313 Mukoviszidose
Mukoviszidose (zystische Fibrose, engl. Cystic Fibrosis, CF) ist eine monogene Störung, die sich als Multisystem-Erkrankung manifestiert. Die ersten klinischen Zeichen treten normalerweise in der Kindheit auf, allerdings wird in den westlichen Ländern bei etwa 7 % der Betroffenen die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt. Aufgrund der in den letzten Jahren erheblich verbesserten Therapiemöglichkeiten erreichen heute mehr als 46 % der Betroffenen das Erwachsenenalter, und 16,4 % werden älter als 30 Jahre (in Deutschland erreichen mehr als 49 % das Erwachsenenalter und 17 % sind 30 Jahre oder älter). Das mediane Überleben beträgt mehr als 37,4 Jahre, in Deutschland 38,6 Jahre.
Daher ist die Mukoviszidose heute nicht mehr nur eine pädiatrische Erkrankung, auch Internisten und Intensivmediziner sollten darauf vorbereitet sein, diese Patienten mit ihren zahlreichen Komplikationen zu behandeln. Die Erkrankung ist vor allem durch chronische Infektionen im Bereich der Atemwege charakterisiert. Es kommt zu Bronchiektasen und einem chronisch progredienten Lungenumbau. Außerhalb der Atemwege manifestiert sich die CF in einer exokrinen Pankreasinsuffizienz, einer Sekretionsstörung des Darmepithels, Galleabflussstörung, einer abnormen Funktion der Schweißdrüsen und einer gestörten Reproduktionsfähigkeit. Mit zunehmendem Alter kommen sekundäre Probleme wie ein Diabetes mellitus (Typ 3), Osteoporose, Arthropathien und andere Autoimmunkrankheiten sowie Angststörungen und Depression hinzu.
Für die deutsche Ausgabe Doris Staab
Klinisches Bild bei Mukoviszidose
Die Mukoviszidose oder zystische Fibrose (CF) ist eine autosomal rezessive Exokrinopathie zahlreicher epithelialer Gewebe. Das verantwortliche Genprodukt (der Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator, CFTR) ist ein Anionenkanal in den apikalen (luminalen) Plasmamembranen von Epithelzellen und reguliert Volumen und Zusammensetzung exokriner Sekrete. Durch das immer bessere Verständnis der Molekulargenetik von CFTR und der Biochemie der Membranproteine konnten neue Medikamente zur Behandlung der Mukoviszidose entwickelt werden, von denen einige bereits als Medikamente zugelassen sind und weitere sich derzeit in klinischer Testung befinden.
Respirationstrakt
Morbidität und Mortalität werden bei der Mukoviszidose in erster Linie vom Grad der pulmonalen Manifestation bestimmt, die durch die Obstruktion der kleinen und mittelgroßen Atemwege durch große Mengen von hyperviskösem, adhärentem Sputum gekennzeichnet ist. Diese Atemwegssekrete lassen sich nur schwer entfernen (Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance) und enthalten eine komplexe bakterielle Flora aus Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae und Pseudomonas aeruginosa (und andere seltenere Erreger). Die durch den eingedickten Schleim und die chronischen Bakterieninfektionen chronische pulmonale Entzündung führt zu Folgeschäden am Gewebe, welche die respiratorische Verschlechterung weiter vorantreiben. Organismen wie P. aeruginosa zeigen einen stereotypischen pathogenetischen Modus; ein frühes Kolonisationsereignis ist oft der erste Hinweis für eine lebenslange pulmonale Infektion mit demselben genetischen Stamm. Im Laufe der Jahre entwickelt P. aeruginosa in der Lunge einen mukoiden Phänotyp, der für den Erreger einen Selektionsvorteil bedeutet und für den Wirt mit einer schlechten Prognose verbunden ist. Auch die Infektion mit anderen Bakterien, wie Burkholderia cepacia, bedeutet eine ungünstigere pulmonale Prognose. Erfolgreiche Strategien zur frühzeitigen Eradikation von Erregern wie P. aeruginosa konnten die Prognose erheblich verbessern. Eine regelmäßige engmaschige Überwachung ist erfoderlich, um Neubesiedelungen frühzeitig zu entdecken.
