377e Autoimmunität und Autoimmunerkrankungen
Eine grundlegende Eigenschaft des Immunsystems ist seine Fähigkeit, potenziell gefährdende Fremdkörper zu erkennen, ohne dabei Schaden an eigenem Körpergewebe zu verursachen. Obwohl die Erkennung körpereigener Strukturen eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Repertoires der klonalen Antigen-Rezeptoren von T- und B-Lymphozyten sowie bei der Entfernung von apoptotischem und anderem Zelldebris aus den Körpergeweben spielt, sind potenziell gefährliche Immunreaktionen gegen Autoantigene selten.
Die Grundlage jeder Autoimmunerkrankung ist die Zerstörung körpereigenen Gewebes durch eine immunologische Reaktion des Organismus. Autoimmunität hingegen bedeutet nur die Anwesenheit von Antikörpern oder T-Lymphozyten, die gegen Selbstantigene reagieren, und nicht notwendigerweise, dass eine vorhandene Selbstreaktivität auch zur Krankheitsentstehung führt.
Autoimmunität gibt es bei allen Menschen, eine Autoimmunerkrankung entsteht allerdings nur bei Individuen, bei denen einer oder mehrere Mechanismen, die normalerweise die immunologische Toleranz aufrechterhalten, versagen.
Für die deutsche Ausgabe Thomas Kamradt
Eine grundlegende Eigenschaft des Immunsystems ist seine Fähigkeit, potenziell gefährdende Fremdkörper zu erkennen, ohne dabei Schaden an eigenem Körpergewebe zu verursachen. Obwohl die Erkennung körpereigener Strukturen eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Repertoires der klonalen Antigen-Rezeptoren von T- und B-Lymphozyten sowie bei der Entfernung von apoptotischem und anderem Zelldebris aus den Körpergeweben spielt, sind potenziell gefährliche Immunreaktionen gegen Autoantigene selten. Die Grundlage jeder Autoimmunerkrankung ist die Zerstörung körpereigenen Gewebes durch eine immunologische Reaktion des Organismus. Autoimmunität hingegen bedeutet nur die Anwesenheit von Antikörpern oder T-Lymphozyten, die gegen Selbstantigene reagieren, und nicht notwendigerweise, dass eine vorhandene Selbstreaktivität auch zur Krankheitsentstehung führt. Autoimmunität gibt es bei allen Menschen, eine Autoimmunerkrankung entsteht allerdings nur bei Individuen, bei denen einer oder mehrere Mechanismen, die normalerweise die immunologische Toleranz aufrechterhalten, versagen.
Autoimmunität findet sich auch bei völlig gesunden Individuen, wobei das höhere Lebensalter stärker betroffen ist. Im Laufe des Lebens entstehen zahlreiche polyreaktive Autoantikörper, die Wirtsantigene erkennen. Ihre Expression kann durch bestimmte Ereignisse verstärkt werden. Es handelt sich meistens um IgM-Antikörper. Zumeist haben sie keine somatische Hypermutation durchgemacht. Wenn Autoimmunität durch ein bestimmtes Ereignis, wie Infektion oder Gewebezerstörung bei Trauma oder Ischämie, induziert wird, ist sie für gewöhnlich selbstlimitierend. Sie kann allerdings auch persistieren und kann sich dann pathologisch auswirken. Selbst bei pathologischen Organveränderungen ist es oft schwierig festzustellen, ob an dieser Gewebezerstörung autoreaktive Prozesse beteiligt sind. Nach einem auslösenden Ereignis kann sich im Rahmen eines weiterhin bestehenden pathologischen Prozesses eine Autoimmunantwort entwickeln, die entweder nicht pathogen sein kann oder zur Gewebeentzündung und -schädigung beitragen kann. Individuen mit Autoimmunerkrankungen können eine Vielzahl an Autoantikörpern besitzen, von denen aber nur wenige, möglicherweise auch keine, schädigend sind. Patienten mit systemischer Sklerose können ein großes Spektrum an antinukleären Antikörpern aufweisen, die für die Klassifikation der Erkrankung wichtig sind, deren pathogenetische Relevanz aber noch unklar ist. Beim Pemphigus kann ebenfalls ein breites Spektrum an Autoantikörpern auftreten, von denen lediglich Antikörper gegen Desmoglein Schäden verursachen.
Mechanismen der Autoimmunität
Paul Ehrlich postulierte erstmals um 1900 die Existenz von Mechanismen, die Autoreaktivität verhindern. Seitdem sind parallel zu dem immer besser werdenden Verständnis des Immunsystems auch Hypothesen entstanden und Mechanismen aufgeklärt worden, die diese Inhibition erklären. Die Theorie der klonalen Selektion, die von Burnet aufgestellt wurde, beinhaltet die Idee, dass eine Interaktion von lymphoiden Zellen mit ihren spezifischen Antigenen beim Fötus oder in der frühen postnatalen Phase die Elimination autoreaktiver, sogenannter verbotener Klone bewirkt. Diese Theorie allein konnte jedoch die Verhinderung von Autoimmunität nicht vollständig erklären, weil später klar wurde, dass sich Autoimmunerkrankungen experimentell bei Versuchstieren durch einfache Immunisierungen induzieren lassen und dass sich autoreaktive Zellen in der Zirkulation gesunder Individuen nachweisen lassen. Auch das Auftreten selbstlimitierender Autoimmunphänomene nach Gewebeschäden durch Trauma oder Infektion spricht gegen diese Theorie und insgesamt lassen diese Beobachtungen den Schluss zu, dass autoreaktive Klone Bestandteil des normalen T- und B-Zell-Rezeptor-Repertoires bei normalen Personen sind, deren Aktivierung durch andere Mechanismen kontrolliert werden muss.
