320e Lungentransplantation
Die Lungentransplantation ist die einzige kausale Therapieform zur Behandlung der terminalen Lungeninsuffizienz. Auch hier liegt, wie bei der Transplantation anderer solider Organe ein eklatanter Mangel an Spenderorganen vor. So stehen in Deutschland derzeit mehr als 600 Patienten auf der Warteliste. Dem stehen knapp 300 Transplantationen pro Jahr gegenüber.
Das Spektrum der zugrunde liegenden pulmonalen Erkrankungen, die zur Indikationsstellung führen können, ist reichhaltig. COPD, zystische Fibrose, idiopathische Lungenfibrose sowie die idiopathische pulmonale Hypertonie stellen von der Wertigkeit her die führenden Krankheitsbilder dar.
Bei entsprechender klinischer Organverschlechterung sollte prinzipiell die Eignung des Patienten zur Listung zur Lungentransplantation geprüft werden. Die Kriterien zur Listung sind standardisiert und klar definiert, die Anzahl der relativen und absoluten Kontraindikationen hoch.
In der Regel werden heute in Deutschland beidseitige Lungentransplantationen vorgenommen. Die Indikationen zur einseitigen Lungentransplantation sind eingeschränkt, die Langzeitergebnisse deutlich schlechter.
Die Ergebnisse nach Lungentransplantation werden bestimmt vom Patientenalter sowie dem Spenderalter und dem Auftreten von akuten Abstoßungsreaktionen und Infektionen. Deren Intensität und Häufigkeiten bestimmen letztendlich das Entstehen des sog. Bronchiolitis-obliterans-Syndroms (BOS). Das BOS, letztendlich eine chronische Abstoßungsreaktion mit manchmal fulminantem, meist jedoch schleichendem Verlauf definiert das Langzeitüberleben nach Lungentransplantation.
Für die deutschsprachige Ausgabe wurden zahlreiche Ergänzungen und Aktualisierungen vorgenommen. Insbesondere wurde der aktuelle Bezug zum Allokationsverfahren in Deutschland mittels des LAS-Scores (Lung Allocation Score) hergestellt, welcher seit Dezember 2011 die Listung der Patienten und die Organverteilung für die Patienten bestimmt. Mithilfe dieses LAS werden die Spenderorgane bei passender Größe und Blutgruppe an denjenigen Empfänger vermittelt, der durch die Transplantation in der gegebenen Konstellation den größten Überlebensvorteil haben sollte.
Zudem wird auf die wachsende Bedeutung von Plasmapherese, Immunapherese und Photopherese-Verfahren in Bezug auf die Therapie humoraler Abstoßungsreaktionen nach Lungentransplantation in Deutschland ausführlich eingegangen.
Für die deutsche Ausgabe Martin Breuer
Die Lungentransplantation ist eine kausale therapeutische Option bei vielen Patienten im Endstadium verschiedener nicht maligner Lungenerkrankungen. Sie verlängert die Überlebenszeit und verbessert die Lebensqualität bei entsprechend ausgewählten Empfängern. Seit 1985 wurden weltweit mehr als 40.000 Eingriffe vorgenommen. Seit 2009 werden mehr als 3000 Transplantationen jährlich durchgeführt. In Deutschland werden pro Jahr ca. 300 Lungentransplantationen vorgenommen.
Indikationen zur Lungentransplantation
Die Indikationen zur Lungentransplantation sind vielfältig und beinhalten eine Vielzahl pneumologischer Erkrankungen. Aus dem Register der International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT) (Lit1) geht hervor, dass sich die zur Transplantation führenden Indikationen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verteilen. Die häufigsten Indikationen zur Lungentransplantation waren in den letzten Jahren chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD; ~29 %), die idiopathische Lungenfibrose (IPF; ~28 %), die zystische Fibrose (CF; ~16 %), das Lungenemphysem bei α1-Antitrypsin-Mangel(~3,5 %) und die idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (IPAH; ~3 %). Etwa 3 % der Eingriffe sind Retransplantationen.