Pankreas
Der ursprüngliche Name der Erkrankung – zystische Fibrose des Pankreas – beschreibt eine massive Gewebedestruktion des exokrinen Pankreas mit fibrotischer Vernarbung und/oder fettigem Ersatz, zystischer Proliferation, Verlust des azinären Gewebes und Zerstörung der normalen Pankreasstruktur. Ebenso wie in der Lunge werden die Pankreasgänge von zähen exokrinen Sekreten verschlossen, sodass die Produktion und der Fluss der Verdauungsenzyme zum Duodenum gestört werden. Zu den Folgen der exokrinen Pankreasinsuffizienz gehören eine chronische Malabsorption, Wachstums- und Gedeihstörung, ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen und der Verlust der pankreatischen Inselzellen. Bei mehr als 30 % der Erwachsenen mit Mukoviszidose entwickelt sich dadurch ein Diabetes mellitus mit vermutlich multifaktorieller Genese (Insulinmangel durch die fortschreitende Zerstörung des endokrinen Pankreas sowie eine Insulinresistenz durch Stresshormone, chronische Inflammation und Steroidtherapie). Hohe Serumspiegel von immunreaktivem Trypsinogen werden im frühen Säuglingsalter in den Screening-Programmen in unterschiedlichem Maße zur Diagnostik verwendet.
Andere Organe
Die zähen Sekrete stören neben Lunge und Pankreas noch weitere exokrine Gewebe. Eine Obstruktion der intrahepatischen Gallengänge führt zu einer intrahepatischen Cholestase und periportaler Fibrose sowie bei 4–15 % der Patienten zu einer multilobulären Zirrhose mit nachfolgender signifikanter Leberinsuffizienz im Erwachsenenalter. Die Inhalte des Darmlumens lassen sich oft nur schwierig ausscheiden, sodass bei etwa 10–20 % der Neugeborenen mit Mukoviszidose ein Mekoniumileus (wegweisend für die Diagnose) auftritt. Bei älteren Patienten führt ein distales intestinales Obstruktionssyndrom zu rezidivierenden Subileussymptomen und kann durch eine tastbare Walze im rechten Unterbauch leicht mit einer Appendizitis verwechselt werden. Bei Männern besteht in der Regel eine Obliteration des Vas deferens mit Infertilität (trotz funktionierender Spermatogenese) und etwa 99 % der Männer mit Mukoviszidose sind unfruchtbar. Die Ätiologie dieses dramatischen anatomischen Defekts im männlichen Genitalsystem ist nicht vollständig verstanden; vermutlich handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, die infolge der Sekretverlegung des Vas deferens entsteht. Bei betroffenen Frauen tragen Veränderungen der Sekrete im Genitaltrakt zu einer leicht eingeschränkten Fertilität bei, es sind jedoch inzwischen weltweit Hunderte von Müttern mit CF bekannt. Bei den meisten Patienten finden sich im Röntgen Zeichen einer chronischen Polyposis nasi und Sinusitis, die durch ähnliche Erreger entsteht wie diejenigen, die in den unteren Atemwegen nachgewiesen werden, sodass die Sinus womöglich als Reservoir für die bakterielle Aussaat dienen.
Pathogenese bei Mukoviszidose
Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR)
CFTR ist ein integrales Membranprotein, das als Anionenkanal im Epithel fungiert. Das etwa 1480 Aminosäuren lange Molekül ermöglicht einen passiven Durchtritt von Chlorid und Bikarbonat durch die Plasmamembranen der Epithelgewebe, wobei die Flussrichtung von der elektrochemischen Antriebskraft abhängt. Zum Öffnen und Schließen durchläuft CFTR einen Konformationswechsel, der durch die Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP) verstärkt wird. Der durch CTFR vermittelte Anionenfluss ist kein aktiver Transport gegen einen Konzentrationsgradienten, sondern nutzt die bei der Hydrolyse von ATP frei werdende Energie für die Mechanochemie des Ionenkanals und das Gating.