Derzeit geht man davon aus, dass neben der sogenannten zentralen Toleranz, d. h. der Elimination autoreaktiver Klone im Knochenmark (B-Lymphozyten) oder Thymus (T-Lymphozyten) im Wesentlichen drei periphere Mechanismen an der Toleranz des Immunsystems gegenüber Autoantigen beteiligt sind (Tab. 377e-1): (1) die Sequestrierung von Antigenen, wodurch diese nicht für das Immunsystem zugänglich sind, (2) das Nichtreagieren auf spezifische Antigene (Toleranz oder Anergie) durch die jeweiligen T- oder B-Zellen und (3) eine aktive Regulation, die das Ausmaß potenzieller Autoreaktivität limitiert.
Störungen dieser physiologischen Prozesse prädisponieren für die Entstehung von Autoimmunität(Tab. 377e-2). Im Allgemeinen lassen sich solche Störungen auf eine Aktivierung von Zellen des Immunsystems durch ein exogenes Agens (üblicherweise bakterielle oder virale Erreger oder Zigarettenrauch) oder durch endogene pathologische Veränderungen in diesen Zellen selbst zurückführen. Mikrobielle Superantigene wie Staphylokokkenprotein A und Staphylokokkenenterotoxine sind Substanzen, die aufgrund spezifischer Interaktionen mit bestimmten Familien von Antigenrezeptoren ein breites Spektrum an T- und B-Zellen, unabhängig von ihrer Antigenspezifität, stimulieren können. Wenn autoreaktive T-Lymphozyten oder B-Lymphozyten diese Rezeptoren exprimieren, kann es durch ihre Aktivierung zur Entstehung von Autoimmunität kommen. Alternativ wird auch die molekulare Mimikry oder Kreuzreaktivität zwischen einem mikrobiellen Erreger und einem Selbstantigen als ursächlich für die Aktivierung autoreaktiver Lymphozyten diskutiert. Ein mögliches Beispiel für Autoreaktivität und die Entstehung einer Autoimmunerkrankung durch molekulare Mimikry ist das rheumatische Fieber, bei dem Antikörper gegen das M-Protein von Streptokokken mit Myosin, Laminin und anderen Matrixproteinen sowie neuronalen Antigenen kreuzreagieren. Die Ablagerung dieser Autoantikörper löst im Herzgewebe eine entzündliche Antwort aus und im Gehirn die Chorea Sydenham. Kreuzreaktivität zwischen mikrobiellen Peptiden und Selbstpeptiden wurde auch bei Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose beschrieben. Ihre pathogenetische Bedeutung ist jedoch fraglich. Kreuzreaktivität zwischen mikrobiellen und Autoantigenen ist so häufig, dass sie nicht die alleinige Ursache von Autoimmunität sein kann. Es wird angenommen, dass infektiöse Erreger die Selbsttoleranz durchbrechen können, weil sie Pathogen-assoziierte molekulare Patterns (PAMPs) besitzen und bestimmte Moleküle, z. B. bakterielle Endotoxine, doppelsträngige RNS oder spezifische Moleküle in der Zellwand, exprimieren, die über eine Stimulation von Toll-like-Rezeptoren einen Adjuvans-ähnlichen Effekt auf Zellen des Immunsystems haben, indem sie mit Toll-like-Rezeptoren (TLRs) und anderen Pattern-Recognition-Rezeptoren (PRRs) interagieren und somit die Immunogenität und die immunostimulatorische Fähigkeit dieser mikrobiellen Antigene erhöhen. Die Adjuvanzien aktivieren die dendritischen Zellen mittels TLRs und stimulieren möglicherweise so die Aktivierung von zuvor ruhenden Lymphozyten, die sowohl den Mikroorganismus als auch Selbstantigene erkennen. Entsprechend führen Zell- und Gewebeschäden zu einer Erkennung von Damage-associated Molecular Patterns (DAMPs), insbesondere durch Erkennung von DNS, RNS, Nukleosomen und weiterem Zelldebris. Durch diese PRRs werden dann auch weitere Zellen für eine Entzündungsantwort sowie Zellen des Immunsystems aktiviert.
Auch endogene Störungen des Immunsystems können zum Verlust der immunologischen Toleranz gegenüber Selbstantigenen und damit zur Entstehung von Autoimmunität beitragen (Tab. 377e-2). Viele Autoantigene befinden sich in immunologisch privilegierten Organen, wie dem Zentralnervensystem oder der Vorderkammer des Auges. Diese anatomischen Regionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie dorthin transplantierte Gewebe nicht abstoßen können. Die immunologische Privilegierung beruht auf verschiedenen Mechanismen, wie dem verringerten Abtransport dort produzierter Proteine über das lymphatische System, der lokalen Produktion immunsuppressiver Zytokine (wie Transforming Growth Factor β) oder die Expression von Fas-Ligand (FasL), die zur Induktion von Apoptose von aktivierten Fas-positiven T-Lymphozyten führen kann. Lymphoide Zellen verbleiben also in einem Zustand der immunologischen Ignoranz (keine Aktivierung und auch keine Anergie), wenn die von ihnen erkannten Antigene ausschließlich in immunologisch privilegierten Organen exprimiert werden. Wenn diese anatomischen Strukturen jedoch durch Trauma oder Entzündung beeinträchtigt werden oder wenn T-Lymphozyten an anderen Stellen aktiviert werden, können diese Proteine immunogen und somit zu Zielstrukturen eines immunologischen Angriffs werden. Ein solches Szenario wird für die Multiple Sklerose oder die Ophthalmia sympathica angenommen, bei denen ausschließlich im Gehirn beziehungsweise im Auge exprimierte Antigene das Ziel von aktivierten T-Lymphozyten werden.