Empfängerauswahl bei einer Lungentransplantation
Eine Lungentransplantation sollte erwogen werden, wenn andere Therapieverfahren ausgeschöpft sind und die Prognose des Patienten durch das Verfahren potenziell verbessert werden kann. Den Überlebensraten nach Lungentransplantation sollten die prognostischen Faktoren der Grundkrankheit gegenübergestellt werden. Auch der individuelle Krankheitsverlauf des Patienten sollte berücksichtigt werden. Für viele Kandidaten ist die Aussicht auf eine subjektiv verbesserte Lebensqualität nach Transplantation das entscheidende Argument für das Verfahren, der Überlebensvorteil wird von den Betroffenen als weniger bedeutsam eingestuft.
Spezifische Konsensusempfehlungen zur Aufnahme auf die Warteliste und für die Transplantation bei den unterschiedlichen Grundkrankheiten sind in Tabelle 320e-1 zusammengefasst. Es werden klinische, physiologische, radiologische und pathologische Parameter hinsichtlich der Prognose der jeweiligen Erkrankung berücksichtigt. Kandidaten für eine Lungentransplantation sollten auch gründlich auf mögliche Begleiterkrankungen untersucht werden, die das Ergebnis negativ beeinflussen können. Erkrankungen wie ein systemischer Bluthochdruck, Diabetes mellitus, gastroösophagealer Reflux oder Osteoporose kommen häufig vor, stellen aber keine Kontraindikation dar, wenn sie adäquat behandelt werden. Die Altersobergrenze liegt in den meisten Zentren bei maximal 70 Jahren, wobei das mediane Alter der Empfänger in den letzten 10 Jahren beständig zugenommen hat. Im Jahr 2009 waren in den USA 22 % der Empfänger ≥ 65 Jahre alt. Für deutsche Verhältnisse gilt, dass insbesondere bei jüngeren Patienten mit Mukoviszidose und mit idiopathischer Lungenfibrose frühzeitig eine Kontaktaufnahme mit einem Transplantationszentrum erfolgen sollte.
Absolute Kontraindikationen sind eine HIV-Infektion, eine chronische aktive Hepatitis B oder C, nicht behandelbare pulmonale oder extrapulmonale Infektionen, das Vorliegen von malignen Tumoren, persistierender Nikotinabusus, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit und eine irreversible muskuläre Dekonditionierung; außerdem Non-Compliance, schwere klinisch relevante Erkrankungen anderer lebenswichtiger Organe (z. B. Herz, Leber oder Nieren) sowie psychiatrische oder psychosoziale Probleme, die die postoperative Lebensführung maßgeblich erschweren würden. Begleitumstände, die den postoperativen Verlauf negativ beeinflussen können, gelten als relative Kontraindikationen.
Typische Probleme, welche bei der Indikationsstellung mit berücksichtigt werden müssen, sind Beatmungspflichtigkeit, thorakale Voroperationen und eine schwere Adipositas oder ausgeprägte pulmonale Kachexie. Die Keimbesiedlung der Atemwege mit multiresistenten Pseudomonas spp., Burkholderia spp., Aspergillus spp. oder nicht tuberkulösen Mykobakterien ist ein spezielles Problem bei potenziellen Transplantatempfängern mit zystischer Fibrose, aber keine Kontraindikation. Die Bedeutung dieser und vieler anderer Faktoren sollte im klinischen Kontext berücksichtigt werden, um zu entscheiden, ob ein Kandidat für die Lungentransplantation geeignet ist.
Warteliste und Organallokation der Lungentransplantation
Die Allokation von Spenderorganen richtet sich nach medizinischen, ethischen, geografischen und politischen Faktoren und wird international sehr unterschiedlich gehandhabt. Prinzipiell werden geeignete Transplantationskandidaten auf eine Warteliste aufgenommen und Spenderorgane werden blutgruppen- und größenkompatibel zugeteilt. Die meisten Lungen stammen von hirntoten Spendern, aber nur ca. 15–20 % der hirntoten Spender haben ein oder zwei Lungenflügel, die sich zur Transplantation eignen. Dies erklärt die besonders dramatische Organknappheit bei der Lungentransplantation. In einigen Fällen (~2 % der Lungenspenden in den USA 2009) wurden auch Lungen von klinisch toten Spendern transplantiert. Seit kurzem wird in einigen Zentren die Ex-vivo-Lungenperfusion durchgeführt, um Spenderlungen mit nach Standardkriterien marginalem oder hohem Implantationsrisiko zu untersuchen. Sofern die Ex-vivo-Testung den Kriterien entsprechende Ergebnisse erbrachte, wurden diese Lungen transplantiert.
