträgt 15 mg/kg/d bei Erwachsenen und 20–40 mg/kg/d bei Kindern. Die Maximaldosis liegt jeweils bei 1 g/d. Bei Patienten in einem Alter über 60 Jahren werden 10 mg/kg/d und ein Maximum von 750 mg/d empfohlen. Weil Streptomycin fast ausschließlich über die Nieren ausgeschieden wird, sollte es bei einer eingeschränkten Nierenfunktion vermieden oder mit Vorsicht in geringerer Dosis und in größeren Intervallen gegeben werden.
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen kommen bei Streptomycin häufig vor (10–20 % aller Patienten). Die häufigsten und schwerwiegendsten Nebenwirkungen sind Ototoxizität (v. a. mit Schädigung des Vestibulums), Neuropathien und eine renale Toxizität. Die renale Schädigung manifestiert sich meist in Form eines nicht oligurischen Nierenversagens und kommt bei Streptomycin seltener als bei anderen häufig eingesetzten Aminoglykosiden, wie beispielsweise Gentamycin, vor. Die vestibuläre Toxizität kann sich in Gleichgewichtsstörungen, Schwindel und Tinnitus äußern. Bei Patienten, die Streptomycin erhalten, muss sorgfältig auf diese Nebenwirkungen geachtet werden und es sollte vor Beginn der Behandlung und anschließend monatlich eine Audiometrie durchgeführt werden.
Resistenz
Spontane Mutationen, die eine Resistenz gegen Streptomycin vermitteln, sind relativ häufig und kommen bei 1 von 106 Organismen vor. Bei den zwei Drittel der Streptomycin-resistenten M.-tuberculosis-Stämme, die eine hochgradige Resistenz aufweisen, findet man Mutationen in einem von zwei Genen: in einem 16S-RNS-Gen (rrs) oder in demjenigen Gen, das für das ribosomale Protein S12 kodiert (rpsL). Beide Angriffspunkte spielen offenbar eine Rolle bei der ribosomalen Bindung von Streptomycin. Bei einer niedriggradigen Resistenz jedoch, die bei ungefähr einem Drittel der resistenten Isolate vorhanden ist, gibt es keine Assoziation mit einer Resistenzmutation. Kürzlich wurde ein Gen (gidB) entdeckt, das zu einer niedriggradigen Streptomycin-Resistenz beiträgt. M.-tuberculosis-Stämme, die gegen Streptomycin resistent sind, weisen im Allgemeinen keine Kreuzresistenz gegen Capreomycin oder Amikacin auf. Streptomycin wird nicht eingesetzt zur Behandlung der MDR- und der ausgedehnt resistenten (XDR-)Tuberkulose wegen (1) der hohen Prävalenz von Streptomycinresistenzen bei Stämmen, die gegen Isoniazid resistent sind, und (2) wegen der unzuverlässigen Ergebnisse bei der Empfindlichkeitstestung.
Antituberkulotika der zweiten Wahl
Antituberkulotika der zweiten Wahl sind zur Behandlung einer Tuberkulose mit resistenten Stämmen geeignet, wenn die Patienten Medikamente der ersten Wahl nicht tolerieren oder darauf allergisch sind und ergänzende Medikamente der ersten Wahl nicht zur Verfügung stehen.
Fluorchinolone
Fluorchinolone hemmen die mykobakterielle DNS-Gyrase und Topoisomerase IV, verhindern die Zellteilung und Proteinsynthese und wirken bakterizid.Die neueren Fluorchinolone Levofloxacin (Dosisempfehlung 1000 mg/d) und Moxifloxacin (Dosisempfehlung 400 mg/d) weisen die beste Wirksamkeit gegen M. tuberculosis auf und werden zur Behandlung der MDR-Tuberkulose empfohlen. Ebenso wurde untersucht, ob sie zu einer Verkürzung der Therapiedauer beitragen können. In einer aktuellen Studie wurde Gatifloxacin, das wegen Störungen des Glukosestoffwechsels vom Markt genommen wurde, auf die Möglichkeit einer Behandlungsverkürzung hin untersucht. Sein Einschluss in antituberkulöse Regimes konnte zwar die Dauer der Behandlung nicht von 6 auf 4 Monate verkürzen, es wurden jedoch bei dreimal wöchentlicher Gabe über 4 Monate keine Dysglykämien beobachtet. Gatifloxacin ist bisher in Deutschland nicht zugelassen und nicht erhältlich. Ciprofloxacin und Ofloxacin werden heute wegen ihrer geringen Wirksamkeit nicht mehr zur Behandlung der Tuberkulose empfohlen. Trotz nachgewiesener Resistenzen von M.-tuberculosis-Stämmen gegen diese und andere frühe Chinolone hat der Einsatz neuerer Chinolone bei Patienten mit XDR-Tuberkulose positive Ergebnisse gezeigt. Fluorchinolone gelten auch als sichere Alternative bei Patienten, die unter Medikamenten der ersten Wahl therapielimitierende Nebenwirkungen entwickeln. Sowohl Levofloxacin als auch Moxifloxacin haben sich bei der Behandlung der MDR-Tuberkulose als wirksam erwiesen. Die optimale Dosis von Levofloxacin in dieser Indikation wird derzeit untersucht, aber häufig werden Dosen von mindestens 750 mg eingesetzt.