Auch Veränderungen der Antigenpräsentation können zur Entstehung von Autoimmunität beitragen. Peptidbruchstücke (Epitope) eines Selbstantigens, die den Lymphozyten unter physiologischen Bedingungen nicht präsentiert werden, können infolge einer veränderten Proteolyse des Moleküls und der nachfolgenden Präsentation neuartiger Peptide (kryptischer Epitope) erkannt werden. Wird das Selbstantigen von B-Lymphozyten statt von dendritischen Zellen präsentiert, werden oft auch kryptische Epitope präsentiert, die autoreaktive T-Lymphozyten aktivieren können. Diese kryptischen Epitope sind unter physiologischen Bedingungen nicht verfügbar, sodass keine Deletion der autoreaktiven Lymphozyten-Klone erfolgen konnte. Sobald zudem eine Proteinkomponente eines multimolekularen Komplexes immunologisch erkannt wurde, wird nach Internalisierung und Präsentation aller Moleküle des Komplexes oft auch eine Immunität gegen andere Bestandteile dieses Komplexes ausgelöst (Epitopausbreitung). Schließlich können Entzündungen, Medikamentenexposition, andere Umwelteinflüsse oder auch der physiologische Alterungsprozess chemische Veränderungen von Proteinen bewirken, durch die es zu einer kreuzreaktiven Immunantwort gegen ganz normale Selbstproteine kommen kann. So führt die Induktion und/oder Freisetzung des Enzyms Arginindesaminase in zahlreichen Proteinen zum Umbau von Argininresten zu Citrullinen und verändert so deren Kapazität zur Induktion von Immunreaktionen. Die Produktion von Antikörpern gegen zitrullinierte Peptide ist bei der rheumatoiden Arthritis, chronischen Lungenkrankheiten sowie Rauchern beschrieben und trägt zur Organpathologie bei. Veränderungen in der Verfügbarkeit und der Präsentation von Autoantigenen sind wichtige Aspekte der immunologischen Reaktionslage in einigen Modellen organspezifischer Autoimmunerkrankungen. Zusätzlich können diese Faktoren einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Pathogenese verschiedener arzneimittelinduzierter Autoimmunkrankheiten liefern. Das breite Spektrum der Autoreaktivität, das sich bei nicht organspezifischen systemischen Autoimmunerkrankungen manifestiert, scheint jedoch nahezulegen, dass diese Zustände eher durch eine generelle Aktivierung des Immunsystems als durch die Veränderungen einzelner Selbstantigene zustande kommen.
Bei vielen Autoimmunkrankheiten finden sich Antikörper, die mit apoptotischem Material reagieren. Defekte bei der Clearance des apoptotischen Materials lösten in mehreren Tiermodellen Autoimmunität und Autoimmunerkrankungen aus. Außerdem fanden sich derartige Defekte bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE). Wird apoptotischer Debris nicht rasch vom Immunsystem entfernt, kann er endogene Liganden für zahlreiche PRRs auf dendritischen Zellen und B-Zellen bilden. Unter diesen Umständen werden die dendritischen Zellen oder B-Zellen aktiviert und es kann eine Immunreaktion gegen den apoptotischen Debris entstehen. Außerdem kann das Vorhandensein von extrazellulärem apoptotischem Material in den Keimzentren der sekundären lymphatischen Organe bei SLE die direkte Aktivierung von autoimmunen Zell-Klonen im Rahmen von Immunreaktionen selektieren.
Mehrere experimentelle Modelle weisen darauf hin, dass eine intensive Stimulation von T-Lymphozyten zur Produktion unspezifischer Signale führt und es somit ohne Hilfe durch antigenspezifische T-Lymphozyten zur polyklonalen B-Zell-Aktivierung und zur Bildung verschiedener Autoantikörper kommen kann. So werden während einer chronischen Graft-versus-host-Reaktion antinukleäre, antierythrozytäre und antilymphozytäre Antikörper produziert. Auch Autoimmunerkrankungen wie die autoimmune hämolytische Anämie und die immunkomplexvermittelte Glomerulonephritis können auf diese Weise ausgelöst werden. Nicht nur eine solche diffuse Aktivierung von T-Helferzellen, sondern auch die unspezifische Stimulation von B-Lymphozyten zur Produktion von Autoantikörpern kann Autoimmunität verursachen. Die Applikation von Substanzen, die eine polyklonale B-Zellaktivierung verursachen können, z. B. bakterielle Endotoxine, führt bei normalen Mäusen zur Produktion verschiedener Autoantikörper, inklusive solcher gegen DNS und IgG (Rheumafaktor). Eine Vielzahl genetischer Modifikationen haben eine Überreaktivität von B-Zellen zur Folge, führen zur Produktion von Autoantikörpern und, bei Tieren mit passendem genetischem Hintergrund, zu einem Lupus-ähnlichen Syndrom. Außerdem kann im Übermaß produziertes BAFF zu einer T-Zell-unabhängigen B-Zell-Aktivierung und zur Entwicklung einer Autoimmunität im Sinne des SLE führen. So lässt sich bei Mäusen durch eine übermäßige Aktivierung dendritischer Zellen, eine Redundanz von TLR7 auf dem Y-Chromosom (BXSByaa-Mäuse) sowie durch CpG-Exposition, einem Liganden von TLR 9, ein systemischer Lupus erythematodes induzieren. Die nachfolgende Induktion entzündlicher Mediatoren kann zum Umschalten von der Produktion nicht pathogener IgM-Autoantikörper auf pathogene IgG-Autoantikörper führen.