In den USA und seit dem 10. Dezember 2011 auch in Deutschland und den anderen Eurotransplant-assoziierten Ländern wird für Patienten auf der Warteliste ein Zuweisungssystem für Lungentransplantate eingesetzt. Es wird der „Lung Allocation Score“ (LAS) erhoben. Er ist ein Maß für die individuelle Schwere der Lungenerkrankung eines Patienten, wobei ein hoher Score für eine fortgeschrittene Lungenerkrankung steht. Der Score ergibt einen Wert von 0 bis 100. Je höher der LAS ausfällt, desto schneller erhält der Patient ein Organangebot. Das heißt, mithilfe des LAS werden Spenderorgane bei passender Größe und Blutgruppe immer an denjenigen Empfänger vermittelt, der rein rechnerisch durch die Transplantation den größten Überlebensvorteil haben sollte. Die meisten der derzeit in Deutschland gelisteten Patienten weisen einen LAS um 33 auf. Grunderkrankung und Schwere der Erkrankung beeinflussen den LAS. Patienten mit IPF oder CF haben meist einen höheren Score als jene mit COPD oder IPAH. Die Daten müssen bei niedrigem LAS (< 50) alle 90 Tage, bei einem LAS > 50 alle 14 Tage neu erhoben werden.
Da die Organe nicht mehr nach Wartezeit vergeben werden, ist es nicht sinnvoll, potenzielle Transplantationskandidaten frühzeitig zu listen. Die Gesamtsterberate auf der Warteliste betrug etwa 6,5 %, unterschied sich aber signifikant abhängig von der Diagnose (z. B. COPD ~3 %, IPF ~7 %) und dem LAS-Score (z. B. bei 40–49 Punkten ~7 %, bei 50–59 Punkten ~15 %, ≥ 60 Punkte ~25 %).
Dieses Organverteilungssystem nach dem LAS-Score wurde im Herbst 2011 auch deshalb in Deutschland eingeführt, da es sowohl die Dringlichkeit als auch die Erfolgsaussichten einer Transplantation berücksichtigt, wie dies im deutschen Transplantationsgesetz bestimmt ist. Zudem objektiviert das LAS-System den jeweiligen Wartelistenstatus und sorgt für mehr Transparenz, denn jeder Lungenkranke oder behandelnde Arzt kann nun über die von der Bundesärztekammer publizierten Richtlinien den Score in Deutschland unverbindlich mittels LAS-Kalkulator (http:www.eurotransplant.org/cms/index.php?page=las_calculator) auf der Homepage von Eurotransplant ermitteln. Die Allokation (Verteilung) der Organe erfolgt durch Eurotransplant. Das LAS wurde als „lernendes“ System eingeführt und soll dadurch künftig stetig weiter verbessert werden. Dazu wurde bereits die Berücksichtigung weiterer Parameter vorgeschlagen, die über den aktuellen, auf US-amerikanischen Daten beruhenden Score hinausgehen.
Transplantationsverfahren der Lungentransplantation
Bei CF und Bronchiektasen anderer Ätiologie ist eine bilaterale Transplantation obligat, da eine einseitige Lungentransplantation das Risiko einer Verschleppung von Keimen aus der verbleibenden nativen Lunge birgt. Beim Eisenmenger-Syndrommit chirurgisch nicht korrigierbaren komplexen Anomalien oder dem gleichzeitigen Vorhandensein einer fortgeschrittenen Lungenerkrankung und einer Herzerkrankung kommt nur eine kombinierte Herz-Lungen-Transplantation infrage. Beim Cor pulmonale ist die gleichzeitige Herztransplantation in der Regel nicht erforderlich, da nach der Lungentransplantation durch Senkung des Drucks im pulmonalen Gefäßbett eine funktionelle Erholung eintritt.
Für die meisten Patienten mit anderen Erkrankungen sind sowohl die ein- als auch die doppelseitige Lungentransplantation prinzipiell eine Möglichkeit. Eine Doppellungentransplantation wird aber bei den meisten Indikationen häufiger durchgeführt. In den USA waren zuletzt ca. 65 % der Transplantationen bilateral. Aus einer internationalen Datenbank geht hervor, dass ca. 70 % der COPD-Patienten, ca. 55 % der IPF-Patienten und ca. 95 % der Patienten mit IPAH ein Doppellungentransplantat erhielten.