Fluorchinolone werden bei oraler Gabe gut resorbiert, erreichen eine hohe Plasmakonzentration und verteilen sich gut im Gewebe und in Körperflüssigkeiten. Die Resorption ist bei einer gleichzeitigen Einnahme von Substanzen mit multivalenten Kationen, wie Antazida, herabgesetzt. Nebenwirkungen kommen relativ selten vor (0,5–10 % der Patienten). Dazu zählen gastrointestinale Symptome, Exantheme, Schwindel und Kopfschmerzen. Die meisten Studien, die sich mit Nebenwirkungen der Fluorchinolone beschäftigen, basieren auf einer Kurzzeitbehandlung bei bakteriellen Infektionen, mittlerweile wurde aber auch die relative Sicherheit und Verträglichkeit bei einer Gabe über Monate im Rahmen der Tuberkulosebehandlung von Erwachsenen nachgewiesen. Das Potenzial, die QTc-Zeit zu verlängern und Herzrhythmusstörungen zu verursachen, führte zu Bedenken bezüglich einer Therapie mit Fluorchinolonen. Eine QTc-Verlängerung, die einen Therapieabbruch nötig macht, ist selten. Es besteht zunehmendes Interesse, Fluorchinolone bei Kindern einzusetzen, was früher aufgrund der Gefahr von Sehnenrupturen und Knorpelschäden vermieden wurde. Möglicherweise wiegen aber die Vorteile bei der Behandlung einer Tuberkulose mit resistenten Erregern schwerer als die Risiken.
Eine mykobakterielle Resistenz kann rasch entstehen, wenn ein Fluorchinolon aus Unachtsamkeit allein verabreicht wird. Eine empirische Therapie mit einem Fluorchinolon bei Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie geht mit einer zunehmenden Resistenz von M. tuberculosis einher. Mutationen der Gene, die für die DNS-Gyrase kodieren (gyrA und gyrB), spielen in der Mehrzahl der Fälle, aber nicht in allen Fällen einer klinischen Resistenz gegenüber Fluorchinolonen eine Rolle. Fluorchinolone werden in Deutschland nur bei MDR-Tuberkulose oder Unverträglichkeiten der Medikamente erster Wahl empfohlen.
Injizierbare Substanzen
Capreomycin
Capreomycin, ein zyklisches Peptidantibiotikum, das aus Streptomyces capreolus gewonnen wird, ist das wichtigste Medikament der zweiten Wahl bei der Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose, insbesondere wenn eine Aminoglykosidresistenz besteht. Capreomycin wird intramuskulär oder auch intravenös verabreicht, ein inhalatives Präparat wird derzeit untersucht. Für eine dauerhafte intravenöse Therapie ist die Implantation eines venösen Portsystems empfohlen. Eine Dosis von 15 mg/kg/d wird 5- bis 7-mal pro Woche gegeben (maximale Tagesdosis 1 g), damit werden maximale Blutspiegel von 20–40 µg/ml erreicht. Die Dosis kann 2–4 Monate, nachdem es zu einer Negativkonversion der Mykobakterienkulturen gekommen ist, auf 1 g 2- bis 3-mal pro Woche reduziert werden. Bei Patienten, die 60 Jahre oder älter sind, sollte die Dosis auf 10 mg/kg/d reduziert werden (maximale Tagesdosis 750 mg). Bei Patienten mit Niereninsuffizienz wird die Substanz intermittierend in geringerer Dosierung appliziert (12–15 mg/kg 2- bis 3-mal wöchentlich). Bei einer multiresistenten Tuberkulose gilt nach den Empfehlungen der WHO eine Mindesttherapiezeit von 8 Monaten in der Initialphase mit einer injizierbaren Substanz (z. B. Capreomycin), gefolgt von einer 12-monatigen Kontinuitätsphase. Insgesamt wird eine Behandlungsdauer von 18–24 Monaten empfohlen. Capreomycin ist relativ schlecht liquorgängig.
Der Wirkungsmechanismus von Capreomycin ist nicht vollständig verstanden, eine Interaktion mit dem mykobakteriellen Ribosom und eine Hemmung der Proteinsynthese scheinen eine Rolle zu spielen. Eine Resistenz gegen Capreomycin geht mit Mutationen, die eine ribosomale Methylase (Tlya) inaktivieren, oder mit Mutationen der Gene für die ribosomale 16S-Untereinheit (rrs) einher. Eine Kreuzresistenz mit Kanamycin und Amikacin ist häufig bei rrs-, aber nicht regelmäßig bei TlyA-Mutationen. Allerdings sind manche Stämme mit Resistenz gegen Streptomycin, Kanamycin und Amikacin gegenüber Capreomycin empfindlich.