CFTR liegt in den apikalen Plasmamembranen der azinären Zellen und anderen Epithelzellen und reguliert die Menge und Zusammensetzung der Sekrete exokriner Drüsen. In zahlreichen Epithelien folgt auf die Freisetzung von Chlorid und Bikarbonat der passive Einstrom von Wasser, der die Mobilisierung und Clearance exokriner Sekrete ermöglicht. An der respiratorischen Mukosa ist CFTR erforderlich, um eine ausreichend hohe periziliäre Flüssigkeitsschicht (PCL) bereitzustellen, damit normale ziliäre Mobilität und mukoziliärer Transport möglich sind. Atemwegszellen ohne CFTR weisen eine zu geringe PCL auf, sodass es zum Kollaps der Zilien kommt und der überlagernde Schleim nicht entfernt werden kann (Video 313-1). In den submukösen Drüsen der Atemwege wird CFTR stark in den Azini exprimiert und trägt vermutlich sowohl zur Schleimbildung als auch zur Exkretion der Drüsensekrete auf die Atemwegsoberfläche bei (Abb. 313-1). Für andere exokrine Drüsen mit beeinträchtigtem Schleimtransport (z. B. Azini und Gänge des Pankreas, Gallengänge, Darmlumen) wurden ähnliche pathogene Mechanismen impliziert. In diesen Geweben wird über die apikale Sekretion von Chlorid und/oder Bikarbonat vermutlich die CTFR-vermittelte Abgabe von Flüssigkeit und Elektrolyten in das Lumen gesteuert und so für die angemessene Rheologie von Muzinen und anderen exokrinen Produkten gesorgt. Das Versagen dieser Mechanismen stört die normale Hydrierung und den Transport von Drüsensekreten und gilt allgemein als eine unmittelbare Ursache der Duktusobstruktion mit begleitendem Gewebeschaden.
Abbildung 313-1Austreiben von Schleim auf die Epitheloberfläche der Atemwege bei Mukoviszidose. A. Schematische Darstellung des Oberflächenepithels und der stützenden Drüsenstruktur der menschlichen Atemwege. B. Die submukösen Drüsen eines Patienten mit Mukoviszidose sind mit Schleim gefüllt, in den Atemwegen liegt mukopurulenter Debris, der das Epithel nahezu begräbt. C. Stärkere Vergrößerung eines Schleimpfropfes auf der Atemwegsoberfläche. Die Pfeile markieren die Kontaktfläche zwischen infizierten und entzündlichen Sekreten und dem darunterliegenden Epithel, an dem die Sekrete kleben. (B und C in Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit modifizierten Farben zur besseren Darstellung der Strukturen.) Die infizierten Sekrete verlegen die Atemwege und zerstören im Laufe der Zeit die normale Lungenarchitektur. D. CFTR wird in diesem porkinen Lungenpräparat im Oberflächenepithel und serösen Zellen an der Basis der submukösen Drüsen exprimiert (Dunkelfärbung), was durch die Bindung von CFTR-Antikörpern an Epithelstrukturen verdeutlicht wird (Aminoethylcarbazolnachweis von Meerrettichperoxidase mit Hämatoxylingegenfärbung). (Aus: SM Rowe, S Miller, EJ Sorscher: N Engl J Med 352:1992, 2005.)
Pulmonale Entzündung und Remodeling
Die Atemwege sind bei Mukoviszidose durch eine aggressive, hartnäckige, neutrophile Entzündungsreaktion mit der Freisetzung von Proteasen und Oxidanzien gekennzeichnet, durch die es zum Remodeling der Atemwege und zu Bronchiektasen kommt. Die intensive pulmonale Entzündung ist überwiegend Folge der chronischen Atemwegsinfektion. Die in der CF-Lunge residenten Makrophagen verstärken die Entstehung proinflammatorischer Zytokine, die an der angeborenen und erworbenen Immunität beteiligt sind. CFTR-abhängige Veränderungen der Zusammensetzung (z. B. des pH-Werts) der PCL tragen zur gestörten Abtötung von Bakterien bei. Die Bedeutung von CFTR als direkter Mediator der entzündlichen Reaktivität und/oder des pulmonalen Remodeling ist derzeit ein wichtiger Forschungsbereich.