Die Lebendspende einzelner Lungenflügel hat im Erwachsenenbereich nur eine begrenzte Bedeutung. Sie wurde vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Mukoviszidose eingesetzt und bleibt aufgrund von ethischen Überlegungen in der Regel Patienten vorbehalten, welche die übliche Wartezeit auf ein Organ eines hirntoten Spenders nicht überleben würden und bei denen eine unilaterale Lungentransplantation alleine ausreichend wäre. In Deutschland wird das Verfahren wegen Überlegungen zu den Risiken des Lobektomie-Verfahrens für die Spender bisher noch nicht angewandt. Die isolierte Lungenlappentransplantation hirntoter Spender wird in Deutschland seit kurzem in einigen wenigen Zentren bei ausgewählten (i. d. R. sehr kleinen) Empfängern erfolgreich angewendet.
Nachsorge - Lungentransplantation
Eine Induktionsbehandlung mit antilymphozytären Substanzen oder Interleukin-2-Rezeptor-Antagonisten wird in ca. 55 % der Zentren durchgeführt. Die meisten Transplantatempfänger werden mit einem immunsuppressiven Dreifach-Regime geführt. Dies schließt traditionellerweise einen Calcineurininhibitor (Ciclosporin oder Tacrolimus), einen Purinsynthese-Antagonisten (Azathioprin bzw. ein Mycophenolat-Prodrug) und Prednison ein. Später können stattdessen Proliferationssignal-Inhibitoren (Sirolimus oder Everolimus) zur Langzeit-Immunsuppression eingesetzt werden. Eine Prophylaxe gegen die Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie ist üblich, ebenso in den meisten Zentren eine Prophylaxe gegen Zytomegalievirus- und Pilzinfektionen. Die Dosis für Ciclosporin oder Tacrolimus wird nach Kontrolle des Talspiegels gesteuert. All diese Substanzen werden über das hepatische Cytochrom-P450-System metabolisiert. Interaktionen mit anderen Medikamenten, die ebenso metabolisiert werden, können die Abbaurate und Blutspiegel dieser Substanzen gravierend beeinflussen. Die übliche Betreuung zielt vor allem darauf, Komplikationen vorzubeugen und eine Verschlechterung der Organfunktion frühzeitig zu erkennen. Dazu können regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Kontakte mit dem Transplantationszentrum, Untersuchungen durch Transplantationsspezialisten, Röntgenuntersuchungen des Thorax, Laboruntersuchungen, Lungenfunktionsuntersuchungen und regelmäßige Bronchoskopien durchgeführt werden. Anfänglich nimmt die Lungenfunktion, falls keine Komplikationen auftreten, üblicherweise stetig zu, um nach 3–6 Monaten ein Plateau zu erreichen. Anschließend variieren die Werte nur wenig. Ein Abfall der Werte um 10–15 % kann auf ein gravierendes Problem hinweisen. In Deutschland wird aufgrund der Komplexizität der Entscheidungsfindung bei Problemen eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem betreuenden Transplantationszentrum empfohlen. Bei Nachweis von zirkulierenden HLA-spezifischen oder auch Non-HLA-spezifischen Antikörpern im Blut und dem klinischen Verdacht auf eine Abstoßungsreaktion kommen hier vermehrt Blutwaschverfahren wie die Plasmapherese, die Immunapherese oder die Photopherese mit gutem Erfolg zum Einsatz.
Ergebnisse nach einer Lungentransplantation
Überleben nach einer Lungentransplantation
Die Überlebensraten werden regelmäßig von großen Registern veröffentlicht (Tab. 320e-2) und können über das Internet abgerufen werden (www.ishlt.orgwww.ustransplant.org). In dieser internationalen Datenbank beträgt die Überlebenshalbwertszeit für Empfänger mit IPF 4,4 Jahre, IPAH 5 Jahre, COPD 5,3 Jahre und Mukoviszidose 7,5 Jahre. Allerdings wird das Ergebnis stark vom Alter und dem Transplantationsverfahren beeinflusst. Bei Empfängern im Alter von 18–59 Jahren beträgt die Überlebenshalbwertszeit 5–6 Jahre, bei Patienten im Alter von 60–65 Jahren 4,4 Jahre und bei Patienten über 65 Jahre 3,6 Jahre. Die 15-Jahres-Überlebensrate ist bei COPD, α1-Antitrypsinmangel, IPF und IPAH bei bilateraler Transplantation deutlich besser als bei einer Einzellungentransplantation.