Unerwünschte Nebenwirkungen kommen bei Capreomycin relativ häufig vor. Ausgeprägte Hypokaliämien oder Hypomagnesiämien sowie eine Oto- und Nephrotoxizität sind dokumentiert.
Capreomycin ist derzeit in Deutschland nicht verfügbar, aber über internationale Apotheken erhältlich.
Amikacin und Kanamycin
Amikacin und Kanamycin sind Aminoglykoside, die durch eine Bindung an die ribosomale 16S-Untereinheit von Mykobakterien bakterizid wirken. Das Wirkungsspektrum von Amikacin und Kanamycin umfasst M. tuberculosis, einige nicht tuberkulöse Mykobakterienspezies sowie aerobe gramnegative und grampositive Bakterien. Amikacin ist zwar gegen M. tuberculosis sehr wirksam, wird aber aufgrund der signifikanten Nebenwirkungen nur selten verwendet. Die Dosis beträgt sowohl bei Amikacin als auch Kanamycin 15–30 mg/kg/d i.m. oder i.v. (maximale Tagesdosis 1 g). Ab dem 60. Lebensjahr wird die Dosis auf 10 mg/kg reduziert. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz müssen die Dosis reduziert und die Dosierintervalle verlängert werden (12–15 mg/kg 2- bis 3-mal wöchentlich). Resistente Mykobakterienstämme entstehen durch Mutationen der Gene, die für die ribosomale 16S-Untereinheit kodieren. Kreuzresistenzen zwischen Kanamycin, Amikacin und Capreomycin sind häufig. Zu den Nebenwirkungen von Amikacin zählen eine Ototoxizität (bis zu 10 % der Patienten, häufiger Hörstörungen als vestibuläre Störungen), eine Nephrotoxizität und Neurotoxizität. Kanamycin hat ein ähnliches Nebenwirkungsprofil, wobei unerwünschte Nebenwirkungen seltener und in leichterer Ausprägung vorkommen.
Andere Medikamente der zweiten Wahl
Ethionamid
Ethionamid ist ein Derivat der Isonicotinsäure. Der Wirkungsmechanismus beruht auf einer Inhibition des inhA-Genprodukts Enoyl-Acyl-Carrier-Protein(acp)-Reduktase, das an der Mykolsäuresynthese beteiligt ist. Ethionamid wirkt gegen metabolisch aktive M. tuberculosis und einige nicht tuberkulöse Mykobakterien bakteriostatisch. Es wird bei der Behandlung einer Tuberkulose mit resistenten Erregern eingesetzt, wobei schwere gastrointestinale Nebenwirkungen (Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen u. a.) sowie signifikante periphere und zentrale neurologische Nebenwirkungen, reversible Hepatitiden (bei ca. 5 % der Patienten), Überempfindlichkeitsreaktionen und eine Schilddrüsenunterfunktion den Gebrauch einschränken. Ethionamid sollte mit einer Mahlzeit eigenommen werden, um die gastrointestinalen Nebenwirkungen zu reduzieren. Zur Verringerung neuropathischer Komplikationen sollte gleichzeitig Pyridoxin (50–100 mg/d) verabreicht werden. Ethionamid ist in Deutschland nicht verfügbar, kann aber durch Protionamid (15 mg/kg, max. 1000 mg; Dosishalbierung bei gleichzeitiger INH-Gabe) ersetzt werden.
Cycloserin
Cycloserin ist ein Analogon der Aminosäure D-Alanin und verhindert die Zellwandsynthese. Es hemmt die Aktivität der an der Peptidoglykansynthese beteiligten Enzyme, einschließlich der Alanin-Razemase. Cycloserin ist gegen eine Reihe von Bakterien wirksam, einschließlich M. tuberculosis. Die Mechanismen, die zu einer mykobakteriellen Resistenz führen, sind nicht ganz geklärt, eine Überexpression der Alanin-Razemase kann aber bei M. smegmatis eine Resistenz verursachen. Cycloserin wird nach oraler Einnahme gut resorbiert und verteilt sich gut in allen Körperflüssigkeiten einschließlich des Liquors. Die übliche Erwachsenendosis beträgt 2- bis 3-mal 250 mg/d. Zu den schwerwiegenden möglichen Nebenwirkungen zählen Krampfanfälle und Psychosen (manchmal bis hin zum Suizid), eine periphere Neuropathie, Kopfschmerzen, Somnolenz und allergische Reaktionen. Um eine optimale Dosierung zu gewährleisten und das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen zu reduzieren, sollte insbesondere bei niereninsuffizienten Patienten der Medikamentenspiegel kontrolliert werden. Cycloserin sollte unter Aufsicht eingenommen werden und bei Patienten mit Epilepsie, aktivem Alkoholabusus, schwerer Niereninsuffizienz oder anamnestischer Depression oder Psychose nur in Absprache mit einem Tuberkuloseexperten verordnet werden. In Deutschland ist Cycloserin nicht verfügbar; stattdessen wird das Cycloserin-Derivat Terizidon eingesetzt (Standarddosis 3 × 250 mg, Maximaldosis 2 ×500 mg/d).