Molekulargenetik
Die weltweite DNS-Sequenzierung von CFTR bei Mukoviszidosepatienten (und anderen) hat fast 2000 allelische Varianten hervorgebracht, von denen jedoch nur etwa 10 % als krankheitsauslösende Mutationen charakterisiert wurden. Die Unterscheidung von Einzelnukleotidtransversionen und anderen Polymorphismen mit kausaler Bedeutung ist oft schwierig. Die CFTR2-Datenbank (www.cftr2.org/) zeigt Genvarianten mit bekannter ätiologischer Bedeutung, die derzeit im Aufbau befindliche CFTR3-Datenbank kümmert sich um die klinische Relevanz seltenerer Mutationen mit unklarer klinischer Relevanz (www.cftr3.eu).
CFTR-Defekte, von denen bekannt ist, dass sie zur Erkrankung führen, werden anhand molekularer Mechanismen in 6 Mutationsklassen eingeteilt. So führt die häufige F508del-Mutation (Fehlen eines Phenylalaninrests [F] in der CFTR-Position 508) zu einer Faltungsstörung, die von der zellulären Qualitätskontrolle erkannt wird. F508del-CFTR besitzt teilweise noch die Funktion des Ionenkanals. Da aber die Proteinreifung im endoplasmatischen Retikulum gestoppt wird, erreicht es die Plasmamembran nicht. Stattdessen wird F508del-CFTR fehlgeleitet und im endoplasmatischen Retikulum mithilfe des Proteasoms abgebaut. CFTR-Mutationen, welche die Proteinreifung unterbrechen, werden als Klasse-II-Defekte bezeichnet und sind die mit Abstand häufigsten genetischen Anomalien. F508del macht in den USA, wo etwa 90 % der Patienten mit Mukoviszidose mindestens eine F508del-Mutation aufweisen, etwa 70 % der defekten CFTR-Allele aus (in Deutschland tragen etwa 85 % der CF-Patienten mindestens ein F508del-Allel, etwa 47 % sind homozygot).
Andere Gendefekte betreffen CFTR-Ionenkanäle, die zwar korrekt zur apikalen Zelloberfläche transportiert wurden, sich aber nicht öffnen und schließen können. Dazu gehört G551D (Glycin-Aspartat-Austausch in der CFTR-Position 551), das den Transport von Cl– oder HCO3– in Anwesenheit von ATP unmöglich macht (Klasse-III-Anomalie). In Nordamerika weisen 4–5 % der Patienten mit Mukoviszidose mindestens ein G551D-Allel auf (in Deutschland nur 1,5 % der Patienten). CFTR-Nonsense-Allele, wie G542X, R553X und W1282X (Ersatz von Glycin, Arginin bzw. Tryptophan in den Positionen 542, 553 bzw. 1282 durch ein vorzeitiges Stoppcodon), sind häufige Klasse-I-Defekte, ebenso große Deletionen oder andere große Störungen des Gens. Die W1282X-Mutation ist besonders häufig bei Nachkommen der Aschkenasim und ist der in Israel vorherrschende Genotyp. Weitere CFTR-Mutationen führen zu Defekten der Ionenkanalpore (Klasse IV) und des RNS-Splicing (Klasse V) oder zu einem vermehrten Abbau in der Plasmamembran (Klasse VI) (Abb. 313-2).