Die Hauptursachen der operativen und frühpostoperativen Mortalität sind neben technischen Komplikationen ein primäres Transplantatversagen und exazerbierende Infektionen. Obwohl akute Abstoßungen und Zytomegalievirusinfekte im ersten Jahr nach Transplantation häufig sind, sind tödliche Verläufe selten. Mehr als 1 Jahr nach Transplantation sind die chronische Organdysfunktion (Bronchiolitis-obliterans-Syndrom) im Sinne einer chronischen Transplantatabstoßungsreaktion und Infektionen die Haupttodesursachen.
In der Datenbank der ISHLT wurden die Risikofaktoren für die Mortalität analysiert. Dabei ergaben sich als Risikofaktoren für eine vermehrte Sterblichkeit insbesondere im ersten Jahr nach der Transplantation unter anderem ein stationärer Aufenthalt zum Zeitpunkt der Transplantation, eine präoperativ erforderliche maschinelle Beatmung, eine extrakorporale Membranoxygenierung, die Notwendigkeit der Gabe von inotrop wirksamen Medikamenten und eine Dialyse zum Zeitpunkt der Transplantation. Ebenfalls erhöht war das Risiko nach einer Retransplantation. Das Mortalitätsrisiko war an Zentren mit einer Transplantationserfahrung von weniger als 20–30 Jahren erhöht.
Quelle: Daten von www.ishlt.org/registries/slides.asp?slides=heartLungRegistry. |
Organfunktion nach einer Lungentransplantation
Unabhängig von der Grunderkrankung ist nach erfolgreicher Lungentransplantation das kardiopulmonale Leistungsniveau deutlich verbessert. Nach doppelseitiger Lungentransplantation sind normale Lungenfunktionswerte zu erwarten, nach einseitiger sind leichte Abweichungen vom Normwert die Regel. Kardiopulmonale Leistungstests zeigen üblicherweise eine dauerhafte Limitierung der maximalen Belastbarkeit und Sauerstoffaufnahme, die körperliche Aktivität im Alltag wird dadurch aber kaum limitiert.
Lebensqualität nach einer Lungentransplantation
Die allgemeine und gesundheitsbezogene Lebensqualität ist nach Lungentransplantation verbessert. Mehrdimensionale Skalen zur Lebensqualität weisen Verbesserungen in fast allen Unterbereichen auf. Diese sind jahrelang nachweisbar, sofern keine Komplikationen, wie eine chronische Organdysfunktion, auftreten. Andere beeinträchtigende Probleme sind Medikamentennebenwirkungen und eine chronische Niereninsuffizienz.
Kosten einer Lungentransplantation
Die Kosten des Verfahrens sind je nach Gesundheitssystem und sozioökonomischen Faktoren international unterschiedlich. In den USA betrugen die durchschnittlichen Kosten im Jahr 2011 pro bilateraler Transplantation im Zeitraum 30 Tage vor bis 180 Tage nach der Entlassung aus der Klinik nach dem Eingriff 797.300 US-Dollar. Die Kosten berechnen sich wie folgt: 21.400 US-Dollar für die Behandlung in den letzten 30 Tagen vor der Transplantation, 90.300 US-Dollar für die Bereitstellung des Organs, 458.500 US-Dollar für den Krankenhausaufenthalt zur Transplantation, 56.300 US-Dollar für die ärztlichen Behandlungskosten, 142.6000 US-Dollar für alle ambulanten und stationären Behandlungskosten bis 180 Tage nach der Transplantation und 28.200 US-Dollar für alle ambulant verordneten Medikamente, einschließlich Immunsuppressiva, von der Entlassung bis 180 Tage nach der Transplantation.
Komplikationen einer Lungentransplantation
Die Lungentransplantation hat zahlreiche mögliche Komplikationen. Diese sind zum Teil transplantationsspezifisch, aber auch durch die Medikamententoxizität (Immunsuppressiva) oder eine sich dadurch verschlechternde Situation medizinischer Begleiterkrankungen bedingt (Tab. 320e-3).