Eine gestörte Selektion des T- und B-Zell-Rezeptor-Repertoires während der Bildung der Rezeptoren kann auch zur Entstehung von Autoimmunität beitragen. So führt eine bestimmte Form des B-Zell-Mangels, die durch einen Mangel der B-Zell-Rezeptor-assoziierten-Kinase (Bruton’s Tyrosin-Kinase) entsteht, zur X-chromosomalen Agammaglobulinämie. Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch eine verringerte Aktivierbarkeit von B-Lymphozyten, was durch hohe Spiegel von BRAF entsteht und zu einer erhöhten Autoreaktivität in einem defizienten B-Zell-Repertoire führt. Für die negative Selektion autoreaktiver T-Lymphozyten ist die Expression des Proteins AIRE (autoimmune regulator) in medullären Thymusepithelzellen essenziell. AIRE reguliert die Expression ansonsten gewebsspezifisch exprimierter Proteine im Thymus, die dort prozessiert und als Peptide im Kontext mit MHC-Molekülen präsentiert werden. Autoreaktive T-Lymphozyten, die diese Peptid/MHC-Komplexe erkennen, werden eliminiert. Dieser Prozess wird als „negative Selektion“ bezeichnet. Bei Fehlen von AIRE kommt es demzufolge nicht zur negativen Selektion autoreaktiver T-Lymphozyten, zur Produktion von Autoantikörpern und schwerer entzündlicher Destruktion verschiedener Organe. Das Syndrom, das durch einen AIRE-Mangel verursacht wird, wird als APECED (autoimmune Polyendokrinopathie, Candidose, ektodermale Dystrophie) bezeichnet.
Auch primäre Veränderungen von Funktion und Aktivität der T- und/oder B-Lymphozyten, ein Ungleichgewicht von Zytokinen oder Störungen immunologischer Regulationskreise können allein oder in Kombination zur Entstehung von Autoimmunität beitragen. Eine verringerte Produktion von Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α) und Interleukin 2 (IL-10) oder Interleukin 10 (IL-10), kann mit der Entwicklung von Autoimmunität assoziiert sein. Auch die Überproduktion oder therapeutische Gabe von Typ-1-Interferon wurde mit Autoimmunität in Zusammenhang gebracht. Außerdem kann die Überexpression kostimulatorischer Moleküle auf T-Lymphozyten Autoimmunantworten begünstigen.
Autoimmunität kann auch durch Störungen immunregulatorischer Mechanismen entstehen. Beobachtungen bei Autoimmunerkrankungen sowohl am Menschen als auch am Tiermodell legen nahe, dass eine gestörte Entwicklung oder Funktion regulatorischer T-Lymphozyten die Entstehung von Autoimmunität begünstigen kann. Seit kurzem ist klar, dass das IPEX-Syndrom (Immunodysregulation, Polyendokrinopathie, Enteropathie, X-chromosomal) durch eine Mutation des Foxp3-Gens verursacht wird. Foxp3 kodiert für ein Molekül, das essenziell für die Differenzierung regulatorischer T-Lymphozyten ist. Die Verabreichung von normalen regulatorischen T-Lymphozyten oder Faktoren, die von diesen Zellen stammen, kann hingegen die Entstehung von Autoimmunerkrankungen am Tiermodell verhindern, ebenso konnte die allogene Stammzelltransplantation ein IPEX heilen. Bei mehreren Autoimmunerkrankungen des Menschen, wie z. B. rheumatoider Arthritis und SLE, wurden Funktionsstörungen der regulatorischen T-Lymphozyten ermittelt, wobei unklar bleibt, ob es sich dabei um ursächliche oder sekundäre, entzündlich bedingte Veränderungen handelt. Einer der Mechanismen, durch den regulatorische T-Zellen Immunantworten kontrollieren, besteht in der Produktion von IL-10. In diesem Zusammenhang wurde herausgefunden, dass Kinder mit einem Mangel an IL-10 oder dem IL-10-Rezeptor chronisch entzündliche Darmerkrankungen ähnlich dem Morbus Crohn entwickelten. Die Erkrankungen ließen sich mit einer allogenen Stammzelltransplantation heilen. Schließlich lassen neuere Daten vermuten, dass auch B-Lymphozyten eine regulatorische Funktion haben können, überwiegend durch die Produktion des Zytokins IL-10. Ein Mangel an regulatorischen B-Lymphozyten, die IL-10 produzieren, kann im Tiermodell den Verlauf der Multiplen Sklerose verlängern. Möglicherweise sind solche Zellen beim humanen SLE in ihrer Zahl vermindert.
Es liegt auf der Hand, dass nicht ein einzelner der beschriebenen Mechanismen allein alle unterschiedlichen Manifestationen von Autoimmunität erklären kann. Darüber hinaus haben genetische Untersuchungen gezeigt, dass häufig eine Vielzahl von Veränderungen gemeinsam auftreten muss, um eine Autoimmunerkrankung auszulösen. Weitere Faktoren, welche die Entstehung von Autoimmunität ganz entscheidend beeinflussen können, sind Alter, Geschlecht (zahlreiche Autoimmunerkrankungen treten bevorzugt bei Frauen auf), genetischer Hintergrund sowie Kontakt mit Erregern und andere Umweltfaktoren. Derzeit wird intensiv erforscht, wie diese unterschiedlichen Faktoren dazu führen, dass das Immunsystem gegen den eigenen Organismus reagiert.