Abbildung 313-2Kategorien von CFTR-Mutationen. Zu den Defektklassen des CFTR-Gens gehören die fehlende Synthese (Klasse I), die gestörte Reifung und der vorzeitige Abbau des Proteins (Klasse II), Störungen von Gating/Steuerung, wie die reduzierte Bindung und Hydrolyse von Adenosintriphosphat (ATP; Klasse III), die gestörte Leitung durch die Ionenkanalpore (Klasse IV), die reduzierte Anzahl von CFTR-Transkripten durch eine Anomalie des Promoters oder des Splicing (Klasse V) sowie ein beschleunigter Turnover aus der Zelloberfläche (Klasse VI). (Aus: SM Rowe, S Miller, EJ Sorscher: N Engl J Med 352:1992, 2005.)
Diagnostik bei Mukoviszidose
Die Diagnose der Mukoviszidose basiert primär auf klinischen Symptomen, der Familienanamnese und einem positiven Neugeborenen-Screening (das in Deutschland hoffentlich noch 2016 eingeführt wird). Diagnosesichernd ist die CFTR-Mutationsanalyse in Kombination mit der Elektrolytbestimmung im Schweiß. Die DNS-basierte Evaluation betrachtet in der Regel zahlreiche krankheitsassoziierte Mutationen; im Handel sind Panels zur Identifikation von 20–80 Gendefekten erhältlich. In schwierigen Fällen kann eine komplette CFTR-Sequenzierung mit einer Analyse der Splice-Junctions und der entscheidenden Steuerelemente erfolgen. Die Bestimmung der Elektrolyte im Schweiß nach Pilocarpiniontophorese ist ein unschätzbarer diagnostischer Parameter; die Chloridwerte im Schweiß sind bei Mukoviszidose deutlich erhöht (Chlorid > 60 mmol/l eindeutig pathologisch, Grauzone: 30–60 mmol/l, < 30 mmol/l unauffällig). Das Ergebnis des Schweißtests ist hochspezifisch und war vor der Möglichkeit der CFTR-Genotypisierung der einzige diagnostische Parameter. Eine Hyperviskosität des Schweißes liegt bei Mukoviszidose nicht vor. Die Schweißdrüsen reabsorbieren Chlorid aus dem primären Schweißsekret der Drüsenspule. Die Fehlfunktion von CFTR reduziert die Chloridaufnahme aus dem Ganglumen, sodass der Schweiß mit deutlich erhöhtem Chloridgehalt auf die Haut gelangt. Für den seltenen Fall, dass CFTR-Genotyp und Schweißchlorid nicht diagnosesichernd sind, dient die In-vivo-Messung des Ionentransports in den nasalen Atemwegen (nasale Potenzialdifferenzmessung [NPD], ab Schulalter möglich) zur Diagnosesicherung. Sie wird in Spezialzentren angeboten. Bei Säuglingen und Kleinkindern bietet sich eher eine Bestimmung der CFTR-Aktivität in Rektumbiopsien an (intestinal current measurement, ICM).
Komplexität des CF-Phänotyps
Die Mukoviszidose manifestiert sich in der Regel im Kindesalter mit einem chronischen produktiven Husten sowie einer Malabsorption mit Steatorrhö und Gedeihstörung. Die Krankheit ist bei Kaukasiern am häufigsten (~1 von 3.300 Lebendgeburten) und findet sich seltener bei Afroamerikanern (~1 von 15.000) und Asiaten (~1 von 33.000). Mehrere „schwere“ Defekte der CFTR-Aktivität (wie F508del, G551D und Trunkationsallele) sind mit einer Pankreasinsuffizienz korreliert, die sich klinisch bei 80–90 % der Patienten findet. Abgesehen davon ist der Genotyp allgemein nicht zu Vorhersagen über die respiratorische Prognose geeignet.