Graftdysfunktion nach einer Lungentransplantation
Die primäre Graftdysfunktion ist eine akute Lungenschädigung durch verschiedene Einflüsse auf das Spenderorgan im Rahmen der Transplantation. Es handelt sich dabei um ein klinisches Bild mit diffusen Lungeninfiltraten und einer Hypoxämie innerhalb der ersten 72 Stunden. Eine Obstruktion der Pulmonalvenen, fulminante Abstoßungen, ein Lungenödem und eine Pneumonie können ein ähnliches klinisches Bild verursachen.
Der Schweregrad variiert, und es gibt kein standardisiertes Verfahren zur Klassifizierung. Bis zu 50 % der Empfänger zeigen bis zu einem gewissen Grad eine primäre Graftdysfunktion, schwere Fälle treten in 10–20 % auf. Die Therapie ist wie bei einem akuten Lungenversagen supportiv, in schweren Fällen wurde über den erfolgreichen Einsatz von inhalativem Stickoxid (NO) und den Einsatz der extrakorporalen Membranoxygenierung berichtet. Auch Retransplantationen wurden durchgeführt, allerdings in den ersten 30 Tagen mit einer geringen Überlebensrate (~30 % nach 1 Jahr). Die meisten Patienten mit leichter primärer Graftdysfunktion erholen sich, aber Patienten mit schwererer Graftdysfunktion haben eine Letalität von 40–60 %. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen primärer Graftdysfunktion sowie längerer postoperativer Beatmungsdauer, längerem Aufenthalt auf der Intensivstation/im Krankenhaus, höheren Kosten und höherer Sterblichkeit. Eine schwere primäre Graftdysfunktion stellt vermutlich einen Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen Abstoßungsreaktion dar.
Atemwegskomplikationen nach einer Lungentransplantation
Die bronchialarterielle Versorgung der Spenderlunge wird bei der Organentnahme unterbunden. Eine selektive Reanastomosierung ist grundsätzlich möglich, wird aber selten durchgeführt. Dadurch wird die implantierte Lunge aus der pulmonalarteriellen Strombahn retrograd perfundiert und ist durch Ischämie bedroht.
Das Spektrum der Atemwegskomplikationen umfasst Anastomosennekrosen oder -dehiszenzen, Verschlüsse durch Granulationsgewebe, Anastomosenstenosen oder Bronchusstenosen und eine Bronchomalazie. Die Inzidenz liegt bei 7–18 %, wobei die damit assoziierte Letalität niedrig ist. Normalerweise können diese Komplikationen mittels einfacher bronchoskopischer Techniken wie Débridement, Laserresektion, Ballondilatation oder Bronchialstents behandelt werden.
Abstoßung nach einer Lungentransplantation
Abstoßungen sind der Hauptgrund, warum das Kurz- und Langzeitüberleben nicht besser ist. Es handelt sich um immunologische Reaktionen auf direkte oder indirekte Alloantigene, wobei die zelluläre und Antikörper-vermittelte (humorale) Immunabwehr eine Rolle spielen kann. Zelluläre Abstoßungsreaktionen werden durch eine Interaktion von T-Lymphozyten mit Spender-Alloantigenen, hauptsächlich des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC), vermittelt. Hingegen kommt die humorale Abstoßung durch Antikörper gegen MHC-Antigene oder auch Nicht-MHC-Antigene auf epithelialen oder endothelialen Zellen zustande.
Abstoßungsreaktionen werden oft in akute und chronische Reaktionen eingeteilt, ohne den Mechanismus zu berücksichtigen. Die akute Abstoßung ist zellmediiert, die höchste Inzidenz findet sich in den ersten 6–12 Monaten nach der Transplantation. Im Gegensatz dazu tritt eine chronische Abstoßung später auf, dabei spielen sowohl alloimmune als auch nicht alloimmune fibroproliferative Reaktionen eine Rolle.