Paraaminosalizylsäure
Paraaminosalizylsäure (PAS, 4-Amino-Salizylsäure) ist ein oral anwendbares Medikament zur Behandlung der MDR- und der XDR-Tuberkulose. PAS ist als Antituberkulotikum nur gering aktiv und wirkt bakteriostatisch durch eine Hemmung der Folsäuresynthese und der Eisenaufnahme. Als unerwünschte Wirkungen können starke Übelkeit mit Erbrechen und Diarrhö auftreten. Außerdem kann es bei Patienten mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel zur Hämolyse führen. Das Medikament ist intravenös oder oral verfügbar. Bei oraler Gabe sollte es zusammen mit säurehaltigen Nahrungsmitteln eingenommen werden, um die Resorption zu verbessern. Magensaftresistente Formulierungen eines PAS-Granulats scheinen bei einer Dosierung von 3 × 4 g/d p.o. besser verträglich zu sein als andere Darreichungsformen und zu höheren Medikamentenkonzentrationen im Serum zu führen. PAS hat eine kurze Halbwertszeit von 1 h; 80 % der Dosis werden über den Urin ausgeschieden.
Clofazimin
Clofazimin ist ein fettlöslicher Riminophenazin-Farbstoff, der vor allem bei der Therapie der Lepra weltweit eingesetzt wird. Derzeit gewinnt die Substanz aber wegen ihrer geringen Kosten und ihrer intra- und extrazellulären Aktivität auch zunehmend Popularität zur Behandlung der MDR- und der XDR-Tuberkulose. Sie erhöht die Konzentration von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und führt zur Destabilisierung der Zellmembran; Clofazimin könnte so persistierende M.-tuberculosis-Organismen abtöten, die gegenüber anderen Antibiotika unempfindlich sind. Weitere pharmakologische Eigenschaften neben der antimikrobiellen Aktivität umfassen antiinflammatorische, prooxidative und immunmodulierende Wirkungen. Clofazimin hat beim Menschen eine Halbwertszeit von ca. 70 Tagen und durchschnittliche Steady-State-Konzentrationen werden nach ca. 1 Monat erreicht. Die Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit kann die niedrigen und uneinheitlichen Resorptionsraten (45–62 %) verbessern. Häufige unerwünschte Wirkungen umfassen gastrointestinale Unverträglichkeiten und reversible Orange-Verfärbungen von Haut, Körperflüssigkeiten und Sekreten. Bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen können Dosisanpassungen notwendig werden. Clofazimin wird als Teil eines Regimes untersucht, das in Bangladesch zur möglichen Verkürzung der Therapiedauer bei MDR-Tuberkulose entwickelt wurde. Eine aktuelle Metaanalyse legt nahe, dass der Einschluss von Clofazimin in ein Kombinationsregime zur Therapie der MDR-Tuberkulose zu positiven Ergebnissen führt. Neuere Analoga mit verbesserter Pharmakokinetik und alternative Formulierungen von Clofazimin (lipsomale Konjugate, Nanosuspensionen, Aerosole) werden derzeit untersucht. Clofazimin ist in Deutschland nicht erhältlich, kann aber über die Schweiz bzw. internationale Apotheken bezogen werden.
Neue Antituberkulotika
Oxazolidinone
Linezolid ist ein Oxazolidinon, das hauptsächlich bei Infektionen mit resistenten grampositiven Erregern eingesetzt wird. In vitro ist die Substanz auch gegen M. tuberculosis und nicht tuberkulöse Mykobakterien wirksam. Einige Fallserien legen nahe, dass Linezolid die Erregerelimination beschleunigen kann, wenn es zu Regimes zur Behandlung komplexer Fälle einer MDR- oder XDR-Tuberkulose hinzugefügt wird. Linezolid verhindert die Proteinsynthese durch Bindung an die 50S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms. Nach oraler Gabe hat Linezolid eine Bioverfügbarkeit von annähernd 100 % und penetriert gut ins Gewebe und in Körperflüssigkeiten, einschließlich Liquor. Es gibt Berichte über eine klinische Resistenz gegenüber einer Linezolidbehandlung, wobei der Mechanismus unklar ist. Als Nebenwirkungen können eine Neuropathie des N. opticus und eine periphere Neuropathie, eine Panzytopenie und eine Laktatazidose auftreten. Linezolid ist ein schwacher MAO-Hemmer und kann ein Serotonin-Syndrom auslösen, wenn es gleichzeitig mit serotoninergen Medikamenten (v. a. Antidepressiva wie selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) verabreicht wird.