Es gibt mehrere gut beschriebene, mit CFTR zusammenhängende Krankheiten mit Eigenschaften ähnlich der klassischen Mukoviszidose. Neben einer Multiorganbeteiligung sind atypische Formen, wie das isolierte kongenitale Fehlen des Vas deferens oder rezidivierende Pankreatitiden (mit anderen pankreatischen Befunden) stark mit CFTR-Mutationen in mindestens einem Allel assoziiert. Obwohl die Mukoviszidose eine klassische monogene Erkrankung ist, wird zunehmend die Bedeutung von nicht mit CFTR zusammenhängenden, den Krankheitsverlauf modifizierenden Genen und Proteinen, die den Ioneneinstrom, entzündliche Signalwege und das Remodeling der Atemwege regeln, anerkannt. So wird die transepitheliale Natriumreabsorption, die zur Kontrolle der Zusammensetzung und Höhe des periziliären Flüssigkeitssaums beiträgt, in den Atemwegen bei Mukoviszidose stark von CFTR beeinflusst und ist ein molekularer Angriffspunkt der Behandlung.
Therapie der Komplikationen bei Mukoviszidose
Die Standardbehandlung ist intensiv und umfasst die Zufuhr exogener Pankreasenzyme mit den Mahlzeiten, hochkalorische Nahrungssupplementierung, die Gabe von antiinflammatorischen Medikamenten und Bronchodilatatoren sowie die chronische oder intermittierende Gabe von oralen oder inhalativen Antibiotika (z. B. als Erhaltungstherapie bei Patienten mit P. aeruginosa). Routinemäßig werden zur Sekretolyse rekombinante DNAse (zur Deoradierung von DNS-Strängen, die zur Schleimviskosität beitragen) und vernebelte hypertone Kochsalzlösung (zur Augmentation der PCL-Tiefe, Aktivierung der mukoziliären Clearance und Mobilisierung eingedickter Atemwegssekrete) gegeben. Die mehrfach tägliche Atemphysiotherapie (u. a. autogene Drainage) ist eine Standardmaßnahme zur Erleichterung der Mukus-Clearance aus den Atemwegen. Bei älteren Patienten kann es durch Malabsorption, chronische Entzündung und endokrine Störungen zu einer schlechten Mineralisierung der Knochen kommen, sodass eine Behandlung mit Vitamin D und Kalzium sowie weitere Maßnahmen notwendig werden, um pathologische Frakturen zu vermeiden. Etwa 25–30 % der erwachsenen Patienten entwickeln einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Zeitaufwand, Komplexität und Kosten der häuslichen Pflege sind erheblich und für die Patienten und ihre Familien belastend.
Die schwere pulmonale Exazerbation führt in der Regel zu stationärer Aufnahme, um die oft multiresistenten Keime kombiniert intravenös antibiotisch behandeln zu können, sowie die Expektoration des Sputums durch intensivierte Physiotherapie zu erleichtern. Durch eine aggressive Intervention lässt sich oft eine deutliche Verbesserung der Lungenfunktion erzielen. Allerdings gehört der kontinuierliche Verlust der pulmonalen Reserve zum natürlichen Verlauf der Krankheit und häufige pulmonale Exazerbationen sind ein negativer Prädiktor. Daher werden die Patienten engmaschig auf prognostisch negative Faktoren, wie der Nachweis von B. cepacia, mukoidem P. aeruginosa oder atypischen Mykobakterien in Sputumkulturen, überprüft, um frühzeitig zu intervenieren, bevor schwere pulmonale Exazerbationen manifest werden. Außerdem wurde eine zunehmende Inzidenz von methicillinresistentem S. aureus beobachtet, wobei die klinische Relevanz dieses Befundes noch nicht vollständig geklärt ist. In der Regel erfolgt bei stationären Patienten für bis zu 14 Tage eine antibiotische Kombinationstherapie mit einem Aminoglykosid und einem Betalaktam. Die Wahl der spezifischen Antibiotikakombinationen und die Therapiedauer sind rein empirisch und werden derzeit noch in einigen Studien untersucht. Auch der Einfluss einer häuslichen bzw. stationären Behandlung ist noch zu evaluieren. Bei etwa 5 % der Patienten besteht eine Überempfindlichkeit gegenüber Aspergillus (allergische bronchopulmonale Aspergillose). Der Verdacht darauf besteht bei ausbleibender respiratorische Verbesserung trotz konventioneller Behandlung. Eine Untersuchung des IgE gehört üblicherweise zu der routinemäßigen Jahresuntersuchung. Weitere akute respiratorische Komplikationen sind Hämoptysen und ein Pneumothorax.