Genetische Überlegungen zu Mechanismen der Autoimmunität
Evidenz für die Existenz von Suszeptibilitätsgenen für die Entstehung von Autoimmunität kommt aus Familien- und insbesondere aus Zwillingsstudien. Untersuchungen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoider Arthritis, Multipler Sklerose und systemischem Lupus erythematodes haben gezeigt, dass die Konkordanz der Erkrankung bei monozygoten Zwillingen zwischen 15 und 30 % liegt, bei dizygoten Zwillingen hingegen unter 5 %. Das Auftreten verschiedener Autoimmunerkrankungen in der gleichen Familie legt nahe, dass bestimmte Suszeptibilitätsgene prädisponierend für eine ganze Reihe von Autoimmunerkrankungen sind. Durch Genkartierungen werden zunehmend Polymorphismen einzelner Gene identifiziert, die für bestimmte Autoimmunerkrankungen prädisponieren. Mehr als 50 genetische Polymorphismen, die mit einer oder mehreren Autoimmunerkrankungen assoziiert sind, wurden bisher entdeckt. Bemerkenswert ist, dass manche Gene mit multiplen Autoimmunerkrankungen assoziiert sind, während andere nur mit einer zusammenhängen. Ferner zeigten genetische Untersuchungen, dass Konstellationen bestimmter genetischer Risikofaktoren bei bestimmten Autoimmunerkrankungen gehäuft auftreten. Vier Konstellationen konnten bestimmt werden: Eine Gruppe mit sechs verschiedenen Polymorphismen waren am häufigsten bei Morbus Crohn, Psoriasis und Multipler Sklerose zu finden. Ein zweites Muster, bestehend aus acht Polymorphismen, war stark mit Zöliakie, rheumatoider Arthritis und SLE assoziiert. Das dritte Muster mit sieben Polymorphismen trat gehäuft bei Diabetes mellitus Typ 1, Multipler Sklerose und rheumatoider Arthritis auf. Die vierte Konstellation mit zwölf Polymorphismen war streng assoziiert mit Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoider Arthritis, Zöliakie, Morbus Crohn und SLE. Diese Ergebnisse könnten Hinweise darauf geben, dass autoimmune Erkrankungen, die sich in der klinischen Ausprägung und in Bezug auf das befallene Organ oder Gewebe deutlich unterscheiden, gemeinsame immunpathologische Ursachen haben könnten. Das für PTPN22 kodierende Gen ist mit mehreren Autoimmunerkrankungen assoziiert. Sein Produkt ist eine Phosphatase, die von unterschiedlichen hämatopoetischen Zellen exprimiert wird und an der Herabregulation der durch Antigenrezeptoren vermittelten Stimulation von B- und T-Lymphozyten beteiligt ist. Dieses Allel ist in einigen Populationen mit Diabetes mellitus Typ 1, rheumatoider Arthritis und systemischem Lupus erythematodes assoziiert. Warum diese Funktionszunahme mit Autoimmunerkrankungen assoziiert ist, ist unklar. Vermutlich verringert sie die Signalgebung der Antigenrezeptoren bei der Entwicklung der Lymphozytenentwicklung und ermöglicht so das Entkommen autoreaktiver Klone oder die reduzierte Aktivations-abhängige Apoptose der für das Autoantigen reaktiven Lymphozyten in der Peripherie. In den letzten Jahren haben genomweite Assoziationsstudien zahlreiche andere Gene entdeckt, die an den Autoimmunerkrankungen des Menschen beteiligt sind. Die meisten Gene steuern nur ein eher geringes Risiko für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen bei und finden sich auch bei Gesunden. Zusätzliche Evidenz stammt aus Tiermodellen: Einige Inzucht-Mausstämme entwickeln spontane Autoimmunerkrankungen oder sind suszeptibel für experimentell induzierte Autoimmunerkrankungen, während andere Stämme resistent sind. Diese Befunde haben zu einer intensiven Suche nach Genen geführt, die an der Entwicklung und/oder Ausprägung von Autoimmunität beteiligt sind oder protektiven Charakter besitzen.
Die stärkste Assoziation zwischen Suszeptibilität für Autoimmunität und genetischen Faktoren besteht für bestimmte Allele des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC). Vermutlich besteht der ursächliche Zusammenhang darin, dass verschiedene allele Varianten der MHC-Moleküle besonders gut Selbstpeptide an autoreaktiven T-Lymphozyten präsentieren können. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass diese Allele bei der Selektion der T-Lymphozyten im Thymus zur Entstehung eines autoreaktiven T-Zell-Rezeptor-Repertoires beitragen. Zusätzlich könnten spezifische MHC-Genprodukte selbst die Quelle von Peptiden sein, die von autoreaktiven T-Lymphozyten erkannt werden. Eine Kreuzreaktivität zwischen solchen MHC-Peptiden und mikrobiellen Antigenen könnte über molekulare Mimikry Autoimmunität verursachen. Der MHC-Genotyp allein ist nicht für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen verantwortlich. Genetisch identische Zwillinge haben ein viel höheres Risiko, die gleiche Autoimmunerkrankung zu entwickeln als MHC-identische Geschwister. Das zeigt, dass neben dem MHC auch andere Gene die Krankheitssuszeptibilität beeinflussen. Aktuelle Studien zum Diabetes mellitus Typ 1, systemischen Lupus erythematodes, zu rheumatoider Arthritis und Multipler Sklerose sowie den entsprechenden Tiermodellen haben gezeigt, dass neben dem MHC mehrere unabhängig vererbte Suszeptibilitäts-Loci existieren. Auch Gene, die für Moleküle der angeborenen Immunität kodieren, sind an der Autoimmunität beteiligt. Beim Menschen ist der erbliche Mangel von Komplementproteinen des klassischen Aktivierungsweges (C1q, C4 oder C2) sowie von Genen, die am Typ-1-Interferonstoffwechsel beteiligt sind, sehr stark mit dem Auftreten des systemischen Lupus erythematodes assoziiert.
