220e Molluscum contagiosum, Affenpocken und andere Pockenvirusinfektionen
Variola-Viren, die Erreger der klassischen Pockenerkrankung, konnten durch Impfkampagnen ausgerottet werden, da der Mensch das einzige Virusreservoir darstellte. Affenpocken, deren Reservoir Nager sind, können ein den klassischen Pocken ähnliches Krankheitsbild hervorrufen, worauf in diesem Kapitel genauer eingegangen wird.
Auch die häufig im Kindesalter erworbene charakteristische Hauterkrankung Molluscum contagiosum wird durch ein Pockenvirus ausgelöst. Obwohl beim Immunkompetenten harmlos, kann es unter Immunsuppression wie bei AIDS zu schwereren und langwierigen Infektionen kommen. Ferner bietet dieses Kapitel eine Übersicht über die weiteren zoonotischen Pockenerkrankungen, wie u. a. Kuhpocken, Büffelpocken oder Tanapocken.
Für die deutsche Ausgabe Holger Müller-Redetzky und Norbert Suttorp
Die Familie der Pockenviren umfasst eine große Gruppe verwandter DNS-Viren, die für Erkrankungen verschiedener Wirbeltiere ursächlich sind. In Tabelle 220e-1 sind die Pockenviren, die Infektionen bei Menschen verursachen, ihre geografische Verbreitung, Reservoire und die jeweiligen durch diese Viren ausgelösten Erkrankungen aufgelistet. Orthopoxviren, wie das eigentliche Pockenvirus (Variola vera, Kap. 261e) oder die zoonotische Infektion mit Affenpocken, können zu systemischen, potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen führen, während eine Infektion durch andere Pockenviren primär lokale Hauterkrankungen verursacht.
a Siehe Kap. 261e. |
Molluscum contagiosum
Das Molluscum-contagiosum-Virus ist ein obligat humapathogener Erreger, der markante Hautläsionen (Dellwarzen) hervorruft. Diese Dellwarzen sind fleischfarbene Knötchen an der Haut mit 2–5 mm Durchmesser und einer charakteristischen Delle in der Mitte (Abb. 220e-1). Im Gegensatz zu anderen durch Pockenviren verursachten Hautveränderungen treten kaum Entzündungsreaktionen oder Nekrosen auf. Mit Ausnahme der Handflächen und Fußsohlen können die einzeln oder gruppiert stehenden Knötchen an allen Körperstellen gefunden werden und mit einem Ekzem einhergehen.
Dellwarzen sind bei Kindern häufig und die häufigste durch Pockenviren verursachte Erkrankung des Menschen überhaupt. Schwimmbäder sind ein häufiger Übertragungsort. Atopie und Verletzungen der Hautintegrität erhöhen das Infektionsrisiko. Bei Erwachsenen, die sich bei Sexualkontakten mit dem Virus anstecken, finden sich häufig Genitalläsionen. Die Inkubationszeit liegt zwischen 2 Wochen und 6 Monaten, beträgt aber im Mittel 2–6 Wochen. Meistens verläuft die Krankheit selbstlimitierend und heilt beim immunkompetenten Wirt nach 3–4 Monaten spontan aus. Systemische Komplikationen sind nicht bekannt, die Hautveränderungen können allerdings 3–5 Jahre bestehen bleiben. Immunsuppression erhöht das Risiko für die Infektion mit Molluscum contagiosum, und die Erkrankung findet sich häufig bei Patienten mit HIV-Infektion (Kap. 226). Bei AIDS-Patienten verläuft die Erkrankung häufig schwerer und länger als bei anderen Patientengruppen. Nach Beginn einer antiretroviralen Therapie sind akute Exazerbationen durch ein Immunrekonstitutionssyndrom möglich.
Die Diagnose Molluscum contagiosum wird typischerweise durch das klinische Bild gestellt und kann durch den histologischen Nachweis von eosinophilen zytoplasmatischen Einschlüssen gesichert werden. Diese Molluscum-Körperchen sind für die Vermehrung von Pockenviren charakteristisch. Eine Anzüchtung des Molluscum-contagiosum-Virus in vitro ist nicht möglich, elektronenmikroskopische Untersuchungen und molekulargenetische Nachweise können aber zur Identifizierung verwendet werden.