Eine aktuelle Metaanalyse hat gezeigt, dass ca. 80 % der Patienten mit MDR- oder XDR-Tuberkulose mit linezolidhaltigen Regimes erfolgreich behandelt werden können, jedoch traten darunter deutliche Nebenwirkungen auf, die auf Linezolid zurückgeführt wurden. Bei MDR-Tuberkulose wird Linezolid normalerweise in einer anscheinend wirksamen Dosis von 600 mg einmal pro Tag verabreicht (in manchen Fällen auch weniger). Die Einmalgabe geht mit weniger unerwünschten Wirkungen einher als die zweimal tägliche Gabe. In Deutschland werden daher die einmalige Gabe sowie eine nicht über 4 Wochen hinausgehende Therapie mit Linezolid empfohlen.
PNU 100480 und AZD 5847, modifizierte Abkömmlinge der Oxazolidinone, wirken als Hemmer der Proteinsynthese und werden derzeit in Phase-I-Studien geprüft; sie scheinen gegen M. tuberculosis wirksamer zu sein als Linezolid. Ihr Nebenwirkungsprofil muss allerdings im Vergleich zu Linezolid noch weiter untersucht werden.
Amoxicillin-Clavulansäure und Carbapeneme
Betalaktamantibiotika sind weitestgehend unwirksam zur Behandlung der Tuberkulose, weil M. tuberculosis über eine hydrolysierend wirkende Klasse-A-Betalaktamase verfügt. Da Clavulansäure zumindest theoretisch diese Betalaktamase hemmen könnte, wurde die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure bei der Behandlung der MDR-Tuberkulose eingesetzt, mit allerdings nur schwacher Wirksamkeit. Carbapeneme sind nur schwache Substrate der Klasse-A-Betalaktamase von M. tuberculosis, daher zeigen Meropenem und Imipenem In-vitro-Aktivität gegen M. tuberculosis, und ihre Gabe zur Therapie der MDR- und der XDR-Tuberkulose wurde in Einzelfällen beschrieben. Wegen der Notwendigkeit der parenteralen Gabe und fehlenden Informationen zu Nebenwirkungen bei Langzeitgabe ist ihr Einsatz aber auf wenige schwere Fälle beschränkt.
Diarylchinoline
Bedaquilin (TMC207 oder R207910) ist ein neues Diarylchinolin mit einem neuartigen Wirkungsmechanismus: Es hemmt die mykobakterielle ATP-Synthetase-Protonenpumpe. TMC207 ist bakterizid gegen empfindliche und multiresistente M.-tuberculosis-Stämme. Zu Resistenzen kann es durch eine Punktmutation im für die Untereinheit c der ATP-Synthetase kodierenden atpE-Gen kommen. Die Substanz wird in der Leber durch das Cytochrom CYP3A4 metabolisiert. Rifampicin reduziert den TMC207-Spiegel um 50 % und es gibt auch ausgeprägte Wechselwirkungen mit Proteaseinhibitoren. Die orale Bioverfügbarkeit von TMC207 scheint hervorragend. Die Dosis beträgt 400 mg/d in den ersten 2 Wochen und anschließend 200 mg 3-mal wöchentlich. Die Eliminationshalbwertszeit ist lang (> 14 Tage).
Die Einmalgabe von Bedaquilin kann das Wachstum von M. tuberculosis über bis zu 1 Woche hemmen; diese lange Wirksamkeit kommt durch die Kombination einer langen Plasmahalbwertszeit, einer hohen Gewebepenetration und einer langen Gewebehalbwertszeit zustande. Der Zusatz von Bedaquilin zu einem Standardschema verbesserte in multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Studien die Sputumkultur-Konversionsrate nach 2 Monaten; außerdem fand sich eine Verminderung erworbener Residenzen gegen die anderen Medikamente des Regimes. Diese Ergebnisse haben zur Zulassung durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) geführt. Allerdings wurde in einer Studie eine höhere Sterblichkeit im Bedaquilin-Arm beobachtet (11,4 % vs. 2,5 % im Kontrollarm), sodass die FDA eine Black-Box-Warnung herausgegeben hat, die auch eine Verlängerung des QT-Intervalls einbezieht. Die Centers for Disease Control and Prevention haben eine vorläufige Empfehlung zum Einsatz von Bedaquilin über 24 Wochen bei Erwachsenen mit im Labor gesicherter MDR-Tuberkulose ausgesprochen, wenn kein anderes wirksames Regime zur Verfügung steht.
Nitroimidazole
Die Prodrugs Delamanid (OPC-67683) und PA 824 sind neue Nitro-Dihydro-Imidazooxazol-Derivate, die von einer M.-tuberculosis-spezifischen, Flavin-abhängigen Nitroreduktase aktiviert werden und deren antimykobakterielle Aktivität auf eine Hemmung der Mykolsäuresynthese zurückgeht. Die Medikamente werden derzeit in Phase-II-Studien untersucht und könnten möglicherweise die Behandlungsdauer verkürzen, da sie aktiv gegen sich nicht replizierende, empfindliche und resistente Mykobakterien sind. Delamanid hat in einer internationalen randomisierten, placebokontrollierten klinischen Studie die Kulturkonversionsraten nach 2 Monaten deutlich verbessert. Verlängerungen des QT-Intervalls traten bei mit Delamanid behandelten Patienten signifikant häufiger auf, aber klinisch relevante Auswirkungen wurden nicht beobachtet.