Akute zelluläre Transplantatabstoßung nach einer Lungentransplantation
Die akute Abstoßung tritt unter den aktuellen immunsuppressiven Therapien bei 30–40 % der Empfänger innerhalb des ersten Jahres auf. Sie kann latent oder unspezifisch symptomatisch verlaufen. Mögliche Symptome sind Husten, subfebrile Temperaturen, Luftnot, Hypoxämie, inspiratorische Rasselgeräusche, interstitielle Infiltrate und eine Verschlechterung der Lungenfunktion. Diese Zeichen sind unspezifisch und deshalb sollte die Diagnose durch transbronchiale Biopsien bestätigt werden, in denen sich das typische Bild mit Lymphozyteninfiltraten um die Arteriolen und Bronchioli zeigt. Der Schweregrad in der Biopsie kann standardisiert bestimmt werden.
Eine minimale akute zelluläre Abstoßungsreaktion in der Biopsie hat bei klinisch stabilen Patienten oft keine therapeutischen Folgen. Ausgeprägtere Reaktionen sollten unabhängig vom klinischen Zustand behandelt werden. Die übliche Behandlung besteht aus einer kurzen, hoch dosierten Glukokortikoidstoßtherapie und in einer Anhebung bzw. Modifikation der immunsuppressiven Erhaltungstherapie. Die meisten Patienten sprechen auf diese Therapie an; bei persistierender oder rezidivierender Symptomatik ist manchmal eine Intensivierung der Therapie nötig.
Chronische Transplantatdysfunktion nach einer Lungentransplantation
Die chronische Transplantatdysfunktion ist langfristig der entscheidende prognoselimitierende Faktor und leistet einen signifikanten Beitrag zur Morbidität und Minderung der Lebensqualität. Klinisch-physiologisch ist sie durch eine Einschränkung des Luftstroms und histologisch durch eine obliterierende Bronchiolitis gekennzeichnet. Man spricht auch von einem Bronchiolitis-obliterans-Syndrom (BOS). Der Abfall der FEV1 um mehr als 10 % oder der Abfall des maximal exspiratorischen Flusses bei 25–75 % der forcierten Vitalkapazität (MEF 25–75 %) sind mögliche Frühindikatoren einer Bronchiolitis obliterans. Transbronchiale Biopsien sind zur Erkennung einer Bronchiolitis obliterans relativ unsensitiv, und eine histologische Bestätigung ist für die Diagnose nicht zwingend notwendig. Daher beruht die Diagnose eines BOS – nachdem andere Ursachen einer Graftdysfunktion ausgeschlossen wurden – vor allem auf einer anhaltenden Abnahme der forcierten Einsekundenkapazität (> 20 %), obwohl auch eine geringere Abnahme der FEV1 (> 10 %) oder des forcierten exspiratorischen Flusses (FEF 25–75 %) Vorzeichen eines BOS sein können. Die Kriterien des spirometrischen Befunds und die Einteilung des Schweregrades sind standardisiert.
Die Prävalenz des Bronchiolitis-obliterans-Syndroms liegt 5 Jahre nach Transplantation bei fast 50 %. Eine vorausgegangene akute zelluläre Abstoßungsreaktion gilt als auslösender Hauptfaktor, ebenso kommen auch eine CMV-Pneumonitis oder andere ambulant erworbene Virusinfektionen sowie ein gastroösophagealer Reflux infrage. Das BOS kann akut verlaufen und einer infektiösen Bronchitis gleichen oder es kann zu einer schleichenden Abnahme der Lungenfunktion führen. Im Thorax-Röntgen sind normalerweise keine Veränderungen sichtbar. Eine Bronchoskopie ist indiziert, um andere Ursachen auszuschließen.
Die Behandlung besteht meist aus einer Steigerung der Immunsuppression, darüber herrscht allerdings kein klarer Konsens. Mögliche Behandlungsoptionen sind die Änderung der Medikation, einschließlich eines Zusatzes von Azithromycin, die Gabe von antilymphozytären Antikörpern, eine Photopherese und eine totale lymphatische Bestrahlung. Obwohl die Lungenfunktion durch die Behandlung stabilisiert werden kann, sind die Ergebnisse insgesamt enttäuschend. Das mittlere Überleben nach dem Auftreten beträgt 3–4 Jahre. Die Re-Transplantation ist eine Behandlungsoption in ausgewählten Fällen, wenn die klinischen Umstände und Begleiterkrankungen nicht dagegen sprechen. Die Überlebensrate ist hierbei aber schlechter als nach der primären Transplantation. Etwa ein Drittel der Betroffenen mit BOS sprechen auf die Langzeittherapie mit dem Makrolid Azithromycin mit einer durchschnittlichen Verbesserung der FEV1 um etwa 15 % an.