Eine spezifische systemische Therapie gegen Molluscum contagiosum ist nicht bekannt, allerdings können die Knötchen mittels einer Vielzahl von Techniken mechanisch entfernt werden. Cidofovir zeigt in vitro eine Aktivität gegen viele Pockenviren. Fallberichte legen nahe, dass eine parenterale oder topische Behandlung mit Cidofovir bei hartnäckigen Mollusca contagiosa im immunsupprimierten Patienten wirksam sein kann.
Affenpocken
Obwohl das Affenpockenvirus nach dem Tier benannt ist, in dem es ursprünglich isoliert wurde, sind Nager das wichtigste Reservoir des Virus. Infektionen von Menschen durch das Affenpockenvirus treten typischerweise in Afrika bei Personen auf, die in direkten Kontakt mit infizierten Tieren kommen. Zur Übertragung von Mensch zu Mensch kommt es sehr selten. Die Krankheit beim Menschen ist durch eine systemische Erkrankung und ein vesikuläres Exanthem charakterisiert, das dem echten Pockenexanthem ähnelt. Das klinische Bild kann mit den häufiger auftretenden Windpocken (Varicella-zoster-Virus-Infektion) verwechselt werden (Kap. 217). Im Vergleich zu den Effloreszenzen dieser Herpesvirusinfektion zeigen die Hautveränderungen der Affenpocken eine größere Uniformität (d. h. den gleichen Entwicklungsstand zur gleichen Zeit) und sind bis in die Peripherie gestreut. Ein charakteristisches Merkmal der Affenpockenvirusinfektion ist eine damit einhergehende Lymphknotenschwellung.
Die erste Affenpocken-Epidemie der westlichen Hemisphäre trat im mittleren Westen der USA im Mai und Juni 2003 auf. Es wurden mehr als 70 Fälle gemeldet, von denen 35 im Labor bestätigt wurden. Der Ausbruch der Infektionen stand in Verbindung mit Präriehunden, die als Haustiere gehalten wurden, und deren Infektion wiederum auf eine gemeinsame Haltung mit aus Ghana importierten Nagern zurückzuführen war. Die Symptome der Patienten begannen etwa 12 Tage nach der Exposition und bestanden meist aus Fieber, Exanthem und einer Lymphadenopathie. Fieber und Exanthem bestanden durchschnittlich über 8 beziehungsweise 12 Tage. Neun Patienten mussten stationär behandelt werden, Todesfälle traten nicht auf. Die Pockenimpfung kann über eine Kreuzreaktion zu einer Immunität gegenüber Affenpockenviren führen. Untersuchungen an im Rahmen dieses Ausbruchs Exponierten wiesen zum Teil klinisch inapparente Infektionen bei geimpften Personen nach – was als möglicher protektiver Effekt der Impfung gedeutet werden kann. Das Risiko für menschliche Infektionen durch tierische Orthopoxviren könnte mit schwindender Immunität gegen echte Pocken in der Gesamtbevölkerung und steigender Popularität der Haltung von exotischen Tieren ansteigen.
Andere zoonotische Pockenvirusinfektionen
Kuhpocken und Büffelpocken sind seltene Zoonosen mit pockenähnlichen Hautläsionen und einer leichten systemischen Krankheit. Ausbrüche ähnlicher pockenartiger Läsionen bei Rindern und Farmarbeitern in Brasilien wurden durch das Cantagalo- und Aracatuba-Virus verursacht, die mit dem Vacciniavirus nahezu identisch sind und sich vermutlich durch die Impfprogramme gegen Pocken bei Rindern etabliert haben.
Parapoxviren sind bei vielen Tierspezies weit verbreitet, aber nur einige wenige sind nach direktem Kontakt mit den infizierten Tieren humanpathogen. Parapoxviren unterscheiden sich von denen der Orthopoxviren und es besteht keine Kreuzimmunität. Das Tanapockenvirus gehört zu einem eigenständigen Genus und verursacht für gewöhnlich nach Kontakt mit infizierten Affen eine einzige knotige Läsion im exponierten Bereich.
Weiterführende Literatur
Gur I: The epidemiology of molluscum contagiosum in HIV seropositive patients: A unique entity or insignificant finding? Int J STD AIDS 19:503, 2008
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