Diamine
SQ109, ein Ethambutol-Analogon mit einem 1,2-Diamin-Pharmakophor, ist das vielversprechendste Diamin für die Tuberkulosebehandlung. Es wird durch mykobakterielle Cytochromenzyme aktiviert und hemmt die Zellwandsynthese der Mykobakterien durch einen bislang nicht bekannten Mechanismus. Es weist im Gewebe eine hohe Proteinbindung mit sehr langer Halbwertszeit (ca. 61 h) beim Menschen auf. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass SQ109 geringe MHK-Werte gegen sowohl empfindliche als auch resistente M.-tuberculosis-Stämme aufweist und außerdem bei gleichzeitiger Gabe mit Isoniazid und Rifampicin synergistisch wirkt. Das Medikament wird in klinischen Studien zur Tuberkulosebehandlung geprüft.
Pyrrole
Klinische Studien mit LL3858, einem Pyrrolderivat, zur Wirksamkeit bei Tuberkulose durch empfindliche und resistente Mykobakterien haben begonnen. Sein Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt, es ist jedoch aktiv gegen M.-tuberculosis-Stämme mit Resistenzen gegen die verfügbaren Antituberkulotika. Sein Angriffspunkt unterscheidet sich vermutlich von dem anderer derzeit verwendeter Substanzen.
Nicht tuberkulöse Mykobakterien
Es gibt mehr als 150 verschiedene Spezies von nicht tuberkulösen Mykobakterien (NTM). Nur ein kleiner Teil dieser in der Umwelt, vor allem im Erdreich und Wasser vorkommenden Organismen ist humanpathogen. NTM verursachen schwere Infektionen vor allem bei Personen mit vorbestehender Lungenerkrankung oder Immunschwäche, können aber noduläre/bronchiektatische Veränderungen auch bei ansonsten gesunden Personen hervorrufen. Sie zählen auch zu den wichtigen Erregern in der Chirurgie. Die NTM können in zwei Klassen, langsam und schnell wachsende NTM, eingeteilt werden. Letztere lassen sich innerhalb 1 Woche anzüchten. Das Wachstumsverhalten von NTM hat eine diagnostische, therapeutische und prognostische Bedeutung. Die Geschwindigkeit der Vermehrung kann insofern nützliche vorläufige Informationen in bestimmten klinischen Situationen liefern, als ein Wachstum innerhalb von 2–3 Wochen viel eher für NTM als für M. tuberculosis spricht. Wenn sich in Kulturen NTM nachweisen lassen, muss zwischen Kolonisation und invasiver Infektion unterschieden werden, damit Risiko und Nutzen einer längeren Kombinationstherapie richtig eingeschätzt werden können. Zur Diagnose einer pulmonalen Infektion durch NTM sind laut den Empfehlungen der American Thoracic Society und der Infectious Diseases Society of America eindeutige klinische Zeichen und/oder radiologische Befunde einer progredienten NTM-Infektion sowie entweder reproduzierbare Befunde aus der Sputumkultur oder eine einzelne positive Kultur nötig. Der Nachweis von NTM im Blut oder in offenkundig infizierten extrapulmonalen Lokalisationen wie Weichgewebe oder Knochen ist normalerweise ein Zeichen für eine disseminierte oder lokale NTM-Infektion (Kap. 204). Zur Behandlung einer Infektion durch NTM ist eine längere Kombinationstherapie erforderlich. Häufig kommt es zu Nebenwirkungen der Behandlung und oft wird eine intermittierende Therapie verordnet, um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Das Therapieschema hängt von der jeweiligen NTM-Spezies, der Art und Schwere der Infektion und vom Resistogramm ab. Eine noduläre bronchiektatische MAC-Infektion wird meist 3-mal wöchentlich behandelt, wohingegen fibrokavernöse oder disseminierte MAC-Infektionen täglich therapiert werden. Die von der ATS/IDSA empfohlene intermittierende Gabe ist in ihrer Wirksamkeit allerdings bisher nicht belegt. Sie wird daher in Deutschland grundsätzlich nicht empfohlen und wird lediglich in Ausnahmefällen bei starken Nebenwirkungen unter der kontinuierlichen Gabe und unter Beobachtung des individuellen Verlaufes angewandt.