Humorale Abstoßungsmechanismen nach einer Lungentransplantation
Die Rolle Antikörper-vermittelter Abstoßungsreaktionen ist noch nicht vollständig geklärt. Fulminante Abstoßungsreaktionen werden durch präformierte humane Leukozyten(HLA)-Antikörper des Empfängers verursacht. Sie werden aber meist durch ein Antikörperscreening vor der Transplantation mit virtuellem oder echtem Cross-matching mit dem potenziellen Spender verhindert. Spenderspezifische HLA-Antikörper entwickeln sich nach der Transplantation bei bis zu 50 % der Empfänger. Sie gehen mit einem erhöhten Risiko sowohl für eine akute zelluläre Abstoßung als auch ein Bronchiolitis-obliterans-Syndrom sowie einer schlechten Prognose einher. Allerdings ist nicht ganz klar, inwiefern die Antikörper zur Entwicklung einer akuten zellulären Abstoßung oder eines BOS beitragen oder auf sonstige Weise schädlich sind. Formale Kriterien für Antikörper-vermittelte Abstoßungen existieren für die Nierentransplantation, sie werden aber bei Lungentransplantationen nur selten erfüllt. Dennoch konnte eine akute Graftdysfunktion in manchen Fällen mit einem Antikörper-vermittelten Mechanismus in Zusammenhang gebracht werden. Für die Behandlung kommen Therapien infrage, die zu einer Antikörperdepletion führen, beispielsweise eine Plasmapherese oder die intravenöse Gabe von Immunglobulinen sowie Rituximab, Bortezomib und Eculizumab.
Infektion nach einer Lungentransplantation
Die transplantierte Lunge ist für Infektionen besonders empfänglich. Diese gehören zu den Haupttodesursachen. Neben der intensiven immunsuppressiven Therapie sind zusätzlich andere Abwehrmechanismen häufig durch die Transplantation negativ beeinflusst: der Hustenreflex und die mukoziliäre Clearance im Allograft sind regelmäßig vermindert. Sowohl nicht opportunistische als auch opportunistische Pathogene spielen als Infektionserreger eine Rolle.
Zu jedem Zeitpunkt können eine Pneumonie und bakterielle Infektionen der unteren Atemwege auftreten, die Mehrzahl tritt jedoch in der frühen postoperativen Phase auf. Im Langzeitverlauf ist eine Bronchitis durch Pseudomonas aeruginosa und methicillinresistenten Staphylococcus aureus häufig, insbesondere bei Empfängern mit BOS.
Die Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV) ist die häufigste Virusinfektion. Mögliche klinische Manifestationen sind CMV-assoziierte Gastroenteritiden, Kolitiden und Hepatitiden, am häufigsten sind aber die CMV-Virämie und CMV-Pneumonitis. Die meisten Episoden treten in den ersten 6 postoperativen Monaten auf. Ganciclovir ist eine effektive Therapie, sofern keine resistenten Virusstämme auftreten. Andere ambulant erworbene Infektionen mit respiratorischen Viren wie Influenza A/B, Respiratory Syncitial Virus (RSV) haben ebenfalls eine beträchtliche Morbidität. Die klinisch relevantesten Pilzinfektionen werden durch Aspergillus verursacht. Das Spektrum reicht von einer einfachen pulmonalen Kolonisation bis zu einer Tracheobronchitis, einer invasiven pulmonalen Aspergillose und einer disseminierten Aspergillose. Die Behandlung richtet sich nach dem klinischen Zustand des Patienten.
Andere Komplikationen nach einer Lungentransplantation
Andere potenzielle Komplikationen der Transplantation sind in Tabelle 320e-3 zusammengefasst, viele davon sind durch die Medikamententoxizität der Immunsuppressiva verursacht. Die Behandlung richtig sich meist nach gültigen Leitlinien, sollte aber aufgrund der Komplexität der Nachsorge immer mit den Transplantationszentren abgestimmt werden.
Weiterführende Literatur
Barnard JB, Davies O, Curry P et al: Size matching in lung tranplantation: An evidence-based review. J Heart Lung Transplant 32:849–60, 2013
Thompson ML, Flynn JD, Clifford TM: Phamacotherapy of lung transplantation: an overview. J Pharm Pract 26:5–13, 2013
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