Immunpathologische Mechanismen von Autoimmunerkrankungen
Die Mechanismen der Gewebezerstörung bei Autoimmunerkrankungen können prinzipiell in antikörper- oder zellvermittelte Prozesse unterschieden werden. Repräsentative Beispiele sind in Tabelle 377e-3 aufgelistet.
Die Pathogenität von Autoantikörpern kann durch verschiedene Mechanismen vermittelt werden. Unter anderem sind dies die Opsonisierung löslicher Faktoren oder von Zellen, die Aktivierung einer proinflammatorischen Kaskade durch das Komplementsystem oder Störungen der physiologischen Funktion löslicher Moleküle oder Zellen.
Bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura kommt es durch eine Opsonisierung von Thrombozyten zu deren Eliminierung durch Phagozyten. Auf gleiche Weise führt die Bindung von Immunglobulinen an die Membran von Erythrozyten zur Phagozytose und Lyse der opsonisierten Zellen und damit zur autoimmunen hämolytischen Anämie. Das Goodpasture-Syndrom, eine Erkrankung, die mit Lungenblutungen und einer schweren Glomerulonephritis einhergeht, ist ein Beispiel dafür, wie Antikörper über eine lokale Komplementaktivierung und eine Akkumulation und Aktivierung von neutrophilen Granulozyten Autoimmunerkrankungen verursachen können. Bei dieser Erkrankung ist das Zielantigen der Autoantikörper die α3-Kette des Kollagen Typs IV in der Basalmembran. Beim systemischen Lupus erythematodes ist eine Komplementaktivierung durch in Glomeruli abgelagerte Immunglobuline der wahrscheinlich wichtigste Mechanismus der Nierenschädigung. Außerdem aktivieren die DNS- und RNS-haltigen Immunkomplexe beim systemischen Lupus erythematodes TLR 9 bzw. 7 in den dendritischen Zellen und sorgen dadurch für ein proinflammatorisches, immunogenes Milieu, das die Autoimmunreaktion verstärkt.
Autoantikörper können auch mit der physiologischen Funktion von Zellen oder löslichen Faktoren interferieren. Autoantikörper gegen Hormonrezeptoren können zur Stimulation der Zellen oder auch zur Inhibition der Zellfunktion durch eine Hemmung der Signalübertragung führen. Dies trifft für die TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK) bei der Basedow-Krankheit zu, die als Agonisten fungieren und die Schilddrüse stimulieren, so als wäre ein TSH-Überschuss vorhanden. Autoantikörper gegen Insulinrezeptoren können durch eine Blockade des Rezeptors einen insulinresistenten Diabetes mellitus auslösen. Bei der Myasthenia gravis sind bei 85–90 % der Patienten Autoantikörper gegen den Acetylcholinrezeptor nachweisbar, die für die Muskelschwäche verantwortlich sind. Von der exakten Lokalisation der Epitope auf dem Antigen, der Valenz und der Affinität der Antikörper sowie weiteren Eigenschaften hängt ab, ob die Antikörperbindung zu Aktivierung oder Blockierung führt.
Antiphospholipidantikörper sind mit thromboembolischen Ereignissen beim primären und sekundären Antiphospholipidsyndrom sowie Fehlgeburten assoziiert. Die Hauptreaktivität der Autoantikörper ist gegen den Komplex aus Phospholipid und β2-Glykoprotein-1 gerichtet und scheint eine prokoagulatorische Wirkung zu haben. Beim Pemphigus vulgaris binden Autoantikörper an Desmoglein 3, ein Protein von Desmosomen von Zellen der Epidermis (Desmoglein 3) und spielen dadurch eine Rolle in der Krankheitsinduktion. Ihre pathogenetische Wirkung kommt durch eine Stimulation der Produktion epithelialer Proteasen zustande, die zur Unterbrechung des Zell-Zell-Kontaktes führt, was letztlich eine Blasenbildung zur Folge hat. Die antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (cANCA) bei der granulomatösen Polyangiitis sind gegen ein intrazelluläres Antigen, eine 29-kDa-Serinproteinase (Proteinase-3), gerichtet. In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass IgG-cANCA die Aktivierung und Degranulierung von neutrophilen Granulozyten bewirken können.
Es soll hier betont werden, dass Autoantikörper einer bestimmten Spezifität die jeweilige Krankheit nur im genetisch suszeptiblen Wirt auslösen können. Dies wurde z. B. am experimentellen Modell der Myasthenia gravis, des systemischen Lupus erythematodes und des rheumatischen Fiebers gezeigt. Außerdem muss man sich klar darüber sein, dass ein einmal begonnener Organschaden neue Entzündungskaskaden auslöst, die den Autoimmunprozess aufrechterhalten und verstärken. Auch wenn ihre pathogenetische Bedeutung häufig unklar ist, können Autoantikörper als Marker für bestimmte Erkrankungen fungieren.