Therapeutische Optionen bei spezifischen NTM
Mycobakterium-avium-Komplex
MAC-Organismen sind die NTM, die am häufigsten Erkrankungen beim Menschen auslösen. Bei immunkompetenten Patienten finden sich MAC-Spezies oft im Zusammenhang mit schweren pulmonalen Erkrankungen wie chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen oder Bronchiektasen. Bei Patienten mit nodulärer oder bronchiektatischer pulmonaler MAC-Infektion wird inital eine Kombination, bestehend aus Clarithromycin oder Azithromycin, Rifampicin oder Rifabutin und Ethambutol, 3-mal wöchentlich verabreicht. Wie bereits oben erwähnt, wird nach deutschen Empfehlungen eine Unterscheidung in der Therapie zwischen nodulärer bronchiektatischer MAC-Infektion und fibrokavernöser oder disseminierter MAC-Infektion gemacht. Für beide besteht die Empfehlung in einer kontinuierlichen Gabe mit folgender Dosierung: Ethambutol (15 mg/kgKG/d), Clarithromycin (1000 mg/d) oder Azithromycin (250 mg/d) und ggf. Rifampicin (600 mg/d) oder Rifabutin (300 mg/d). Eine routinemäßige initiale Testung einer Makrolidresistenz wird ebenso empfohlen wie eine Resistenztestung nach 6 Monaten bei Therapieversagen (z. B. anhaltend auf NTM positive Kulturen).
Bei immunkompromittierten Patienten werden disseminierte MAC-Infektionen im Allgemeinen mit Clarithromycin, Ethambutol und Rifabutin behandelt. Azithromycin kann bei einer Unverträglichkeit von Clarithromycin eingesetzt werden. Die zusätzliche Gabe von Rifabutin hat in Studien keine kongruenten Ergebnisse geliefert und sollte unter Abwägung des Nebenwirkungspotenzials und je nach Ausprägung der Erkrankung und Immunkonstitution addiert werden. Ein Vorteil der Dreifachkombination liegt aber unbestritten in einer reduzierten Makrolidresistenzentwicklung. Amikacin und Fluorchinolone werden oft als Bestandteil einer Salvage-Therapie eingesetzt. Amikacin hat hierbei aber den Nachteil einer lediglich intravenös möglichen Applikation. Bei einer disseminierten MAC-Infektion bei AIDS-Patienten kann eine lebenslange Therapie nötig werden, wenn es zu keiner Immunrekonstitution kommt. Bei einer effektiven Immunrekonstitution über 6 Monate scheint eine Behandlung der MAC-Infektion für mindestens 12 Monate adäquat.
Mycobacterium kansasii
M. kansasii ist die zweithäufigste humanpathogene NTM-Spezies. Es handelt sich außerdem um die zweithäufigste Ursache pulmonaler NTM-Infektionen in den USA, insbesondere im Südosten. Eine Infektion durch M. kansasii kann mit Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol behandelt werden. Alternativ zu Isoniazid kann Clarithromycin genutzt werden. Die Behandlung muss, nachdem die Kulturen negativ konvertiert sind, für 12 Monate fortgesetzt werden. Rifampicin-resistente M. kansasii-Stämme können mit Clarithromycin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol und Streptomycin behandelt werden.
Schnell wachsende Mykobakterien
Zu den schnell wachsenden humanpathogenen Mykobakterien zählen M. abscessus, M. fortuitum und M. chelonae. Die Behandlung von Infektionen mit diesen Mykobakterien gestaltet sich komplex und sollte mit einem Experten abgestimmt werden. Die Therapieempfehlung beruht grundsätzlich auf In-vitro-Resistenztestungen. Insbesondere auf eine Makrolidresistenz sollte getestet werden. Ein induzierbares erm-Gen kann allerdings bei schnell wachsenden, in vitro sensiblen Mykobakterien zu einer In-vivo-Makrolid-Resistenz führen.
Bei pulmonalen Infektionen beträgt die Therapiedauer in der Regel 12 Monate nach Sputumkonversion bzw. nach erstem negativem Kulturergebnis. Häufig wird durch die jeweilige Therapie zwar eine Besserung, nicht jedoch eine endgültige Heilung erreicht.
Therapieempfehlung M. abscessus: Clarithromycin p.o. plus Amikacin i.v. plus Cefoxitin oder Imipenem über 2–4 Monate, gefolgt von einer 6–2 monatigen oralen Therapie dem Resistogramm folgend.
Mycobacterium marinum
M. marinum ist ein NTM, das sich in Salz- und Süßwasser findet, beispielsweise in Swimmingpools und Aquarien. Es verursacht lokale Weichgewebeentzündungen, bei denen manchmal eine chirurgische Sanierung nötig ist. Die Kombinationstherapie beinhaltet Clarithromycin und entweder Ethambutol oder Rifampicin, ggf. kann der synergistische Effekt von Etambutol und Rifampicin im Rahmen einer Dreifachtherapie genutzt werden. Weitere gegen M. marinum aktive Substanzen sind Doxycyclin, Minocyclin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol.