Bei terminalem respiratorischem Versagen ist die Lungentransplantation eine geeignete Option. Die postoperative 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 50–60 % (deutliche Länder- und Zentrumsunterschiede). Die Festlegung des geeigneten Zeitpunkts für diese Operation ist schwierig, weil sich die Prognose bei schwerer Lungenerkrankung oft nur schwer vorhersagen lässt und die Transplantation mit einer erheblichen Mortalität behaftet ist (1-Jahres-Überlebensrate etwa 80 %). Oft werden eine forcierte Einsekundenkapazität (FEV1) von weniger als 30 % des Normalwerts sowie einige andere klinische Merkmale wie respiratorische Globalinsuffizienz als Schwellenwerte für die Aufnahme auf Wartelisten für Transplantation herangezogen, wobei die Wartezeiten auf Spenderlungen oft sehr lang sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Patienten stirbt leider immer noch auf der Warteliste.
Potenzierung des mutierten CFTR-Gating
Durch enorme Anstrengungen konnten mittels High-throughput-Screening von Substanzbibliotheken (die Millionen von Substanzen enthalten) neuartige und vielversprechende therapeutische Ansätze identifiziert werden. So potenziert die inzwischen zugelassene Substanz Ivacaftor das Öffnen des CFTR-Kanals und stimuliert den Ionentransport bei G551D- und anderen Gating-Mutationen. Bereits nach der oralen Gabe über nur wenige Wochen zeigt sich eine signifikante Besserung der Lungenfunktion, der Gewichtszunahme und der Chloridwerte im Schweiß. Es wird als Vorbote einer neuen Ära zur Behandlung der Mukoviszidose betrachtet, da es sich gegen die kausalen Ursachen der Krankheit richtet.
Korrektur des anormalen F508del-Processing
Die Einführung von neuen Medikamenten, die sich direkt gegen die CFTR-Defekte bei der Faltung und Reifung des Proteins richten, wurde durch klinische Studien zum F508del-Rescue in Kombination mit Ivacaftor gestützt. So genannte Korrekturmoleküle (im Gegensatz zu den „Potentiatoren“ von CFTR-Gatings, wie Ivacaftor), die beim Screening von Substanzbibliotheken entdeckt wurden, fördern die Oberflächenlokalisierung des F508del-Proteins. Durch die Kombinationstherapie aus Potentiator/Korrekturmolekül konnte bei F508del-homozygoten Patienten in ersten klinischen Studien eine signifikante, wenn auch deutlich geringere Verbesserung der Lungenfunktion als bei Gating-Mutationen erreicht werden; derzeit werden mehrere Kandidatenmoleküle untersucht. Eine erste Kombination aus Lumacaftor und Ivacftor ist inzwischen bereits zugelassen.
Personalisierte molekulare Therapien
Die Einführung von CFTR-Modulatoren mit robusten klinischen Effekten gibt Anlass für neue Hoffnung bei der Behandlung von Patienten mit Mukoviszidose. Es ist klar, dass künftige Interventionen auf spezifische Anomalien des Genotyps zugeschnitten sein werden. Durch Kampagnen zum Substanz-Screening und andere Forschungsprogramme wurden Substanzen entdeckt, die die CFTR-Nonsense-Allele supprimieren, die Potenziatoraktivität verstärken und die F508del-Korrektur fördern können. Ziel ist in Zukunft eine Therapie mit diesen Substanzen, von der auch alle Patienten mit einer Einzelkopie von F508del (d. h. mit einer anderen oder ungewöhnlichen CFTR-Mutation im anderen Allel) profitieren. Die Fortschritte bei der Entdeckung neuer Therapien der Mukoviszidose stehen symbolisch für das, was bei anderen refraktären genetischen Krankheiten erreicht werden kann, wenn ein auf molekularen Mechanismen basierender Ansatz und ein unvoreingenommenes Screening von Substanzbibliotheken angewandt werden.