Autoimmunerkrankungen - Mechanismen
Autoimmunphänomene können bei verschiedenen pathologischen Zuständen auftreten. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass dieser pathologische Prozess eine Autoimmunerkrankung ist. Es wurde eine ganze Reihe von Versuchen unternommen, formale Kriterien für die Diagnose von Autoimmunerkrankungen zu etablieren. Keines dieser Kriterien ist jedoch allgemein akzeptiert. In Tabelle 377e-4 findet sich eine Auflistung von Kriterien, die am ehesten als Leitlinien zur Beurteilung und Einschätzung eines klinischen Problems dienen sollten.
Hauptkriterien |
Unterstützende Befunde |
Um eine Erkrankung als autoimmun klassifizieren zu können, muss nachgewiesen werden, dass die Immunantwort auf ein Selbstantigen den beobachteten pathologischen Veränderungen zugrunde liegt. Ursprünglich wurden Antikörper, die gegen das betroffene Gewebe gerichtet und im Serum von Patienten mit verschiedenen Krankheiten nachweisbar waren, als Hinweis darauf gewertet, dass der Erkrankung eine autoimmune Pathogenese zugrunde lag. Solche Autoantikörper sind jedoch auch dann vorhanden, wenn das betroffene Gewebe durch Trauma oder Infektion geschädigt ist und die Autoantikörperbildung erst infolge der Gewebeschädigung auftritt. Es ist daher notwendig zu beweisen, dass die beobachtete Autoimmunität auch für die pathologischen Veränderungen ursächlich ist, bevor eine Erkrankung als Autoimmunkrankheit klassifiziert werden kann.
Autoantikörper, die in der Lage sind, eine Erkrankung auszulösen, sollten prinzipiell durch experimentelle Übertragung auf ein Tier in diesem die Erkrankung auslösen können. Die sich im tierischen Empfänger entwickelnde Pathologie sollte der des Patienten ähneln. Ein solches Phänomen konnte am Beispiel der Basedow-Krankheit gezeigt werden. Einige Autoimmunerkrankungen können von der Mutter auf den Fötus übertragen werden und treten dann bei den Neugeborenen der erkrankten Mütter auf. Die Krankheitssymptome des Neugeborenen verschwinden üblicherweise zeitgleich mit dem Rückgang der mütterlichen Antikörper. Eine Ausnahme ist der angeborene AV-Block, bei dem es zu einer Schädigung des sich entwickelnden Reizleitungssystems des Herzens als Folge einer Übertragung von Anti-Ro-Antikörpern durch die Mutter kommt.
Bei den meisten Autoimmunerkrankungen konnten die Faktoren, die für den Übergang von Autoimmunität in eine Autoimmunerkrankung verantwortlich sind, nicht identifiziert werden. Der Bezug zwischen Autoimmunität und der Entstehung einer Autoimmunerkrankung hängt wahrscheinlich mit der Feinspezifität der Antikörper oder der T-Lymphozyten oder auch mit deren spezifischen Effektorfunktionen zusammen. Bei vielen Erkrankungen gibt es kein mechanistisches Verständnis für die direkten pathogenen Effekte von Autoantikörpern. Man nimmt an, dass bei einigen Autoimmunerkrankungen eine dysregulierte Zytokinproduktion von T-Helferzellen (TH) im Sinne einer Imbalanz eine pathogenetische Rolle spielt. T-Lymphozyten differenzieren nach ihrer Aktivierung in verschiedene Effektorzellen, die vorrangig entweder Interferon-γ (TH1), Interleukin-4 (TH2) oder Interleukin-17 (TH17) produzieren oder den follikulären B-Lymphozyten helfen (T-Follikel-Helfer, TFH) (Kap. 372e). Erstere sind wichtig für die Makrophagenaktivierung und damit für die Vermittlung der zellulären Immunität. TH2-Zellen sind an physiologischen Immunantworten und an der Immunantwort gegen verschiedenste Parasiten beteiligt. TH17-Zellen produzieren zahlreiche proinflammatorische Zytokine, wie IL-17 und IL-22, und sind für die Generierung, Rekrutierung und Aktivierung neutrophiler Granulozyten, z. B. bei Pilzinfektionen, wichtig; TFH-Zellen unterstützen B-Lymphozyten, indem sie IL-21 produzieren. Bei einer ganzen Reihe von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Multipler Sklerose, Diabetes mellitus Typ 1 und Crohn-Krankheit wird derzeit angenommen, dass sich der überwiegende Teil der T-Lymphozyten zu TH1-Zellen differenziert, die an der resultierenden Organschädigung beteiligt sind. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass Th17 entscheidend für die Pathogenese verschiedener Autoimmunerkrankungen, insbesondere Arthritis und Enzephalitis, im Tiermodell und wahrscheinlich auch beim Menschen ist. TFh-Zellen sind für die Pathogenese von Tiermodellen des systemischen Lupus erythematodes (SLE) von Bedeutung.