Medikamente zur Behandlung von NTM-Infektionen
Clarithromycin
Clarithromycin ist ein Makrolidantibiotikum mit breitem Wirkungsspektrum gegen viele grampositive und gramnegative Bakterien sowie NTM. Die Substanz ist gegen MAC und viele andere NTM-Spezies wirksam und hemmt die Proteinsynthese durch Bindung an die ribosomale 50S-Untereinheit. Eine Makrolidresistenz von NTM kommt vermutlich durch eine Überexpression des ermB-Gens mit anschließender Methylierung der Bindungsstelle zustande. Clarithromycin wird nach oraler Einnahme gut resorbiert und ist gut gewebegängig. Es wird sowohl hepatisch als auch renal eliminiert. Die Dosis muss bei Niereninsuffizienz reduziert werden. Clarithromycin ist ein Substrat und ein Inhibitor von Cytochrom 3A4 und sollte nicht gemeinsam mit Cisaprid (in Deutschland und in den USA vom Markt genommen), Pimozid oder Terfenadin verabreicht werden, da Herzrhythmusstörungen vorkommen können. Über den CYP3A4-Metabolismus kommt es zu vielen Medikamenteninteraktionen mit Clarithromycin. Rifampicin senkt den Clarithromycinspiegel. Hingegen wird der Rifampicinspiegel durch Clarithromycin angehoben. Die klinische Relevanz dieser Wechselwirkung scheint aber nicht groß zu sein.
Bei Patienten mit nodulärer/bronchiektatischer MAC-Infektion werden 500 mg Clarithromycin dreimal wöchentlich morgens und abends gegeben. Bei einer fibrokavernösen oder einer schweren nodulären/bronchiektatischen MAC-Infektion werden täglich 500–1000 mg verabreicht. Bei einer disseminierten MAC-Infektion beträgt die Dosis 1000 mg/d. Eine intermittierende Gabe wird in Deutschland nicht empfohlen. Clarithromycin wird meist in Kombination mit Ethambutol und Rifabutin verordnet, um der Entwicklung einer Makrolidresistenz vorzubeugen. Zu den unerwünschten Nebenwirkungen zählen häufige gastrointestinale Beschwerden, Hepatotoxizität, Kopfschmerzen, Exantheme und in seltenen Fällen Hypoglykämien. Clarithromycin ist während der Schwangerschaft aufgrund teratogener Effekte im Tiermodell kontraindiziert.
Azithromycin
Azithromycin ist ein Erythromycinderivat. Obwohl es sich genau genommen um ein Azalid und kein Makrolid handelt, ist der Wirkungsmechanismus ähnlich wie bei den Makroliden: Die Proteinsynthese wird durch Bindung an die ribosomale 50S-Untereinheit gehemmt. Bei einer Resistenz gegen Azithromycin kommt es fast immer auch zu einer Kreuzresistenz mit Clarithromycin. Azithromycin wird nach oraler Einnahme gut resorbiert, ist gut gewebegängig und hat eine lange Halbwertszeit (ca. 48 Stunden). Die übliche Dosis bei MAC-Infektionen beträgt 250 mg/d oder 500 mg 3-mal wöchentlich. Azithromycin wird mit anderen Substanzen kombiniert, um die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden. Eine intermittierende Gabe wird in Deutschland nicht empfohlen.
Zur Prophylaxe von disseminierten MAC-Infektionen bei immundefizienten Patienten wird 1-mal wöchentlich eine Dosis von 1200 mg verabreicht. Weil Azithromycin nicht von Cytochrom P450 metabolisiert wird, gibt es wenige Wechselwirkungen. Eine Dosisanpassung an die Nierenfunktion ist nicht notwendig.
Cefoxitin
Cefoxitin ist ein Cephalosporin der zweiten Generation mit Aktivität gegen schnell wachsende NTM, insbesondere M. abscessus, M. marinum und M. chelonae. Der Wirkungsmechanismus gegen NTM ist unbekannt, eine Inaktivierung der zur Zellwandsynthese nötigen Enzyme könnte aber eine Rolle spielen. Zur Behandlung von NTM-Infektionen werden hohe Dosen eingesetzt: 3- bis 4-mal 200 mg/kg/d i.v., maximal 12 g/d. Die Halbwertszeit liegt bei etwa 1 Stunde. Aufgrund der vorwiegend renalen Ausscheidung ist eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz nötig. Seltene Nebenwirkungen sind gastrointestinale Symptome, Exantheme, Eosinophilie, Fieber und Neutropenie.
Schlussfolgerungen: Mykobakterielle Erkrankungen
Die Behandlung mykobakterieller Infektionen erfordert eine Kombinationstherapie mit oft signifikanten Nebenwirkungen, wodurch die Verträglichkeit eingeschränkt ist. Durch eine längere Behandlungsdauer sind die Ergebnisse deutlich besser als in den zurückliegenden Jahrzehnten, dennoch werden Medikamente und Therapieschemata mit kürzerer Behandlungsdauer und weniger Nebenwirkungen benötigt.
Weiterführende Literatur
Schaberg T et al: Empfehlung zur Therapie, Chemoprävention und Chemoprophylaxe der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter. Pneumologie 66:133–71, 2012
Schönfeld N et al: Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie nicht tuberkulöser Mykobakteriosen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Pneumologie 67:605–33, 2013
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