Verbesserung der Lebensqualität bei Mukoviszidose einschließlich globaler Gesundheit
Als direktes Ergebnis der Fortschritte in der Grundlagenforschung haben die neuen Therapien das Gesicht der Mukoviszidose verändert. Während sie früher in der Regel bereits früh in der Kindheit zum Tod führte, erreichen die Patienten inzwischen das vierte Lebensjahrzehnt. Außerdem wird immer deutlicher, dass eine hochspezialisierte Versorgung die Gesamtprognose verbessert. So hat die Standardisierung der klinischen Intervention in den USA und Europa zu deutlichen Vorteilen für die Patienten geführt. Es wurden Standards für ambulante und stationäre Behandlungsmaßnahmen festgelegt, wie Antibiotikaregime, Ernährungsrichtlinien, die Häufigkeit diagnostischer Untersuchungen und andere klinische Parameter. Nationale und internationale Qualitätssicherungsregister dokumentieren die Fortschritte in der Behandlungsqualität. In Deutschland werden Mukoviszidosezentren und -ambulanzen zertifiziert, einige von ihnen nehmen an Benchmarking-Gruppen teil und legen ihre personellen und apparativen Ressourcen und Standards offen (www.muko.info.de).
Inzwischen wird überall in den USA, den meisten Provinzen Kanadas, Australien, Neuseeland und fast allen europäischen Staaten (in Deutschland flächendeckend erst ab Ende 2016) ein Neugeborenen-Screening auf Mukoviszidose angeboten, das frühe Interventionen möglich macht. Da es Daten gibt, die den Nutzen einer frühzeitigen Ernährungstherapie und anderer Maßnahmen belegen, dürfte die Diagnosestellung im Neugeborenenalter die Gesundheit der Mukoviszidosepatienten erheblich verbessern. Der Export von Maßnahmen zur Qualitätskontrolle und neuartigen Therapien hat weltweit an Bedeutung zugenommen. So werden Patienten mit Mukoviszidose in weiten Teilen Mittel- und Südamerikas im Median nicht älter als 20 Jahre (im Vergleich zu etwa 40 Jahren in den USA und Kanada, ähnlich ist das Gefälle zwischen Osteuropa und den westlichen europäischen Ländern). Durch Bemühungen, das hochmoderne Management auch auf Populationen von Mukoviszidosepatienten auszuweiten, die bislang unzureichend diagnostiziert und behandelt wurden, wird sich das Ergebnis weiterhin verbessern und die Unterschiede bzgl. Lebenserwartung und Lebensqualität von Mukoviszidosepatienten in der Zukunft geringer werden.
Video 313-1Die ersten Videosequenzen beschreiben die Schaffung einer normalen periziliären Flüssigkeitsschicht, die das Oberflächenepithel der Atemwege badet. Die Kreise entsprechen Chlor- und Bikarbonationen, die via CFTR durch die apikale (mukosale) Atemwegsoberfläche sezerniert werden. Die späteren Sequenzen zeigen das Versagen des CFTR-Anionentransports mit nachfolgender Ausdünnung der periziliären Schicht, Festkleben der Zilien an der Mukosa und Schleimakkumulation in den Atemwegen mit anschließender bakterieller Infektion. (Video mit frdl. Genehmigung der Cystic Fibrosis Foundation.)
Weiterführende Literatur
Chmiel JF, Aksamit TR, Chotirmall SH et al: Antibiotic management of lung infections in cystic fibrosis. I. The microbiome, methicillin-resistant Staphylococcus aureus, gram-negative bacteria, and multiple infections. Ann Am Thorac Soc 11(7):1120–9, 2014
Chmiel JF, Aksamit TR, Chotirmall SH et al: Antibiotic management of lung infections in cystic fibrosis. II. Nontuberculous mycobacteria, anaerobic bacteria, and fungi. Ann Am Thorac Soc 11(8):1298–306, 2014
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