Organspezifische und systemische Autoimmunerkrankungen - Mechanismen
Autoimmunerkrankungen bilden ein breites klinisches Spektrum, das von der Schädigung eines einzelnen Organs bis hin zur systemischen Schädigung vieler Organe reicht (Tab. 377e-5). Die autoimmune Hashimoto-Thyreoiditis ist ein klassisches Beispiel einer organspezifischen Autoimmunerkrankung (Kap. 405). Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Infiltration der Schilddrüse durch mononukleäre Zellen, die mit der Schädigung von follikulären Zellen einhergeht. Antikörper gegen Bestandteile der Schilddrüse lassen sich in praktisch allen Fällen nachweisen. Andere organ- oder gewebsspezifische Autoimmunerkrankungen sind Pemphigus vulgaris, autoimmune hämolytische Anämie, idiopathische thrombozytopenische Purpura, Goodpasture-Syndrom, Myasthenia gravis und die Ophthalmia sympathica. Ein wichtiges Charakteristikum einiger organspezifischer Autoimmunerkrankungen ist die Tendenz zur Überlappung von verschiedenen Syndromen, was dazu führen kann, dass ein Patient mit einem bestimmten Syndrom häufiger auch noch eine zweite Erkrankung entwickelt. So hat die perniziöse Anämie eine hohe Inzidenz bei Patienten mit autoimmuner Thyreoiditis. Noch eindrucksvoller ist die Neigung von Patienten mit einer organspezifischen Autoimmunerkrankung, zahlreiche weitere Autoimmunphänomene zu entwickeln, ohne dass eine konkrete Organpathologie vorhanden ist. Bei 50 % der Patienten mit perniziöser Anämie lassen sich Antikörper gegen Bestandteile der Schilddrüse nachweisen, während Patienten mit Myasthenia gravis antinukleäre Antikörper, antithyreoidale Antikörper, Rheumafaktoren, antilymphozytäre Antikörper oder eine polyklonale Hypergammaglobulinämie entwickeln können. Diese Phänomene können zumindest teilweise durch genetische Elemente erklärt werden, die Patienten mit diesen verschiedenen Autoimmunerkrankungen gemeinsam haben.
Die systemischen Autoimmunerkrankungen unterscheiden sich von den organspezifischen durch den Nachweis von pathologischen Veränderungen in den verschiedensten Organen und Geweben. Das wesentliche Kennzeichen dieser Erkrankungen ist der Nachweis von krankheitsassoziierten autoimmunen Manifestationen, die wahrscheinlich eine ätiologische Beziehung zur Organpathologie haben. Der systemische Lupus erythematodes ist aufgrund der Fülle von autoimmunen Organmanifestationen der „Prototyp“ einer solchen Erkrankung.
Beim systemischen Lupus erythematodes sind charakteristischerweise Nieren, Gelenke, Haut, seröse Häute, hämatopoetische Zellen, Blutgefäße und Zentralnervensystem befallen (Kap. 378). Es besteht eine Assoziation mit einem breiten Spektrum von Autoantikörpern, deren Produktion Teil einer generalisierten Hyperreaktivität des humoralen Immunsystems zu sein scheint. Weitere Merkmale des systemischen Lupus erythematodes sind eine generalisierte Hyperreaktivität von B-Lymphozyten und eine polyklonale Hypergammaglobulinämie. Aktuelle Evidenz spricht dafür, dass beim systemischen Lupus erythematodes sowohl eine Hypo- als auch eine Hyperreaktivität gegenüber einem Antigen zum Überleben und zur Aktivierung autoreaktiver B-Lymphozyten führen kann.
Behandlung: Autoimmunerkrankungen
Prinzipielle Ziele bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen können sein: (1) die Induktion von Autoimmunität zu supprimieren, (2) die Wiederherstellung normaler regulatorischer Mechanismen oder (3) die Hemmung von Effektormechanismen. Zur Reduktion autoreaktiver Zellen werden meistens immunsuppressive oder immunablative Therapien eingesetzt. In den letzten Jahren hat sich die Blockade bestimmter Zytokine als effektiv in der Verhinderung einer Aktivierung des Immunsystems bei verschiedenen Erkrankungen mit erhöhter proinflammatorischer Aktivität erwiesen. Inzwischen wurden neue Therapien entwickelt, die unter anderem Lymphozyten hochspezifisch hemmen, indem sie kostimulatorische Signale für die T- oder B-Zell-Aktivierung hemmen oder Effektor-T- und -B-Lymphozyten eliminieren. Die Effektivität dieser Therapien wurde in Studien bei verschiedenen Erkrankungen bereits demonstriert. Darunter waren z. B. die TNFα- und IL-6-Blockade, CD28-Kompetition oder B-Zell-Depletion bei rheumatoider Arthritis, die IL-12/23-Blockade bei Psoriasis und die TNFα- und IL-12-Blockade bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Der wichtigste Fortschritt bei der Hemmung von Effektormechanismen war die Einführung von zytokinblockierenden Substanzen, da diese bei einigen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Psoriasis und Spondylarthropathien auftretende Organschäden begrenzen können. Biologika, welche die Aktivierung von T-Lymphozyten hemmen (CTLA-4Ig) oder B-Lymphozyten depletieren (Anti-CD20-Antikörper), wurden vor kurzem zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Therapieformen, die solche Organschäden verhindern oder die Organfunktion verbessern, sind und bleiben ein bedeutender Therapieansatz bei Autoimmunerkrankungen.
Weiterführende Literatur
Cho JH, Gregersen PK: Genomic medicine: Genomics and the multifactorial nature of human autoimmune disease. N Engl J Med 365:1612–23, 2011
Dendrou CA, Fugger L, Friese MA: Immunopathology of multiple sclerosis. Nat Rev Immunol 15;15(9):545–58, 2015
Kamradt T, Mitchison NA: Advances in immunology: Tolerance and autoimmunity. N Engl J Med 344:655–64, 2001
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